Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 12.09.2007, Az.: 7 U 144/06

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
12.09.2007
Aktenzeichen
7 U 144/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 59327
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2007:0912.7U144.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 08.06.2006 - AZ: 4 O 236/05

In dem Rechtsstreit

...

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. August 2007 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Kleineke, der Richterin am Oberlandesgericht Henkel und des Richters am Oberlandesgericht Knafla für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 8. Juni 2006 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

  2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 29 275,31 EUR nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. April 2005 zu zahlen.

  3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  4. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und des Berufungsverfahrens tragen zu 20 % der Kläger und zu 80 % die Beklagte.

  5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

  6. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

  7. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

  8. Die Revision wird nicht zugelassen.

  9. Beschwer für den Kläger: unter 20 000 EUR

  10. Beschwer für die Beklagte: über 20 000 EUR.

Gründe

1

I.

Der Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der B.... GmbH nimmt die Beklagte auf Zahlung von Werklohn in Anspruch.

2

Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts (Bl. 319 ff. GA) Bezug genommen.

3

Durch Urteil vom 8. Juni 2006 hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger 36 087,40 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Nach Ansicht des Gerichts sei die Beklagte nach wie vor als Schuldnerin verpflichtet, die dem Grunde und der Höhe nach unstreitigen Werklohnforderungen der Insolvenzschulderin zu erfüllen. Denn eine befreiende Schuldüberübernahme nach §§ 414, 415 BGB, durch die der Zeuge ... B.... ihre Schulden bei der Insolvenzschuldnerin übernommen habe, sei nicht gegeben. Die Aussage des Zeugen B.... reiche für eine entsprechende Annahme nicht aus. Wegen der Einzelheiten der Gründe wird auf das angefochtene Urteil des Landgerichts verwiesen.

4

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Sie macht geltend, sie sei weiterhin der Auffassung, dass sich der Zeuge B.... verpflichtet habe, in Erfüllung der zwischen ihr und dem Zeugen geschlossenen Kaufverträge die Kaufpreise insofern zu begleichen, als dass er die Verbindlichkeiten der Beklagten bei der Insolvenzschuldnerin als eigene übernehme, wobei diese mit den Kaufpreisen zu verrechnen gewesen seien. Dies könne der Zeuge A.... C.... bestätigen, der erstinstanzlich benannt, von dem Landgericht aber nicht vernommen worden sei. Die Absprache mit dem Zeugen B.... sei rechtlich als befreiende Schuldübernahme zu werten. Zumindest habe das Landgericht von einer Verrechnungsabrede ausgehen müssen. Tatsächlich sei es in der Vergangenheit auch zu Verrechnungen mit den Kaufpreisen aus den Grundstückskäufen gekommen. Die streitgegenständlichen Forderungen seien dabei mit verrechnet worden, was bereits die vorgelegten Rechnungen und Aufstellungen belegen würden. Im Übrigen werde Verjährung und Verwirkung eingewandt.

5

Die Beklagte beantragt,

  1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,

  1. die Berufung zurückzuweisen.

7

Er verteidigt das angefochtene Urteil und macht geltend, bereits in erster Instanz habe er auf die mangelnde Substanz des Vorbringens der Beklagten in Bezug auf eine vermeintliche befreiende Schuldübernahme hingewiesen. Einer Zeugeneinvernahme des Zeugen B.... habe es daher an sich nicht bedurft. Darüber hinaus habe der Zeuge B.... unmissverständlich bekundet, dass nicht vereinbart worden sei, dass er für die Außenstände der Firmengruppe C.... gegenüber der Insolvenzschuldnerin einzustehen habe. Es sei zwar zutreffend, dass es in der Vergangenheit zu Verrechnungen zwischen der C....-Gruppe und der Insolvenzschuldnerin gekommen sei; für die hier streitbefangenen Forderungen gebe es indes keine einvernehmlichen Verrechnungen.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

9

Der Senat hat gemäß prozessleitender Verfügung vom 21. Mai 2007 die Zeugen ... B...., R.... und H.... vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 23. August 2007 verwiesen (Bl. 463 ff. GA).

10

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg.

11

Der Kläger kann gemäß § 631 BGB von der Beklagten nur die Zahlung von Werklohn in Höhe von 29 275,31 EUR beanspruchen.

12

Unstreitig ist, dass die Insolvenzschuldnerin für die Beklagte an verschiedenen Bauvorhaben Elektroinstallationsarbeiten durchgeführt hatte und dass hierfür die in den Rechnungen K1 bis K 67 ausgewiesene Vergütung in Höhe von insgesamt 36 087,40 EUR angefallen ist. Seitens der Beklagten ist zwar vorgebracht worden, dass fünf Rechnungen um insgesamt 148,63 EUR überhöht seien und der Forderungsbetrag deshalb insoweit zu kürzen sei (vgl. Bl. 160 GA unten). Da die Beklagte aber den Grund der Kürzungen nicht dargelegt hat, erweist sich ihr Einwand als unsubstantiiert und damit als unbeachtlich. Wie nachfolgend ausgeführt wird, sind von den 36 087,40 EUR allerdings Werklohnansprüche in Höhe von 6 812,09 EUR nach einer stattgefundenen Verrechnung Anfang 2003 erloschen, so dass zugunsten des Klägers ein Zahlungsanspruch von 29 275,31 EUR verbleibt.

13

Soweit von der Beklagten auch in der Berufungsinstanz eingewendet wird, dass der Zeuge ... B.... persönlich ihre Verbindlichkeiten bei der Insolvenzschuldnerin in vollem Umfang übernommen habe, so dass sie nicht mehr passivlegitimiert sei, kann sie hiermit nicht gehört werden. Unstreitig hatte die Beklagte mit dem Zeugen ... B...., der der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin war, Kaufverträge über noch fertigzustellende Objekte abgeschlossen. Dabei sollte der Kaufpreis in der Weise ausgeglichen werden, dass die Insolvenzschuldnerin ihre Werklohnansprüche gegenüber der Beklagten zwecks Erfüllung der Kaufpreisforderungen der Beklagten zur Verfügung stellt, indem beide Ansprüche miteinander verrechnet werden sollten, was schon im Hinblick auf das Bestehen und den Umfang der Vergütungsansprüche der Insolvenzschuldnerin eine diesbezügliche Abstimmung ihrer in die Verrechnung einzustellenden Forderungen erforderlich machte. Zu derartigen Verrechnungen ist es auch gekommen, was u.a. die Rechnung Nr. 22201 der Beklagten ohne Datum (Bl. 191 GA) sowie das Antwortschreiben der Insolvenzschuldnerin vom 30. Januar 2003 (Bl. 190 GA) belegen. Dass Verrechnungen bis zur Höhe der von dem Zeugen B.... geschuldeten Kaufpreise erfolgen sollten, war zwischen dem Zeugen B.... und Herrn C.... als Vertreter der C....-Gruppe grundsätzlich abgesprochen gewesen. Dies ist inzwischen auch unstreitig, nachdem der Zeuge B.... vor dem Landgericht angegeben hat, dass die gegen ihn gerichteten Kaufpreisansprüche der Beklagten mit Forderungen der Insolvenzschuldnerin hätten verrechnet werden sollen. Diese Verrechnungsabrede, die neben der Absprache zwischen dem Zeugen B.... und der Beklagten zugleich eine Übereinkunft mit der Insolvenzschuldnerin beinhaltet, ist hier rechtlich zulässig. Der Zeuge B.... hat zwar bei dieser Übereinkunft sowohl für sich als auch für die Insolvenzschuldnerin gehandelt, die hierdurch ihrem Geschäftsführer gegenüber verpflichtet war, ihre Forderungen für Verrechnungen bereit zu stellen. Der Geschäftsführer B.... war aber von den Vorgaben des § 181 BGB befreit gewesen (vgl. den Handelsregisterauszug in 7 U 152/06, dort Bl. 223). Die Abrede über die Vornahme von Verrechnungen stellt sich entgegen der Beklagten indes nicht als befreiende Schuldübernahme dar.

14

Eine Schuldübernahme ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Dritter (hier der Zeuge B....) an die Stelle des Schuldners (hier der Beklagten) tritt und der Gläubiger (hier die Insolvenzschuldnerin) damit einverstanden ist. Dass die stattgefundene Absprache in diesem Sinne gewollt gewesen ist, was einen entsprechenden Verpflichtungswillen des Zeugen B.... sowie ein Einverständnis der Insolvenzschuldnerin erfordert hätte, ergibt sich bereits nicht schlüssig aus dem Vorbringen der Beklagten, so dass eine Vernehmung des Herrn C.... als Zeugen zu dem Inhalt der Absprache nicht in Betracht kam. Obgleich der Zeuge B.... vor dem Landgericht eindeutig ausgesagt hat, dass er mit dem Vertreter der Beklagten nicht abgesprochen habe, dass er für die Außenstände der Firmengruppe C.... gegenüber der Insolvenzschuldnerin einzustehen habe, ist von der Beklagten in der Berufungsinstanz weiter unsubstantiiert behauptet worden, dass die Verrechnungsabsprache dahin gehe, dass die Beklagte nicht mehr zur Zahlung gegenüber der Insolenzschuldnerin verpflichtet sei, sondern dass nunmehr der Zeuge B.... der Schuldner sei (Bl. 358 GA). Dabei ist nach wie vor offen geblieben, wodurch der Zeuge B.... seinen vermeintlichen Verpflichtungswillen und die Insolvenzschuldnerin ihr Einverständnis kundgetan haben. Dahingehende ausdrückliche Erklärungen liegen unstreitig nicht vor. Denn bei seiner Anhörung vor dem Senat in der Verhandlung vom 15. Februar 2007 hat der Vertreter der Beklagten, Herr C...., schlicht angegeben, dass die Vornahme von Verrechnungen abgesprochen gewesen sei, wobei er sich über die rechtliche Einordnung dieser Abrede keine Gedanken gemacht habe. Diese rechtliche Einordnung geht entgegen der Annahme der Beklagten nicht dahin, das Übereinkommen als Schuldübernahme zu werten. Dass der Zeuge B.... mit dem Vertreter der Beklagten besprochen hat, dass Verrechnungen bis zur Höhe der von ihnen festgelegten Werte der Immobilien erfolgen sollten, ist hierfür nicht ausreichend. Tatsächlich beinhaltet diese Absprache nur, dass der Zeuge B.... die Beklagte darüber informiert hat, dass es die Insolvenzschuldnerin im Verhältnis ihm, dem Geschäftsführer, übernommen hat, für ihn dessen Kaufpreisschulden bei der Beklagten zu begleichen und zwar in Form der Verrechnung (ohne dass dies Einfluss auf ihr Vertragsverhältnis zur C....-Gruppe haben sollte), und dass der Zeuge B.... hierbei persönlich gegenüber der Beklagten versprach, die Kaufpreisforderungen durch Verrechnungen auszugleichen, ohne jedoch die Schulden der Beklagten zu übernehmen.

15

Dass bei dem Zeugen B.... persönlich kein Verpflichtungswille in Bezug auf eine Schuldübernahme vorlag, hat dieser bei seiner Vernehmung vor dem Senat nochmals bestätigt; danach wollte er nicht Schuldner seiner eigenen GmbH werden, was mit dem Vertreter der Beklagten so besprochen worden war. Auch die Zeugin R...., die für die Buchhaltung der Insolvenzschuldnerin zuständig war, hat vor dem Senat angegeben, dass trotz der Verrechnungsabrede Schuldner der Werklohnforderungen die Beklagte gewesen sei und nicht etwa der Zeuge B..... Dass der Zeuge B.... nach Verkauf der Immobilien Zahlungen an die Insolvenzschuldnerin erbracht haben soll, wie von der Beklagten behauptet wird, ist hier unbeachtlich und lässt keinen Schluss auf einen Verpflichtungswillen des Zeugen B.... und damit auf eine Schuldübernahme zu. Dies gilt um so mehr, als dass auch im Falle der Verrechnungsabrede die Insolvenzschuldnerin, sobald sie für ihren Geschäftsführer dessen Schulden (durch Verrechnung) ausgleicht, einen Aufwendungsersatzanspruch diesem gegenüber hat, so dass er zu Ausgleichszahlungen ihr gegenüber verpflichtet gewesen ist. Ebenso unerheblich ist, dass der Zeuge B.... zur Finanzierung der Immobilien Kredite aufgenommen hat; hieraus lassen sich ebenfalls keinerlei Rückschlüsse für die rechtliche Einordnung der getroffenen Absprache zwischen der Beklagten und dem Zeugen B.... ziehen. Auch wenn dem Zeugen B.... infolge der Kreditgewährung Gelder zur Verfügung standen, lässt sich daraus in keiner Weise ableiten, dass er sich gegenüber der Beklagten verpflichtet hat, deren Verbindlichkeiten bei der Insolvenzschuldnerin zu übernehmen. Soweit die Beklagte offenbar einwenden will, dass der Zeuge B.... mit seinen Zahlungen gerade auf die Forderungen der Insolvenzschuldnerin gegenüber der C....-Gruppe gezahlt habe, fehlt es hierfür an jeglichem schlüssigen Sachvertrag.

16

Kann sonach auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten nur angenommen werden, dass die getroffene Absprache eine Verrechnungsabrede und keine Schuldübernahme darstellt, ist die Beklagte als richtige Anspruchsgegnerin (weiter) passivlegitimiert.

17

Trotz der getroffenen Verrechnungsabrede kann von der Beklagten erheblich nur eingewandt werden, dass es in der Vergangenheit tatsächlich zu einvernehmlichen Verrechnungen mit der Insolvenzschuldnerin gekommen ist, die zugleich die hier streitbefangenen Werklohnforderungen betreffen. Denn die Verrechnungsabrede stellt sich rechtlich als Erfüllungsübernahme dar und gibt der Beklagten damit kein Recht auf einseitige Durchführung von Verrechnungen. Die Insolvenzschuldnerin hat es zwar im Verhältnis zu ihrem Geschäftsführer übernommen, für diesen dessen Schulden bei der Beklagten zu begleichen, indem sie bereit war, sich im Einvernehmen mit der Beklagten auf eine Verrechnung ihrer Forderungen mit den Kaufpreisansprüchen der Beklagten zu verständigen. Diese Absprache berechtigt die Beklagte aber nicht dazu, von der Insolvenzschuldnerin eine Verrechnung zu fordern. Denn nach der Auslegungsregel des § 329 BGB hat in dem Fall, in dem sich der eine Teil, der Dritte (hier die Insolvenzschuldnerin), zur Befriedigung des Gläubigers (hier der Beklagten) des anderen Teils (hier des Zeugen B....) verpflichtet, ohne dessen Schuld zu übernehmen, der Gläubiger im Zweifel nicht das Recht erworben, unmittelbar die Befriedigung von dem Dritten zu verlangen. Anhaltspunkte, wonach diese Auslegungsregel hier nicht zur Anwendung kommt, sind nicht gegeben. Es spricht nichts dafür, dass die Insolvenzschuldnerin die Schulden ihres Geschäftsführers bei der Beklagten als eigene übernehmen wollte und dadurch eine Aufrechnungslage zugunsten der Beklagten schaffen wollte, wonach diese durch einseitige Aufrechnungserklärungen mit Kaufpreisansprüchen aus den mit dem Zeugen B.... abgeschlossenen Grundstückskaufverträgen ihre Verbindlichkeiten bei der Insolvenzschuldnerin tilgen konnte. Ferner deutet nichts darauf hin, dass sich die Insolvenzschuldnerin (auch) gegenüber der Beklagten verpflichtet hat, ihre Forderungen zum Zwecke der Verrechnung zur Verfügung zu stellen. Auch wenn der Zeuge B.... als Schuldner der Beklagten dieser gegenüber die Verpflichtung eingegangen ist, dafür Sorge zu tragen, dass es zu den verabredeten Verrechnungen kommen wird, kann aus dieser Absprache gemäß der Auslegungsregelung des § 329 BGB ein eigenes Forderungsrecht der Beklagten gegenüber der Insolvenzschuldnerin nicht abgeleitet werden. Das Erlöschen der Werklohnansprüche der Insolvenzschuldnerin infolge Verrechnung erforderte hier deshalb eine einvernehmliche Abstimmung zwischen ihr und der Beklagten über die zu verrechnenden Ansprüche.

18

Von solch einer einvernehmlichen Verrechnung kann hier lediglich in Bezug auf die Rechnungen K2 bis K 9, die sich auf einen Gesamtbetrag von 6 812,09 EUR belaufen, ausgegangen werden.

19

Die Beklagte hat zwar im Zusammenhang mit dem Kaufvertrag betreffend das Objekt F.... Straße 19 + 21 eine an den Zeugen B.... gerichtete Rechnung vom 27. Mai 2002 vorgelegt, durch die ein Teil des Kaufpreises mit offenen Forderungen gegenüber der C....-Gruppe in Höhe von insgesamt 130 000 EUR verrechnet wurde (Bl. 253 GA). Diese Abrechnung betrifft aber nicht die hier streitgegenständlichen Werklohnforderungen der Insolvenzschuldnerin. Nach der Rechnung Nr. 22201 der Beklagten ohne Datum (Bl. 191 GA) hatte diese sodann den Kaufpreis für das Objekt F.... Straße 13-17 mit einem Betrag von 54 525,63 EUR ausgeglichen, der ebenfalls unstreitig nicht im Zusammenhang mit den streitbefangenen Forderungen der Insolvenzschuldnerin steht. Danach verblieb ein Restkaufpreis für dieses Objekt von 200 474,37 EUR. Diesen offenen Kaufpreis hatte die Insolvenzschuldnerin mit Schreiben vom 30. Januar 2003 (Bl. 190 GA) mit 31 964,12 EUR verrechnet, die sich unstreitig wiederum nicht auf die streitgegenständlichen Vergütungsansprüche beziehen. Von dem danach verbliebenen Betrag von 168 510,25 EUR, den die Insolvenzschuldnerin in ihrem Schreiben als "Restguthaben" bezeichnete, hatte sie "offene Rechnungen" von 143 976,26 EUR in Abzug gebracht, so dass ihre Aufstellung mit einem "Restguthaben von 24 533,99 EUR" endete. Unstreitig lagen dem Schreiben der Insolvenzschuldnerin vom 30. Januar 2003 vier sogen. OP-Listen (offene-Posten-Listen) betreffend die C....-Gruppe bei. Auf diesen Listen, in denen diverse Rechnungen aus der Zeit bis Anfang 2003 aufgeführt sind, hat die Zeugin R.... jeweils den offenen Gesamtbetrag handschriftlich vermerkt, wobei die Summe hieraus dem in dem Schreiben vom 30. Januar 2003 genannten Betrag von 143 976,26 EUR entspricht (8 909,92 EUR aus der OP-Liste der Beklagten, 23 900,69 EUR aus der OP-Liste der Cewe OHG, 20 201,49 EUR aus der OP-Liste für A.... C.... und 90 964,16 EUR aus der OP-Liste für A.... C.... (Bl. 472 ff. GA). Wie die Beweisaufnahme vor dem Senat ergeben hat, ist es auf der Grundlage dieser OP-Listen zu weiteren Verrechnungen gekommen, die teilweise die hier streitbefangenen Forderungen betreffen.

20

Nach der Aussage der Zeugin R...., die bei der Insolvenzschuldnerin in der Buchhaltung tätig war und das Schreiben vom 30. Januar 2003 gefertigt hatte, hatte bei Abfassung ihres Schreibens eine Verrechnung des von ihr ermittelten Betrages von 143 976,26 EUR noch nicht stattgefunden, weil die erforderliche Abstimmung mit der C....-Gruppe noch ausstand. Wie die Zeugin R.... weiter ausgesagt hat, hatte sie in der Folgezeit keine Antwort auf ihr Schreiben erhalten. Dennoch muss hier die Vornahme einer einvernehmlichen Verrechnung als bewiesen angesehen werden.

21

Die Zeugin H...., die für die Buchhaltung bei der C....-Gruppe zuständig war, hat ausgesagt, dass sie die mit dem Schreiben vom 30. Januar 2003 vorgelegten OP-Listen überprüft und auch korrigiert habe; dabei habe sie die Beträge, die aus Sicht der C....-Gruppe der Verrechnung zugrunde zu legen seien, handschriftlich auf dem jeweils unteren Teil der Liste vermerkt. Wie die Zeugin H.... weiter ausgesagt hat, habe sie, nachdem sie die Korrekturen mit Herrn C.... als Vertreter der C....-Gruppe besprochen habe, dem Zeugen B...., als dieser zeitnah Ende Februar/Anfang März 2003 Herrn C.... aufgesucht habe, die korrigierten Listen zur Weitergabe an die Zeugin R.... mitgegeben, wobei sie ihn auf ihre Änderungen hingewiesen habe.

22

Die Angaben der Zeugin H.... stehen damit nicht im Widerspruch zu den Bekundungen der Zeugin R.... die die berichtigten Listen nicht erhalten hat. Denn es kann auch nach der Aussage des Zeugen B.... dem nach den Angaben der Zeugin H.... die korrigierten Listen erläutert wurden und der die Listen sodann entgegen nahm, was sich als Einverständnis in die Abänderungen darstellt, nicht ausgeschlossen werden, dass der Zeuge B.... die Listen zwar ausgehändigt erhielt, er diese aber nicht an die Zeugin R.... weitergab, weil er möglicherweise annahm, dass die Zeugin H.... sich noch unmittelbar an die Zeugin R.... wenden wird. Denn er hat, wie er vor dem Senat ausgesagt hat, die Umsetzung der Verrechnungsabrede, d.h. die Abstimmung über die zu verrechnenden Forderungen den beiden Zeuginnen überlassen. Der Zeuge B.... konnte sich zwar an ein Gespräch im März 2003 mit der Buchhaltung der C....-Gruppe konkret nicht erinnern; dies schließt aber nicht aus, dass das Gespräch, so wie es die Zeugin H.... glaubhaft geschildert hat, stattfand. Denn der Zeuge B.... der nach seinen Angaben offenbar mehrmals zu Gesprächen bei Herrn C.... war, hat eingeräumt, dass es dabei einmal eine Zwischenabklärung über bestimmte Einzelposten gegeben habe. Die Zeugin H...., die ebenso wie die Zeugin R.... bei ihrer Vernehmung einen glaubwürdigen Eindruck hinterließ, konnte sich offenbar vor dem Hintergrund ihrer Tätigkeit in der Buchhaltung an das Schreiben vom 30. Januar 2003 und der anschließenden Unterredung mit dem Zeugen B.... deutlich erinnern. Zudem spricht der Umstand, dass die Zeugin H.... die Vorgaben der Zeugin R.... nicht schlicht übernommen, sondern die Listen eigenständig geprüft und korrigiert hatte, dafür, dass sie ihre Vermerke auf den Listen zeitnah nach deren Erhalt Anfang Februar 2003 gefertigt hatte. Dies deutet zugleich darauf hin, dass sie die berichtigten Listen nicht bei sich behalten, sondern weitergeben hatte.

23

Soweit es um die hier relevante OP-Liste für die Beklagte geht (Bl. 472/473 GA), hat die Zeugin R.... ausweislich ihres handschriftlichen Zusatzes die offenen Rechnungsbeträge bis zum 27. Januar 2003 mit 8 909,92 EUR angegeben. Die Zeugin H.... agegen hat ausweislich ihres Vermerks auf einen Betrag von 7 881,14 EUR abgestellt, wobei sie offenkundig die beiden ersten Rechnungen aus der Liste, die über 107,71 EUR und 921,07 EUR lauten, in Abzug gebracht hat. (Denn 7 881,14 EUR zuzüglich 107,71 EUR und 921,07 EUR ergeben eine Summe von 8 909,92 EUR.)

24

Mit der Streichung der Rechnung über 921,07 EUR, bei der es sich um die streitbefangene Rechnung K 1 handelt, ist dieser Werklohnanspruch nun nicht Gegenstand der Verrechnung geworden. Der Einwand der Beklagten, dass von den bestätigten 7 881,14 EUR 7 733,16 EUR im Mahnbescheid enthalten seien, was im übrigen der Summe der streitbefangenen Rechnungen K1 bis K 9 entspricht, erweist sich damit bezüglich der Rechnung K1 über 921,07 EUR als unzutreffend.

25

Der bestätigte und zur Verrechnung gestellte Betrag von 7 881,14 EUR erfasst ersichtlich alle nicht gestrichenen Rechnungspositionen der Liste, wozu neben nicht streitbefangenen Rechnungen die Rechnungen K2, K3, K4, K5, K8, K9 über insgesamt 5 826,09 EUR gehören, die sich eindeutig in der Liste wieder finden. Darüber hinaus sind von der Verrechnung aber auch die Rechnungen K6 und K7 betroffen, obgleich diese nicht in der Liste aufgeführt sind. Die Zeugin R.... hat dem von ihr ermittelten Saldo von 8 909,92 EUR die offenen 928 EUR und 58 EUR aus den Rechnungen K6 und K7 hinzugefügt (gleiche Handschrift), bei denen es sich nach dem Vorbringen des Klägers um Restbeträge aus ansonsten beglichenen Rechnungen handelt. Da diese handschriftlichen Positionen nicht gestrichen worden sind, sind sie von der Verrechnungsabrede mit umfasst gewesen, worauf die Beklagte schon erstinstanzlich hingewiesen hat (Bl. 160 GA).

26

Sonach ist es in Bezug auf die Rechnungen K2 bis K9 über insgesamt 6 812,09 EUR wirksam zu einer Verrechnung und damit zum Erlöschen der diesbezüglichen Werklohnansprüche gekommen.

27

Davon, dass in der Folgezeit weitere Verrechnungen stattgefunden haben, kann dagegen nicht ausgegangen werden. Diese werden von der Beklagten zwar behauptet; es fehlt hierzu aber an jeglichem schlüssigen Sachvortrag. So wird von ihr zwar auf die von ihr vorgelegten Aufstellungen per 31.12.2003 und per 31.08.2004 verwiesen, durch die die streitbefangenen Rechnungen K 10 bis K 58 mit 26 115,44 EUR sowie die Rechnungen K 59 bis K 67 mit 2 090,17 EUR verrechnet worden sein sollen (vgl. Bl. 192 ff.). Hierbei soll es um Verrechnungen gegenüber dem Kaufpreis für das Einfamilienhaus in C...., C....-Straße 19, gegangen sein, was die Beklagte im Hinblick auf die Vereinbarung vom 28. März 2002 (Bl. 258 GA) mit Schreiben vom 26. Mai 2003 angekündigt hatte (Bl. 257 GA). Von dem Kläger ist bereits erstinstanzlich bestritten worden, dass es hier tatsächlich zu einvernehmlichen Verrechnungen gekommen ist (Bl. 205, 233 GA), was er in der Berufungsinstanz wiederholt hat (Bl. 383 GA). Von der Beklagten ist dagegen weiterhin nicht schlüssig dargetan worden, ob und inwieweit die obigen Aufstellungen mit der Insolvenzschuldnerin abgestimmt worden sind. Die Angaben der Zeuginnen R.... und H...., welche sich anlässlich ihrer Vernehmungen hierzu geäußert haben, waren nicht ergiebig. Während die Zeugin R.... bekundet hat, dass sie von den Aufstellungen per 31.12.2003 und per 31.08.2004 während ihrer Tätigkeit bei der Insolvenzschuldnerin keine Kenntnis erlangt habe, konnte sich die Zeugin H.... zwar daran erinnern, dass sie die beiden Aufstellungen gefertigt habe. Dagegen konnte sie nicht sagen, ob diese Aufstellungen an die Insolvenzschuldnerin weitergegeben worden sind.

28

Ist sonach hinsichtlich der streitgegenständlichen Rechnungen K1, K 10 bis K 67 keine einvernehmliche Verrechnung erfolgt, ist die Beklagte zur Zahlung der offenen Rechnungsbeträge über insgesamt 29 275,31 EUR verpflichtet.

29

Denn die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch. Da der Mahnbescheid am 7. April 2005 zugestellt worden ist, spielt die Frage der Verjährung ohnehin nur für solche Forderungen eine Rolle, deren Verjährungsfrist an sich mit Ablauf des Jahres 2004 endete. Dies betrifft hier nur die Ansprüche, die 2001 fällig geworden sind und deren dreijährige Verjährungsfrist nach neuem Recht am 1. Januar 2002 zu laufen begann. Konkret geht es lediglich um die offene Rechnung K1, während hinsichtlich der offenen Rechnungen K 10 bis K 67 aus den Jahren 2003 und 2004 die dreijährige Verjährungsfrist bei Zustellung des Mahnbescheides bzw. der Anspruchsbegründung eindeutig nicht abgelaufen gewesen ist. Aber auch hinsichtlich der Rechnung K1, die sich unter der Nummer 1 im Mahnbescheid wiederfindet, ist keine Verjährung eingetreten. Denn der Kläger hat rechtzeitig am 28. Dezember 2004 einen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids gestellt, so dass es gemäß § 204 BGB zur Hemmung der Verjährung gekommen ist. Zwar ist der Mahnbescheid erst im April 2005 zugestellt worden; die Zustellung wirkt hier aber auf den Zeitpunkt des Antragseingangs zurück (§ 167 ZPO). Denn die Verzögerung liegt in der Bearbeitung durch das Mahngericht, worauf bereits das Landgericht in seinem Urteil zutreffend abgestellt hat.

30

Soweit sich die Beklagte ferner auf Verwirkung berufen hat, kann sie hiermit nicht gehört werden. Denn die Voraussetzungen für eine Verwirkung, für die sie im Übrigen beweispflichtig ist, liegen ersichtlich nicht vor. Auch für die Beklagte muss erkennbar gewesen sein, dass sie, soweit die Ansprüche der Insolvenzschuldnerin nicht infolge einer einvernehmlichen Verrechnung erloschen sind, auf Zahlung in Anspruch genommen wird.

31

Der Zinsanspruch hat seine Grundlage in §§ 286, 288, 291 BGB.

32

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 Abs. 1, ZPO. Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 543 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 26 EGZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.

Dr. Kleineke
Henkel
Knafla