Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 08.07.2014, Az.: 6 B 1153/14

Rechtmäßigkeit der Abschiebung eines Asylbewerbers nach Italien als für die Durchführung des Asylverfahrems zuständigem Staat

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
08.07.2014
Aktenzeichen
6 B 1153/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 35774
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2014:0708.6B1153.14.0A

Redaktioneller Leitsatz

Es bestehen derzeit keine Anhaltspunkte dafür, dass das Asylsystem in Italien an solchen systemischen Mängeln leidet, die Ausländer der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Fall einer Rücküberstellung nach Italien eine menschenunwürdige erniedrigende Behandlung zu erfahren.

Tenor:

Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage - 6 A 1133/14 - gegen die in Ziffer 2. des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. Juni 2014 ausgesprochene Abschiebungsanordnung nach Italien anzuordnen, hat keinen Erfolg.

Der Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 34a Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes - AsylVfG - in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474) zulässig.

Der Antrag ist jedoch unbegründet.

Gründe

Mit dem Bescheid vom 16. Juni 2014 hat das Bundesamt festgestellt, dass der Asylantrag des Antragstellers gemäß § 27a des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) unzulässig ist, und gemäß § 34a AsylVfG dessen Abschiebung nach Italien angeordnet.

Gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG in der hier anzuwendenden Fassung des Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU (sog. Qualifikationsrichtlinie) vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474), die nach Art. 7 Satz 2 dieses Gesetzes am Tag nach der Verkündung - somit am 6. September 2013 - in Kraft getreten ist, ordnet das Bundesamt, wenn der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Die Klage des Ausländers gegen die Abschiebungsanordnung hat keine aufschiebende Wirkung (vgl. § 75 Satz 1 AsylVfG).

In Verfahren dieser Art kann einstweiliger Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichte nach Maßgabe des § 34a Abs. 2 AsylVfG n.F. gewährt werden. Nach der geänderten Fassung des § 34a Abs. 2 AsylVfG, die am 6. September 2013 in Kraft getreten ist, sind Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsanordnung innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig.

Die gerichtliche (Eil-)Entscheidung geht hier zulasten des Antragstellers aus. Nach Aktenlage hat das Bundesamt zu Recht entschieden, dass der in der Bundesrepublik Deutschland am 7. März 2014 gestellte Antrag des Antragstellers unzulässig ist, und dessen Abschiebung nach Italien angeordnet.

Italien ist der Mitgliedstaat, der nach der VO (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 - Dublin II-VO - zur Prüfung des Asylantrags des Antragstellers zuständig ist.

Die Zuständigkeitskriterien der Dublin II-VO sind hier maßgeblich. Die nach ihrem Artikel 49 Abs. 1 am 19. Juli 2013 in Kraft getretene VO (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist - Dublin III-VO -, ist nach ihrem Artikel 49 Unterabsatz 2 auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die "ab dem 1. Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten" - also ab 1. Januar 2014 - gestellt werden, und gilt ab diesem Zeitpunkt - ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung - für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Für einen Antrag auf internationalen Schutz, der vor diesem Datum eingereicht wird, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien der VO (EG) Nr. 343/2003 - Dublin II-VO -.

Der Antragsteller hat vor dem 1. Januar 2014 internationalen Schutz beantragt. Zwar hat er in Deutschland erst am 7. März 2014 um internationalen Schutz nachgesucht. Der Antragsteller hat jedoch vor dem 1. Januar 2014 in Italien, in der Schweiz und in Finnland Asylanträge gestellt. Ausweislich des Schreibens der Schweizerischen Eidgenossenschaft - Bundesamt für Migration (BFM) - vom 19. März 2014 hat der Antragsteller am 27. April 2011 in der Schweiz ein zweites Asylgesuch eingereicht. Die Schweiz hat am 19. Juli 2011 die italienischen Behörden gemäß Art. 16 Abs. 1 c) Dublin II-VO um die Übernahme des Antragstellers ersucht. Italien hat innerhalb der Frist von einem Monat keine Antwort erteilt und damit die Wiederaufnahme des Antragstellers akzeptiert (Art. 20 Abs. 1 c) Dublin II-VO). Seit dem 28. September 2011 gilt der Antragsteller in der Schweiz als verschwunden. Ausweislich des Schreibens des Finnish Immigration Service vom 19. Mai 2014 (nebst Anlage) hat der Antragsteller in Finnland am 29. Juni 2012 einen Asylantrag gestellt. Italien hat mit Schreiben vom 4. September 2012 das Wiederaufnahmeersuchen des Finnish Immigration Service akzeptiert. Der Antragsteller ist daraufhin am 20. September 2012 von Finnland nach Italien überstellt worden.

Gemäß Art. 5 Abs. 1 Dublin II-VO finden die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung. Gemäß Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO wird bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mitgliedstaats von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

Die Zuständigkeit Italiens für die Durchführung des Asylverfahrens ergibt sich hier aus Art. 13 Dublin II-VO. Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung nicht bestimmen, welchem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrags obliegt, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Nach den Stellungnahmen des BFM und des Finnish Immigration Service ist davon auszugehen, dass der Antragsteller seinen ersten Asylantrag in Italien gestellt hat.

Das Wiederaufnahmeverfahren richtet sich gemäß Art. 49 Unterabsatz 2 Dublin III-VO nach dieser Verordnung. Ist ein Mitgliedsstaat, in dem eine Person im Sinne des Art. 18 Abs. 1 b), c) oder d) Dublin III-VO einen neuen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Auffassung, dass nach Art. 20 Abs. 5 und Art. 18 Abs. 1 b), c) oder d) ein anderer Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags zuständig ist, so kann er den anderen Mitgliedstaat gemäß Art. 23 Abs. 1 Dublin III-VO ersuchen, die Person wieder aufzunehmen. Ein solches Wiederaufnahmegesuch hat die Antragsgegnerin am 21. März 2014 an Italien gerichtet. Italien hat innerhalb der Frist von einem Monat keine Antwort erteilt. Deshalb ist gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO davon auszugehen, dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen. Dementsprechend hat die Antragsgegnerin der Italienischen Republik mit Schreiben vom 23. April 2014 mitgeteilt, dass sie davon ausgeht, dass Italien die Wiederaufnahme des Antragstellers akzeptiert.

Es liegen keine Umstände vor, die die Zuständigkeit Italiens in Durchbrechung des Systems der Bestimmungen der Dublin-Verordnungen entfallen lassen könnten.

Dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem, zu dem insbesondere die Dublin-Verordnungen gehören, liegt nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 21. Dezember 2011 - C 411/10 - zitiert nach ) die Vermutung zugrunde, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - und der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - steht. Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden. Sie ist widerlegt, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber implizieren. Der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, ist in einem solchen Fall verpflichtet, den Asylantrag selbst zu prüfen, sofern nicht ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann.

Nach Maßgabe der vorgenannten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs besteht keine Verpflichtung der Antragsgegnerin, den Asylantrag des Antragstellers selbst zu prüfen. Denn es ist auf der Grundlage des vorliegenden Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern in Italien nicht ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen dort grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber implizieren. Dies hat das Bundesamt in dem Bescheid vom 16. Juni 2014 im Einzelnen ausgeführt. Das Gericht macht sich diese Ausführungen zu eigen. Die Einschätzung des Bundesamtes entspricht der ständigen Rechtsprechung des Gerichts (vgl. die Beschlüsse vom 28. Januar 2014 - 6 B 99/14 -, 19. Februar 2014 - 6 B 210/14 - und 3. April 2014 - 6 B 672/14 -).

Der abweichenden Auffassung des Einzelrichters A. (vgl. etwa die Beschlüsse vom 10. Februar 2014 - 6 B 123/14 - und 24. April 2014 - 6 B 634/14 -) vermag sich das Gericht weiterhin nicht anzuschließen.

Diese Auffassung setzt sich mit der einschlägigen Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. die Beschlüsse vom 2. Mai 2012 - 13 MC 22/12 -, 2. August 2012 - 4 MC133/12 -, 29. Januar 2014 - 9 LA 20/13 - und 30. Januar 2014 - 4 LA 167/13 -) und anderer Obergerichte (vgl. OVG Münster, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, Beschluss vom 28. März 2014 - 13 A 1878/13.A -; Beschluss vom 28. April 2014 - 11 A 522/14.A -, Beschluss vom 30. Mai 2014 - 14 A 1138/14.A -, Beschluss vom 5. Juni 2014 - 14 A 1139/14.A -, VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 -;OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Februar 2014 - 10 A 10656/13.OVG -; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14. November 2013 - 4 L 44/13 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Juni 2013 - 7 S 33.13 -; BayVGH, Urteil vom 28. Februar 2014 - 13a B.30295 -, Beschlüsse vom 6. Februar 2013 - 20 ZB 12.30286 - und vom 25. September 2012 - 13 a ZB 12.30236 -; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2014 -10 B 35/14 -, Beschlüsse vom 15. April 2014 - 10 B 16/14 und 10 B 27/14 - und 19. März 2014 - 10 B 6/14 -) nicht auseinander.

Obendrein verkennt diese Auffassung die Orientierungs- und Leitfunktion der Rechtsprechung des EGMR (vgl. Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 18. März 2014 - 13 LA 75/13 -). Die Annahme (vgl. Beschluss vom 10. Februar 2014 - 6 B 123/14 - S. 12), dem EGMR hätten bei seiner Entscheidung vom 2. April 2013 "neuere Erkenntnisse" "weitgehend" nicht vorgelegen, relativiert die Entscheidung des EGMR zu einer bloßen Momentaufnahme und übersieht zudem, dass der EGMR seine Einschätzung hinsichtlich der Situation von Asylsuchenden in Italien im Jahr 2013 in weiteren Entscheidungen bestätigt hat. Der Gerichtshof hat dabei deutlich gemacht, dass Art. 3 EMRK der Überstellung von Asylbewerbern nach Italien regelmäßig nicht entgegensteht. Er hat dies auch für besonders schutzbedürftige Gruppen wie etwa Alleinerziehende mit Kleinkindern oder traumatisierte Personen angenommen. Der EGMR ist unter Berücksichtigung der Berichte von Regierungs- und Nichtregierungsinstitutionen sowie -organisationen zu dem Schluss gekommen, dass die allgemeine Situation und die Lebensbedingungen in Italien für Asylbewerber, anerkannte Flüchtlinge und Ausländer, die aus Gründen des internationalen Schutzes oder zu humanitären Zwecken eine Aufenthaltserlaubnis haben, einige Mängel aufweisen mag, dass jedoch kein systematisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für Asylbewerber als Mitglieder einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe feststellbar sei (Beschlüsse vom 2. April 2013 - 27725/10 - ZAR 2013, 336, vom 18. Juni 2013 - 53852/11 - ZAR 2013, 338, und vom 10. September 2013 - 2314/19 -; hierzu auch Thym, ZAR 2013, 331; Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschlüsse vom 29. Januar 2014 - 9 LA 20/13 - und 18. März 2014 - 13 LA 75/13 -).

Angesichts der Leitfunktion, die der EGMR bei der Auslegung der EMRK über den entschiedenen Fall hinaus insbesondere bei der Auslegung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union einnimmt (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 18. August 2013 - 2 BvR 1380/08 -, ; BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2013 - 2 B 44.12 -, , Rdnr. 5; vgl. auch Art. 52 Abs. 3 der Charta) - Art. 3 EMRK ist regelungsgleich mit Art. 4 der Charta -, müssten für eine gegenteilige Annahme systemischer Mängel des italienischen Asylverfahrens und der dortigen Aufnahmebedingungen erhebliche neuere Erkenntnisse sprechen, die nicht lediglich eine kurzfristige Krisensituation widerspiegeln. Derartige Erkenntnisse liegen indes nicht vor (vgl. Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 18. März 2014 - 13 LA 75/13 -).

Der Überweisung des Verfahrens Nr. 29217/12 gegen die Schweiz und Italien an die Große Kammer des EGMR und der dortigen Verhandlung vom 12. Februar 2014 lassen sich gegenwärtig keine abweichenden Gesichtspunkte entnehmen (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 18. März 2014). Auch die EU-Kommission als "Hüterin der Verträge" sieht bislang keinen Anlass zum Eingreifen (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 18. März 2014).

Abweichende Gesichtspunkte ergeben sich auch nicht aus dem Umstand, dass der EGMR Abschiebungen nach Italien in mehreren Fällen auf der Grundlage von Art. 39 seiner Verfahrensordnung zunächst vorläufig ausgesetzt hat (vgl. hierzu VG Hannover, Beschluss vom 3. April 2014 - 4 B 1900/14 -). Dabei handelt es sich um Eilanordnungen unter Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände (afghanische Familie mit zwei Kindern; Alleinerziehende mit Kindern). Der Antragsteller des vorliegenden Verfahrens ist alleinstehend und gehört einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe nicht an.

Eine von der aktuellen Rechtsprechung des EGMR abweichende Beurteilung der Situation von Asylsuchenden in Italien ist auch nicht im Hinblick auf den Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) aus Oktober 2013 angezeigt (vgl. VG Stade, Beschlüsse vom 13. Januar 2014 - 1 B 3546/13 - und 20. Februar 2014 - 1 B 375/14 -). Diesem Bericht lässt sich keine grundlegend andere Einschätzung entnehmen als dem vom EGMR gewürdigten Bericht derselben Organisation aus dem Jahr 2011 (vgl. VG Hannover, Beschluss vom 19. November 2013 - 5 B 7101/13 - 5 A 7100/13 -). Zudem stellt der Bericht der SFH nur auf die Umstände in Rom und Mailand ab und trifft keine Aussage über die landesweiten Verhältnisse (vgl. VG Saarland, Beschluss vom 6. Dezember 2013 - 3 L 1989/13 -). In der Einleitung des Berichts wird unter 1.1., insbesondere 1.2. Methode, ausgeführt: "Aufgrund großer Differenzen je nach Gemeinde und Region kann kein Überblick über die Situation im ganzen Land gegeben werden." Im Übrigen lässt sich dem Bericht zwar entnehmen, dass es Defizite bei der Unterbringung von Asylbewerbern, aber v. a. bei anerkannten Schutzberechtigten, gibt. Der Bericht rechtfertigt jedoch nicht die ernsthafte Befürchtung, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber implizieren.

Hierzu hat das VG Stade in dem Beschluss vom 22. Januar 2014 - 3 B 3682/13 - ausgeführt:

"...Unter dem Dublin-System besteht die Vermutung, dass alle Mitgliedstaaten beziehungsweise staatsvertraglich assoziierten Staaten die Rechte der EMRK garantieren und die Zuständigkeitsordnung selbst ein EMRK-konformes Ergebnis liefert (Bundesverwaltungsgericht Schweiz, Urteil vom 18.07.2013 - E-3990/2013 -). Nach Angaben des Auswärtigen Amtes (Auswärtiges Amt an OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.9.2013) werden Dublin-Rückkehrer nach ihrer Rückkehr in Italien von der Polizei empfangen sowie erkennungsdienstlich behandelt. Anschließend erfolgt die Feststellung, welche Questura für die Person zuständig ist und wie der Stand des Verfahrens in Abhängigkeit von der ersten Ankunft in Italien ist. Im Anschluss daran werden die Dublin-Rückkehrer von der am Flughafen zuständigen Hilfsorganisation - Confederazione Nazional delle Misericordie d'Italia - betreut und über den weiteren Verlauf in Anwesenheit eines Dolmetschers unterrichtet, der sich je nach konkreter Situation unterschiedlich darstellen kann. Die Organisation sucht außerdem eine Unterkunft. Sofern sich Dublin-Rückkehrer noch im Asylverfahren befinden, erhalten sie sofort eine Unterkunft in einem entsprechenden Aufnahmezentrum. Asylsuchende in Italien haben einen Rechtsanspruch auf einen Unterkunftsplatz, der auch gerichtlich durchgesetzt werden kann (Österreichischer Asylgerichtshof vom 26.11.2013 - S7 438899-1/2013 -).

Eine Unterbringung von Asylsuchenden, die unter der Dublin-II-Verordnung nach Italien überstellt werden, erfolgt grundsätzlich in folgenden Zentren:- FER-Projekte (Fondo europeo per i rifugiati), - CARA (Centri di accoglienza per richiedenti asilo),- SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e rifugiati), - Gemeindeunterkünfte (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen vom Oktober 2013).

Kirchliche und andere NGOs bieten zusätzlich zu den Zentren, die sie im Auftrag der Gemeinden führen, Notschlafstellen an, die für alle Bedürftigen - sämtliche Ausländer und Italiener - vorgesehen sind. Dabei ist es nach Einschätzung der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen vom Oktober 2013) nicht möglich, die Gesamtzahl der kirchlichen und NGO-Plätze zu beziffern. Aufgrund der starken Fragmentierung des Systems und fehlender Koordination zwischen den einzelnen Akteuren sei es unmöglich, einen Überblick über die gesamte Anzahl an Angeboten und Plätzen von NGOs und kirchlichen Institutionen zu erhalten. Nach Erkenntnissen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen vom Oktober 2013) kommt es vor, dass Asylsuchende und Schutzberechtigte es vorziehen, in einem besetzten Haus zu leben, als einen staatlichen Aufnahmeplatz in einer abgelegenen Region in Anspruch zu nehmen oder sich den strengen Regeln der staatlichen oder kirchlichen Unterkünfte (teilweise nur nachts geöffnet, feste Ausgangszeiten, beschränkte Aufenthaltsdauern) zu unterwerfen. Der UNHCR hat die italienische Regierung aufgefordert, für eine angemessene Aufnahmefähigkeit für Asylsuchende im ganzen Land zu sorgen, auch wenn erhebliche Zugangszahlen zu verzeichnen sind. Das Aufnahmesystem benötige eine verbesserte Flexibilität, um auf Schwankungen in der Zahl der Asylanträge reagieren zu können (UNHCR RECOMMENDATIONS ON IMPORTANT ASPECTS OF REFUGEE PRO-TECTION IN ITALY July 2013). Eine Empfehlung des UNHCR, von Überstellungen nach Italien immer abzusehen, liegt indes nicht vor. Aus der Gesamtschau der darin getätigten Empfehlungen kann jedenfalls nicht entnommen werden, dass von Überstellungen immer abzusehen wäre, geschweige dass das italienische Aufnahmewesen mit systemischen Mängeln behaftet wäre (so Österreichischer Asylgerichtshof vom 26.11.2013 - S7 438899-1/2013 - ).

Italien erhielt 2012 insgesamt 17.631 Gesuche von anderen europäischen Ländern um Aufnahme oder Wiederaufnahme gestützt auf die Dublin-II-Verordnung (Italienische Dublin Unit, Dati relativi alle richieste di competenza e ai trasferimenti di immigrati richiedenti asilo effettuati nell'applicazione del Regolamento CE 343/2003 (Dublino II), 27. Mai 2013), 3.551 Personen wurden nach Italien überstellt. Nach den Erkenntnissen des Schweizerischen Bundesverwaltungsgerichts werden Dublin-Rückkehrende sowie verletzliche Personen bezüglich Unterbringung von den italienischen Behörden bevorzugt behandelt. Zudem nehmen sich auch private Hilfsorganisationen der Betreuung von Asylsuchenden und Flüchtlingen an (Bundesverwaltungsgericht Schweiz, Urteil vom 18.07.2013 - E-3990/2013 -).

Mehr als die Hälfte der Asylsuchenden in Italien erhält einen Schutzstatus. So fielen 2012 von insgesamt 14.970 Entscheidungen (erst- und beschwerdeinstanzliche) 9.270 (61,9 Prozent) positiv aus. Davon wurden 2.095 als Flüchtlinge anerkannt, 4.770 erhielten subsidiären Schutz und 2.405 humanitären Schutz (Eurostat Pressemitteilung 96/2013, 18. Juni 2013, S. 3). Gemäß Schätzungen von UNHCR leben ungefähr 64.000 Flüchtlinge in Italien (UNHCR Recommendations on Important Aspects of Refugee Protection in Italy, July 2013, S. 2: www.refworld.org/docid/522f0efe4.html.).

Nach Auswertung der Erkenntnismittel gelangt das Gericht zu der Einschätzung, dass hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass sich Italien im konkreten Fall nicht an die aus der EMRK und Genfer Flüchtlingskonvention resultierenden Verpflichtungen hält, nicht festzustellen sind. Allein der Umstand, dass das italienische System zur Aufnahme- und Unterbringung von Asylsuchenden bei Belastungsspitzen und regionalen Engpässen zeitweise an Kapazitätsgrenzen stößt, rechtfertigt nicht die Schlussfolgerung, dass generell und jederzeit auftretende Mängel im italienischen Aufnahme- und Unterbringungssystem zu verzeichnen sind, die für jeden Dublin-Rückkehrer die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Annahme begründen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, in Italien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, Beschluss vom 10.12.2013 - C-394/12 - zu Ungarn). Es liegen auch keine Verurteilungen Italiens durch den EGMR oder EuGH vor, die eine Praxis systemischer Mängel des italienischen Asylwesens, jedenfalls im Falle von Dublin-Rückkehrern aus anderen EU-Staaten, erkennen ließen. ..."

Auch der Stellungnahme des UNHCR vom Dezember 2013 und dessen Bericht "UN-HCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien" von Juli 2013 lässt sich nicht in ausreichendem Maße entnehmen, dass ein "systemisches Versagen" (vgl. zu diesem Begriff EGMR, Entscheidung vom 2. April 2013, a.a.O., Rn. 78) der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen vorliegt und das Asylverfahren und die Bedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern in Italien systemische Mängel aufweisen (vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 21. Januar 2014 - 3 B 6802/13 -). Der UN-HCR hat auch weiterhin eine generelle Empfehlung, Asylbewerber und Ausländer, die bereits einen Schutzstatus in Italien haben, nicht nach Italien zu überstellen, nicht ausgesprochen. Dies ist auch deshalb von erheblicher Bedeutung, weil die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem Mitgliedstaat, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin II-VO als zuständiger Staat bestimmt wird, angesichts der Rolle, die dem Amt des UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, die bei der Auslegung der unionsrechtlichen Asylvorschriften zu beachten ist, besonders relevant sind (vgl. EuGH, Urteil vom 30. Mai 2013 - C-528/11 -, , Rn. 44, NVwZ-RR 2013, 660 ff [EuGH 30.05.2013 - Rs. C-528/11]; VG Oldenburg, Beschluss vom 21. Januar 2014).

Die Widerlegung der o. g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6/14 -). Dafür ist hier nichts ersichtlich. Das Vorbringen des Antragstellers in dem Gespräch am 7. März 2014, er sei in Italien nicht gut behandelt worden, Italien habe ihn nicht aufnehmen wollen, ist unsubstantiiert. Im Übrigen führen individuelle Erfahrungen des Betroffenen nicht zu einer Beweislastumkehr für die Frage des Vorliegens systemischer Mängel (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2014 - 10 B 35/14 -).

Trotz zahlreicher abgelehnter einstweiliger Rechtsschutzverfahren hat auch das Bundesverfassungsgericht bislang keinen Anlass gesehen, der Abschiebung eines Flüchtlings nach Italien entgegenzutreten. Angesichts der hohen Hürden für eine Verpflichtung zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts (Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO, Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO) ist die Annahme einer derartigen, in die Zuständigkeitsordnung des Europäischen Asylsystems eingreifenden Verpflichtung derzeit nicht zu rechtfertigen (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 18. März 2014).

Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts notwendig machen, sind nicht ersichtlich.

Hiernach ist die Abschiebung des Antragstellers nach Italien weder rechtlich unzulässig noch tatsächlich unmöglich. Inlandsbezogene Abschiebungs- oder Vollstreckungshindernisse sind nicht ersichtlich. Somit steht - im Sinne von § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG - fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO; 83 b AsylVfG.