Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.07.2014, Az.: 2 K 301/13

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
02.07.2014
Aktenzeichen
2 K 301/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 42610
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die unterlassene Umrechnung von DM in Eurobeträge stellt eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne von § 129 AO dar.
2. § 181 Abs. 5 AO ist nicht dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass eine Anwendung der Vorschrift im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung von verrechenbaren Verlusten nach § 15a EStG nicht in Betracht kommt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Änderbarkeit der angefochtenen Feststellungsbescheide und in diesem Zusammenhang über die Reichweite des § 181 Abs. 5 Satz 1 AO.

Die Klägerin ist eine KG, deren Zweck die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen ist. Die auf den 31. Dezember 2001 festgestellten verrechenbaren Verluste im Sinne von § 15a Abs. 4 EStG rechnete die Klägerin auf den 1. Januar 2002 nicht in Eurobeträge um. Dementsprechend wurden auf der Anlage FE-V des Jahres 2002 die auf den 31. Dezember 2002 festzustellenden verrechenbaren Verluste (in €) ausgehend von den unzutreffenden DM-Werten berechnet.

Die für das Jahr 2002 eingereichte Anlage FE-V ist ausweislich der Erläuterungen zum Bescheid für 2002 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen vom … Gegenstand der vom FA getroffenen Feststellungen geworden. Die Besteuerungsgrundlagen wurden in den folgenden Jahren aufgrund der Feststellungen des Jahres 2002 fortgeführt, insbesondere in den hier in Streit stehenden Jahren.

Die fehlerhafte Fortführung der Beträge über die verrechenbaren Verluste ist erst im Rahmen einer für die Jahre 2008 bis 2010 durchgeführten Außenprüfung aufgefallen. In der Folge änderte der Beklagte – das FA – die hier in Streit stehenden Bescheide unter dem … 2012 (Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der verrechenbaren Verluste nach § 15a EStG für die Zeiträume 31. Dezember 2002, 2003, 2004 und 2005) sowie dem … 2012 (gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für 2006). Dem letztgenannten Bescheid waren die Feststellungen nach § 15a Abs. 4 EStG als Anlage beigefügt, ein entsprechender Hinweis fand sich in den Erläuterungen des Bescheids. Hinsichtlich der Änderungen verwies das FA auf § 129 AO für die Feststellung der verrechenbaren Verluste auf den 31. Dezember 2002, im Übrigen auf § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO, jeweils in Verbindung mit § 181 Abs. 5 AO. In den Erläuterungen zu den angefochtenen Bescheiden war jeweils zu lesen: „§ 171 Abs. 10 AO bleibt außer Betracht. Der Feststellungsbescheid wurde nach Ablauf der Feststellungsfrist geändert und ist daher nur die Steuerfestsetzungen bedeutsam, für die die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist (§ 181 Abs. 5 Satz 2 AO).“ Eine Vielzahl der an der Klägerin beteiligten Personen, welche beim FA steuerlich geführt werden, gaben die Einkommensteuererklärungen für das Jahr 2006 im Jahr 2008 beim FA ab.

Der mit dem Ziel der Aufhebung der Bescheide eingelegte Einspruch blieb erfolglos, da das FA den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom … 2013 als unbegründet zurückwies. Das FA verwies darauf, es handele sich bei der unterlassenen Umrechnung von DM- in Eurobeträge um einen mechanischen Fehler im Sinne von § 129 AO. Zudem sei der Bescheid über die Feststellung des verrechenbaren Verlustes auf den 31. Dezember 2002 Grundlagenbescheid für die Feststellung der verrechenbaren Verluste der Folgejahre und schließlich der Bescheid über die Feststellung des verrechenbaren Verluste auf den 31. Dezember 2005 Grundlagenbescheid für die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 2006. Zwar sei die (allgemeine) Feststellungsfrist für die im Streit stehenden Feststellungen bereits abgelaufen. Jedoch könne eine Feststellung aufgrund von § 181 Abs. 5 Satz 1 AO dann noch erfolgen, sofern die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Die Feststellungsfrist für einen Grundlagenbescheid werde damit an die Festsetzungsfrist der Folgebescheide angepasst. Die verfahrensrechtliche Verselbständigung der Feststellung von Besteuerungsgrundlagen führe daher nicht zu Vor- oder Nachteilen beim Steuerpflichtigen. Demzufolge hätten die angefochtenen Bescheide noch geändert werden können, eine steuerliche Bedeutung ergebe sich erstmals aufgrund der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2006.

Es bestehe dabei kein Grund, die Anwendung des § 181 Abs. 5 AO in den Fällen des § 15a EStG teleologisch zu reduzieren. Es bestehe kein Bedürfnis nach einer abweichenden Auslegung des eindeutigen Gesetzeswortlauts. Die eingeschränkte Anwendbarkeit des § 181 Abs. 5 AO im Zusammenhang mit § 10d EStG und § 35b GewStG verfolge den Zweck, eine zeitnahe Entscheidung über die Höhe des Verlustabzugs herbeizuführen. Diese Überlegungen seien auf § 15a EStG nicht übertragbar.

Auch der nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO zu erteilende Hinweis sei im Streitfall nicht zu beanstanden. Der verwendete Hinweis orientiere sich an der Gesetzesformulierung und erfülle damit die an ihn zu stellenden Anforderungen.

Hiergegen richtet sich nunmehr die Klage. Es sei bereits Feststellungsverjährung eingetreten, so dass die angefochtenen Bescheide nicht hätten erlassen werden dürfen. Die sich aus dem Verhältnis von Grundlagen- und Folgebescheid ergebende dienende Funktion der Bescheide über die verrechenbaren Verluste nach § 15a EStG dürfe nicht dazu führen, dass der Gedanke der Rechtssicherheit ad absurdum geführt werde. Nur die von der Klage angestrebte eingeschränkte Änderungsmöglichkeit trage in Verbindung mit dem Institut der Feststellungs- und Festsetzungsverjährung dem Willen nach Rechtsfrieden Rechnung.

Zunächst differenziere der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2006 nicht hinsichtlich der Kommanditisten, für die die Änderung noch von Relevanz ist und denjenigen, bei denen die Festsetzungsfrist der Folgebescheide bereits abgelaufen ist. Dies dürfte bei einem Änderungsbescheid im Jahr 2012 für das Jahr 2006 naturgemäß bei einer großen Anzahl der Kommanditisten der Fall sein. Es werde damit gegen das Gebot der Einheitlichkeit der Feststellung verstoßen. Die einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen sei dann nicht mehr zulässig, wenn die Beteiligten nicht mehr einheitlich behandelt werden könnten.

Zudem habe die vom Beklagten befürwortete Auslegung einen „Ketteneffekt“ zur Folge. Letztlich berufe sich der Beklagte bei seiner Änderung darauf, dass der Verlustfeststellungsbescheid für das Jahr 2003 Bindungswirkung für das Jahr 2004 habe, dieser wiederum für das Jahr 2005 usw. Dies habe im Ergebnis zur Folge, dass eine Feststellungsverjährung bei Bescheiden nach § 15a EStG praktisch nicht mehr bestünde, sofern ein Folgebescheid für die Zukunft noch in irgendeiner Form beeinflusst werden könne. Nach der Argumentation des Finanzamts wäre es unerheblich, ob der vom FA aufgezeigte Fehler im Jahr 1995 oder gar im Jahr 1980 aufgetreten wäre. Dies verstoße gegen das Gebot der Rechtssicherheit, dem sich das Institut der Festsetzungs- und Feststellungsverjährung aber gerade verschrieben habe.

Bereits in der Gesetzesbegründung zu § 15a Abs. 4 EStG werde auf die Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und Praktikabilität abgestellt. Durch die vom Beklagten befürwortete, zeitlich praktisch unbegrenzte Änderungsmöglichkeit werde gegen dieses ausdrücklich bestimmte Ziel des Gesetzgebers verstoßen. Um diese Folge zu vermeiden, sei eine teleologische Reduktion der Anwendung des § 181 Abs. 5 AO nötig. Die entsprechende Problematik habe der Gesetzgeber zudem im Bereich von § 10d EStG und § 35b GewStG gesehen und durch Einführung entsprechender Regelungen darauf reagiert. Die Anwendbarkeit des § 181 Abs. 5 Satz 1 AO sei in diesen Regelungsbereichen nur eingeschränkt möglich. In der Gesetzesbegründung zu § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG werde hierzu ausgeführt, die sich aus der Rechtsprechung des BFH ergebende Verpflichtung zum Erlass eines Verlustfeststellungsbescheids bestünde zeitlich unbegrenzt. Dieses Ergebnis sei mit dem bei Einführung der Verlustfeststellung verfolgtem Ziel einer zeitnahen Entscheidung über die Höhe des Verlustabzugs nicht vertretbar. Diese Erwägungen seien auf § 15a Abs. 4 EStG zu übertragen, um einer uferlosen Korrekturmöglichkeit zu begegnen. Es sei auch nicht ersichtlich, warum der Gesetzgeber im Bereich des § 15a Abs. 4 EStG nicht eine ähnliche Regelung wie die schon Angesprochenen getroffen habe. Dies könne nur auf ein schlichtes Übersehen der Problematik zurückgeführt werden.

Zudem lägen bereits die Voraussetzungen von § 129 AO nicht vor. Letztlich sei auch der nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO zu erteilende Hinweis nicht ordnungsgemäß. Entgegen dem BFH-Urteil vom 18. März 1998, II R 7/96, BFHE 185, 573, BStBl II 1998, 555, orientiere sich der vom FA verwendete Erläuterungstext nicht an dem Vorschlag des Niedersächsischen Finanzministeriums. Insbesondere die Formulierung „ist daher nur für Steuerfestsetzungen bedeutsam“ weicht deutlich von der vom BFH als angemessen angesehenen Formulierung ab.

Der Beklagte verweist auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Im Übrigen vermögen die Ausführungen der Klägerin zum Gebot der Einheitlichkeit nicht zu überzeugen. Denn die Rechtsprechung des BFH folge nicht der im Schrifttum vertretenen Auffassung, welche die Klägerin ihrer Klagebegründung zugrunde gelegt habe. Vielmehr müsse nach der Rechtsprechung eine gesonderte und einheitliche Feststellung auch dann durchgeführt werden, wenn bei einzelnen Feststellungsbeteiligten die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen sei, sofern sich für die Feststellungsbeteiligten durch die Feststellung keine Nachteile ergäben. Jede andere Absicht würde auch dazu führen, dass eine Feststellung bereits dann nicht mehr durchgeführt werden könnte, wenn auch nur bei einem Beteiligten im Folgebescheid die Festsetzungsverjährung eingetreten wäre. Etwas anderes gelte nur in Fällen einer Bilanzberichtigung, da dann erforderlich sei, dass die Festsetzungsfrist noch für keinen der Beteiligten abgelaufen sei. Dies finde seine Grundlage allerdings im formellen Bilanzzusammenhang. Insgesamt bleibe festzuhalten, dass nach der Rechtsprechung die dienende Funktion des Feststellungsverfahrens deutlich schwerer gewichtet werde als das Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung aller Beteiligten.

Entscheidungsgründe

I.

Der Senat versteht die Klage - entsprechend dem von der Klägerin gestellten Antrag - dahingehend, das auch der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der verrechenbaren Verluste auf den 31. Dezember 2006 angegriffen werden sollte.

Zwar haben weder Einspruch, noch Einspruchsentscheidung oder die Klageschrift diesen Bescheid ausdrücklich als Angriffspunkt benannt. Jedoch sind Rechtsbehelfe nach dem Grundsatz der rechtsschutzgewährenden Auslegung dergestalt auszulegen, dass der Erklärende denjenigen Rechtsbehelf einlegt, der auch zum Erfolg führen kann (BFH-Urteil vom 27. Mai 2004, IV R 48/02, BFHE 206, 211, BStBl II 2004, 964). Das von der Klägerin geschilderte Ziel des Rechtsschutzes, namentlich die Aufhebung aller Änderungsbescheide, ist hinreichend deutlich geworden, zumal die Klägerin das Verhältnis von Folge- und Grundlagenbescheiden im Bereich des § 15a Abs. 4 EStG ausführlich darstellt. Hinzu tritt der Umstand, dass die Bezeichnung der angefochtenen Bescheide derjenigen des FA folgt. Denn anders als in den anderen Streitjahren gibt es für das Jahr 2006 lediglich einen „Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen“, dem die Feststellung der verrechenbaren Verluste als Anlage beigefügt war. Da die von der Klägerin gewählte Bezeichnung derjenigen des FA entspricht, das Rechtsschutzziel aber auch und gerade auf die Aufhebung der Änderung hinsichtlich der verrechenbaren Verluste des Jahres 2006 gerichtet war, war das Begehren rechtsschutzgewährend wie geschehen auszulegen.

Insoweit kann auch nicht vom Beklagten entgegen gehalten werden, über diesen Bescheid sei bisher nicht entschieden worden. Zum einen gilt insoweit für die Auslegung der Einspruchsentscheidung das schon Ausgeführte. Zum anderen wäre die Klage insoweit auch ohne den Abschluss des Vorverfahrens als Untätigkeitsklage im Sinne von § 46 Abs. 1 FGO zulässig, da das FA keinen zureichenden Grund für die fehlende Entscheidung mitteilte und die Regelfrist von sechs Monaten (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FGO) bereits abgelaufen ist.

I.Die so verstandene zulässige Klage ist allerdings unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
1.Das FA hat zu Recht den Bescheid über die Feststellung der verrechenbaren Verluste auf den 31. Dezember 2002 gemäß § 129 Satz 1 AO berichtigt, ohne dass die Feststellungsverjährung entgegensteht.
a)Die Voraussetzungen von § 129 Satz 1 AO sind erfüllt.
aa)Nach § 129 AO können Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigt werden. Offenbare Unrichtigkeiten i.S. des § 129 AO sind mechanische Versehen, wie beispielsweise Eingabe- und Übertragungsfehler. Nicht erfasst sind hingegen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, unrichtige Tatsachenwürdigung, die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts oder Fehler, die auf mangelnder Sachaufklärung bzw. der Nichtbeachtung feststehender Tatsachen beruhen. Nach § 129 AO zu berichtigende Fehler müssen auf einem „Versehen“ beruhen; hingegen dürfen sie nicht auf die unzulängliche Erfassung oder rechtliche Würdigung eines Sachverhalts zurückzuführen sein (BFH-Urteile vom 8. Dezember 1967, VI R 85/67, BFHE 90, 468, BStBl II 1968, 191; vom 24. Mai 1977, IV R 44/74, BFHE 122, 393, BStBl II 1977, 853; vom 13. Februar 1979, VIII R 53/77, BFHE 127, 302, BStBl II 1979, 458).

Besteht die Möglichkeit, dass der Fehler auf Mängel bei der Ermittlung oder Würdigung des Sachverhalts zurückgeht, kommt eine Berichtigung nach § 129 AO nicht in Betracht. Diese Möglichkeit darf allerdings nicht nur theoretischer Natur sein. Vielmehr muss sie sich durch vom Gericht festgestellte Tatsachen belegen lassen (BFH-Urteile vom 2. August 1974, VI R 137/71, BFHE 113, 169, BStBl II 1974, 727; vom 22. November 1974, VI R 138/72, BFHE 114, 346, BStBl II 1975, 350). Deuten die Gesamtumstände des Falles auf ein mechanisches Versehen hin und liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Fehler auf rechtliche oder tatsächliche Erwägungen zurückzuführen ist, so kann berichtigt werden (BFH-Urteile vom 28. November 1952, III 258/51 S, BFHE 57, 14, BStBl III 1953, 6; vom 17. April 1969, V R 21/66, BFHE 95, 484, BStBl II 1969, 474; vom 4. Februar 1972, III R 28/68, BFHE 105, 439, BStBl II 1972, 679).

Mechanische Versehen können auch Übertragungsfehler sein. Eine offenbare Unrichtigkeit kann daher auch vorliegen, wenn der Veranlagungsbeamte den Eingabewertbogen falsch ausfüllt (vgl. BFH-Urteile vom 1. April 1977, VI R 153/76, BFHE 123, 1, BStBl II 1977, 853; vom 9. Oktober 1979, VIII R 226/77, BFHE 129, 5, BStBl II 1980, 62) oder Daten versehentlich nicht in ein Computerprogramm eingibt (BFH-Beschluss vom 6. Februar 2008, VII B 23/07, BFH/NV 2008, 814).

Ein Fehler ist dann „offenbar“ i.S. des § 129 AO, wenn er auf der Hand liegt, durchschaubar, eindeutig oder augenfällig ist (BFH-Urteile vom 2. April 1987, IV R 255/84, BFHE 149, 490, BStBl II 1987, 762; vom 17. Februar 1993, X R 47/91, BFH/NV 1993, 638; BFH-Beschluss vom 4. September 1984, VIII B 157/83, BFHE 142, 13, BStBl II 1984, 834). Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit anhand des Bescheids und der ihm vorliegenden Unterlagen erkennen konnte. Maßgebend ist, ob der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist (BFH-Urteil vom 21. Oktober 1987, IX R 156/84, BFH/NV 1988, 277). Auch wenn nur das offenbar ist, was für alle Beteiligten durchschaubar, erkennbar, eindeutig oder augenfällig ist, so muss der Fehler für den Bescheidadressaten dennoch nicht unmittelbar dem fehlerhaften Bescheid selbst zu entnehmen sein. Indem der Wortlaut des § 129 Satz 1 AO auf „offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind“, abstellt, kommt es entscheidend auf die Umstände bei der Entscheidungsfindung und demzufolge vornehmlich auf den Akteninhalt an. Maßgebend ist deshalb, ob der Fehler bei Offenlegung des aktenkundigen Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist. Dabei genügt die Offenbarkeit der Unrichtigkeit als solche; nicht dagegen ist erforderlich, dass für den Bescheidadressaten auch der an Stelle des unrichtigen zu setzende richtige Inhalt des Bescheids offenbar ist (BFH-Urteil vom 11. Juli 2007, XI R 17/05, HFR 2008, 6).

Da die Unrichtigkeit nicht aus dem Bescheid selbst erkennbar sein muss, ist § 129 AO auch dann anwendbar, wenn das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt (BFH-Urteile vom 4. Juni 2008, X R 47/07, HFR 2008, 1115; vom 3. März 2011, IV R 8/08, BFH/NV 2011, 1649, jeweils m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).

bb)Nach diesen Vorgaben konnte das FA den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der verrechenbaren Verluste auf den 31. Dezember 2002 berichtigen.

Die von der Klägerin bei Abgabe der Feststellungserklärung unterlassene Umrechnung der zum 31. Dezember 2001 festgestellten DM-Beträge in Euro-Beträge ist ein mechanisches Versehen und damit eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 129 Satz 1 AO. Denn es handelt sich dabei um ein offenkundiges Übersehen der Tatsache, dass die Besteuerungsgrundlagen in den Jahren 2001 und 2002 in unterschiedlichen Währungen ermittelt worden sind. Die Möglichkeit eines Rechtsirrtums, einer unrichtigen Tatsachenwürdigung oder einer bewussten Umrechnung 1:1 ist auf Seite der Klägerin ausgeschlossen (vgl. dazu auch BFH-Beschluss vom 16. August 2006, XI B 168/05, BFH/NV 2006, 2033).

Der Fehler ist auch bei Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen, da das FA den Fehler aus der Feststellungserklärung als eigenen übernommen hat. Dies wird insbesondere dadurch deutlich, dass die Anlage FE-V ohne Änderungen des FA in der von der Klägerin abgegebenen Form inhaltlich in den Bescheid übernommen worden ist. Auch insoweit ist ausweislich des Akteninhalts nicht ersichtlich, dass das FA einem Rechtsirrtum unterlag oder bewusst die fehlerhafte Umrechnung übernommen hätte.

b)Der Berichtigung steht auch nicht die Feststellungsfrist entgegen.
aa)Gemäß §§ 169 Abs. 1 Satz 1 und 2, 180 Abs. 1 Satz 1 AO dürfen Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung dann nicht mehr nach § 129 AO berichtigt werden, wenn die maßgebliche Feststellungsfrist abgelaufen ist. Dies ist hier dem Grunde nach, wovon beide Beteiligten ausgehen, der Fall. Angesichts der im Jahr 2004 abgegebenen Feststellungserklärung war der reguläre Ablauf der Feststellungsfrist der 31. Dezember 2008 (§ 170 Abs. 2 Nr. 1, § 169 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 181 Abs. 1 Satz 1 AO). Eine Ablaufhemmung ist nicht ersichtlich. Der hier angefochtene Bescheid hat bis zu diesem Zeitpunkt nicht den Bereich des FA verlassen (§ 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO).
bb)Gleichwohl war eine Berichtigung des Bescheids möglich. Denn gemäß § 181 Abs. 5 Satz 1 AO kann eine gesonderte (und einheitliche) Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist erfolgen, als die gesonderte (und einheitliche) Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten (und einheitlichen) Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Das Gleiche gilt, wenn die gesonderte (und einheitliche) Feststellung Grundlagenbescheid für einen weiteren Feststellungsbescheid ist. Denn gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 AO gelten für die gesonderte Feststellung die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung und damit auch § 181 Abs. 5 AO sinngemäß (BFH-Urteile vom 13. Juli 1999, VIII R 76/97, BFHE 189, 309, BStBl II 1999, 747 und vom 12. Juni 2002, XI R 26/01, BFHE 198, 395, BStBl II 2002, 681). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, da die Feststellung der verrechenbaren Verluste des Jahres 2002 Bedeutung (jedenfalls auch) für die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen des Jahres 2006 hat.
(1)Konkret ist die Feststellung der verrechenbaren Verluste auf den 31. Dezember 2002 von Bedeutung für die Feststellung der verrechenbaren Verluste auf den 31. Dezember 2003, die ihrerseits von Bedeutung ist für die Feststellung der verrechenbaren Verluste auf den 31. Dezember 2004 usw. Letztlich ist dann die Feststellung der verrechenbaren Verluste auf den 31. Dezember 2006 von Bedeutung für die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für 2006. Denn der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der verrechenbaren Verluste eines Jahres ist jeweils Grundlagenbescheid für die Feststellung der verrechenbaren Verluste des Folgejahres, als auch für die Feststellung der bei der Veranlagung der Beteiligten anzusetzenden steuerpflichtigen Einkünfte (BFH-Urteil vom 22. Juni 2006, IV R 31, 32/05, BFHE 214, 239, BStBl II 2007, 687).

„Von Bedeutung“ im Sinne von § 181 Abs. 5 AO sind Feststellungsbescheide dabei nicht nur für Steuerfestsetzungs- oder Feststellungsbescheide desselben oder des unmittelbar anschließenden Veranlagungszeitraums, sondern auch für die folgenden Jahre, sofern die festgestellten Besteuerungsgrundlagen noch von Bedeutung sind. Denn § 181 Abs. 5 AO ist Folge der dienenden Funktion des Feststellungsverfahrens, derzufolge die verfahrensmäßige Verselbständigung der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen hinter der materiellen Richtigkeit der Folgebescheide zurücktreten muss. Ansonsten entstünden Vor- oder Nachteile allein dadurch, dass die Besteuerungsgrundlagen nur in bestimmten Fällen gesondert (und einheitlich) festgestellt werden (vgl. BFH-Urteil vom 12. Juni 2002, XI R 26/01, BFHE 198, 395, BStBl II 2002, 681). Mit anderen Worten soll den betroffenen Gesellschaftern der Klägerin kein Vorteil dadurch entstehen, dass die verrechenbaren Verluste - etwa wie AfA oder Beträge nach § 4 Abs. 4a EStG - nicht lediglich zur Dokumentation für mehrere Jahre festgehalten, sondern förmlich festgestellt werden.

Angesichts der Tatsache, dass das FA die Bedeutung für die Veranlagung jedenfalls einiger Beteiligter deutlich gemacht hat, war eine Änderung der zum 31. Dezember 2002 festgestellten verrechenbaren Verluste nach §§ 129 Satz 1, 181 Abs. 5 AO möglich. Es liegt in der Natur des § 181 Abs. 5 AO, dass es in der Folge zu Änderungen der Einkommensteuerfestsetzungen nicht aller Gesellschafter kommen wird. Da die Einheitlichkeit der Feststellung aber durch § 181 Abs. 5 AO bewusst durchbrochen wird, bestehen auch insoweit keine Bedenken.

(2)Eine teleologische Reduktion des § 181 Abs. 5 AO wie sie die Klägerin für sich in Anspruch nimmt, kommt nicht in Betracht.

Eine den Wortlaut korrigierende Auslegung wird dann zugelassen, wenn die wortlautgemäße Auslegung zu sinnwidrigen Ergebnissen führt und der Schluss gerechtfertigt ist, dass der gesetzgeberische Wille planwidrig umgesetzt worden ist. Weichen Gesetzeswortlaut und -zweck voneinander ab, so ist der Wortlaut der Gesetzesbestimmung ihrem Zweck entsprechend einzuschränken, sofern sich das Gesetz gemessen an seinem Zweck als planwidrig zu weitgehend erweist. Hingegen kommt eine teleologische Reduktion grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn der weite Wortlaut der Vorschrift Folge einer bewussten rechtspolitischen Entscheidung des Gesetzgebers ist (BFH-Urteil vom 27. März 2007, VIII R 25/05, BFHE 217, 467, BStBl II 2008, 298 m.w.N.).

Im Streitfall entspricht die vom FA gefundene Lösung aber gerade dem Sinn und Zweck der Regelung des § 181 Abs. 5 AO, um eine möglichst weitgehende materielle Richtigkeit herzustellen. Es ist mithin schon keine Abweichung vom Gesetzeszweck zu erkennen. Zwar mag die Argumentation der Klägerin zutreffen, es entspreche nicht der mit § 15a EStG verfolgten Zwecksetzung der Rechtssicherheit und Praktikabilität, wenn die hier in Gang gesetzte „Kettenänderung“ allenfalls bedingt durch den Wegfall oder „Verbrauch“ der festgestellten Beträge möglich wäre. Indes streiten die Beteiligten nicht um die Anwendung des § 15a EStG, sondern um diejenige des § 181 Abs. 5 AO, dessen Zwecksetzung durch das hier gefundene Ergebnis erreicht wird.

Zwar hat der Gesetzgeber in § 10d EStG und in § 35b GewStG auf die auch hier zitierte Rechtsprechung reagiert und die Anwendung des § 181 Abs. 5 AO eingeschränkt. Eine entsprechende Vorschrift lässt sich aber - trotz Kenntnis der Rechtsprechung - in § 15a EStG nicht finden. Dies mag auf ein gesetzgeberisches Versehen zurückzuführen sein, ebenso denkbar ist jedoch eine bewusste Entscheidung der Legislative. Dies ließe sich etwa vor dem Hintergrund erklären, dass anders als in den genannten Vorschriften zur gesonderten Feststellung von Verlusten die gesonderte Feststellung nach § 15a EStG in der Praxis gerade bei Gesellschaften mit breitem Gesellschafterkreis zu Problemen führen kann, die einen Vorrang der materiellen Richtigkeit vor der verfahrensmäßigen Verselbständigung rechtfertigen. Dies ist etwa dadurch begründet, dass häufig - wie es auch im Streitfall der Fall war - die zur Akte gereichten Anlagen ohne weitere Prüfung übernommen und damit Gegenstand der Feststellung des FA werden. Da ein anderslautender Wille des Gesetzgebers im Hinblick auf § 15a EStG nicht dokumentiert ist und jedenfalls der Zweck des § 181 Abs. 5 AO durch die vom BFH gefundene Auslegung, welcher sich der Senat anschließt, verwirklicht wird, verbleibt kein Raum für eine dem Gesetzeswortlaut widersprechende einschränkende Auslegung.

(3)Der Hinweis gemäß § 181 Abs. 5 Satz 2 AO hält der rechtlichen Überprüfung ebenfalls stand.

Gemäß dieser Vorschrift hat das FA bei Erlass eines Feststellungsbescheids nach Ablauf der Feststellungsfrist in dem Bescheid darauf hinzuweisen, dass die getroffenen Feststellungen nur noch für solche Steuerfestsetzungen Bedeutung haben sollen, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Dieser Hinweis hat nicht bloße Begründungsfunktion, sondern Regelungscharakter, weil mit ihm der (zeitliche) Geltungsbereich der getroffenen Feststellungen abweichend von § 182 Abs. 1 AO bestimmt und damit rechtsgestaltend auf das Steuerrechtsverhältnis eingewirkt wird. Für den Steuerpflichtigen und die für den Folgebescheid zuständige Behörde muss deshalb erkennbar sein, dass es sich um einen Feststellungsbescheid handelt, der lediglich für solche Steuerfestsetzungen bedeutsam ist, bei denen die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist (BFH-Urteil vom 5. Februar 2014, X R 1/12, BFHE 244, 516, HFR 2014, 658).

Der vom FA verwendete Hinweis enthält deutlich die Aussage, dass die Änderung nur Steuerfestsetzungen betrifft, für welche die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Auch die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung lässt eine andere Deutung nicht zu. Dort wird ausgeführt: „Die in dem Hinweis liegende Regelung muss den Bestimmtheitsanforderungen des § 119 Abs. 1 AO genügen und deshalb unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass die Feststellungen nach Ablauf der Feststellungsfrist getroffen worden und nur noch für solche Folgesteuern von Bedeutung sind, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen war“ (BFH-Urteil vom 18. März 1998, II R 7/96, BFHE 185/ 573, BStBl II 1998, 555). Dies ist hier der Fall, da die Erläuterung des FA eben auf diese Umstände hinweist. Es wird hier nicht in Abrede gestellt, dass der BFH den im angesprochenen Urteil zitierten Erläuterungstext des Niedersächsisches Finanzministers als ausreichend ansieht und dieser im Streitfall nicht verwendet worden ist. Eine Aussage dergestalt, dass andere Formulierungen generell nicht ausreichend sein sollen, lässt sich der Rechtsprechung des BFH hingegen nicht entnehmen.

2.Die Änderungsmöglichkeit hinsichtlich der weiteren angefochtenen Bescheide ergibt sich demnach unproblematisch aus § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Auf die schon beschriebene Grundlagenwirkung des Bescheids über die gesonderte und einheitliche Feststellung der verrechenbaren Verluste auf den 31. Dezember 2002 wird verwiesen.

Es kann dahinstehen, ob sich das FA insoweit überhaupt noch auf § 181 Abs. 5 AO hätte berufen müssen. Da jedenfalls gleichgeartete Hinweise ergangen sind, kommt eine Feststellungsverjährung auch insoweit nicht in Betracht, die obigen Ausführungen gelten sinngemäß.

II.Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe für die Zulassung der Revision waren nicht ersichtlich.