Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 05.09.2007, Az.: 14 U 71/07

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
05.09.2007
Aktenzeichen
14 U 71/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 59311
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2007:0905.14U71.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 12.03.2007 - AZ: 19 O 20/05

Fundstellen

  • OLGReport Gerichtsort 2007, 854-857
  • SVR 2008, 183 (amtl. Leitsatz mit Anm.)

In dem Rechtsstreit

...

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle mit Zustimmung der Berufungsparteien im schriftlichen Verfahren, in dem Schriftsätze bis zum 17. August 2007 eingereicht werden konnten, durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 12. März 2007 verkündete Teilurteil des Einzelrichters der 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover aufgehoben und der Rechtsstreit, soweit das Landgericht ihn durch Teilurteil entschieden hatte, zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht Hannover zurückverwiesen.

  2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

  3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat zunächst Erfolg. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Rechtsstreit an das erstinstanzliche Gericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, weil das Landgericht, nachdem es die Verfahren über die Klage der Klägerin gegen die Beklagte zu 1 einerseits und die zunächst gesondert anhängig gewesene Klage der Ehefrau und Tochter des unfallbeteiligten VW-Fahrers gegen die Klägerin sowie den Fahrer und den Haftpflichtversicherer ihres Lkw andererseits mit Zustimmung der Parteien gemäß § 147 ZPO verbunden hatte, nicht durch Teilurteil vorab über die Klage der Klägerin entscheiden durfte.

2

1. Ob die Voraussetzungen für den Erlass des Teilurteils vorgelegen haben, hatte der Senat von Amts wegen zu prüfen, denn die gesetzlichen Voraussetzungen des § 301 ZPO unterliegen nicht der Verfügung der Parteien und sind unverzichtbar (vgl. BGH, NJW 1999, 1035 [BGH 12.01.1999 - VI ZR 77/98] - juris-Rn. 6 m.w.N.).

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2. Durch die Verbindung der beiden ursprünglich selbständigen Prozesse ist ein einheitlicher Rechtsstreit entstanden, der grundsätzlich durch einheitliches Endurteil zu entscheiden ist; ein Teilurteil darf nur erlassen werden, wenn die Voraussetzungen des § 301 ZPO erfüllt sind (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 23. Aufl., § 147 Rn. 8). Die Verbindung der beiden Verfahren hatte die Wirkung, dass die später eingegangene, gegen die Klägerin des ersten Rechtsstreits (Halterin des Lkw) und den Fahrer des Lkw sowie dessen Haftpflichtversicherer gerichtete Klage der Ehefrau und Tochter des bei dem Unfall verstorbenen Fahrers des VW Passat zur Widerklage geworden ist, auch wenn deren Voraussetzungen an sich fehlten, weil sie nicht von einem Beklagten der Vorklage erhoben worden ist (vgl. dazu Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 58. Aufl., § 147 Rn. 11 a.E.; zur Zulässigkeit einer Prozessverbindung in einem solchen Fall s. Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 33 Rn. 22 und 23 m.w.N.). Demnach war gemäß § 301 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 ZPO ein Teilurteil über die Klage der Klägerin nur zulässig, wenn die Gefahr eines Widerspruchs zum Teil- und Schlussurteil über die Widerklage ausgeschlossen war. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss die Entscheidung über den vorab entschiedenen Teil unabhängig davon sein, wie das Schlussurteil über den noch anhängigen restlichen Streitstoff entscheidet, wobei bereits die bloße Möglichkeit einer abweichenden Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht ein Teilurteil unzulässig macht (vgl.z.B. BGH, NJW 2001, 760 [BGH 05.12.2000 - VI ZR 275/99] - juris-Rn. 8; BGH, NJW-RR 1994, 379 [BGH 12.01.1994 - XII ZR 167/92] - juris-Rn. 23; OLG Celle, OLGR 2004, 395; Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 301 Rn. 7). Im Fall von Klage und Widerklage darf deshalb kein Teilurteil ergehen, wenn beide wegen gemeinsamer Vorfragen in untrennbarem Zusammenhang stehen. Eine solche Konstellation liegt hier jedoch vor.

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Im vorliegenden Fall hängt die Entscheidung über die Klage der Klägerin gegen die Beklagte (Versicherer des Pkw VW Passat) gemäß §§ 7, 17 StVG i.V.m. § 3 PflVersG davon ab, inwieweit der Unfall vorwiegend von dem VW Passat oder dem Lkw verursacht worden ist. Dabei ist vorrangig zunächst die Frage der Unabwendbarkeit für den Fahrer und Halter des VW Passat zu prüfen (§ 7 Abs. 2 StVG a.F.i.V.m. Art. 229 § 8 EGBGB), da bei ihrer Bejahung jegliche Mithaftung der Beklagten als Versicherer entfiele. Die gleiche Frage stellt sich indessen erneut bei der noch ausstehenden Entscheidung über die gegenläufigen Schadensersatzansprüche der beiden Widerklägerinnen gegen die Klägerin und Widerbeklagte zu 1 sowie die beiden (Mit-)Widerbeklagten zu 2 und 3. Schon dies begründet die (für die Unzulässigkeit eines Teilurteils ausreichende) abstrakte Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen. Denn wenn beispielsweise der Senat im anhängigen Berufungsverfahren diese Frage hinsichtlich der Klage anders beurteilen würde als das Landgericht, wäre das Landgericht gleichwohl nicht gehindert, bei der Entscheidung über die Widerklage die Vorfrage erneut im gegenläufigen Sinne zu beantworten; da bis zu einem eventuellen erneuten Berufungsverfahren über die Widerklage die Senatsbesetzung geändert sein kann, wäre auch nicht gewährleistet, dass zumindest im Rechtsmittelzug wieder ein Gleichlauf der Entscheidungen hergestellt würde. Entsprechendes gilt für den umgekehrten Fall, dass der Senat im Berufungsverfahren zur Klage die Rechtsansicht des Landgerichts teilen und die Berufung zurückweisen würde; auch dies hinderte das Landgericht nicht - etwa aufgrund anderer Besetzung der Kammer oder aufgrund zwischenzeitlicher Änderung der Rechtsauffassung - die Frage der Unabwendbarkeit des Unfalls für den Pkw-Fahrer nunmehr anders zu beurteilen.

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Ferner besteht die Gefahr einer Widersprüchlichkeit der Entscheidungen auch im Hinblick darauf, dass - wenn der Senat im anhängigen Berufungsverfahren über die Klage eine Unabwendbarkeit für den Pkw-Fahrer im Gegensatz zum Landgericht verneinen würde - des Weiteren über die Fragen der Unabwendbarkeit der Kollision aus Sicht des Lkws und über ein eventuelles unfallursächliches Mitverschulden beider unfallbeteiligten Fahrzeuge zu befinden wäre. Auch diese Fragen stellen sich jedoch erneut bei der noch ausstehenden Entscheidung über die Widerklage.

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3. Damit liegen die Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2 ZPO vor. Der Senat erachtet hier eine Zurückverweisung für sachdienlich. Zwar besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass das Berufungsgericht zur Beseitigung des Verfahrensfehlers den im ersten Rechtszug anhängig gebliebenen Teil des Rechtsstreits an sich zieht und darüber mitentscheidet (vgl. BGH, NJW-RR 1994, 379 [BGH 12.01.1994 - XII ZR 167/92]; Zöller-Gummer, a.a.O., § 538 Rn. 55 m.w.N.). Dagegen spricht im vorliegenden Fall indessen schon der Umstand, dass die Widerklägerinnen und die Widerbeklagten zu 2 und 3 bisher am Berufungsverfahren nicht beteiligt sind. Außerdem ist nach Auffassung des Senats sowohl zum Haftungsgrund (vgl. dazu näher unten II.) als auch in der Folge zur Schadenshöhe eine Beweisaufnahme nötig, was ebenfalls die Zurückverweisung rechtfertigt.

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II.

Für den weiteren Verfahrensgang weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:

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1. Eine Unabwendbarkeit der Kollision für den Fahrer des VW Passat dürfte sich entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht feststellen lassen. Der Begriff "unabwendbares Ereignis" im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG a.F. meint ein schadenstiftendes Ereignis, das auch bei der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Dazu gehören erheblich über dem Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt im Sinne des § 276 BGB hinausgehende Aufmerksamkeit, Geschicklichkeit und Umsicht sowie ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln im Augenblick der Gefahr im Rahmen des Menschenmöglichen, also das Verhalten eines "Idealfahrers". Die Prüfung hat sich auch darauf zu erstrecken, ob ein Idealfahrer überhaupt in die Gefahrensituation geraten wäre und ob der Schädiger in der konkreten Unfallsituation wie ein Idealfahrer reagiert hat (vgl. OLG Köln, Schaden-Praxis 1996, 307 - juris-Rn. 42 m.w.N. aus der Rechtsprechung und Literatur). Dabei können wegen der Beweislast der Beklagten für die Unabwendbarkeit der Kollision für den Fahrer des VW Passat nur solche Umstände der Beurteilung zugrunde gelegt werden, die zur Überzeugung des Gerichts feststehen; eine Unaufklärbarkeit von Umständen (wie etwa der konkret gefahrenen Geschwindigkeit oder der erstmaligen Erkennbarkeit des Unfalls oder von zur Geschwindigkeitsreduktion Anlass gebenden Hinweisen auf eine unklare Verkehrssituation für den Fahrer des VW Passat) geht dabei zu Lasten der Beklagten.

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Unabhängig davon, welche konkrete Vermeidbarkeitsbetrachtung sich auf einer derartigen Grundlage ergeben würde (die Ergebnisse des Sachverständigen B. legen überwiegend die dem VW-Fahrer jeweils günstigeren Umstände zugrunde, auf die es aber nur bei der Verschuldensprüfung ankommt, bei der die Klägerin als Anspruchstellerin beweispflichtig ist), hat der Fahrer des VW Passat jedenfalls nicht die an einen sog. Idealfahrer zu stellenden Anforderungen erfüllt. Dabei kann dahinstehen, ob ihm bereits wegen der Benutzung der äußersten linken Fahrspur der Vorwurf eines sich unfallursächlich auswirkenden Verstoßes gegen das Rechtsfahrgebot gemacht werden könnte (was schon im Hinblick auf den Schutzzweck des § 2 Abs. 1 Satz 1 StVO fraglich sein könnte, vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 2 StVO Rn. 33 m.w.N.). Denn zumindest hat er die Regel des Fahrens auf Sicht (§ 3 Abs. 1 Satz 2, 4 StVO) verletzt. Nach ständiger Rechtsprechung darf ein Kraftfahrzeugführer bei Dunkelheit - auch auf der Autobahn und auf der Überholspur - grundsätzlich nur so schnell fahren, dass er innerhalb der überschaubaren Strecke anhalten kann ( BGH, VersR 1984, 741 [BGH 15.05.1984 - VI ZR 161/82]; BGH, NJW 1987, 1075 [BGH 09.12.1986 - VI ZR 138/85]; OLG Frankfurt, DAR 2001, 163 - juris-Rn. 33 - und VersR 2002, 1568 - juris-Rn. 28; OLG Köln, VersR 1993, 1370 [OLG Köln 06.11.1992 - 19 U 103/92] - juris-Rn. 31 und Schaden-Praxis 1996, 307 - juris Rn. 42; OLG Zweibrücken, Schaden-Praxis 1994, 241; OLG Hamm, NZV 2000, 369 - juris-Rn. 32). Eine Ausnahme im Sinne des § 18 Abs. 6 StVO ist hier nicht dargetan.

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Dass der VW-Fahrer bei der von ihm gefahrenen Geschwindigkeit nicht rechtzeitig innerhalb seines Sichtfeldes vor unvermutet auftauchenden Hindernissen anhalten konnte, steht aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen B. in seinen beiden bisher erstatteten Gutachten fest. Den VW-Fahrer entlastet auch nicht, dass der umgestürzte Lkw der Klägerin nur sehr schwer erkennbar war. Zwar braucht sich ein Kraftfahrer auf Autobahnen wegen der dortigen besonderen Gegebenheiten nicht in demselben Umfang wie auf anderen Straßen auf das Vorhandensein aller möglichen Hindernisse einzustellen. So muss etwa mit auf der Fahrbahn liegenden Reifenteilen, herausragenden Holzteilen, unbeleuchteten Splitterhaufen oder ähnlichen kleineren Hindernissen, deren Erkennbarkeit in atypischer Weise besonders erschwert ist, nicht gerechnet werden (vgl. BGH, VersR 1984, 741 [BGH 15.05.1984 - VI ZR 161/82] - juris-Rn. 12 m.w.N.). Ungesichert auf der Fahrbahn liegen gebliebene Fahrzeuge gehören dazu jedoch nicht, selbst wenn sie unbeleuchtet sind (sogar dann nicht, wenn sie mit einem Tarnanstrich versehen sind, vgl. BGH, ZfSch 1987, 359 für einen auf einer Bundesstraße außerorts liegen gebliebenen, nicht gesicherten und nahezu unbeleuchteten Panzer der britischen Streitkräfte; ebenso BGH, NJW-RR 1988, 406 [BGH 08.12.1987 - VI ZR 82/87] - juris-Rn. 11; ferner BGH, VersR 1971, 471 [BGH 09.02.1971 - VI ZR 132/69]; OLG Frankfurt, DAR 2001, 163 und VersR 2002, 1568; OLG Köln, Schaden-Praxis 1996, 307 - juris-Rn. 43; OLG Stuttgart, Urteil vom 29. November 2006 - 3 U 16/06 -, juris-Rn. 27).

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2. Aus dem Verstoß gegen das Sichtfahrgebot leitet sich zugleich ein unfallursächliches Mitverschulden des VW-Fahrers ab (vgl. die vorstehend zitierte Rechtsprechung); denn gegen denjenigen, der im Dunkeln auf ein unbeleuchtetes Hindernis auffährt, spricht bereits der Beweis des ersten Anscheins, vorausgesetzt, das Hindernis befand sich schon bei Annäherung auf der Fahrbahn, was hier indessen nach den sich aus der schriftlichen Zeugenaussage des Zeugen R. ergebenden Zeitverhältnisse zu bejahen sein dürfte (vgl. dazu OLG Koblenz, PVR 2001, 323 [OLG Koblenz 14.05.2001 - 12 U 196/00] - juris-Rn. 9; BGH, VersR 1983, 1037 - juris-Rn. 21 a.E.; BGH, NJW-RR 1988, 406 [BGH 08.12.1987 - VI ZR 82/87]; juris-Rn. 11 [dort Satz 3]; BGH, NJW 1987, 1075 [BGH 09.12.1986 - VI ZR 138/85] - juris-Rn. 23 [dort Satz 2 erster Halbsatz]).

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3. Wie schwer dieses Verschulden wiegt, wird das Landgericht im Rahmen der Gesamtabwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile zu bewerten haben. Dabei dürfte es auch darauf ankommen, in welchem Maße der Fahrer des VW Passat die bei gebotener Fahrt auf Sicht für ein noch rechtzeitiges Bremsen einzuhaltende Geschwindigkeit überschritten hat; hierzu wäre gegebenenfalls der Sachverständige B. noch ergänzend zu befragen.

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Jedenfalls dürfte, da nach den bisherigen Ausführungen des Sachverständigen B. mangels hinreichender Anknüpfungspunkte dem VW-Fahrer keine höhere Ausgangsgeschwindigkeit als 100 km/h nachweisbar ist, entgegen der im Berufungsverfahren geäußerten Ansicht der Klägerin nach derzeitiger Einschätzung des Senats kein grobes Verschulden vorliegen. Ein vollständiges Zurücktreten des Mitverschuldens des VW-Fahrers dürfte allerdings ebenfalls nicht in Betracht kommen, da die auf Seiten der Klägerin im Raum stehenden Verschuldensvorwürfe (sofern sie bewiesen würden) nicht so schwer wiegen, als demgegenüber der Mitverursachungsanteil des VW-Fahrers vollständig seine Bedeutung verlöre.

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4. Auch die Klägerin wird sich einen erheblichen Mitverursachungsanteil zurechnen lassen müssen.

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a) Eine Unabwendbarkeit der Kollision für den Lkw lässt sich nicht feststellen. Dem steht schon entgegen, dass der Unfall unstreitig durch den vorgeschädigten Reifen des Lkw und das darauf beruhende Schleudern des Lkw gegen die Mittelleitplanke herbeigeführt worden ist. Der schadhafte Reifen stellt einen Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs dar, der gemäß § 7 Abs. 2 StVG a.F. die Bewertung des Unfalls als unabwendbares Ereignis ausschließt (vgl. OLG Zweibrücken, Schaden-Praxis 1994, 241).

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Darüber hinaus kann die Klägerin auch nicht widerlegen, dass nach dem im polizeilichen Ermittlungsverfahren erstatteten Gutachten des Sachverständigen S. der Reifenschaden wahrscheinlich noch vor der streitgegenständlichen Fahrt, aber nach dem Eigentumserwerb der Klägerin am Lkw entstanden ist und bei ordnungsgemäßen täglichen Abfahrtskontrollen hätte erkannt und dessen Reparatur hätte veranlasst werden müssen; dass dabei die unfallursächliche Gürtelablösung des Reifens möglicherweise nicht entdeckt worden wäre, entlastet die Klägerin im Rahmen des § 7 Abs. 2 StVG a.F. wegen der sie insoweit treffenden Beweislast nicht.

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Demnach hat die Klägerin jedenfalls für die Betriebsgefahr des verunfallten Lkw einzustehen. Diese ist schon wegen der Größe des Fahrzeugs erhöht. Hinzu kommt, dass der Lkw als festes Hindernis auf einer Autobahn lag, dort die gesamten beiden linken Fahrspuren vollständig blockierte und außerdem wegen seiner Lage nach dem Umstürzen für die auf der linken Fahrspur heranfahrenden Fahrzeuge nur sehr schwer erkennbar war. Durch diese Umstände stellte sich der Lkw in der konkreten Situation als besondere Gefahrenquelle dar, was - unabhängig von Verschuldensgesichtspunkten - bereits für sich genommen zu einer deutlichen Erhöhung der Betriebsgefahr führen muss (vgl. BGH, ZfSch 1987, 359 - juris-Rn. 17; BGH, VersR 1971, 471 [BGH 09.02.1971 - VI ZR 132/69] - juris-Rn. 30; OLG Frankfurt, VersR 2002, 1568 - juris-Rn. 32).

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b) Ob der Klägerin bei der Haftungsabwägung auch ein Verschuldensvorwurf zuzurechnen ist, wird das Landgericht noch aufzuklären haben. Neben dem defekten Reifen (hierzu hat die Klägerin im Übrigen selbst vorgetragen, sie würde ihn im Falle einer von ihr erkannten Beschädigung ohnehin sofort ganz ausgewechselt haben, sodass es auf die Frage der Erkennbarkeit einer Gürtelablösung im Rahmen einer etwaigen Reparatur unter Umständen gar nicht ankäme) kommt insoweit außerdem ein gegebenenfalls aus dem Diagrammscheibenaufschrieb abgeleiteter Vorwurf an den Lkw-Fahrer (Widerbeklagter zu 2) in Betracht, trotz erkennbarer Unregelmäßigkeiten die Fahrt weiter fortgesetzt zu haben.

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5. Da nach alledem - so wie dies aufgrund des bisherigen Sach- und Streitstandes einschätzbar ist - beide Unfallbeteiligten einen Haftungsanteil zu tragen haben, müssen auch die im Rahmen der Klage und der Widerklage streitigen Schadenspositionen im Wege der Beweisaufnahme geklärt werden.

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III.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 und § 713 ZPO. Sie war im Hinblick auf § 775 Nr. 1 ZPO angezeigt, auch wenn das Urteil des Senats keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat.

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Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) nicht vorliegen.