Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 18.06.2002, Az.: 4 AR 45/02

Unterbrechungswirkungen der §§ 240, 249 Zivilprozessordnung (ZPO) nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ; Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO; Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses; "Objektiv willkürlich"; Wegen übereinstimmenden Parteiwillens eingreifende Bindungswirkung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
18.06.2002
Aktenzeichen
4 AR 45/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 20158
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2002:0618.4AR45.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Berlin 2 O 58/02
LG Hannover 9 O 5415/01

Fundstelle

  • OLGReport Gerichtsort 2002, 214

Amtlicher Leitsatz

Die Unterbrechungswirkungen der §§ 240, 249 ZPO nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelten nicht für das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO.

Tenor:

Das Landgericht Berlin ist zuständig.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe

1

Das Landgericht Berlin war gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO als zuständiges Gericht zu bestimmen. Denn der Verweisungsbeschluss des Landgerichts

2

Hannover vom 7. Januar 2002 entfaltet gem. § 281 Abs. 2 S. 5 ZPO Bindungswirkung für das Landgericht Berlin.

3

Zwar trifft es zu, dass die Klägerin mit Erhebung ihrer Klage vom 10. Oktober 2001 vor dem Landgericht Hannover grundsätzlich ihr Wahlrecht aus § 35 ZPO ausgeübt und 'verbraucht' hatte. Grundsätzlich kommt einem Verweisungsbeschluss, der wie der Beschluss des Landgerichts Hannover vom 7. Januar 2002 eine Verweisung an ein nur konkurrierend zuständiges Gericht - hier das LG Berlin nach § 29 ZPO - ausspricht, keine Bindungwirkung zu, weil ein solcher Beschluss im Regelfall 'objektiv willkürlich' ist (vgl. z. B. BGH NJW 1993, 1273).

4

Das ist aber ausnahmsweise dann anders, wenn der Verweisungsbeschluss auf ausdrücklichem, übereinstimmenden Willen der Parteien beruht. Denn ein auch im Übrigen rechtlich fehlerhafter Beschluss ist nicht mehr objektiv willkürlich, wenn er (nur) dem übereinstimmenden Parteiwillen Rechnung trägt (BGH, a. a. O. , vgl. ferner Zöller/Vollkommer, ZPO, 21. Aufl. , § 35 Rn. 2, § 690 Rn. 15).

5

Diese Voraussetzung einer ausnahmsweise wegen übereinstimmenden Parteiwillens eingreifenden Bindungswirkung trotz sonstiger Fehlerhaftigkeit des Verweisungsbeschlusses ist hier erfüllt. Denn die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2001 (Bl. 22 d. A. ) ebenso wie die Klägerin mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2001 (Bl. 23) Verweisung an das Landgericht Berlin beantragt. Hierbei kann entgegen der Erwägung des Landgerichts Berlin im Beschluss vom 17. Mai 2002 S. 2 unten (Bl. 98 unten d. A. ) auch nicht etwa angenommen werden, dass das Landgericht Hannover seinerseits die Verweisung nach Berlin in irgendeiner Weise gleichsam 'provoziert' hätte und die Verweisung deshalb rechtsmissbräuchlich erscheint. Denn nach Aktenlage hat das Landgericht Hannover bis zu den Anträgen der Parteien vom Dezember 2001 gerade nicht auf eine Verweisung an ein anderes Gericht hingewirkt. Die Anträge beruhen vielmehr, wie der Schriftsatz der Beklagten vom 5. April 2002 (Bl. 36 d. A. ) deutlich macht, auf einer Vereinbarung der Parteien, entsprechen also deren wahrem Willen.

6

Ob das Landgericht Hannover die übereinstimmend auf Grund nachweislicher Prorogation beantragte Verweisung auch seinerseits hätte ablehnen dürfen oder aus Rechtsgründen hätte evtl. sogar ablehnen müssen, ist hierbei unerheblich, weil die nur auf übereinstimmendem Willen der Parteien beruhende Verweisung jedenfalls nicht mehr willkürlich ist. Im Übrigen sei nur angemerkt, dass die Behandlung der Sache wegen der Örtlichkeit des Bauvorhabens und Auftragsvergabe auch durch das Landgericht in Berlin nur zweckmäßig erscheint.

7

Im Übrigen war der Senat auch nicht durch das zwischenzeitlich mit Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt/Main vom 1. Juni 2002 eröffnete Insolvenzverfahren daran gehindert, das zuständige Gericht gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu bestimmen. Denn die §§ 239 ff. ZPO sind in erster Linie auf solche Verfahren zugeschnitten, die eine obligatorische mündliche Verhandlung voraussetzen. Für das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gelten die §§ 239 ff. ZPO nach Auffassung des Senats nicht, weil das Verfahren nach § 36 ZPO kein Hauptsacheverfahren i. S. d. §§ 240, 249 Abs. 2 ZPO ist, sondern dieses erst vorbereiten soll (wie hier für den Fall der Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ferner Zöller/Greger, 23. Aufl. , ZPO, vor § 239 Rn. 18; BayObLGZ 85, 314, 315 f. ).

8

Nach alledem war das Landgericht Berlin als zuständiges Gericht zu bestimmen.