Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 20.02.2014, Az.: 1 B 375/14

Rechtmäßigkeit der Abschiebung eines Asylbewerbers nach Italien als für die Durchführung des Asylverfahrems zuständigem Staat

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
20.02.2014
Aktenzeichen
1 B 375/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 35738
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2014:0220.1B375.14.0A

Redaktioneller Leitsatz

Es bestehen derzeit keine Anhaltspunkte dafür, dass das Asylsystem in Italien an solchen systemischen Mängeln leidet, die Ausländer der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Fall einer Rücküberstellung nach Italien eine menschenunwürdige oder erniedrigende Behandlung zu erfahren.

Gründe

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Anordnung seiner Abschiebung nach Italien.

Hierfür kann ihm die beantragte Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten nicht gewährt werden, weil sein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes keine hinreichenden Erfolgsaussichten im Sinne der §§ 166 VwGO, 114 ff ZPO hat. Die Kostenentscheidung beruht insoweit auf auf §§ 83 b AsylVfG; 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO, 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Der Antrag des Antragstellers,

die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die in Ziffer 2. des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. Januar 2014 ausgesprochene Abschiebungsanordnung nach Italien anzuordnen,

hat keinen Erfolg.

Dabei kann dahinstehen, inwieweit dem Antragsteller, der die in § 34a AsylVfG geregelte Antragsfrist versäumt hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Jedenfalls überwiegt das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung das Interesse des Antragstellers, bis zu einer Entscheidung über seine Klage vorerst im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen. Die durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge getroffene Anordnung einer Abschiebung des Antragstellers nach Italien ist rechtmäßig.

Nach § 34a AsylVfG ordnet das Bundesamt u.a. die Abschiebung in den nach § 27a AsylVfG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dabei ist nach § 27a AsylVfG ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Hier ist die Republik Italien zuständig. Dies folgt aus Art. 13 der hier noch anwendbaren VO (EG) Nr. 343/2003. Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung nicht bestimmen, welchem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrags obliegt, so ist danach der erste Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Der Antragsteller hat - belegt durch einen sog. EURODAC-Treffer - und auch nach seinen Angaben, vor seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland in Italien im Jahr 2011 einen Asylantrag gestellt. Damit ist die Republik Italien nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. c der VO (EG) Nr. 343/2003 des Rates (ABl. L, 50) verpflichtet, den Antragsteller nach Maßgabe des Art. 20 der VO (EG) Nr. 343/2003 des Rates wieder aufzunehmen.

Die Zuständigkeit für das Asylverfahren ist nicht nach Art. 17 Abs. 1 Unterabsatz 2 der VO (EG) Nr. 343/2003 auf die Antragsgegnerin übergegangen. Wird das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers nicht innerhalb der Frist von drei Monaten unterbreitet, so ist danach der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Asylantrag gestellt wurde. Diese Vorschrift ist, was bereits der Wortlaut zeigt, nur auf Antragsteller anwendbar, die noch keinen Asylantrag in einem anderen Mitgliedstaat gestellt haben, d.h. auf Asylbewerber im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der VO (EG) Nr. 343/2003. Hingegen ist das Gesuch um Wiederaufnahme nach Art. 20 Abs. 1 i.V. mit Art. 16 Abs. 1 Buchst. c der VO (EG) 343/2003 nicht fristgebunden (so auch z.B. VG Göttingen, Beschl. v. 11.10.2013 - 2 B 806/13 -, ; VG Regensburg, Beschl. v. 5.7.2013 - RN 5 S 13.30273 -, ).

Die Antragsgegnerin hat weiter nicht bereits von dem sog. Recht zum Selbsteintritt Gebrauch gemacht, das sich aus Art. 3 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 343/2003 ergibt. Danach kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird hierdurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung. Dabei steht es grundsätzlich in dem Ermessen des jeweiligen Mitgliedstaates, ob er in das Asylverfahren im Sinne der genannten Vorschrift eintritt (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, C- 411/10 -, ).

Eine bloß routinemäßige Anhörung des Asylbewerbers zu den Gründen der Verfolgungsfurcht für sich genommen bringt regelmäßig nicht hinreichend zum Ausdruck, die Antragsgegnerin habe sich entschlossen, von ihrem Recht Gebrauch zu machen, das Asylverfahren abweichend vom Regelfall in seiner "Gesamtheit" in eigener Verantwortung durchzuführen. Vielmehr dient die Anhörung gerade auch dem Ziel, Angaben über Reisewege und Aufenthalte in anderen Staaten sowie darüber zu erhalten, ob bereits in anderen Staaten ein Verfahren mit dem Ziel der Anerkennung als ausländischer Flüchtling oder ein Asylverfahren eingeleitet oder durchgeführt ist und soll gerade auch eine Grundlage für eine Entscheidung nach § 27 a AsylVfG sein (vgl. VG des Saarlandes, Urt. v. 24.09.2008 - 2 K 94/08 - ).

Der Antragsteller kann zuletzt nicht verlangen, dass die Antragsgegnerin von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch macht.

Es gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - und der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - steht. Diese Vermutung kann allerdings widerlegt werden. Es obliegt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs den nationalen Gerichten, einen Asylbewerber nicht an den nach der VO (EG) Nr. 343/2003 zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden Der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, ist in einem solchen Fall verpflichtet, den Asylantrag selbst zu prüfen, sofern nicht ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, C-411/10 u. a., NVwZ 2012, 417, 419 ff. [EuGH 21.12.2011 - Rs. C-411/10; C-493/10]).

Derartige systemische Mängeln in dem Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber können in der Republik Italien nicht festgestellt werden (so auch z.B. Nds.OVG, Beschlüsse v. 2.5.2012 - 13 MC 22/12 -; 2.8.2012 - 4 MC133/12 -; , 29.1.2014 - 9 LA 20/13 -; 30.1.2014 - 4 LA 167/13 -; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 14.11.2013 - 4 L 44/13 -, [...]; VG Stade, Beschl. v. 19.2.2014 - 6 B 210/14 -, VG Oldenburg, Beschl. v. 21.1.2014 - 3 B 6802/13 - [...]; VG Hamburg, Urt. v. 18.7.2013 - 10 A 581/13 -, ). Das Verwaltungsgericht Hamburg führt hierzu aus:

"Unter Berücksichtigung des Vortrags der Kläger zu dem Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien, der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen und des Inhalts der beigezogenen Behördenakten kann nicht festgestellt werden, dass in Italien derartige systemische Mängel betreffend das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen vorliegen, die für den Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr begründen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in dem ersuchten Mitgliedstaat Italien ausgesetzt zu werden.

Diese Erkenntnis stützt das Gericht im Wesentlichen auf die ausführlichen und sorgfältig aufbereiteten Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in dessen aktuellem Urteil vom 2.4.2013 in Sachen Mohammed Hussein u. a. gegen die Niederlande und Italien (Application No. 27725/10) - zu finden in - und die darin zitierten Berichte, aber auch auf die anderen in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen. Danach gestaltet sich das Asylverfahren in Italien wie folgt:

Ein Asylgesuch kann entweder bei den Grenzpolizeibehörden oder, sofern sich der Betreffende bereits im Land befindet, bei der Ausländerabteilung des örtlichen Polizeipräsidiums (questura) angebracht werden. Sobald das Asylgesuch formell aufgenommen worden ist, erhält der Asylbewerber Zugang zu einem (förmlichen) Asylverfahren und darf sich während des laufenden Verfahrens in Italien aufhalten. Ist der Asylbewerber nicht im Besitz eines gültigen Einreisevisums, hat er sich - soweit erforderlich unter Hinzuziehung eines Dolmetschers - einer erkennungsdienstlichen Behandlung durch die Polizei zu unterziehen. Hierbei werden Passbilder gefertigt und Fingerabdrücke genommen. Die Fingerabdrücke werden auf Eurodac-Treffer bzw. Treffer in der nationalen Datenbank AFIS (Automated Fingerprint Identification System) überprüft. Im Anschluss an die erkennungsdienstliche Behandlung erhält der Asylbewerber ein Bestätigungsformular (cedolino), auf dem spätere Termine notiert werden, insbesondere der Termin für die förmliche Aufnahme des Asylgesuchs. Diese förmliche Aufnahme erfolgt in Schriftform. Im Rahmen einer Anhörung wird der Asylbewerber in einer ihm geläufigen Sprache zu seinen persönlichen Daten (Name, Vorname, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Namen und Vornamen der Eltern, Ehegatten, Kinder und deren Aufenthaltsort), seinem Reiseweg, seinen Fluchtgründe sowie seinen Gründe für die Asylantragstellung in Italien befragt. Seine Angaben werden auf einem Formblatt festgehalten. Zusätzlich wird dem Asylbewerber aufgegeben, seine Asylgründe in eigenen Worten in seiner Sprache zusammenzufassen. Sein Schreiben wird an das Formblatt angehängt. Das Original des vollständigen Asylantrags verbleibt bei der Polizei; der Asylbewerber erhält eine gestempelte Kopie. Später wird der Asylbewerber im Beisein eines Dolmetschers durch die zuständige Kommission für die Zuerkennung Internationalen Schutzes angehört. Die Kommission kann sodann (1.) Asyl gewähren und dem Betreffenden die Flüchtlingseigenschaft zuerkennen, (2.) dem Betreffenden zwar die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft verwehren, ihm aber subsidiären Schutz zuerkennen, (3.) weder die Flüchtlingseigenschaft noch subsidiären Schutz zuerkennen, aber eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen erteilen oder (4.) dem Asylbewerber nichts dergleichen zuerkennen, sondern ihm aufgeben, Italien binnen 15 Tagen zu verlassen (vgl. zum Ganzen EGMR, Urt. v. 2.4.2013, a. a. O., Rn. 33-36).

Was die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber anbelangt, lässt sich dem Urteil des EGMR, den darin genannten Berichten und auch den weiteren zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen entnehmen, dass in Italien verschiedene Einrichtungen zur Aufnahme von Asylbewerbern zur Verfügung stehen, namentlich die Erstaufnahmeeinrichtungen (Centri di Accoglienza per Richiedenti Asilo - CARA und Centri di Accoglienza - CDA), das Schutzsystem für Asylsuchende und Flüchtlinge (Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugiati - SPRAR), die Einrichtungen des Zivilschutzes (Protezione Civile) und das kommunale Aufnahmesystem in den Großstädten wie z. B. Rom, Mailand, Florenz und Turin (EGMR, a. a. O., Rn. 46 unter Hinweis auf den "Dublin II Regulation National Report" über Italien des European Network for technical cooperation of the application of the Dublin II Regulation vom 19.12.2012). Die Gesetzeslage sieht vor, dass bei der Unterbringung von Asylbewerbern deren besonderen Bedürfnissen, insbesondere denen von besonders schutzwürdigen Personengruppen (z. B. unbegleiteten Minderjährige, Menschen mit Behinderungen, Schwangeren, Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern) Rechnung zu tragen ist (EGMR, a. a. O., Rn. 43 mit Hinweis auf UNHCR Recommendations on important aspects of refugee protection in Italy aus dem Juli 2012).

Nach den zur Verfügung stehenden Auskünften werden Asylbewerber für die Dauer des Anhörungsverfahrens in einem der neun CARA-Erstaufnahmeeinrichtungen oder einem der kleineren, gut ausgestatteten 150 SPRAR-Aufnahmeprojekten, geleitet von 128 lokalen Körperschaften, untergebracht. Hier stehen laut Angaben Italiens 4.102 Plätze (CARA) bzw. noch einmal 3.000 Plätze (SPRAR) zur Verfügung. Hiervon sind 500 Plätze für besonders schutzbedürftige Personen reserviert (EGMR, a. a. O., Rn. 43 mit Hinweis auf die Angaben der italienischen Behörden im dortigen Verfahren sowie UNHCR Recommendations on important aspects of refugee protection in Italy aus dem Juli 2012; vgl. auch Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Freiburg v. 11.7.2012, S. 3). Die Gesamtanzahl an Plätzen ist im Laufe des Jahres 2011 durch die Unterstellung der Erstaufnahme von Flüchtlingen aus Nordafrika an den Zivilschutz erheblich erhöht worden (Auswärtiges Amt, a. a. O.; vgl. auch EGMR, a. a. O., Rn. 43 mit Hinweis auf UNHCR Recommendations on important aspects of refugee protection in Italy aus dem Juli 2012). So wurden im Jahre 2011/2012 kurzfristig 20.000 Aufnahmeplätze (Unterkunft und Verpflegung) in kleinen bis mittleren Einrichtungen in Italien geschaffen (EGMR, a. a. O., Rn. 43 mit Hinweis auf UNHCR Recommendations on important aspects of refugee protection in Italy aus dem Juli 2012; ASGI-Bericht an das VG Darmstadt v. 20.11.2012, S. 10).

Hinsichtlich der Gesundheitsversorgung ist hervorzuheben, dass nach den allgemeinen Bestimmungen zur Einwanderung eine allgemeine Regel gilt, nach der jede Person, die sich auf italienischem Hoheitsgebiet befindet, unabhängig von der bestehenden oder nicht bestehenden Rechtmäßigkeit des Aufenthalts, nach den verfassungsrechtlichen Grundsätzen Anspruch auf dringend erforderliche oder doch wichtige ambulante oder stationäre Versorgung hat, auch wenn diese dauerhaft sein sollte (ASGI-Bericht, a. a. O., S. 11). Flüchtlinge, Asylbewerber und Personen, die unter humanitärem Schutz stehen, sind in Fragen der Gesundheitsvorsorge und -versorgung den italienischen Staatsbürgern gleichgestellt. Während des Asylverfahrens haben Asylbewerber Anspruch auf Unterbringung, Verpflegung, freie medizinische Versorgung einschließlich der Versorgung mit Medikamenten, psychologische Hilfe (insbesondere für Minderjährige und traumatisierte Flüchtlinge) und Dolmetscher (Art. 16, 20 Gesetz Nr. 25/2008) (EGMR, a. a. O., Rn. 43 mit Hinweis auf die Angaben der italienischen Behörden im dortigen Verfahren; Auswärtiges Amt, a. a. O.).

Bezüglich der besonderen Situation sog. Dublin-Rückkehrer ist den zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen zu entnehmen, dass auch in diesen Fällen das oben beschriebene Verfahren greift, ohne dass irgendwelche Besonderheiten bestünden (Auswärtiges Amt, a. a. O.). Bei Ankunft am Flughafen wird einem sog. Dublin-Rückkehrer durch die Grenzpolizei mitgeteilt, welche Polizeistation für seinen Fall zuständig ist und dass er binnen fünf Tagen dort vorstellig werden müsse. Die Reisekosten trägt das Innenministerium (EGMR, a. a. O., Rn. 47). Das weitere Verfahren auf der Polizeiwache hängt davon ab, ob der Betreffende während seines Voraufenthalts in Italien einen Asylantrag gestellt hatte oder nicht. Hatte der Betreffende bereits einen Asylantrag gestellt, so wird das Verfahren in dem Stadium wiederaufgenommen, in dem es sich befunden hatte, als der Betreffende Italien verlassen hat (EGMR, a. a. O., Rn. 47 und Rn. 50 unter Hinweis auf den Report "Dublin II Regulation, Lives on hold" des Forum Réfugiés, Cosi, dem Ungarischen Helsinki-Komitee und dem European Council on Refugees and Exiles vom 3.2.2013). Hatte der Betreffende noch keinen Asylantrag gestellt, kann er dies nunmehr nachholen und erhält dabei dieselben o. g. Rechte zuerkannt wie jeder andere Asylbewerber (EGMR, a. a. O., Rn. 43 mit Hinweis auf die Angaben der italienischen Behörden im dortigen Verfahren). Sofern ein Asylantrag gestellt bzw. das Asylverfahren noch weitergeführt wird, wird den Betreffenden eine Unterkunft in einer der oben genannten Einrichtungen zur Verfügung gestellt (Auswärtiges Amt, a. a. O.). In den letzten Jahren sind speziell für Dublin-Rückkehrer temporäre Aufnahmezentren geschaffen worden, in denen insbesondere besonders schutzbedürftige Personen untergebracht werden können, bis eine andere Unterbringungsmöglichkeit für sie gefunden ist (EGMR, a. a. O., Rn. 49 unter Hinweis auf den "Dublin II Regulation National Report" über Italien des European Network for technical cooperation of the application of the Dublin II Regulation vom 19.12.2012). Sofern der überstellende Mitgliedstaat Italien Mitteilung über eine besondere Schutzbedürftigkeit der betreffenden Person macht, wird dem von italienischer Seite Rechnung getragen (EGMR, a. a. O., Rn. 43 mit Hinweis auf die Angaben der italienischen Behörden im dortigen Verfahren).

Den zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen lässt sich zwar entnehmen, dass die Aufnahmeeinrichtungen teilweise überlastet sind und daher für einzelne Asylbewerber eine durchaus beachtliche Gefahr der Obdachlosigkeit bestehen kann. Auch hinsichtlich der Sicherung des Lebensunterhalts und der Gesundheitsfürsorge lassen sich den Erkenntnisquellen zufolge Mängel in Italien ausmachen. So stellt etwa der UNHCR fest, dass Italien inzwischen zwar einige Verbesserungen in seinem Aufnahmesystem erreicht habe, kritisiert aber insbesondere die weiterhin gegebene Gefahr, dass zu Stoßzeiten im bestehenden Aufnahmesystem nicht genügend Unterbringungsplätze zur Verfügung stehen (UNHCR Recommendations on important aspects of refugee protection in Italy aus dem Juli 2012, wiedergegeben bei EGMR, a. a. O., Rn. 43). Eine generelle Empfehlung, Asylbewerber nicht nach Italien zu überstellen, spricht der UNHCR gleichwohl nicht aus. Engpässe bei den zur Verfügung stehenden Plätzen in den Unterbringungseinrichtungen stellt auch das European Network for technical cooperation of the application of the Dublin II Regulation in seinem "Dublin II Regulation National Report" über Italien vom 19.12.2012 (wiedergegeben bei EGMR, a. a. O., Rn. 46) fest. Diesem Bericht ist zudem zu entnehmen, dass es auch vorkommen kann, dass sog. Dublin-Rückkehrer keine Unterkunft in den regulären Unterbringungszentren erhalten und in sog. selbstorganisierten Unterbringungsformen (in den großen Städten) unterkommen müssen. Allerdings ist festzustellen, dass es sich bei den in den - sowohl von staatlichen Stellen als auch von Nichtregierungsorganisationen stammenden - Berichten und Auskünften aufgezeigten Defiziten nicht um strukturelle landesweite Missstände im Sinne eines systemischen Mangels handelt, die eine individuelle Gefährdung eines jeden Einzelnen oder einer nennenswerten Anzahl von Asylbewerbern im Falle der Abschiebung nach Italien begründeten und die von den italienischen Behörden tatenlos hingenommen würden (im Ergebnis ebenso EGMR, a. a. O., Rn. 78 (jedenfalls im Hinblick auf besonders schutzbedürftige Personen); OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 17.6.2013, OVG 7 S 33.13, Rn. 13 ff.; OVG Lüneburg, Beschl. v. 2.5.2012, 13 MC 22/12, Rn. 24 f.; VG Düsseldorf, Urt. v. 27.6.2013, 6 K 7204/12.A, Rn. 62; VG Regensburg, Beschl. v. 15.5.2013, RN 5 S 13.30156, Rn. 30 ff.; VG Bremen, Gerichtsb. v. 14.5.2013, 6 K 412/11.A, Rn. 26 ff.; VG Düsseldorf, Urt. v. 26.4.2013, 17 K 1775/12.A, Rn. 55; Urt. v. 19.3.2013, 6 K 2643/12.A, Rn. 56 ff. - jeweils zitiert nach [...]).

Dem steht das von dem erkennenden Gericht in seinem Beschluss vom 1.3.2013 (10 AE 582/13) erwähnte Gutachten der Flüchtlingsorganisation borderline-europe, Menschenrechte ohne Grenzen e.V. aus dem Dezember 2012 nicht entgegen. Dem Gutachten ist zwar zu entnehmen, dass in Italien insbesondere hinsichtlich der Aufnahmebedingungen, der Sicherung des Lebensunterhalts und der Gesundheitsfürsorge der Asylsuchenden (einschließlich der sog. Dublin-Rückkehrer) Missstände auszumachen sind. Allerdings kann auch diesem Bericht insbesondere nicht entnommen werden, dass generell alle nach Italien zurückgeschobenen Asylbewerber in einer Art und Weise behandelt würden, die den Vorgaben der einschlägigen Regelungen widersprechen. Die Ausführungen in dem Gutachten vermögen das Gericht daher nach sorgfältiger Auswertung im vorliegenden Hauptsacheverfahren nicht davon zu überzeugen, dass es sich bei den aufgezeigten Defiziten und Missständen um einen systemischen Mangel, d. h. um systematische und landesweite Defizite handelt, die eine individuelle Gefährdung eines jeden einzelnen oder einer nennenswerten Anzahl von Asylbewerbern im Falle der Abschiebung nach Italien begründen und von den italienischen Behörden tatenlos hingenommen werden (in diesem Sinne auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.6.2013, OVG 7 S 33.13, Rn. 25 ff.; VG Berlin, Beschl. v. 5.6.2013, 21 L 151.13,Rn. 30; VG Düsseldorf, Urt. v. 26.4.2013, Rn. 54 f. - zitiert nach [...]).

Vor diesem Hintergrund steht im Ergebnis zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Situation von Asylbewerbern in mancher Beziehung in Italien durchaus angespannt, aber nicht so zugespitzt ist, dass sie - ähnlich wie es für die Situation in Griechenland in der Vergangenheit angenommen wurde und auch heute noch wird - dazu führt, dass Asylbewerber nicht mehr nach Italien rücküberstellt werden dürften."

Dem schließt sich die Einzelrichterin an. Bei der Prüfung der Frage, inwieweit ein Mitgliedstaat nach Art. 3 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 343/2003 zum Selbsteintritt verpflichtet ist, ist dabei auch zu berücksichtigen, dass der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte -EGMR- über den jeweils entschiedenen Fall hinaus eine Orientierungs- und Leitfunktion zukommt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.8.2013 - 2 BvR 1380/08 -, ; BVerwG, Urt. v. 28.2.2013 - BVerwG 2 C 3.12 - ZBR 2013, 257). Außerdem hat der EGMR seine Einschätzung hinsichtlich der Situation von Asylsuchenden in Italien im Jahr 2013 in weiteren Entscheidungen bestätigt (Entscheidungen vom 4. 6.2013 - Nr. 6198/12 - Daytbegova und Magomedova ./. Österreich, 18.6. 2013 - Nr. 53852/11 - Halimi ./. Österreich und Italien, ZAR 2013, 338 f, und Nr. 73874/11 - Abobeker ./. Österreich und Italien - und vom 10.9.2013 - Nr. 2314/10 -). Vor diesem Hintergrund vermögen dem gegenüber die von dem Antragsteller genannten Entscheidungen anderer Gerichte bzw. anderer Einzelrichter des erkennenden Gerichts nicht zu überzeugen (vgl. hierzu auch VG Stade, Beschl. v. 19.2.2014 - 6 B 210/14 -).

Das Gutachten der Schweizerischen Flüchtlingshilfe von Oktober 2013 rechtfertigt ebenfalls keine andere Entscheidung. Diesem Bericht lässt sich keine grundlegend andere Einschätzung entnehmen als dem vom EGMR gewürdigten Bericht derselben Organisation aus dem Jahr 2011 (vgl. VG Hannover, Beschl. v. 19.11.2013 - 5 B 7101/13 - 5 A 7100/13 -). Zudem stellt dieser Bericht nur auf die Umstände in Rom und Mailand ab und trifft keine Aussage über die landesweiten Verhältnisse. In der Einleitung des Berichts wird unter 1.1., insbesondere 1.2. Methode, ausgeführt: "Aufgrund großer Differenzen je nach Gemeinde und Region kann kein Überblick über die Situation im ganzen Land gegeben werden." Im Übrigen lassen sich diesem Bericht zwar ebenfalls Defizite ersehen, die bei der Unterbringung von Asylbewerbern aber v.a. bei denjenigen bestehen, die als Schutzberechtigte anerkannt wurden. Auch aus diesem Bericht ergeben sich aber keine hinreichenden Tatsachenfeststellungen, die die Annahme rechtfertigen könnten, es bestünden in Italien systemische, d.h. das gesamte System betreffende Defizite, die zu einer individuellen Gefährdung eines jeden einzelnen oder einer nennenswerten Anzahl von Asylbewerbern im Falle der Abschiebung nach Italien führen. Soweit der Bericht die Situation derjenigen sog. Dublin II Rückkehrer darstellt, die in Italien bereits einen Schutzstatus erhalten hatten, ist die Lage des Antragstellers hiermit nicht vergleichbar.

Auch der Stellungnahme des UNHCR vom Dezember 2013 und dessen Bericht "UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien" von Juli 2013 lässt sich nicht in ausreichendem Maße entnehmen, dass ein "systemisches Versagen" der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen vorliegt und das Asylverfahren und die Bedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern in Italien systemische Mängel aufweisen (vgl. VG Oldenburg, Beschl. v. 21.1.2014 - 3 B 6802/13 -; VG Stade, Beschl. v. 19.2.2014 - 6 B 210/14 -). Der UNHCR hat weiterhin keine generelle Empfehlung ausgesprochen, Asylbewerber und Ausländer, die bereits einen Schutzstatus in Italien haben, nicht nach Italien zu überstellen. Dies ist auch deshalb von erheblicher Bedeutung, weil die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem Mitgliedstaat, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin II-VO als zuständiger Staat bestimmt wird, angesichts der Rolle, die dem Amt des UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, die bei der Auslegung der unionsrechtlichen Asylvorschriften zu beachten ist, besonders relevant sind (vgl. EuGH, Urteil vom 30.5.2013 - C- 528/11 -, , Rn. 44, NVwZ-RR 2013, 660 ff [EuGH 30.05.2013 - Rs. C-528/11]; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.1.2014 - 3 B 6802/13 -).

Aus der persönlichen Situation des Antragstellers ergibt sich ebenfalls keine Verpflichtung der Antragsgegnerin, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen. Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die dies notwendig machten, sind nicht ersichtlich. Der Antragsteller hat individuelle konkrete Gefährdungstatbestände nicht glaubhaft gemacht. Solche ergeben sich auch nicht aus seiner persönlichen Schilderung zu seinem Aufenthalt in Italien. Diese spiegelt allenfalls den sich auch aus den oben zitierten Berichten ersichtlichen Umstand wieder, dass es in der Republik Italien in der Vergangenheit zu Missständen bei der Unterbringung von Asylbewerbern gekommen ist. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sich derartiges im Falle einer Abschiebung des Antragstellers wiederholen wird, bestehen aber nicht.

Zuletzt liegen keine inlandsbezogene Abschiebungs- oder Vollstreckungshindernisse vor. Nach allem steht im Sinne von § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO; 83 b AsylVfG.