Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 20.06.2002, Az.: 2 U 66/02

Zurückweisung einer Berufung ohne mündliche Verhandlung; Erforderlichkeit einer mündlichen Verhandlung vor Zurückweisung der Berufung bei Unklarheiten im Parteivorbringen; Änderung der Vertragsbedingungen bei Stellung eines Nachmieters

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
20.06.2002
Aktenzeichen
2 U 66/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 28108
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2002:0620.2U66.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - AZ: 3 O 152/01

Fundstellen

  • EWiR 2002, 931
  • NJW 2002, 2400-2401 (Volltext mit amtl. LS)

Redaktioneller Leitsatz

Zu den Voraussetzungen der Zurückweisung der Berufung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 522 II ZPO

In dem Rechtsstreit
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. S. sowie
die Richter am Oberlandesgericht R. und B.
am 20. Juni 2002
einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 12. März 2002 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg wird zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren beträgt 98.042,88 EUR.

Gründe

1

Die Entscheidung beruht auf § 522 II ZPO und ergeht nach Anhörung der Beklagten.

2

Der Senat ist aus den auch gegenüber dem Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 19. Juni 2002 Fortgeltenden Gründen der Hinweisverfügung des Vorsitzenden vom 5. Juni 2002 davon überzeugt, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts auf Grund mündlicher Verhandlung nicht erfordert.

3

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist eine grundsätzliche Bedeutung im vorliegenden Fall auch nicht wegen der von dem Senat in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung anzunehmen, dass sich der Vermieter bei der Stellung eines Nachmieters nicht auf eine Änderung der Vertragsbedingungen einlassen müsse. Diese Beurteilung entspricht der herrschenden Meinung (vgl. Bub/Treier/Heile, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., II, Rdnr. 824).

4

Der Anwendung des § 522 II ZPO kann ferner nicht entgegengehalten werden, es seien ein komplexer Sachverhalt oder zumindest komplexe Rechtsfragen zu entscheiden. Das ist tatsächlich nicht der Fall und lässt sich insbesondere nicht aus der Länge der Hinweisverfügung entnehmen. Es ist vielmehr ein Kennzeichen der die Entscheidung in dieser Sache maßgeblich bestimmenden Auslegung der Erklärungen einer Partei, dass für das Ergebnis der Auslegung eine Vielzahl maßgeblicher Umstände mit heranzuziehen sind, deren Erwähnung in der Hinweisverfügung geboten war, um den Beklagten die Gründe für die beabsichtigte Zurückweisung ihres Rechtsmittels nachvollziehbar darzulegen.

5

Der Gesetzgeber hat überdies die Anwendung des § 522 II ZPO nicht, wie z.B. die Abgrenzung der Zuständigkeit von Einzelrichter und Senat in der nach dem Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung ( §§ 526 I Nr. 2, 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO), davon abhängig gemacht, dass die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Maßgeblich ist vielmehr die Prognose, ob das Vorbringen des Berufungsklägers einschließlich etwa geltend gemachter zulässiger neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel der Berufung - ggfs. unter Berücksichtigung der Berufungserwiderung - auch auf Grund einer mündlichen Verhandlung der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen kann (vgl. BR-Drucks. 536/00 vom 8.9.2000, S. 247). Dabei ist die Erforderlichkeit einer "offensichtlichen" Unbegründetheit der Berufung als Voraussetzung für die einstimmige Zurückweisung trotz der Diskussion im Gesetzgebungsverfahren gerade nicht in das Gesetz übernommen worden, so dass die Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht auf Fälle beschränkt ist, in denen die fehlende Erfolgsaussicht besonders deutlich ins Auge springt (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Juni 2002 - 2 U 31/02 -).

6

Die von den Beklagten erwogene Parallele zur Prüfung der Erfolgsaussichten im Prozesskostenhilfeverfahren, bei der nur begrenzte Anforderungen an die Darlegung der Erfolgsaussichten gestellt werden und eine Beweisantizipation nicht ausgeschlossen ist, überzeugt den Senat nicht, weil die Entscheidung nach § 522 II ZPO gerade nicht nur auf der Grundlage einer lediglich summarischen Prüfung, sondern nach sorgfältiger abschließender Beratung der Schlüssigkeit des Berufungsvorbringens einstimmig zu erfolgen hat, nachdem dem Berufungskläger zuvor Gelegenheit gegeben worden ist, zu den vorab mitgeteilten Gründen der beabsichtigten Zurückverweisung Stellung zu nehmen. Erst durch diese Form des rechtlichen Gehörs wird der Verzicht auf die mündliche Verhandlung legitimiert. Von einer Entscheidung nach § 522 II ZPO ist daher insbesondere abzusehen, wenn Unklarheiten im Parteivorbringen Veranlassung zu einer Erörterung der Sache mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung bieten. Dazu besteht in vorliegender Sache jedoch kein Anlass.

7

Bei ihrer Kritik der Auslegung der Erklärungen des Klägers im Schreiben vom 13. November 2000 bleiben die Beklagten entgegen § 133 BGB zu sehr dem bloßen Wortlaut des Schreibens verhaftet, ohne hinreichend zu berücksichtigen, dass weder der Gesamtzusammenhang der Erklärungen noch das vorangegangene Verhalten der Parteien, eine nachvollziehbare Erklärung dafür bietet, dass der Kläger ohne konkreten Anlass kategorisch für die Zukunft seine Zustimmung zu jedweder Untervermietung des Geschäftslokals versagen wollte, in dem ohnehin mit seiner Kenntnis schon damals nicht von den Beklagten, sondern von einer juristischen Person eine Spielhalle betrieben wurde. Die Zustimmung zur Untervermietung war auch nicht ausschließlich von der Vereinbarung eines Untermietzuschlages, sondern ebenso von der Person etwaiger Untermietinteressenten abhängig. Die Ablehnung einer konkreten Untervermietung wegen eines wichtigen Grundes in der Person eines Untermietinteressenten gemäß § 549 I 2 letzter Halbsatz BGB mit der Folge des Ausschlusses des Sonderkündigungsrechts wegen der Verweigerung der Erlaubnis war dem Kläger nämlich durch § 9 Mietvertrag nicht verwehrt. Die grundsätzlichen Ausführungen des Klägers zu einer Untervermietung in dem Schreiben vom 13. November 2000 richteten sich entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht in krasser Weise gegen seine eigenen Interessen. Gerade weil dieses Schreiben nicht eindeutig die endgültige Ablehnung jeder künftiger Untervermietung zum Ausdruck bringt, hätte der Kläger in der Folgezeit im Falle eines Ersuchens der Beklagten um die schriftliche Einwilligung zur Untervermietung an einen bestimmten Interessenten prüfen und entscheiden können, ob wichtige Gründe für die Ablehnung der Erlaubnis vorlagen oder nicht. Im Falle der Zustimmung hätte er die Beklagten als Schuldner behalten und zugleich einen Untermietzuschlag beanspruchen können. Die von den Beklagten tatsächlich erbetene Zustimmung zu ihrer Entlassung aus dem Mietverhältnis konnte er dagegen von zusätzlichen finanziellen Forderungen abhängig machen. Er musste sich auch nicht nach Treu und Glauben dazu bereit finden, dass ein Teil der vertraglichen geschuldeten Miete von dem Nachmietinteressenten R. und der Restbetrag von den Beklagten aufgebracht werden. Bei dieser Konstellation hätte der Kläger die Beklagten als Schuldner der vollen Gegenleistung einschließlich der Verpflichtung zur Durchführung der Schönheitsreparaturen verloren, ohne den Nachmietinteressenten in vollem Umfang auf die Erfüllung des Mietvertrages in Anspruch nehmen zu können. Dem gegenüber hätte es den Beklagten frei gestanden, von dem Kläger die Einwilligung zur Untervermietung an R. gegen Zahlung eines Mietzuschlages zu verlangen und sich auf diese Weise die finanziellen Mittel zur Finanzierung ihrer Mietzinsverpflichtung zu verschaffen. Das Risiko, dass R. allenfalls zur Zahlung eines Teils der von ihnen geschuldeten Miete bereit und in der Lage war, konnten sie nicht auf den Kläger verlagern.

8

Für die Annahme der Schutzwürdigkeit der Beklagten hinsichtlich des von ihnen begehrten vorzeitigen Entlassung aus dem Mietverhältnis genügt im Übrigen auch nicht die Behauptung, der Betrieb der von der GmbH in den Mieträumen betriebenen Spielhalle wäre bei Einstellung eines Geschäftsführers wirtschaftlich unrentabel für die GmbH gewesen. Die Verwirklichung der Erwartung, in den angemieteten Geschäftsräumen Gewinne zu erzielen, gehört zu dem typischen Mieterrisiko (vgl. BGH NJW 1987, 2390 [BVerwG 20.02.1987 - 7 C 25/85]), so dass die Enttäuschung dieser Erwartung allein die vorzeitige Entlassung aus dem Vertrag nicht rechtfertigt.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren beträgt 98.042,88 EUR.

Dr. S. R. B.