Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.07.2014, Az.: 10 K 323/13
Abzugsfähigkeit der Reparatur eines Pkw-Motors als außergewöhnliche Belastung in Form behinderungsbedingter Fahrtkosten
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 17.07.2014
- Aktenzeichen
- 10 K 323/13
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2014, 26527
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2014:0717.10K323.13.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 19.01.2017 - AZ: VI R 60/14
Rechtsgrundlagen
- § 33 Abs. 1 EStG
- § 33 Abs. 2 S. 1 EStG
Fundstellen
- EFG 2015, 132-134
- GStB 2015, 130
- GmbH-Stpr. 2017, 4-5
- GmbH-Stpr. 2019, 7-8
- NWB 2014, 3779
- NWB direkt 2014, 1325
- StBW 2015, 169-170
Amtlicher Leitsatz
Aufwendungen zur Reparatur eines Pkw-Motors sind nicht als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 Abs. 1 EStG als außergewöhnliche behinderungsbedingte Fahrtkosten abzugsfähig.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Aufwendungen des Klägers zur Reparatur eines Pkw-Motors im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen als behinderungsbedingte Fahrtkosten abzugsfähig sind.
Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger hatte laut Schwerbehindertenausweis zunächst einen Grad der Behinderung von 50. Seit dem April 2012 wurde dieser auf 80 erhöht, zusätzlich enthielt der Schwerbehindertenausweis nun auch die Merkzeichen "G" und "aG".
Als Lehrer erzielte der Kläger im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit gemäß § 19 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG).
Im Streitjahr fuhr er einen Porsche Cayman, den er auch für die insgesamt 144 Fahrten zu der von seiner Wohnung 5 Kilometer entfernt liegenden Arbeitsstätte nutzte. Am Freitag, den 27. April 2012 hatte das Fahrzeug bei einem Kilometerstand von 76.453 während einer privat veranlassten Fahrt einen Motorschaden, an der Mittelwelle des Boxermotors wurde die Steuerkette gelängt, was zu einem geänderten Zündprozess und schließlich zum Motorschaden führte. Der Schaden ist in der Zeit vom 11. Mai bis 12. September 2012 für insgesamt 10.737,58 € repariert worden. Die Herstellerfirma Porsche erstattete dem Kläger im Kulanzwege insgesamt 4.125,22 € der Reparaturaufwendungen, so dass er aufgrund des Motorschadens insgesamt 6.612,36 € zu bezahlen hatte.
Diese Aufwendungen machten die Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung zunächst als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit geltend.
Mit Bescheid vom 6. September 2013 setzte der Beklagte die Einkommensteuer fest. Bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit berücksichtigte er lediglich den Werbungskostenpauschbetrag von 1.000 €. In den Erläuterungen wies er darauf hin, dass die Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte nur mit den Pauschbeträgen berücksichtigt werden könnten, eine zusätzliche Berücksichtigung der Aufwendungen für die Reparatur des Motors sei nicht möglich.
Die Kläger erhoben Einspruch. Sie waren der Auffassung, dass aufgrund der 80%-igen Schwerbehinderung die außergewöhnlichen Kfz-Kosten steuermindernd zu berücksichtigen seien. Bei dem vorliegenden Motorschaden handele es sich um solche außergewöhnlichen Kosten. Denn bei einer Laufleistung von 76.000 km (scheckheftgepflegt) sei ein solcher Schaden nicht vorhersehbar gewesen. Selbst der Hersteller habe dies anerkannt und einen Teil der Reparaturaufwendungen übernommen.
Im Laufe des Einspruchsverfahrens begehrten die Kläger nunmehr auch die Berücksichtigung behinderungsbedingter Fahrtkosten. Davon ausgehend, dass der Kläger im Streitjahr insgesamt 12.500 km gefahren sei, seien 12.500 km x 0,30 €/km = 3.750 € als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Die außergewöhnlichen Aufwendungen für die Reparatur des Motorschadens seien ebenfalls bei den außergewöhnlichen Belastungen zu berücksichtigen.
Der Einspruch blieb erfolglos. Der Beklagte war der Auffassung, die Aufwendungen könnten weder bei den außergewöhnlichen Belastungen noch bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt werden.
Fahrtkosten seien lediglich bis zu 15.000 km jährlich mit einem Aufwand von 0,30 €/km als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen. Ein höherer Aufwand sei unangemessen und deshalb auch nicht berücksichtigungsfähig. Ausgehend von der von den Klägern erklärten Gesamtfahrleistung von 12.500 km seien die als Werbungskosten zu berücksichtigenden Fahrten mit 144 Tage x 5 km x 2 = 1.440 km abzuziehen, so dass als außergewöhnliche Belastung lediglich 11.060 km x 0,30 €/km = 3.318 € abzugsfähig seien. Dieser Betrag übersteige jedoch nicht die zumutbare Eigenbelastung in Höhe von 4.617 €, so dass eine entsprechende Berücksichtigung zu keiner steuerlichen Auswirkung führen würde.
Darüber hinaus könnten die Reparaturaufwendungen auch nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden. Die Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte seien mit der Pauschale abgegolten. Nachdem beim Kläger lediglich 144 Tage x 5 km x 0,60 €/km = 432 € zu berücksichtigen seien, sei die Berücksichtigung des Werbungskostenpauschbetrags - wie im Bescheid auch angesetzt - für die Kläger günstiger.
Mit ihrer Klage haben die Kläger neben der Berücksichtigung der Aufwendungen zur Reparatur des Motorschadens in Höhe von 6.612,36 € auch die Berücksichtigung weiterer Krankheitskosten in Höhe von 775 € als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht. Darüber hinaus haben sie auch erstmalig die Berücksichtigung diverser Werbungskosten des Klägers bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit begehrt. Auch haben sie erstmalig Aufwendungen zur Schornsteinreinigung nachgewiesen.
Der Beklagte hat zwischenzeitlich am 31. März 2014 einen geänderten Einkommensteuerbescheid erlassen, in dem er die nachgewiesenen, nachträglich geltend gemachten Aufwendungen steuermindernd berücksichtigt hat. Er hat folgende außergewöhnliche Belastungen anerkannt, die sich aufgrund der zumutbaren Eigenbelastung jedoch steuerlich nicht ausgewirkt haben:
behinderungsbedingte Fahrten: | |
---|---|
jährl. Fahrleistung lt. Klägern | 12.500 km |
Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte, 144 T. x 10 km | 1.440 km |
Privatfahrten | 11.060 km |
9/12 (ab April) | 8.295 km |
8.295 km x 0,30 € | 2.488 € |
Krankheitskosten: | 775 € |
§ 33 EStG | 3.263 € |
zumutbare Eigenbelastung, 6% von 76.547 € | 4.592 € |
Somit ist zwischenzeitlich lediglich noch streitig, ob die Aufwendungen für den Motorschaden steuermindernd als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind.
Die Kläger sind der Auffassung, der Motorschaden sei, ähnlich wie ein Unfall, ein außergewöhnliches unvorhersehbares Schadensereignis, dass steuermindernd zu berücksichtigen sei.
Die Kläger beantragen,
unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 2012 vom 31. März 2014 weitere außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG in Höhe von 6.612,36 € zu berücksichtigen und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Aufwendungen zur Reparatur des Motorschadens könnten nicht als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden. Kosten der Reparatur von Gegenständen des täglichen Gebrauchs, selbst wenn sie einem außerordentlichen, der gewöhnlichen Nutzungsdauer nicht entsprechendem Verschleiß unterlegen hätten, seien ihrer Art nach nicht außergewöhnlich.
Entscheidungsgründe
1. Die Klage ist unbegründet.
Der streitige Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Aufwendungen zur Reparatur des Pkw-Motors in Höhe von 6.212,36 € sind nicht als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 Abs. 1 EStG als außergewöhnliche behinderungsbedingten Fahrtkosten abzugsfähig.
a) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so sind die Aufwendungen, soweit sie die zumutbare Belastung übersteigen und nicht zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, auf Antrag vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen (§ 33 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 EStG). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
aa) Nach ständiger Rechtsprechung können Steuerpflichtige, die so gehbehindert sind, dass sie sich außerhalb des Hauses nur mit Hilfe eines Kfz bewegen können, grundsätzlich alle Kfz-Kosten, soweit sie nicht Werbungskosten oder Betriebsausgaben sind, neben den Pauschbeträgen für Körperbehinderte (§ 33b EStG) als außergewöhnliche Belastung geltend machen, also nicht nur die Kosten für unvermeidbare Fahrten zur Erledigung privater Angelegenheiten, sondern in angemessenem Rahmen auch die Kosten für Erholungs-, Freizeit- und Besuchsfahrten. Angemessen sind der höchstrichterlichen Rechtsprechung folgend nur Aufwendungen für Fahrten bis zu 15 000 km im Jahr und nur bis zur Höhe der Kilometerpauschbeträge, die in den Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) und Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) für den Abzug von Kfz-Kosten als Werbungskosten oder Betriebsausgaben festgelegt sind, im Streitjahr 0,30 €/km (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Oktober 1996 III R 203/94, BStBl II 1997, 384 und vom 13. Dezember 2001 III R 40/99, BStBl II 2002, 224).
Die Begrenzung der zu berücksichtigenden Kfz-Kosten durch die in den EStR bzw. LStR enthaltenen Pauschsätze ist nicht nur zulässig, sondern grundsätzlich auch geboten. Denn es lässt sich kein überzeugender Grund dafür finden, warum die zwangsläufigen Kfz-Aufwendungen eines körperbehinderten Steuerpflichtigen je gefahrenem Kilometer höher sein sollten als die der großen Mehrzahl der Steuerpflichtigen im Durchschnitt tatsächlich entstehenden Kosten und warum im Rahmen des Angemessenen ein höherer Aufwand steuerlich zu berücksichtigen sein solle als bei der Mehrzahl der Steuerpflichtigen, die ihre Kfz-Aufwendungen nur in Höhe der Pauschsätze steuerlich geltend machten (Urteil des BFH vom 18. Dezember 2003 III R 31/03, BStBl II 2004, 453).
bb) Allerdings ist bei außergewöhnlichen Umständen einen höherer Abzug grundsätzlich möglich. Eine solche Ausnahme von der Begrenzung der Kosten auf die Pauschbeträge ist aber nur in ganz extremen Fällen in Betracht zu ziehen. Die Beschränkung auf krasse Ausnahmefälle ist nicht nur gerechtfertigt aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung, wegen der Schwierigkeiten der Ermittlung der konkreten tatsächlichen Kosten in jedem Einzelfall, der Gewährleistung einer gleichmäßigen Besteuerung und der Vermeidung einer unverhältnismäßigen Berücksichtigung von grundsätzlich der Privatsphäre zuzurechnenden Aufwendungen, sondern zusätzlich aus der Überlegung, dass die Fahrtkosten neben dem Behinderten-Pauschbetrag und weiteren wegen der Behinderung gewährten Zuschüssen angesetzt werden, und zwar ohne jede Begrenzung auf die allein behinderungsbedingten Mehraufwendungen (Urteil des BFH vom 13. Dezember 2001 III R 40/99, BStBl II 2002, 224, m.w.N.)
b) Bei den vorliegenden Reparaturaufwendungen zur Beseitigung des Motorschadens handelt es sich um keinen solchen krassen Ausnahmefall, der eine ausnahmsweise Berücksichtigung der streitigen Aufwendungen begründen könnte.
aa) Wie die Kläger zutreffend ausführen, geht die ältere Rechtsprechung davon aus, dass es sich bei Unfallkosten um solch einen Ausnahmefall handeln kann, wenn der Unfall sich auf einer behinderungsbedingten Fahrt ereignet hat. Jedoch ist ein solcher Unfallschaden nicht mit einer bloßen Reparatur aufgrund eines vorzeitigen Verschleißes des Motors vergleichbar. Denn den Unfallkosten haftet, -wie der BFH bereits im Urteil vom 29. Januar 1982 VI R 133/79, BStBl II 1982, 325 ausgeführt hat - stets der Umstand des Unvorhersehbaren, vielleicht sogar Unabwendbaren und damit Außergewöhnlichen an. Entsprechendes kann der Natur der Dinge nach jedoch nicht für einen Motorschaden gelten, der aufgrund eines vorzeitigen Verschleißes eingetreten ist, vgl. Urteil des BFH vom 25. Januar 1985 VI R 35/82, BFH/NV 1985, 28. Im Streitfall war an der Mittelwelle des Boxermotors die Steuerkette gelängt worden, was zu einem geänderten Zündprozess und schließlich zum Motorschaden geführt hat. Dies ist eine Folge des (vorzeitigen) Verschleißes, der nicht mit einem Unfall vergleichbar ist.
bb) Insbesondere ist auch aufgrund des Alters und der Kilometerlaufleistung des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Schadenseintritts von keinem krassen Ausnahmefall auszugehen, vgl. Beschluss des BFH vom 21. April 1998 VI B 121/97 - dort trat der Motorschaden bei einem knapp 7 Jahre alten Auto und nach mehr als 75.000 km auf. Auch wenn also die Reparatur früher als üblich erfolgt sein sollte, so reicht dies nicht aus, um einen solch krassen Ausnahmefall zu begründen. Im Streitfall ist es sogar so, dass die Firma Porsche außergewöhnliche Aufwendungen im Kulanzwege dem Kläger erstattet hat.
cc) Die Begrenzung der abzugsfähigen Aufwendungen dient zudem dazu, eine unverhältnismäßige Berücksichtigung von grundsätzlich der Privatsphäre zuzurechnenden Aufwendungen zu vermeiden. Das Risiko frühzeitiger Verschleißerscheinungen eines Fahrzeugs ist regelmäßig der Privatsphäre zuzuordnen, denn dieses Risiko trifft jeden Autobesitzer. Es besteht immer die Gefahr, dass frühzeitige Verschleißerscheinungen mit erhöhtem Reparaturaufwand auftreten und damit in einzelnen Jahren die tatsächlichen Aufwendungen für das Fahrzeug über den Pauschbeträgen liegen.
dd) Insbesondere unter Berücksichtigung des Gedankens der Verwaltungsvereinfachung, erscheint es angemessen, lediglich die Pauschbeträge zum Abzug zuzulassen. Ansonsten wäre bei jeder Reparatur zu prüfen, ob es sich hier um einen außergewöhnlichen Verschleiß gehandelt hat, der ggf. zu einem gesonderten Abzug führen könnte.
Aus den genannten Gründen hat die Klage keinen Erfolg.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 137 Abs. 1 FGO.