Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 19.02.2014, Az.: 6 B 210/14

Prüfen eines von einem Drittstaatangehörigen eingereichten Asylantrags durch einen Mitgliedstaat i.R.e. Abschiebungsanordnung nach Italien

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
19.02.2014
Aktenzeichen
6 B 210/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 11680
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2014:0219.6B210.14.0A

Fundstelle

  • AUAS 2014, 60

Redaktioneller Leitsatz

Im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO ist derzeit nicht ernsthaft zu befürchten, dass Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber implizieren. Trotz einiger Defizite werden die unabdingbaren Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Asylverfahrens nicht unterschritten.

Gründe

1.

Der Antrag des Antragstellers,

die aufschiebende Wirkung seiner Klage - 6 A 209/14 - gegen die in Ziffer 2. des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. Januar 2014 ausgesprochene Abschiebungsanordnung nach Italien anzuordnen,

hat keinen Erfolg.

Der Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 34a Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes - AsylVfG - in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474) zulässig.

Der Antrag ist jedoch unbegründet.

Mit dem Bescheid vom 28. Januar 2014 hat das Bundesamt festgestellt, dass der Asylantrag des Antragstellers gemäß § 27a des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) unzulässig ist, und gemäß § 34a AsylVfG dessen Abschiebung nach Italien angeordnet.

Gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG in der hier anzuwendenden Fassung des Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU (sog. Qualifikationsrichtlinie) vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474), die nach Art. 7 Satz 2 dieses Gesetzes am Tag nach der Verkündung - somit am 6. September 2013 - in Kraft getreten ist, ordnet das Bundesamt, wenn der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Die Klage des Ausländers gegen die Abschiebungsanordnung hat keine aufschiebende Wirkung (vgl. § 75 Satz 1 AsylVfG).

In Verfahren dieser Art kann einstweiliger Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichte nach Maßgabe des § 34a Abs. 2 AsylVfG n.F. gewährt werden. Nach der geänderten Fassung des § 34a Abs. 2 AsylVfG, die am 6. September 2013 in Kraft getreten ist, sind Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsanordnung innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig.

Die gerichtliche (Eil-)Entscheidung geht hier zulasten des Antragstellers aus. Nach Aktenlage hat das Bundesamt zu Recht entschieden, dass der in der Bundesrepublik Deutschland am 1. Oktober 2013 gestellte Antrag des Antragstellers unzulässig ist, und dessen Abschiebung nach Italien angeordnet.

Italien ist der Mitgliedstaat, der nach der VO (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 - Dublin II-VO - zur Prüfung des Asylantrags des Antragstellers zuständig ist. Italien ist damit gemäß Art. 16 Abs. 1 c) Dublin II-VO gehalten, den Antragsteller - einen Drittstaatsangehörigen, der sich während der Prüfung seines Antrags in Italien unerlaubt im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland, eines anderen Mitgliedstaats, aufhält - nach Maßgabe des Art. 20 Dublin II-VO wieder aufzunehmen.

Die Zuständigkeitskriterien der Dublin II-VO sind hier maßgeblich. Die nach ihrem Artikel 49 Abs. 1 am 19. Juli 2013 in Kraft getretene VO (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist - Dublin III-VO -, ist nach ihrem Artikel 49 Unterabsatz 2 auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die "ab dem 1. Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten" - also ab 1. Januar 2014 - gestellt werden, und gilt ab diesem Zeitpunkt - ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung - für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Für einen Antrag auf internationalen Schutz, der vor diesem Datum eingereicht wird, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien der VO (EG) Nr. 343/2003 - Dublin II-VO -. Der Antragsteller hat vor dem 1. Januar 2014 internationalen Schutz beantragt. Er hat bereits am 31. Dezember 2009 in Italien - Bari - um internationalen Schutz nachgesucht. Auch das Wiederaufnahmegesuch der Bundesrepublik Deutschland ist noch vor dem 1. Januar 2014 - nämlich am 20. November 2013 - erfolgt.

Gemäß Art. 5 Abs. 1 Dublin II-VO finden die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung. Gemäß Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO wird bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mitgliedstaats von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

Die Zuständigkeit Italiens für die Durchführung des Asylverfahrens ergibt sich hier aus Art. 13 Dublin II-VO. Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung nicht bestimmen, welchem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrags obliegt, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Der Antragsteller hat am 31. Dezember 2009 erstmals einen Asylantrag in Italien gestellt.

Schließlich hat Italien mit Schreiben vom 3. Dezember 2013 die Wiederaufnahme des Antragstellers gemäß Art. 16 Abs. 1 c) Dublin II-VO im Hinblick auf den dort gestellten Asylantrag akzeptiert.

Die Antragsgegnerin ist nicht verpflichtet, das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO auszuüben.

Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin II-VO zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung. Ob der Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem Ermessen, dessen Ausübung integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 - zitiert nach [...]). Es gilt nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. das Urteil vom 21. Dezember 2011) die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - und der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - steht. Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden. Sie ist widerlegt, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber implizieren. Der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, ist in einem solchen Fall verpflichtet, den Asylantrag selbst zu prüfen, sofern nicht ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann.

Nach Maßgabe der vorgenannten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs besteht keine Verpflichtung der Antragsgegnerin, den Asylantrag des Antragstellers selbst zu prüfen. Denn es ist auf der Grundlage des vorliegenden Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern in Italien nicht ernsthaft zu befürchten, dass das Asyl-verfahren und die Aufnahmebedingungen dort grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat über-stellten Asylbewerber implizieren.

Dies hat das Bundesamt in dem Bescheid vom 28. Januar 2014 im Einzelnen ausgeführt. Das Gericht macht sich diese Ausführungen zu eigen. Die Einschätzung des Bundesamtes entspricht der ständigen Rechtsprechung des Gerichts (vgl. den Beschluss vom 28. Januar 2014 - 6 B 99/14 -).

Der abweichenden Auffassung des Einzelrichters D. (vgl. etwa den Beschluss vom 10. Februar 2014 - 6 B 123/14 -) vermag sich das Gericht weiterhin nicht anzuschließen.

Diese Auffassung setzt sich mit der einschlägigen Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. die Beschlüsse vom 2. Mai 2012 - 13 MC 22/12 -, 2. August 2012 - 4 MC133/12 -, 29. Januar 2014 - 9 LA 20/13 - und 30. Januar 2014 - 4 LA 167/13 -) und anderer Obergerichte (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14. November 2013 - 4 L 44/13 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Juni 2013 - 7 S 33.13 -; BayVGH, Beschlüsse vom 6. Februar 2013 - 20 ZB 12.30286 - und vom 25. September 2012 - 13 a ZB 12.30236 -) nicht auseinander und würdigt die Auskünfte des Auswärtigen Amtes nicht hinreichend.

Obendrein verkennt diese Auffassung die Orientierungs- und Leitfunktion der Rechtsprechung des EGMR. Die Annahme (vgl. Beschluss vom 10. Februar 2014 - 6 B 123/14 - S. 12), dem EGMR hätten bei seiner Entscheidung vom 2. April 2013 "neuere Erkenntnisse" "weitgehend" nicht vorgelegen, relativiert die Entscheidung des EGMR zu einer bloßen Momentaufnahme und übersieht zudem, dass der EGMR seine Einschätzung hinsichtlich der Situation von Asylsuchenden in Italien im Jahr 2013 in weiteren Entscheidungen bestätigt hat. Der Gerichtshof hat dabei deutlich gemacht, dass Art. 3 EMRK der Überstellung von Asylbewerbern nach Italien regelmäßig nicht entgegensteht. Er hat dies auch für besonders schutzbedürftige Gruppen wie etwa Alleinerziehende mit Kleinkindern oder traumatisierte Personen angenommen. Der EGMR ist unter Berücksichtigung der Berichte von Regierungs- und Nichtregierungsinstitutionen sowie -organisationen zu dem Schluss gekommen, dass die allgemeine Situation und die Lebensbedingungen in Italien für Asylbewerber, anerkannte Flüchtlinge und Ausländer, die aus Gründen des internationalen Schutzes oder zu humanitären Zwecken eine Aufenthaltserlaubnis haben, einige Mängel aufweisen mag, dass jedoch kein systematisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für Asylbewerber als Mitglieder einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe feststellbar sei (Beschlüsse vom 2. April 2013 - 27725/10 - ZAR 2013, 336, vom 18. Juni 2013 - 53852/11 - ZAR 2013, 338, und vom 10. September 2013 - 2314/19 -; hierzu auch Thym, ZAR 2013, 331; Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 29. Januar 2014 - 9 LA 20/13 -).

Dazu im Einzelnen:

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht führt in dem Beschluss vom 2. Mai 2012 - 13 MC 22/12 - nach Wiedergabe der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 21. Dezember 2011) aus:

"Bei Anwendung dieser Grundsätze hat die Antragstellerin hinsichtlich Italien keine konkreten Umstände geltend gemacht, die die im Hinblick auf die dortige Behandlung von Flüchtlingen ausnahmsweise Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes rechtfertigen könnten. In seinem Beschluss vom 26. September 2011 hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin aufgrund ihrer individuellen Verhältnisse in Italien einer konkreten Gefahr für Leib und Leben oder politischer Verfolgung, unmenschlicher Behandlung bzw. einer Schutzverweigerung ausgesetzt wäre. In diesem Zusammenhang hat es darauf verwiesen, dass nach den Erkenntnissen des Bundesamtes jede Person, die in Italien Asyl beantragt habe oder der Schutz gewährt worden sei, unabhängig von einem festen Wohnsitz einen gesetzlichen Anspruch auf Gesundheitsversorgung entsprechend dem Anspruch italienischer Bürger habe. Auch bekämen alle im Rahmen des Dublin-Verfahrens nach Italien zurückgeführten Personen von der zuständigen Questura eine Unterkunft mit der Auflage zugeteilt, sich dort zu melden. Etliche Personen begäben sich jedoch nicht zu der zugewiesenen Adresse. Sei das Asylverfahren noch nicht abgeschlossen, werde der Asylbewerber in einer Aufnahmeeinrichtung untergebracht und das Asylverfahren fortgesetzt. Wie für alle anderen Asylbewerber bestehe dabei ein Anspruch auf soziale Mindestleistungen. Auf diese Ausführungen, die einem im Entscheiderbrief 7/2011 (S. 1 ff.) veröffentlichten Bericht entnommen sind, der seinerseits eine Reaktion auf den von Pro Asyl im Februar 2011 veröffentlichten Bericht von Bethge und Bender zur Situation von Flüchtlingen in Italien ist, ist die Antragstellerin nicht näher eingegangen. Vor diesem Hintergrund ist eine Abänderung der Beschlüsse des Verwaltungsgerichts vom 1. und 26. September 2011 nicht gerechtfertigt. Auch dem Senat liegen gegenwärtig keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass sich Italien von seinen Verpflichtungen gegenüber schutzsuchenden Personen gelöst hätte und § 34a Abs. 2 AsylVfG deshalb nicht anzuwenden wäre. So werden die vorstehenden Erkenntnisse durch die Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Darmstadt vom 29. November 2011 bestätigt. Auch der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe über das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Italien vom Mai 2011 weist zwar auf Probleme bei der Unterbringung und der Information über den bestehenden Anspruch auf Gesundheitsversorgung hin, eine grundsätzliche Abkehr Italiens von seinen völker- und europarechtlichen Verpflichtungen gegenüber Flüchtlingen kann darin jedoch nicht gesehen werden. Hinzu kommt, dass offenbar in der Praxis viele Dublin-II-Rückkehrer aus unterschiedlichen Motiven auf einen Asyl- oder Schutzantrag verzichten, so dass ihnen die staatlichen Aufnahmezentren und andere Leistungen nicht mehr offenstehen. In diesem Zusammenhang hat auch die Verteilung der zur Verfügung stehenden Unterkünfte über das gesamte Land und deren Lage in für Flüchtlinge teilweise weniger attraktiven Regionen negativen Einfluss auf die Akzeptanz dieser Unterbringung durch die Schutzsuchenden. Die damit verbundenen, möglicherweise schwierigen Lebensverhältnisse derjenigen Personen, die sich aus diesen Gründen dem staatlichen Hilfssystem (teilweise) entziehen, haben auf die Frage der Beurteilung der grundsätzlichen Behandlung Schutzsuchender durch Italien jedoch keinen Einfluss. Kurzfristige Überforderungserscheinungen aufgrund eines zeitweise stark erhöhten Flüchtlingsaufkommens rechtfertigen die Annahme einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung von Flüchtlingen in Italien ebenso wenig, wie die von einzelnen italienischen Stellen in der Vergangenheit bisweilen öffentlichkeitswirksam betriebene Dramatisierung der tatsächlichen Situation. Der Verurteilung Italiens durch den EGMR wegen der unmittelbaren Zurückschiebung eritreischer und somalischer Bootsflüchtlinge nach Libyen (Entscheidung vom 23.02.2012 - Az. 27765/09 -; vgl. etwa FAZ v. 24. Februar 2012, S. 6) kommt für den vorliegenden Fall keine Bedeutung zu, da sich Italien gerade zur Durchführung des Asylverfahrens der Antragstellerin bereiterklärt hat. Eine Empfehlung des UNHCR, Asylsuchende nicht an Italien zu überstellen, liegt bislang nicht vor.

Angesichts dieser Erkenntnislage drängt sich eine Durchbrechung des Systems der normativen Vergewisserung und der europarechtlich vorgegebenen Zuständigkeitsordnung nicht auf. Alleine der Umstand widersprechender erstinstanzlicher Entscheidungen ist nicht geeignet, die gesetzgeberische Entscheidung des § 34a Abs. 2 AsylVfG außer Kraft zu setzen (so aber offenbar OVG NRW, Beschl. v. 1. März 2012 - 1 B 234/12.A -, [...]). Vielmehr spricht gerade der Umstand, dass die Situation der Flüchtlinge in Italien von den Verwaltungsgerichten unterschiedlich eingeschätzt wird, gegen das Vorliegen eines offensichtlichen Ausnahmefalles und für die Respektierung des in Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG, § 34a Abs. 2 AsylVfG zum Ausdruck gekommenen Willen des (Verfassungs)gesetzgebers."

Auch den Auskünften des Auswärtigen Amtes vom 9. Dezember 2011 an das Verwaltungsgericht Braunschweig - 7 A 57/11 -, an das Verwaltungsgericht Freiburg vom 11. Juli 2012 und an das OVG Sachsen-Anhalt vom 21. Januar 2013 sowie der Einschätzung des UNHCR (Auskunft vom 24. April 2012 an das Verwaltungsgericht Braunschweig - 7 A 57/11 - sowie Empfehlungen zu wichtigen Gesichtspunkten des Flüchtlingsschutzes in Italien vom Juli 2012, zitiert nach der amtlichen englischen Veröffentlichung) lässt sich nicht entnehmen, dass in Italien die unabdingbaren Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Asylverfahrens unterschritten werden.

Der UNHCR hat in den bezeichneten Dokumenten erklärt, er erkenne an, dass in den letzten Jahren Verbesserungen des Aufnahmesystems stattgefunden haben. Insgesamt seien die staatlichen Einrichtungen (CARA, CDA und SPRAR-Projekte) in der Lage, dem Aufnahmebedarf einer signifikanten Anzahl an Asylsuchenden nachzukommen. "Anlass zur Sorge" sieht der UNHCR für den Fall, dass Personen in erheblicher Zahl in Italien neu ankommen. Daraus ist gerade nicht zu ersehen, dass in Italien gegenwärtig zureichende Kapazitäten für die Aufnahme und Versorgung von Asylsuchenden nicht vorhanden sind. Dass in den letzten Monaten eine signifikante Anzahl von Personen neu dazugekommen sind und deshalb die Kapazitäten für die Aufnahme und Versorgung nicht mehr ausreichten, ist nicht ersichtlich (vgl. VG Stade, Beschluss vom 23. Juli 2012 - 6 B 1998/12-).

Auch nach der Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts (Beschluss vom 2. August 2012 - 4 MC 133/12 -) bietet die Stellungnahme des UNHCR vom 24. April 2012 keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien grundlegende Mängel im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aufweisen (vgl. auch VG Regensburg, Beschluss vom 18. Juni 2012 - RN 9 E 12.30187 - [...]; VG Braunschweig, Beschluss vom 12. Juli 2012 - 2 B 1208/112 -; VG Osnabrück, Beschluss vom 17. Juli 2012 - 5 B 57/12 -; VG Düsseldorf, Beschluss vom 7. September 2012 - 6 L 1480/12.A - [...]). Das Nds. Oberverwaltungsgericht führt hierzu aus:

"Nach dem Inhalt dieser Stellungnahme wurden in Italien die regionalen Regierungen im Jahr 2011, nach Ankunft einer erheblichen Zahl von Personen aus Nordafrika und der darauffolgenden Erklärung des "humanitären Zustands", gebeten, zusätzliche Aufnahmeeinrichtungen zu bestimmen. Zwischen den Regierungen und den örtlich zuständigen Behörden wurde eine Vereinbarung getroffen, in der die Kriterien für die landesweite Verteilung von bis zu 50.000 Personen festgehalten wurden. Der UNHCR erkennt vor diesem Hintergrund an, dass in den letzten Jahren Verbesserungen des Aufnahmesystems stattgefunden haben und die CARA, CDAs und SPRAR-Projekte insgesamt in der Lage sind, dem Aufnahmebedarf einer signifikanten Anzahl an Asylsuchenden nachzukommen (Seite 3 der Stellungnahme). Nach dem Inhalt der Stellungnahme des UNHCR ist des Weiteren davon auszugehen, dass die Unterkunft, Ernährung und medizinische Versorgung von Asylsuchenden in Italien sichergestellt ist, wenn ein formaler Antrag gestellt wurde, solange der Zeitraum von 6 Monaten Verfahrensdauer (ab formaler Antragstellung) nicht überschritten wird und soweit die aktuellen Zahlen der Asylbewerber die Kapazitäten nicht überschreiten (vgl. Stellungnahme des UNHCR, Seite 5). Eine angemessene Versorgung erscheint danach derzeit allerdings nicht sichergestellt für Asylsuchende mit besonderen Schutzbedürfnissen im Sinne von Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/9/EG des Rates (ABl Nr. L 31 S. 18) vom 27. Januar 2003. Aus dieser Einschätzung lassen sich jedoch grundlegende Mängel, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung aller an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren, nicht ableiten. Dieses gilt auch, soweit nach Einschätzung des UNHCR in der gegenwärtigen Situation davon auszugehen sei, dass derzeit die überwiegende Anzahl aller Asylverfahren nicht innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen werden könne, zumal konkrete Zahlen zur Verfahrensdauer nach Auskunft des UNHCR nicht vorliegen. Allein der Umstand, dass die Situation der Flüchtlinge in Italien von den Verwaltungsgerichten unterschiedlich eingeschätzt wird, veranlasst ebenfalls nicht zu der Annahme, dass die Behandlung der Asylbewerber in Italien nicht in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht (vgl. insoweit den 13. Senat des erkennenden Gerichts, Beschl. v. 2.5.2012 - 13 MC 22/12 -, der das Vorliegen eines offensichtlichen Ausnahmefalls im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in dem Urteil v. 14.5.1996, a.a.O., in Bezug auf Italien verneint)."

Diese Einschätzung wird bestätigt durch die Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Freiburg vom 11. Juli 2012. Darin führt das Auswärtige Amt aus:

"Italien gewährleistet entsprechend dem Grundrecht auf Asyl (Art. 10, Abs. 3 der italienischen Verfassung, verschiedener Einwanderungs- und Asylverfahrensgesetze, insbesondere Gesetz Nr. 25/2008 vom 28.01.2008) ein Schutzverfahren, das auch für Überstellungen nach der Dublin-II-VO greift.

Zuständig für das Asylverfahren sind die dem Innenministerium unterstehenden Kommissionen ("Commissione territoriale per il riconoscimento dello status di rifugiato"). Für die Annahme des Asylantrags und die Unterbringung/Zuweisung der Unterkunft ist die jeweilige örtliche Questura (Polizeipräsidium) zuständig.

Die Bescheinigung der Polizeidienststelle über den Erstantrag soll innerhalb von 3 Tagen ausgestellt werden; über den Asylantrag ist lt. Gesetz in 30 Tagen zu entscheiden; das Gesamtverfahren (einschließlich gerichtlicher Widerspruchsmöglichkeit bei ablehnendem Bescheid) soll nicht länger als 6 Monate dauern. In der Praxis dauern die Verfahren oft länger, dann werden jedoch auch die Unterbringung und Versorgungsleistungen entsprechend verlängert....

Mit der Anerkennung erhalten Schutzsuchende in Italien ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht; es wird eine Aufenthaltsberechtigung ("permesso di soggiorno") ausgestellt. Danach genießen sie in Italien dieselben Rechte wie italienische Staatsangehörige.

Dies bedeutet in der Praxis, dass sie sich selbst um eine Unterkunft kümmern müssen und dass keine staatliche finanziellen Hilfeleistungen / Sozialleistungen existieren. Andererseits besteht freier Zugang zum Arbeitsmarkt und kostenfreier Zugang zu allen öffentlichen medizinischen Leistungen (Arzt, Zahnarzt, Krankenhaus) wie für alle Italiener. Hierfür müssen sich Asylbewerber beim nationalen Gesundheitsdienst anmelden und erhalten einen Gesundheitsausweis ("tessera sanitaria") sowie eine Steuernummer("codice fiscale").

Abgelehnte Asylbewerber verlassen in vielen Fällen Italien nicht, Abschiebungen werden nur selten durchgeführt. Für sie bestehen dann keine der o.g. Ansprüche. Schwangere und Minderjährige dürfen nicht abgeschoben werden.

In den Fällen einer Abschiebung werden sie zunächst aufgefordert, selbständig das Land zu verlassen. Geschieht dies nicht, werden sie (in der Regel nur bei Vorliegen weiterer Straftaten) in eine der 13 in Italien vorhandenen Abschiebehaftanstalten verbracht. Vor der tatsächlichen Abschiebung muss ein Richter die Rechtmäßigkeit des Ausreisebescheids überprüfen. Es wird ein Gespräch zwischen Richter und Häftling geführt. Dem Häftling wird bei diesem Gespräch ein Rechtsanwalt und ein Dolmetscher zur Seite gestellt.

In der Abschiebehaft besteht die Möglichkeit, rechtliche Informationen einzuholen und an Sprachkursen teilzunehmen. Psychologischer sowie ärztlicher Beistand werden gewährleistet.

Falls zuvor noch kein Asylantrag gestellt wurde, kann dieser noch während der Abschiebehaft gestellt werden. In diesem Fall wird die "Comissione territoriale per il riconoscimento dello status di rifugiato" angerufen und der Antrag schnellstmöglich bearbeitet. In der Praxis kommen Anträge auf Asyl in der Abschiebehaftanstalt jedoch selten vor. ...

Während des Asylverfahrens haben die Asylbewerber Anspruch auf Rechtsberatung sowie sprachliche und kulturelle Übersetzungsdienste (Art. 16, 20 Gesetz Nr. 25/2008)....

Asylbewerber werden für die Dauer des Anhörungsverfahrens in einer der 8 sogenannten CARA-Erstaufnahmeeinrichtungen (centri di accoglienza per richiedenti asilo) oder einem der kleineren, gut ausgestatteten 128 SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e rifugiati) - Aufnahmezentren untergebracht. Hier stehen laut Angaben des italienischen Innenministeriums rd. 3000 Plätze (CARA, Regelaufenthalt bis 20 Tage) bzw. noch einmal 3000 Plätze (SPRAR, Regelaufenthalt bis 45 Tage) zur Verfügung. Die Zahl ist im Laufe des Jahres 2011 durch die Unterstellung der Erstaufnahme von Flüchtlingen aus Nordafrika an den Zivilschutz erheblich erhöht worden. Minderjährige Personen und Familien werden in den SPRAR-Zentren untergebracht.

Während des Asylverfahrens haben die Asylbewerber Anspruch auf Unterbringung, Verpflegung, medizinische Versorgung (frei), psychologische Hilfe (insbesondere für Minderjährige und traumatisierte Flüchtlinge) und Dolmetscher (Art. 16, 20 Gesetz Nr. 25/2008). Eine finanzielle Hilfe ist nur für den Fall vorgesehen, dass alle Plätze in den Aufnahmezentren belegt sind; diese Möglichkeit ist in Italien aber bisher nicht umgesetzt worden....

Im italienischen Asylverfahren besteht grundsätzlich Rechtsschutz gegen einen ablehnenden Bescheid. Hiergegen kann innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung des Bescheides durch das hierfür zuständige Polizeipräsidium (Questura) vor einem ordentlichen Gericht (Tribunale Ordinario) Widerspruch eingelegt werden. Gegen die erstinstanzliche Entscheidung besteht die Möglichkeit, den Instanzenweg der Berufung und Revision bis zum Kassationsgericht in Anspruch zu nehmen.

Zur gerichtlichen Durchsetzung einer Unterbringung und Mindestversorgung wäre jedenfalls ein ordentliches Gericht anzurufen. Hierzu sind der Botschaft Rom nach Rückfrage bei kundigen Stellen in Italien allerdings bisher keine Fälle bekannt geworden. Lediglich gegen die Praxis der Polizeipräsidien, zur Zustellung der Registrierung des Asylantrags (verbalizzazione) eine Zustelladresse zu verlangen ("domicilio"), über die die Antragsteller aber häufig noch nicht verfügen, sind Klagen vor ordentlichen Gerichten erhoben worden.

Es sind zur Zeit keine Informationen zu erlangen, dass Eilrechtsschutz von Asylbewerbern in Anspruch genommen wurde...

Art. 16 des italienischen Asylverfahrensgesetzes No. 25 vom 28.01.2008 legt fest, dass der Asylbewerber entsprechend den Prozesskostenvorschriften Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand im Verfahren hat.

Zudem ist, wie unter 1.3 erwähnt, eine finanzielle Hilfe für den Fall vorgesehen, dass alle Plätze in den Unterbringungszentren belegt sind....

Für Überstellungen nach der Dublin-II-VO greift das oben beschriebene Verfahren. Besonderheiten bestehen nicht. Den nach Italien zurückgeführten Personen wird eine Unterkunft in einer der o.g. Aufnahmeeinrichtungen zugeteilt, sofern ein Asylantrag gestellt / das Asylverfahren noch weitergeführt wird.

In der Praxis stellen allerdings viele Dublin-II-Rückkehrer keinen Asyl- oder Schutzantrag, da sie häufig nicht in Italien bleiben wollen. Sie verzichten auf den Antrag und das Asylverfahren. Damit stehen ihnen die staatlichen Aufnahmezentren u.a. Leistungen nicht mehr offen....

Es liegen dem Auswärtigen Amt keine Erkenntnisse vor, dass Asylbewerbern kein effektiver Zugang zum Asylverfahren gewährt wird. Nach Ankunft in Italien erhalten Schutzsuchende eine Informationsbroschüre über ihre Rechte im Asylverfahren....

Neben den staatlichen Unterbringungszentren gibt es zusätzlich kommunale und karitative Einrichtungen, z:B. CARITAS Migrantes in Rom und zahlreiche andere Hilfsorganisationen, die die Antragsteller versorgen und ihnen Unterkunftsplätze besorgen, Sprachkurse anbieten u.a.

Diese Organisationen stellen medizinischen, rechtlichen und psychologischen Beistand zur Verfügung. Daneben bereiten sie die Schutzsuchenden auf den Arbeitsmarkt vor, indem sie bei .der Vorbereitung von Bewerbungsschreiben helfen und Informationen über den Arbeitsmarkt erteilen....

Nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes können derzeit alle Asylbewerber / Flüchtlinge in öffentlichen Zentren untergebracht werden. Ggf. gibt es lokale / regionale Überbelegungen (Rom/Latium), landesweit sind aber genügend Plätze vorhanden. Insbesondere in Norditalien sind die Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Zusätzlich zu den staatlichen und öffentlichen Einrichtungen gibt es kommunale und karitative Einrichtungen, sodass meist ein Unterbringungsplatz in der Nähe gefunden werden kann....

Schutzsuchende werden nach ihrer Ankunft in Italien über ihre Rechte im Asylverfahren aufgeklärt. Da ihnen grundsätzlich eine Unterkunft zugewiesen wird, ist die Erreichbarkeit u.a. zur Zustellung von Bescheiden auf diesem Wege sichergestellt. In der Praxis ergeben sich hier dennoch oft Probleme, wenn z.B. diese Unterkünfte nicht aufgesucht werden. Die Erreichbarkeit der Schutzsuchenden wird dann auch über gemeinnützige Organisationen sichergestellt. Diese bieten die Möglichkeit, Post an die Adresse der Organisation schicken zu lassen....

Quellen: laufende Gespräche der Botschaft Rom mit dem italienischen Flüchtlingsrat CIR und UNHCR und IOM in Rom; Präsentationen des italienischen Innenministeriums und des statistischen Amtes ISTAT; Kontakte zu nichtstaatlichen karitativen Organisationen (Caritas Migrantes, Comunita di Sant'Egidio u.a.), zuletzt am 26. Juni 2012 Besuch der Abschiebehaftanstalt "Ponte Galeria" bei Rom am 25.06.2012."

In der Auskunft vom 21. Januar 2013 an das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt hat das Auswärtige Amt diese Einschätzung bestätigt. Dies gilt insbesondere für die Unterkunftssituation während des Asylverfahrens. Nach Erkenntnissen der Botschaft können derzeit alle Asylbewerber/Flüchtlinge in öffentlichen Zentren untergebracht werden. Gegebenenfalls gibt es lokale/regionale Überbelegungen (Crotone/Kalabrien und Bari/Apulien), italienweit sind aber genügend Plätze vorhanden. Insbesondere in Norditalien sind die Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Zusätzlich zu den staatlichen/öffentlichen Einrichtungen gibt es kommunale und karitative Einrichtungen, so dass meist ein Unterbringungsplatz in der Nähe gefunden werden kann. Es ist nicht davon auszugehen, dass jene Personen, die in den staatlichen Aufnahmeeinrichtungen und staatlichen Unterkünften keinen Platz finden, regelmäßig oder überwiegend obdachlos "auf der Straße" oder in "Elendsquartieren" leben müssen. Die temporären Aufnahmestrukturen des Zivilschutzes, die anlässlich des Flüchtlingsstromes aus Nordafrika in der Größenordnung von 50.000 Plätzen in den Regionen geschaffen wurden, haben Engpässe kompensiert. Neben den staatlichen Unterbringungszentren gibt es zusätzlich kommunale und karitative Einrichtungen, die die Antragsteller versorgen und ihnen Unterkunftsplätze besorgen, Sprachkurse anbieten u.a..

Das Gutachten der Flüchtlingsorganisation "borderline-europe, Menschenrechte ohne Grenzen e.V.", Außenstelle Italien, Palermo, (Frau Judith Gleitze) rechtfertigt eine abweichende Beurteilung der Situation der im Dublin-II-Verfahren nach Italien zurückgeführten Asylbewerber nicht. Das Gericht teilt insoweit die Einschätzung des Verwaltungsgerichts Osnabrück in dem Beschluss vom 18. Dezember 2012 - 5 B 146/12 - und nimmt auf die Gründe dieses Beschlusses Bezug. Auch aus dem Bericht der bordermonitoring.eu e.V. zur Situation der Flüchtlinge in Italien ergeben sich keine neuen Erkenntnisse, die eine abweichende Beurteilung gebieten.

Der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 11. September 2013 an das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen lassen sich systemische Mängel im italienischen Asylsystem, die für Dublin-Rückkehrer eine tatsächliche Gefahr begründen könnten, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in Italien ausgesetzt zu sein, nicht entnehmen (vgl. VG Osnabrück, Urteil vom 20. Januar 2014, 5 A 24/13 -). Dass Italien gewillt ist, die zumindest zum Teil schlechten Lebensbedingungen für die Asylbewerber weiter zu verbessern, wird auch daran deutlich, dass das Flüchtlingslager auf der Insel Lampedusa im Dezember 2013 fast vollständig geräumt worden ist (vgl. VG Osnabrück, Urteil vom 20. Januar 2014 - 5 A 24/13 -).

Angesichts dieser Erkenntnislage drängt sich eine Durchbrechung des Systems der normativen Vergewisserung und der europarechtlich vorgegebenen Zuständigkeitsordnung nicht auf (vgl. VG Osnabrück, Beschluss vom 18. Dezember 2012; Beschluss vom 15. Mai 2013 - 5 B 73/13 -); Urteil vom 20. Januar 2014 - 5 A 24/13-).

Der EGMR ist in seiner am 2. April 2013 getroffenen Entscheidung zur Individualbeschwerde Nr. 27725/10 zu dem Ergebnis gekommen, dass die Rückführung der dortigen Beschwerdeführer nicht gegen Art. 3 EMRK (Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung) verstößt. Der Gerichtshof hat bei seiner Entscheidung verschiedene Berichte über die italienischen Systeme für die Aufnahme von Asylbewerbern, die von staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen und Organisationen erstellt worden sind, berücksichtigt und die Meinung vertreten, dass die allgemeine Situation von Asylbewerbern in Italien, trotz einiger Defizite, diesen Berichten zufolge keine systemischen Mängel aufweist. Der Gerichtshof ist zu dem Schluss gelangt, dass die Beschwerden nach Art. 3 EMRK gegen Italien und die Niederlande offensichtlich unbegründet sind.

Das Verwaltungsgericht Hamburg führt hierzu aus (Urteil vom 18.7.2013 - 10 A 581/13 -):

"Unter Berücksichtigung des Vortrags der Kläger zu dem Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien, der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen und des Inhalts der beigezogenen Behördenakten kann nicht festgestellt werden, dass in Italien derartige systemische Mängel betreffend das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen vorliegen, die für den Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr begründen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in dem ersuchten Mitgliedstaat Italien ausgesetzt zu werden.

Diese Erkenntnis stützt das Gericht im Wesentlichen auf die ausführlichen und sorgfältig aufbereiteten Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in dessen aktuellem Urteil vom 2.4.2013 in Sachen Mohammed Hussein u. a. gegen die Niederlande und Italien (Application No. 27725/10) - zu finden in [...] - und die darin zitierten Berichte, aber auch auf die anderen in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen. Danach gestaltet sich das Asylverfahren in Italien wie folgt:

Ein Asylgesuch kann entweder bei den Grenzpolizeibehörden oder, sofern sich der Betreffende bereits im Land befindet, bei der Ausländerabteilung des örtlichen Polizeipräsidiums (questura) angebracht werden. Sobald das Asylgesuch formell aufgenommen worden ist, erhält der Asylbewerber Zugang zu einem (förmlichen) Asylverfahren und darf sich während des laufenden Verfahrens in Italien aufhalten. Ist der Asylbewerber nicht im Besitz eines gültigen Einreisevisums, hat er sich - soweit erforderlich unter Hinzuziehung eines Dolmetschers - einer erkennungsdienstlichen Behandlung durch die Polizei zu unterziehen. Hierbei werden Passbilder gefertigt und Fingerabdrücke genommen. Die Fingerabdrücke werden auf Eurodac-Treffer bzw. Treffer in der nationalen Datenbank AFIS (Automated Fingerprint Identification System) überprüft. Im Anschluss an die erkennungsdienstliche Behandlung erhält der Asylbewerber ein Bestätigungsformular (cedolino), auf dem spätere Termine notiert werden, insbesondere der Termin für die förmliche Aufnahme des Asylgesuchs. Diese förmliche Aufnahme erfolgt in Schriftform. Im Rahmen einer Anhörung wird der Asylbewerber in einer ihm geläufigen Sprache zu seinen persönlichen Daten (Name, Vorname, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Namen und Vornamen der Eltern, Ehegatten, Kinder und deren Aufenthaltsort), seinem Reiseweg, seinen Fluchtgründe sowie seinen Gründe für die Asylantragstellung in Italien befragt. Seine Angaben werden auf einem Formblatt festgehalten. Zusätzlich wird dem Asylbewerber aufgegeben, seine Asylgründe in eigenen Worten in seiner Sprache zusammenzufassen. Sein Schreiben wird an das Formblatt angehängt. Das Original des vollständigen Asylantrags verbleibt bei der Polizei; der Asylbewerber erhält eine gestempelte Kopie. Später wird der Asylbewerber im Beisein eines Dolmetschers durch die zuständige Kommission für die Zuerkennung Internationalen Schutzes angehört. Die Kommission kann sodann (1.) Asyl gewähren und dem Betreffenden die Flüchtlingseigenschaft zuerkennen, (2.) dem Betreffenden zwar die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft verwehren, ihm aber subsidiären Schutz zuerkennen, (3.) weder die Flüchtlingseigenschaft noch subsidiären Schutz zuerkennen, aber eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen erteilen oder (4.) dem Asylbewerber nichts dergleichen zuerkennen, sondern ihm aufgeben, Italien binnen 15 Tagen zu verlassen (vgl. zum Ganzen EGMR, Urt. v. 2.4.2013, a. a. O., Rn. 33-36).

Was die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber anbelangt, lässt sich dem Urteil des EGMR, den darin genannten Berichten und auch den weiteren zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen entnehmen, dass in Italien verschiedene Einrichtungen zur Aufnahme von Asylbewerbern zur Verfügung stehen, namentlich die Erstaufnahmeeinrichtungen (Centri di Accoglienza per Richiedenti Asilo - CARA und Centri di Accoglienza - CDA), das Schutzsystem für Asylsuchende und Flüchtlinge (Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugiati - SPRAR), die Einrichtungen des Zivilschutzes (Protezione Civile) und das kommunale Aufnahmesystem in den Großstädten wie z. B. Rom, Mailand, Florenz und Turin (EGMR, a. a. O., Rn. 46 unter Hinweis auf den "Dublin II Regulation National Report" über Italien des European Network for technical cooperation of the application of the Dublin II Regulation vom 19.12.2012). Die Gesetzeslage sieht vor, dass bei der Unterbringung von Asylbewerbern deren besonderen Bedürfnissen, insbesondere denen von besonders schutzwürdigen Personengruppen (z. B. unbegleiteten Minderjährige, Menschen mit Behinderungen, Schwangeren, Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern) Rechnung zu tragen ist (EGMR, a. a. O., Rn. 43 mit Hinweis auf UNHCR Recommendations on important aspects of refugee protection in Italy aus dem Juli 2012).

Nach den zur Verfügung stehenden Auskünften werden Asylbewerber für die Dauer des Anhörungsverfahrens in einem der neun CARA-Erstaufnahmeeinrichtungen oder einem der kleineren, gut ausgestatteten 150 SPRAR-Aufnahmeprojekten, geleitet von 128 lokalen Körperschaften, untergebracht. Hier stehen laut Angaben Italiens 4.102 Plätze (CARA) bzw. noch einmal 3.000 Plätze (SPRAR) zur Verfügung. Hiervon sind 500 Plätze für besonders schutzbedürftige Personen reserviert (EGMR, a. a. O., Rn. 43 mit Hinweis auf die Angaben der italienischen Behörden im dortigen Verfahren sowie UNHCR Recommendations on important aspects of refugee protection in Italy aus dem Juli 2012; vgl. auch Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Freiburg v. 11.7.2012, S. 3). Die Gesamtanzahl an Plätzen ist im Laufe des Jahres 2011 durch die Unterstellung der Erstaufnahme von Flüchtlingen aus Nordafrika an den Zivilschutz erheblich erhöht worden (Auswärtiges Amt, a. a. O.; vgl. auch EGMR, a. a. O., Rn. 43 mit Hinweis auf UNHCR Recommendations on important aspects of refugee protection in Italy aus dem Juli 2012). So wurden im Jahre 2011/2012 kurzfristig 20.000 Aufnahmeplätze (Unterkunft und Verpflegung) in kleinen bis mittleren Einrichtungen in Italien geschaffen (EGMR, a. a. O., Rn. 43 mit Hinweis auf UNHCR Recommendations on important aspects of refugee protection in Italy aus dem Juli 2012; ASGI-Bericht an das VG Darmstadt v. 20.11.2012, S. 10).

Hinsichtlich der Gesundheitsversorgung ist hervorzuheben, dass nach den allgemeinen Bestimmungen zur Einwanderung eine allgemeine Regel gilt, nach der jede Person, die sich auf italienischem Hoheitsgebiet befindet, unabhängig von der bestehenden oder nicht bestehenden Rechtmäßigkeit des Aufenthalts, nach den verfassungsrechtlichen Grundsätzen Anspruch auf dringend erforderliche oder doch wichtige ambulante oder stationäre Versorgung hat, auch wenn diese dauerhaft sein sollte (ASGI-Bericht, a. a. O., S. 11). Flüchtlinge, Asylbewerber und Personen, die unter humanitärem Schutz stehen, sind in Fragen der Gesundheitsvorsorge und -versorgung den italienischen Staatsbürgern gleichgestellt. Während des Asylverfahrens haben Asylbewerber Anspruch auf Unterbringung, Verpflegung, freie medizinische Versorgung einschließlich der Versorgung mit Medikamenten, psychologische Hilfe (insbesondere für Minderjährige und traumatisierte Flüchtlinge) und Dolmetscher (Art. 16, 20 Gesetz Nr. 25/2008) (EGMR, a. a. O., Rn. 43 mit Hinweis auf die Angaben der italienischen Behörden im dortigen Verfahren; Auswärtiges Amt, a. a. O.).

Bezüglich der besonderen Situation sog. Dublin-Rückkehrer ist den zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen zu entnehmen, dass auch in diesen Fällen das oben beschriebene Verfahren greift, ohne dass irgendwelche Besonderheiten bestünden (Auswärtiges Amt, a. a. O.). Bei Ankunft am Flughafen wird einem sog. Dublin-Rückkehrer durch die Grenzpolizei mitgeteilt, welche Polizeistation für seinen Fall zuständig ist und dass er binnen fünf Tagen dort vorstellig werden müsse. Die Reisekosten trägt das Innenministerium (EGMR, a. a. O., Rn. 47). Das weitere Verfahren auf der Polizeiwache hängt davon ab, ob der Betreffende während seines Voraufenthalts in Italien einen Asylantrag gestellt hatte oder nicht. Hatte der Betreffende bereits einen Asylantrag gestellt, so wird das Verfahren in dem Stadium wiederaufgenommen, in dem es sich befunden hatte, als der Betreffende Italien verlassen hat (EGMR, a. a. O., Rn. 47 und Rn. 50 unter Hinweis auf den Report "Dublin II Regulation, Lives on hold" des Forum Réfugiés, Cosi, dem Ungarischen Helsinki-Komitee und dem European Council on Refugees and Exiles vom 3.2.2013). Hatte der Betreffende noch keinen Asylantrag gestellt, kann er dies nunmehr nachholen und erhält dabei dieselben o. g. Rechte zuerkannt wie jeder andere Asylbewerber (EGMR, a. a. O., Rn. 43 mit Hinweis auf die Angaben der italienischen Behörden im dortigen Verfahren). Sofern ein Asylantrag gestellt bzw. das Asylverfahren noch weitergeführt wird, wird den Betreffenden eine Unterkunft in einer der oben genannten Einrichtungen zur Verfügung gestellt (Auswärtiges Amt, a. a. O.). In den letzten Jahren sind speziell für Dublin-Rückkehrer temporäre Aufnahmezentren geschaffen worden, in denen insbesondere besonders schutzbedürftige Personen untergebracht werden können, bis eine andere Unterbringungsmöglichkeit für sie gefunden ist (EGMR, a. a. O., Rn. 49 unter Hinweis auf den "Dublin II Regulation National Report" über Italien des European Network for technical cooperation of the application of the Dublin II Regulation vom 19.12.2012). Sofern der überstellende Mitgliedstaat Italien Mitteilung über eine besondere Schutzbedürftigkeit der betreffenden Person macht, wird dem von italienischer Seite Rechnung getragen (EGMR, a. a. O., Rn. 43 mit Hinweis auf die Angaben der italienischen Behörden im dortigen Verfahren).

Den zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen lässt sich zwar entnehmen, dass die Aufnahmeeinrichtungen teilweise überlastet sind und daher für einzelne Asylbewerber eine durchaus beachtliche Gefahr der Obdachlosigkeit bestehen kann. Auch hinsichtlich der Sicherung des Lebensunterhalts und der Gesundheitsfürsorge lassen sich den Erkenntnisquellen zufolge Mängel in Italien ausmachen. So stellt etwa der UNHCR fest, dass Italien inzwischen zwar einige Verbesserungen in seinem Aufnahmesystem erreicht habe, kritisiert aber insbesondere die weiterhin gegebene Gefahr, dass zu Stoßzeiten im bestehenden Aufnahmesystem nicht genügend Unterbringungsplätze zur Verfügung stehen (UNHCR Recommendations on important aspects of refugee protection in Italy aus dem Juli 2012, wiedergegeben bei EGMR, a. a. O., Rn. 43). Eine generelle Empfehlung, Asylbewerber nicht nach Italien zu überstellen, spricht der UNHCR gleichwohl nicht aus. Engpässe bei den zur Verfügung stehenden Plätzen in den Unterbringungseinrichtungen stellt auch das European Network for technical cooperation of the application of the Dublin II Regulation in seinem "Dublin II Regulation National Report" über Italien vom 19.12.2012 (wiedergegeben bei EGMR, a. a. O., Rn. 46) fest. Diesem Bericht ist zudem zu entnehmen, dass es auch vorkommen kann, dass sog. Dublin-Rückkehrer keine Unterkunft in den regulären Unterbringungszentren erhalten und in sog. selbstorganisierten Unterbringungsformen (in den großen Städten) unterkommen müssen. Allerdings ist festzustellen, dass es sich bei den in den - sowohl von staatlichen Stellen als auch von Nichtregierungsorganisationen stammenden - Berichten und Auskünften aufgezeigten Defiziten nicht um strukturelle landesweite Missstände im Sinne eines systemischen Mangels handelt, die eine individuelle Gefährdung eines jeden Einzelnen oder einer nennenswerten Anzahl von Asylbewerbern im Falle der Abschiebung nach Italien begründeten und die von den italienischen Behörden tatenlos hingenommen würden (im Ergebnis ebenso EGMR, a. a. O., Rn. 78 (jedenfalls im Hinblick auf besonders schutzbedürftige Personen); OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 17.6.2013, OVG 7 S 33.13, Rn. 13 ff.; OVG Lüneburg, Beschl. v. 2.5.2012, 13 MC 22/12, Rn. 24 f.; VG Düsseldorf, Urt. v. 27.6.2013, 6 K 7204/12.A, Rn. 62; VG Regensburg, Beschl. v. 15.5.2013, RN 5 S 13.30156, Rn. 30 ff.; VG Bremen, Gerichtsb. v. 14.5.2013, 6 K 412/11.A, Rn. 26 ff.; VG Düsseldorf, Urt. v. 26.4.2013, 17 K 1775/12.A, Rn. 55; Urt. v. 19.3.2013, 6 K 2643/12.A, Rn. 56 ff. - jeweils zitiert nach [...]).

Dem steht das von dem erkennenden Gericht in seinem Beschluss vom 1.3.2013 (10 AE 582/13) erwähnte Gutachten der Flüchtlingsorganisation borderline-europe, Menschenrechte ohne Grenzen e.V. aus dem Dezember 2012 nicht entgegen. Dem Gutachten ist zwar zu entnehmen, dass in Italien insbesondere hinsichtlich der Aufnahmebedingungen, der Sicherung des Lebensunterhalts und der Gesundheitsfürsorge der Asylsuchenden (einschließlich der sog. Dublin-Rückkehrer) Missstände auszumachen sind. Allerdings kann auch diesem Bericht insbesondere nicht entnommen werden, dass generell alle nach Italien zurückgeschobenen Asylbewerber in einer Art und Weise behandelt würden, die den Vorgaben der einschlägigen Regelungen widersprechen. Die Ausführungen in dem Gutachten vermögen das Gericht daher nach sorgfältiger Auswertung im vorliegenden Hauptsacheverfahren nicht davon zu überzeugen, dass es sich bei den aufgezeigten Defiziten und Missständen um einen systemischen Mangel, d. h. um systematische und landesweite Defizite handelt, die eine individuelle Gefährdung eines jeden einzelnen oder einer nennenswerten Anzahl von Asylbewerbern im Falle der Abschiebung nach Italien begründen und von den italienischen Behörden tatenlos hingenommen werden (in diesem Sinne auch OVG Berlin-Branden-burg, Beschl. v. 17.6.2013, OVG 7 S 33.13, Rn. 25 ff.; VG Berlin, Beschl. v. 5.6.2013, 21 L 151.13,Rn. 30; VG Düsseldorf, Urt. v. 26.4.2013, Rn. 54 f. - zitiert nach [...]).

Vor diesem Hintergrund steht im Ergebnis zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Situation von Asylbewerbern in mancher Beziehung in Italien durchaus angespannt, aber nicht so zugespitzt ist, dass sie - ähnlich wie es für die Situation in Griechenland in der Vergangenheit angenommen wurde und auch heute noch wird - dazu führt, dass Asylbewerber nicht mehr nach Italien rücküberstellt werden dürften."

Das Gericht folgt diesen Ausführungen (vgl. auch VG Stade, Beschluss vom 13. Januar 2014 - 1 B 3546/13 -).

Die Rechtsprechung des EGMR hat über den jeweils entschiedenen Fall hinaus eine Orientierungs- und Leitfunktion (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 18. August 2013 - 2 BvR 1380/08 -, [...]; BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - ZBR 2013, 257). Außerdem hat der EGMR seine Einschätzung hinsichtlich der Situation von Asylsuchenden in Italien im Jahr 2013 in weiteren Entscheidungen bestätigt (Entscheidungen vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12 - Daytbegova und Magomedova ./. Österreich, 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11 - Halimi ./. Österreich und Italien, ZAR 2013, 338 f, und Nr. 73874/11 - Abobeker ./. Österreich und Italien - und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10 -).

Eine von der aktuellen Rechtsprechung des EGMR abweichende Beurteilung der Situation von Asylsuchenden in Italien ist auch nicht im Hinblick auf den Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) aus Oktober 2013 angezeigt (vgl. VG Stade, Beschluss vom 13. Januar 2014 - 1 B 3546/13 -). Diesem Bericht lässt sich keine grundlegend andere Einschätzung entnehmen als dem vom EGMR gewürdigten Bericht derselben Organisation aus dem Jahr 2011 (vgl. VG Hannover, Beschluss vom 19. November 2013 - 5 B 7101/13 - 5 A 7100/13 -). Zudem stellt der Bericht der SFH nur auf die Umstände in Rom und Mailand ab und trifft keine Aussage über die landesweiten Verhältnisse (vgl. VG Saarland, Beschluss vom 6. Dezember 2013 - 3 L 1989/13 -). In der Einleitung des Berichts wird unter 1.1., insbesondere 1.2. Methode, ausgeführt: "Aufgrund großer Differenzen je nach Gemeinde und Region kann kein Überblick über die Situation im ganzen Land gegeben werden." Im Übrigen lässt sich dem Bericht zwar entnehmen, dass es Defizite bei der Unterbringung von Asylbewerbern, aber v. a. bei anerkannten Schutzberechtigten, gibt. Der Bericht rechtfertigt jedoch nicht die ernsthafte Befürchtung, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber implizieren.

Hierzu hat das VG Stade in dem Beschluss vom 22. Januar 2014 - 3 B 3682/13 - ausgeführt:

"...Unter dem Dublin-System besteht die Vermutung, dass alle Mitgliedstaaten beziehungsweise staatsvertraglich assoziierten Staaten die Rechte der EMRK garantieren und die Zuständigkeitsordnung selbst ein EMRK-konformes Ergebnis liefert (Bundesverwaltungsgericht Schweiz, Urteil vom 18.07.2013 - E-3990/2013 -). Nach Angaben des Auswärtigen Amtes (Auswärtiges Amt an OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.9.2013) werden Dublin-Rückkehrer nach ihrer Rückkehr in Italien von der Polizei empfangen sowie erkennungsdienstlich behandelt. Anschließend erfolgt die Feststellung, welche Questura für die Person zuständig ist und wie der Stand des Verfahrens in Abhängigkeit von der ersten Ankunft in Italien ist. Im Anschluss daran werden die Dublin-Rückkehrer von der am Flughafen zuständigen Hilfsorganisation - Confederazione Nazional delle Misericordie d'Italia - betreut und über den weiteren Verlauf in Anwesenheit eines Dolmetschers unterrichtet, der sich je nach konkreter Situation unterschiedlich darstellen kann. Die Organisation sucht außerdem eine Unterkunft. Sofern sich Dublin-Rückkehrer noch im Asylverfahren befinden, erhalten sie sofort eine Unterkunft in einem entsprechenden Aufnahmezentrum. Asylsuchende in Italien haben einen Rechtsanspruch auf einen Unterkunftsplatz, der auch gerichtlich durchgesetzt werden kann (Österreichischer Asylgerichtshof vom 26.11.2013 - S7 438899-1/2013 -).

Eine Unterbringung von Asylsuchenden, die unter der Dublin-II-Verordnung nach Italien überstellt werden, erfolgt grundsätzlich in folgenden Zentren:- FER-Projekte (Fondo europeo per i rifugiati), - CARA (Centri di accoglienza per richiedenti asilo),- SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e rifugiati), - Gemeindeunterkünfte (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen vom Oktober 2013).

Kirchliche und andere NGOs bieten zusätzlich zu den Zentren, die sie im Auftrag der Gemeinden führen, Notschlafstellen an, die für alle Bedürftigen - sämtliche Ausländer und Italiener - vorgesehen sind. Dabei ist es nach Einschätzung der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen vom Oktober 2013) nicht möglich, die Gesamtzahl der kirchlichen und NGO-Plätze zu beziffern. Aufgrund der starken Fragmentierung des Systems und fehlender Koordination zwischen den einzelnen Akteuren sei es unmöglich, einen Überblick über die gesamte Anzahl an Angeboten und Plätzen von NGOs und kirchlichen Institutionen zu erhalten. Nach Erkenntnissen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Schweizerische Flüchtlings-hilfe, Italien: Aufnahmebedingungen vom Oktober 2013) kommt es vor, dass Asylsuchende und Schutzberechtigte es vorziehen, in einem besetzten Haus zu leben, als einen staatlichen Aufnahmeplatz in einer abgelegenen Region in Anspruch zu nehmen oder sich den strengen Regeln der staatlichen oder kirchlichen Unterkünfte (teilweise nur nachts geöffnet, feste Ausgangszeiten, beschränkte Aufenthaltsdauern) zu unterwerfen. Der UNHCR hat die italienische Regierung aufgefordert, für eine angemessene Aufnahmefähigkeit für Asylsuchende im ganzen Land zu sorgen, auch wenn erhebliche Zugangszahlen zu verzeichnen sind. Das Aufnahmesystem benötige eine verbesserte Flexibilität, um auf Schwankungen in der Zahl der Asylanträge reagieren zu können (UNHCR RECOMMENDATIONS ON IMPORTANT ASPECTS OF REFUGEE PRO-TECTION IN ITALY July 2013). Eine Empfehlung des UNHCR, von Überstellungen nach Italien immer abzusehen, liegt indes nicht vor. Aus der Gesamtschau der darin getätigten Empfehlungen kann jedenfalls nicht entnommen werden, dass von Überstellungen immer abzusehen wäre, geschweige dass das italienische Aufnahmewesen mit systemischen Mängeln behaftet wäre (so Österreichischer Asylgerichtshof vom 26.11.2013 - S7 438899-1/2013 - ).

Italien erhielt 2012 insgesamt 17.631 Gesuche von anderen europäischen Ländern um Aufnahme oder Wiederaufnahme gestützt auf die Dublin-II-Verordnung (Italienische Dublin Unit, Dati relativi alle richieste di competenza e ai trasferimenti di immigrati richiedenti asilo effettuati nell'applicazione del Regolamento CE 343/2003 (Dublino II), 27. Mai 2013), 3.551 Personen wurden nach Italien überstellt. Nach den Erkenntnissen des Schweizerischen Bundesverwaltungsgerichts werden Dublin-Rückkehrende sowie verletzliche Personen bezüglich Unterbringung von den italienischen Behörden bevorzugt behandelt. Zudem nehmen sich auch private Hilfsorganisationen der Betreuung von Asylsuchenden und Flüchtlingen an (Bundesverwaltungsgericht Schweiz, Urteil vom 18.07.2013 - E-3990/2013 -).

Mehr als die Hälfte der Asylsuchenden in Italien erhält einen Schutzstatus. So fielen 2012 von insgesamt 14.970 Entscheidungen (erst- und beschwerdeinstanzliche) 9.270 (61,9 Prozent) positiv aus. Davon wurden 2.095 als Flüchtlinge anerkannt, 4.770 erhielten subsidiären Schutz und 2.405 humanitären Schutz (Eurostat Pressemitteilung 96/2013, 18. Juni 2013, S. 3). Gemäß Schätzungen von UNHCR leben ungefähr 64.000 Flüchtlinge in Italien (UNHCR Recommendations on Important Aspects of Refugee Protection in Italy, July 2013, S. 2: www.refworld.org/docid/522f0efe4.html.).

Nach Auswertung der Erkenntnismittel gelangt das Gericht zu der Einschätzung, dass hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass sich Italien im konkreten Fall nicht an die aus der EMRK und Genfer Flüchtlingskonvention resultierenden Verpflichtungen hält, nicht festzustellen sind. Allein der Umstand, dass das italienische System zur Aufnahme- und Unterbringung von Asylsuchenden bei Belastungsspitzen und regionalen Engpässen zeitweise an Kapazitätsgrenzen stößt, rechtfertigt nicht die Schlussfolgerung, dass generell und jederzeit auftretende Mängel im italienischen Aufnahme- und Unterbringungssystem zu verzeichnen sind, die für jeden Dublin-Rückkehrer die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Annahme begründen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, in Italien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, Beschluss vom 10.12.2013 - C-394/12 - zu Ungarn). Es liegen auch keine Verurteilungen Italiens durch den EGMR oder EuGH vor, die eine Praxis systemischer Mängel des italienischen Asylwesens, jedenfalls im Falle von Dublin-Rückkehrern aus anderen EU-Staaten, erkennen ließen. ..."

Auch der Stellungnahme des UNHCR vom Dezember 2013 und dessen Bericht "UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien" von Juli 2013 lässt sich nicht in ausreichendem Maße entnehmen, dass ein "systemisches Versagen" (vgl. zu diesem Begriff EGMR, Entscheidung vom 2. April 2013, a. a. O., Rn. 78) der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen vorliegt und das Asylverfahren und die Bedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern in Italien systemische Mängel aufweisen (vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 21. Januar 2014 - 3 B 6802/13 -). Der UNHCR hat auch weiterhin eine generelle Empfehlung, Asylbewerber und Ausländer, die bereits einen Schutzstatus in Italien haben, nicht nach Italien zu überstellen, nicht ausgesprochen. Dies ist auch deshalb von erheblicher Bedeutung, weil die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem Mitgliedstaat, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin II-VO als zuständiger Staat bestimmt wird, angesichts der Rolle, die dem Amt des UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, die bei der Auslegung der unionsrechtlichen Asylvorschriften zu beachten ist, besonders relevant sind (vgl. EuGH, Urteil vom 30. Mai 2013 - C-528/11 -, [...], Rn. 44, NVwZ-RR 2013, 660 ff; VG Oldenburg, Beschluss vom 21. Januar 2014).

Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts notwendig machen, sind nicht ersichtlich. Der Antragsteller hat individuelle konkrete Gefährdungstatbestände nicht glaubhaft gemacht.

Das Vorbringen des Antragstellers in der Befragung am 1. Oktober 2013 in C., er habe vor viereinhalb Monaten - also etwa Mitte Mai 2013 - in Bari internationalen Schutz beantragt, entspricht nicht den Tatsachen. Vielmehr hat der Antragsteller dort bereits am 31. Dezember 2009 einen Asylantrag gestellt. Er hat sich offenbar mehrere Jahre in Italien aufgehalten.

Hiernach ist die Abschiebung des Antragstellers nach Italien weder rechtlich unzulässig noch tatsächlich unmöglich. Inlandsbezogene Abschiebungs- oder Vollstreckungshindernisse sind nicht ersichtlich. Somit steht - im Sinne von § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG - fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO; 83 b AsylVfG.

2.

Der Antrag des Antragstellers, ihm für das Eilverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und seinen Prozessbevollmächtigten beizuordnen, ist abzulehnen, weil der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach den vorstehenden Ausführungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO, 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 83 b AsylVfG; 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO, 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Rechtsmittelbelehrung

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

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