Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 27.06.2002, Az.: 14 U 160/01

130% Grenze; 130%-Grenze; Fachwerkstatt; fiktive Reparaturkosten; gewerbliche Nutzung; Gutachtenbasis; Integritätsinteresse; Integritätszuschlag; Kfz-Unfall; Kraftfahrzeugreparatur; Notreparatur; Restwert; Schadensersatzanspruch; Verkehrsunfall; Wiederbeschaffungswert; wirtschaftlicher Totalschaden

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
27.06.2002
Aktenzeichen
14 U 160/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43804
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG - 11.05.2001 - AZ: 13 O 5201/00

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11. Mai 2001 verkündete Urteil des Einzelrichters der 13. Zivilkammer des Landgerichts Hannover unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 2.616,90 € nebst 4 % Zinsen seit dem 2. August 2000 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 62 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 38 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer übersteigt für keine der Parteien 20.000 €.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

<Anmerkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Tatbestand wurde vom Gericht nicht mitgeteilt.>

2

Die zulässige Berufung der Beklagten hat überwiegend Erfolg. Dem Kläger steht wegen der Folgen des Verkehrsunfalls, der sich am 14. Mai 2000 gegen 22:45 Uhr auf dem ... in ... ereignete, gegenüber den Beklagten über den von der Beklagten zu 2 vorprozessual gezahlten Betrag von 4.568,97 DM lediglich noch ein Schadensersatzanspruch in Höhe von weiteren 2.616,90 € = 5.118,21 DM zu (statt in erster Instanz geltend gemachter und dem Kläger vom Landgericht zugesprochener 13.492,52 DM).

3

1. Allerdings teilt der Senat die Auffassung des Landgerichts, dass der Unfall auf dem alleinigen Verschulden des Beklagten zu 3 beruht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen, mit denen das Landgericht diese Einschätzung auf S. 4 f. des angefochtenen Urteils begründet hat, gemäß § 543 Abs. 1 ZPO a.F. Bezug genommen. Auch das Berufungsvorbringen gibt dem Senat keine Veranlassung zu einer abweichenden Entscheidung. Daran, dass allein den Beklagten zu 3 ein Verschulden an dem Zustandekommen des Unfalls in Form einer Vorfahrtsverletzung beim Abbiegen nach links gemäß § 9 Abs. 3 StVO trifft, ändert sich auch dann nichts, wenn man dem Vortrag der Beklagten folgend davon ausgeht, dass die rechten Fahrtrichtungsanzeiger des von dem Fahrer ... geführten Taxis des Klägers bis zur Kollision eingeschaltet waren. ... hatte seine Geschwindigkeit nämlich nicht vermindert und wegen der möglichen Weiterfahrt in die nach halbrechts abbiegende ... - auch für den Beklagten zu 3 sehr wohl erkennbar - durchaus Anlass, rechts zu blinken.

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Auch wenn dem Kläger kein Verschulden an dem Zusammenstoß vorzuwerfen ist, so hat er doch für die von seinem Fahrzeug ausgehende Betriebsgefahr einzustehen. Dabei bedarf die Feststellung, dass der Unfall für den Fahrer ... des Taxis durchaus vermeidbar war, keiner näheren Begründung. Im Gegensatz zur Auffassung des Landgerichts wiegt der vom Beklagten zu 3 begangene Vorfahrtsverstoß hier auch nicht etwa so schwer, dass die von dem Taxi des Klägers ausgehende Betriebsgefahr dahinter ausnahmsweise vollständig zurückzutreten hätte. Die somit nach § 17 StVG vorzunehmende Abwägung führt zu dem Ergebnis, dass der Senat eine Haftungsverteilung von 80 : 20 zu Lasten der Beklagten für angemessen erachtet.

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2. Der Kläger hat gleichwohl keinen Anspruch darauf, dass die von ihm geltend gemachte Schadensersatzforderung seitens der Beklagten in Höhe von 80 % erfüllt wird. Ihm ist es nämlich verwehrt, auf der Basis der (fiktiven) Reparaturkosten in Höhe von 18.021,49 DM netto abzurechnen, die der von ihm beauftragte Sachverständige ...

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... in seinem Gutachten vom 18. Mai 2000 ermittelt hat. Der Kläger muss sich vielmehr darauf verweisen lassen, dass er die Kosten der von ihm durchgeführten Instandsetzungsarbeiten lediglich in Höhe der niedrigeren Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert des Taxis zum Zeitpunkt des Unfalls und dessen Restwert nach dem Unfall mit Erfolg ersetzt verlangen kann.

7

Der Geschädigte, der nach einem Unfall sein Kraftfahrzeug reparieren lässt und damit sein Interesse an dessen Erhalt bekundet, kann gemäß § 249 Satz 2 BGB vom Schädiger den zur Instandsetzung erforderlichen Geldbetrag verlangen, sofern sich die Reparaturkosten auf nicht mehr als 130 % des zur Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs erforderlichen Aufwands belaufen. Dieser ist hier bei Zugrundelegung des Gutachtens des Sachverständigen ... mit 12.068,97 DM netto zu beziffern (= Wiederbeschaffungswert in Höhe von 29.000 DM brutto abzüglich Restwert in Höhe von 15.000 DM brutto). Die Zubilligung des sog. Integritätszuschlags von 30 %, die nach der Rechtsprechung auch für gewerblich genutzte Fahrzeuge in Betracht kommt, setzt allerdings voraus, dass der Geschädigte durch Vornahme der Reparatur das Integritätsinteresse an dem Erhalt seines Fahrzeugs auch nachgewiesen hat, wobei eine nur provisorische oder nur laienhafte Instandsetzung nicht ausreichend ist. Vielmehr erfordert der Nachweis des Erhaltungsinteresses, dass durch die Reparaturmaßnahme der frühere Zustand des Fahrzeugs annähernd wieder erreicht worden ist.

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Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Nach dem Gutachten des vom Senat beauftragten Kfz-Sachverständigen ... vom 4. März 2002 (lose im hinteren Aktendeckel), auf dessen Inhalt zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, ist das Taxi des Klägers nicht vollständig und fachgerecht repariert worden. Es erfolgte lediglich eine oberflächliche Instandsetzung des Unfallschadens, wobei noch deutliche Restverformungen im Frontbereich erkennbar sind.

9

Mangels fachgerechter Durchführung der Instandsetzungsarbeiten kann der Kläger seinen Fahrzeugschaden folglich nur auf der Basis eines (wirtschaftlichen) Totalschadens abrechnen. Dies bedeutet, dass er lediglich die Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert und dem Restwert des Fahrzeugs zu beanspruchen hat. Dabei geht der Senat von einem Restwert des Taxis von 15.000 DM brutto aus, wie ihn der Sachverständige ... in seinem Gutachten vom 18. Mai 2000 zeitnah zu dem Unfall vom 14. Mai 2000 festgestellt hat, und nicht von dem von den Beklagten vorgelegten Restwertangebot der Firma

10

... über 15.750 DM brutto (vgl. Bl. 66), das vom 9. Juni 2000 datiert und damit erst zu einem etwas späteren Zeitpunkt abgegeben worden ist.

11

Nach alledem ergibt sich folgende Abrechnung des an dem Taxi des Klägers durch den Unfall entstandenen Schadens, wobei auf Nettobeträge abzustellen ist, weil der Kläger als Taxiunternehmer vorsteuerabzugsberechtigt ist (Bl. 13):

12
Wiederbeschaffungswert: brutto 29.000 DM = netto25.000,00 DM
abzüglich Restwert: brutto 15.000 DM = netto12.931,03 DM
------------
12.068,97 DM
zuzüglich Auslagenpauschale40,00 DM
-----------
abzurechnender Gesamtschaden12.108,97 DM
abzüglich des 20 %igen Haftungsanteils des
Klägers2.421,79 DM
abzüglich vorprozessual von der
Beklagten zu 2 gezahlter4.568,97 DM
------------
5.118,21 DM
===========
22

Auf die Berufung der Beklagten war das angefochtene Urteil folglich dahin abzuändern, dass dem Kläger ihnen gegenüber lediglich ein weiterer Schadensersatzanspruch in Höhe von 2.616,90 € zusteht.

23

3. Der Zinsausspruch ergibt sich aus §§ 284, 288 BGB a.F.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

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Den Wert der Beschwer hat der Senat im Hinblick auf § 26 Nr. 8 EGZPO festgesetzt. Gründe für die vom Kläger beantragte Zulassung der Revision nach § 543 ZPO n.F. liegen nicht vor.