Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 06.10.2005, Az.: 5 K 538/02
Eigenverbrauchsbesteuerung; Aufwendungen; Segelbootvercharterung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 06.10.2005
- Aktenzeichen
- 5 K 538/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 43910
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2005:1006.5K538.02.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 02.07.2008 - AZ: XI R 70/06
Rechtsgrundlagen
- UStG § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c
- UStG § 15 Abs. 1a Nr. 1
- EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Eigenverbrauch i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG liegt vor, wenn ein Unternehmer Aufwendungen tätigt, die unter das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nrn. 1 bis 7 EStG fallen.
- 2.
Das Betriebsausgabenabzugsverbot erfasst ausdrücklich "Aufwendungen für ..." Segelyachten.
- 3.
Für den Bereich der USt ist die tatsächliche ertragsteuerliche Behandlung der Aufwendungen für die Segelyacht nicht bindend. Entscheidend ist vielmehr, ob es sich bei den Aufwendungen um solche handelt, die ihrer Art nach unter das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 7 EStG fallen.
Tatbestand
Streitig ist in den Jahren 1996 bis 1999, ob die Aufwendungen für eine Segelyacht dem Eigenverbrauch gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG (1980) i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG unterliegen bzw. ob für derartige Aufwendungen der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 a Nr. 1 UStG ausgeschlossen ist.
Der Kläger ist hauptsächlich als Architekt und Bausachverständiger unternehmerisch tätig, seit 1996 im Rahmen einer Sozietät.
Am 04.11.1993 erwarb er eine Segelyacht (Typ Bavaria 350) für netto 200. 000 DM. Er schloss mit der Fa. YHC am 20.12.1993 einen Chartervermittlungsvertrag für den Zeitraum vom 01.01.1994 bis 31.12.1998. Vertraglich wurde dem Vermittler eine Courtage von 30 v.H. der Gesamterlöse eingeräumt. Zum 31.12.2000 stellte der Kläger die Chartertätigkeit ein. Für den Gesamtzeitraum erklärte er folgende Umsätze, Vorsteuern und Gewinne:
1 993 DM | 1 994 DM | 1 995 DM | 1 996 DM | 1 997 DM | 1 998 DM | 1 999 DM | 2 000 DM | |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Erlöse, ne. | - | 45.056 | 41.316 | 36.707 | 45.650 | 45.695 | 18.965 | - |
USt/Erst u. a. | 22 | 36.758 | 6.198 | 5.506 | 6.848 | 7.311 | 3.985 | 1.785 |
Vorsteuern | 30.010 | 4.512 | 5.590 | 4.442 | 4.544 | 4.744 | 2.033 | 1.140 |
Gewinne | 91.435 | 7.143 | 28.583 | 21.299 | 5.968 | 5.761 | 10.046 | 16.573 |
Für die Anfangsjahre 1993 bis 1995 folgte der Beklagte der einkommen- und umsatzsteuerlichen Beurteilung des Klägers. Ab dem Streitjahr 1996 nahm der Beklagte an, dass der Kläger aus der Vercharterung seiner Segelyacht Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG erziele, die mangels Überschusserzielungsabsicht ertragsteuerlich unberücksichtigt zu bleiben hätten.
Die Aufwendungen für die Segelyacht unterwarf der Beklagte in den Streitjahren 1996 bis 1998 dem Repräsentationseigenverbrauch nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG (1980) i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG. Im Streitjahr 1999 versagte er den Vorsteuerabzug unter Hinweis auf § 15 Abs. 1 a Nr. 1 UStG.
Im parallelen Rechtsstreit des Klägers wegen Einkommensteuer für die Streitjahre hat der 16. Senat mit Urteil vom 22.4.2004 (16 K 453/02) rechtskräftig entschieden, dass die Yachtvercharterung nicht mit Überschusserzielungsabsicht betrieben worden ist.
Der Kläger wendet sich weiterhin gegen die Festsetzung des Eigenverbrauchs. Er trägt vor, dass der Gesetzeswortlaut des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG im vorliegenden Fall zu einem völlig irrigen steuerlichen Ergebnis führe, welches so vom Gesetzgeber mit Sicherheit nicht gewollt gewesen sei.
Das Abzugsverbot nach § 4 Nr. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG sei nur für Unternehmen gedacht, die im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit u.a. Repräsentationsaufwendungen tätigten wie z.B. für Jagd, Fischerei oder eben Yachten. Dabei gehe es um Aufwendungen für attraktive Freizeitgestaltungen, die zu Recht dem Abzugsverbot unterfielen. Das Abzugsverbot könne dagegen nicht für solche Unternehmen bestimmt sein, die mit den Aufwendungen einen eigenständigen Betrieb ausübten.
Zudem liege bei einer Betätigung ohne Gewinnerzielungsabsicht einkommensteuerrechtlich keine einkünfterelevante Tätigkeit (Liebhaberei) vor, so dass schon - begrifflich und steuersystematisch - keine Betriebsausgaben vorlägen und folglich die Aufwendungen nicht unter § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG fallen könnten.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 07.03.2005 Bezug genommen, der Gegenstand einer Petition an den Deutschen Bundestag gewesen ist.
Der Kläger beantragt,
den Repräsentationseigenverbrauch für die Streitjahre 1996 bis 1999 auf 0 DM festzusetzen, sowie für 1999 den Vorsteuerabzug in der bisherigen Höhe bestehen zu lassen.
Der Beklagte beantragt,
die Umsatzsteuer für das Streitjahr 1999 auf 3.565,00 DM festzusetzen und im Übrigen die Klage abzuweisen.
Er verweist auf die gefestigte Rechtsprechung des BFH zum Repräsentationseigenverbrauch (zuletzt Urteil vom 06.08.1998 V R 74/96,BStBl. II 1999, 104). Danach unterlägen Aufwendungen für eine (Motor)Yacht, die der Erwerber nachhaltig und zur Erzielung von Einnahmen (unternehmerisch) - aber ohne Gewinnabsicht - vermiete, dem Eigenverbrauch gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG (1980) i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG.
Mit Schriftsatz vom 20.06.2005 wies der Beklagte darauf hin, dass die Aufwendungen für 1999 versehentlich noch für das ganze Jahr dem Repräsentationseigenverbrauch unterworfen worden seien. Richtigerweise sei der Vorsteuerabzug wegen der Neuregelung des § 15 Abs. 1a Nr. 1 UStG ab dem 1.4.1999 ausgeschlossen. Die diesbezüglichen Änderungen ergeben sich aus einer dem Gericht vorliegenden Probeberechnung. Der Beklagte schränkte seinen Klageabweisungsantrag für 1999 entsprechend ein.
Gründe
Die Klage ist nur teilweise begründet.
Zutreffend hat der Beklagte für die Streitjahre 1996 bis (31.03.)1999 steuerbaren Eigenverbrauch gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG (1980) im Umfang der Aufwendungen angenommen, für die der Kläger im Rahmen der von ihm betriebenen Vercharterung vorsteuerabzugsberechtigt war. Für den Zeitraum vom 01.04.1999 bis zum 31.12.1999 sind die diesbezüglichen Aufwendungen vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen (§ 15 Abs. 1 a Nr. 1 UStG).
1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG (1980) liegt Eigenverbrauch vor, wenn ein Unternehmer Aufwendungen tätigt, die unter das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 1 bis 7 EStG fallen.
Das (Betriebsausgaben-)Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG erfasst ausdrücklich "Aufwendungen für...Segeljachten". Es gilt auch für die Aufwendungen für die Segeljacht des Klägers (vgl. BFH, Urteil vom 06.08.1998 V R 74/96, BStBl. II 1999, 104 - Motoryacht)
a) Die Einschränkung in § 4 Abs. 5 Satz 2 EStG, nach der das Abzugsverbot nicht gilt, soweit die in den Nummern 2 bis 4 bezeichneten Zwecke Gegenstand einer mit Gewinnabsicht ausgeübten Betätigung des Steuerpflichtigen sind, ist vorliegend nicht einschlägig.
Der für die Einkommensteuer zuständige 16. Senat kam unter Berücksichtigung der gesamten Nutzungsdauer zum Ergebnis, dass der Kläger keine Überschusserzielungsabsicht gehabt hat (Urteil vom 22. April 2004 - 16 K 453/02 -, rkr.). Er begründet dies im Wesentlichen damit, dass die vorgelegte Renditeberechnung sich bereits bei erster Betrachtung als völlig untauglich und viel zu optimistisch erweise (keine Abschreibung, zu geringer Reparaturaufwand, etc). Diese zutreffenden Feststellungen des 16. Senats macht sich der erkennende Senat zu Eigen.
Das Fehlen der Gewinnabsicht bei dieser Tätigkeit im Sinne des Einkommensteuergesetzes steht ihrer umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung als unternehmerische Tätigkeit, die nur "zur Erzielung von Einnahmen" ausgeführt werden muss, nicht entgegen.
b) Für den Bereich der Umsatzsteuer ist die tatsächliche ertragsteuerliche Behandlung der Aufwendungen für die Segelyacht nicht bindend. Entscheidend ist vielmehr, ob es sich bei den Aufwendungen um solche handelt, die ihrer Art nach unter das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 7 EStG fallen (BFH, Urteil vom 23.01.1992 V R 66/85, BFHE 167, 221; Urteil des FG Düsseldorf vom 26.02.2003 - 5 K 201/95 U und 5 K 2741/95 U, n. v.).
Dementsprechend sind Aufwendungen i.S.d. § 4 Abs. 5 Nr. 1 bis 7 EStG auch dann als Eigenverbrauch zu erfassen, wenn § 4 Abs. 5 EStG bei dem Steuerpflichtigen ertragsteuerlich keine Bedeutung hat (z.B. weil eine Gewinnerzielungsabsicht zu verneinen ist oder - bei gemeinnützigen Einrichtungen - eine Gewinnermittlung entfällt) oder wenn ihr Abzug ertragsteuerlich zu Unrecht zugelassen worden ist (aufgrund eines Versehens oder einer falschen Rechtsanwendung) oder wenn die Veranlagung zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer noch nicht durchgeführt worden ist oder wenn gegen den Einkommen- oder Körperschaftsteuerbescheid ein Rechtsbehelf schwebt (Husmann, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 1 Anm. E 150).
Der vom Kläger vorgeschlagenen Beschränkung des Abzugsverbotes auf solche Fälle, in denen der mit dem Freizeitgegenstand oder der Freizeittätigkeit verfolgte private oder repräsentative und damit nicht streng geschäftliche Zweck neben dem eigentlichen Betriebsgegenstand liege, vermag der Senat nicht zu folgen. Eine solche Einschränkung widerspricht dem eindeutigen (weitergehenden) Wortlaut der Vorschrift. Sie wäre auch mit der dargelegten Auslegung der Vorschrift nicht zu vereinbaren.
c) Die Festsetzung des Eigenverbrauchs verstößt nicht gegen das Gemeinschaftsrecht. § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG (1980) kann auf Art. 17 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie (sog. "stand-still Klausel") gestützt werden, der zulässt, dass die Mitgliedstaaten bis zur gemeinschaftsrechtlichen Regelung des Ausschlusses bestimmter Ausgaben vom Vorsteuerabzugsrecht (u.a. auch Repräsentationsaufwendungen) alle Ausschlüsse beibehalten können, die das innerstaatliche Recht zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der 6- EG-Richtlinie vorsah.
§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG (1980) ist eine solche Vorschrift (BFH, Urteil vom 06.08.1998 V R 74/96, BStBl. II 1999, 104; Klenk, UVR 1994, 120). Dem Gesetzgeber erschien bei ihrer Einführung (vgl. schriftlicher Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages vom 30. März 1967, BT-Drucks V/1581 - Begründung zu § 1 -) im Interesse einer leichteren Durchführbarkeit des Gesetzes die eng begrenzte Regelung als Eigenverbrauch geeigneter als die Versagung des Vorsteuerabzugs für alle aus Repräsentationsgründen veranlassten Einkäufe. In der Begründung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Umsatzsteuergesetzes vom 15. März 1978 - UStG 1980 - (BT-Drucks 8/1779, B. - Zu § 1 -) heißt es ferner: "Die Vorschrift trägt Artikel 5 Abs. 6 und Artikel 6 Abs. 2 der 6. Richtlinie Rechnung."
2. Der Vorsteuerabzug aus den Aufwendungen für die Vercharterung der Segelyacht ist für die Zeit ab dem 10.04.1999 ausgeschlossen, § 15 Abs. 1 a Nr. 1 UStG.
Die Neuregelung des § 15 Abs. 1a Nr. UStG verstößt nicht gegen das Gemeinschaftsrecht.
Der EuGH hat bestätigt, dass Mitgliedstaaten berechtigt sind, den Vorsteuerabzug nach Art 17 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie für Ausgaben auszuschließen, die nicht streng geschäftlichen Charakter haben, wenn sie diese Vorschriften schon bei Inkrafttreten der 6. EG-Richtlinie geschaffen hatten (EuGH, Urteil vom 05.10.1999 - Rs. C-305/97 - Royscot, Harrison und Domeq, UR 1999, 456, 458[EuGH 05.10.1999 - 6 C 305/97]).
In Deutschland wurde der Vorsteuerausschluss für Repräsentationsaufwendungen durch die Technik des Versteuerabzugs mit anschließender Besteuerung als Eigenverbrauch (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG 1980) erreicht. Die herrschende Meinung ging davon aus, dass dies mit Art. 17 Abs. 2 und Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie vereinbar war (siehe oben - 1 c -). Durch die Umstellung der Gesetzestechnik auf einen unmittelbaren Ausschluss des Vorsteuerabzugs (§ 15 Abs. 1a UStG) ist keine gemeinschaftsrechtlich bedeutsame Änderung eingetreten (Birkenfeld, USt-Handbuch, § 181 Rz. 446; ders., in Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 15 Abs. 1a Rz. 25).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.