Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.10.2005, Az.: 3 K 10541/03

Tatbestandsvoraussetzungen einer Steuerhinterziehung bei nicht erklärten Zinseinkünften für die in der Türkei angelegten Gelder; Vorliegen eines Hinterziehungsvorsatzes bei fehlendem Nachweis steuerbegründender Tatsachen bei Kenntnis von der Steuerpflicht in Deutschland hinsichtlich in der Türkei angelegten Gelder; Steuerpflichtigkeit von Zinsen für die Anlage von Vermögen bei der Türkischen Zentralbank

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
19.10.2005
Aktenzeichen
3 K 10541/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 35347
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2005:1019.3K10541.03.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 15.02.2006 - AZ: I B 168/05

Verfahrensgegenstand

Einkommensteuer 1992 - 1996
Zur Steuerhinterziehung bei Geldanlage in der Türkei

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Zinsen aus der Anlage von Vermögen bei der Türkischen Zentralbank sind in Deutschland steuerpflichtig, sofern der Steuerpflichtige hier ansässig ist.

  2. 2.

    Eine Steuerhinterziehung liegt nur vor, wenn der Steuerpflichtige vorsätzlich gehandelt hat. Das hat das Finanzamt zurÜberzeugung des Gerichts darzulegen und zu beweisen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob hinsichtlich nicht erklärter Zinseinkünfte für in der Türkei angelegte Gelder, eine Steuerhinterziehung in den Jahren 1992 - 1996 vorliegt.

2

Die Kläger sind in den Streitjahren in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig und werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Sie leben seit 1972 in Deutschland, der Kläger ist bei .... als Arbeiter beschäftigt, die Klägerin ist Hausfrau.

3

Sie haben für die Jahre 1992 - 1996 auch Steuererklärungen abgegeben. Allerdings sind beim Beklagten nur noch die Steuererklärungen für die Jahre 1992 und 1996 vorhanden. 1992 wurde angegeben, dass Kapitalerträge nicht angefallen seien. In der Steuererklärung 1996 wurde im Mantelbogen angekreuzt, dass die Kapitaleinkünfte unter den Freibeträgen lägen. Für die Jahre 1993 - 1995 sind ausweislich der ausgedruckten Bescheide keine Einkünfte aus Kapitalvermögen erfasst. Die Einkommensteuererklärung 1996 wurde am 07.02.1997 bei Beklagten eingereicht.

4

Aufgrund einer Kontrollmitteilung wurden die Kläger vom Beklagten mit Schreiben vom 21.11.2002 aufgefordert, für die Jahre 1991 bis 2001 ein Aufstellung über die erzielten Kapitalerträge einzureichen. Am 23.12.2002 gingen beim Beklagten Aufstellungen über Kapitalerträge bei der türkischen Zentralbank ein, nach einer weiteren Aufforderung auch Aufstellungen der D. Bank XXX sowie der S.-Bank YY e.G..

5

Die Kläger hatten demnach in den Streitjahren folgende Einnahmen aus Kapitalvermögen:

JahrAuslandInlandGesamtbetrag
19922.700 DM1.347 DM4.047 DM
199329.621 DM626 DM30.247 DM
199477.200 DM141 DM77.341 DM
199538.200 DM111 DM38.311 DM
199645.757 DM62 DM45.819 DM
6

Die Daten hat der Beklagte aus Aufstellungen der Klägerübernommen, die diese auf Anfrage im Jahr 2002 übersandt haben. Daraufhin änderte der Beklagte gem. § 173 Abgabenordnung (AO) die Bescheide jeweils mit Datum vom 27. Februar 2003. Ein Steuerstrafverfahren wurde nicht eingeleitet. Im Einspruchsverfahren wurde vom Klägervertreter die Durchschriften der eingereichten Steuererklärungen angefordert. Dies wurde ihm jedoch versagt, mit dem Hinweis, dass nur noch die Erklärungen 1992, 1996 vorhanden seien.

7

Ein Einspruch gegen die oben genannten Bescheide wurde mit Einspruchsbescheid vom 14. Juli 2003 als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage.

8

Die Kläger machen geltend, dass die Einkünfte aus Kapitalvermögen steuerfrei seien, da diese bei der Türkischen Zentralbank angelegt worden seien. Sie beziehen sich hierauf auf Art. 11 des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) Deutschland/Türkei. Zudem sei der subjektive Tatbestand einer Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 AO nicht erfüllt. Die Kläger hätten nicht vorsätzlich gehandelt. Beide Ehegatten seinen Inhaber des Bankkontos gewesen, tätig sei jedoch nur der Kläger gewesen. Den Klägern sei nicht klargewesen, dass hinsichtlich ihres Verhaltens eine Steuerunehrlichkeit vorläge und der staatliche Steueranspruch verkürzt werde. Vertreter der Türkischen Zentralbank hätten den Klägern eine Videokassette übersandt, in der ausgeführt werde, dass die Anlage von Kapital in der Türkei bei der Türkischen Zentralbank in Deutschland steuerfrei sei. Zudem hätten die Vertreter der D. Bank den Kläger auf eine Steuerpflicht in Deutschland ebenfalls nicht hingewiesen. Die Anlage sei auch in türkischen Zeitungen inseriert gewesen. Es müsse davon ausgegangen werden, dass deutsche Ermittlungsbehörden von den Erklärungen und Inseraten der Türkischen Zentralbank Kenntnis hatten. Zudem müsse auch geklärt werden, ob die D. Bank die Überweisungen im Rahmen der Geldwäschegesetze gemeldet habe, um festzustellen, ob hierbei Verschulden des Finanzamtes vorliege oder ein Verstoß gegen Treu und Glauben geben sei.

9

Da, wie oben bereits erwähnt, Schuldausschließungsgründe vorlägen, habe der Kläger auch ohne Schuld gehandelt. Es habe vorliegend allein der Kläger die Transaktion vorgenommen. Er sei sich nicht bewusst gewesen Unrecht zu tun. Der Kläger sei Fabrikarbeiter und hätte bis heute keine einzige Einkommensteuererklärung bzw. ein amtliches Formular selbst ausgefüllt. Die Steuererklärungen seien von einem Kollegen des Klägers vorgeschrieben worden, dieser habe die Einträge dann in das endgültige Formular übertragen. Es seien unterschiedliche Personen bei der Erstellung der Steuererklärung behilflich gewesen. Vor der mündlichen Verhandlung wurde vorgetragen, dass sie die Erklärungen (zumeist) vor dem Ausfüllen unterschrieben hätten. Der Kläger hätte allenfalls eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen aus Unwissenheit begehen können, nicht durch aktives Handeln.

10

Zudem seien Seitens des Beklagten die in der Türkei bezahlten Steuern und Gebühren sowie Werbungskosten im Zusammenhang mit der Kapitalanlage nicht berücksichtigt worden. Die aus den vorgelegten Unterlagen zu entnehmenden Zinsen würden sich auf folgende Höhe belaufen:

1992DM 2.416,50
1993DM 26.452,16
1994DM 68.939,60
1995DM 33.998,00
1996DM 42.210,28
11

Zudem sei der Kläger jährlich einmal nach A. und zweimal nach F. gefahren, so dass sich jeweils Werbungskosten in Höhe von DM 1.497,20 jährlich ergäben. Die Fahrten in die Türkei und zur D. Bank könnten nicht mehr nachgewiesen werden, es möge eine Schätzung erfolgen. Weiterhin seien die folgenden Fondsgebühren angefallen, die ebenfalls als Werbungskosten zu berücksichtigen seien:

1992DM 13,50
1993DM 207,32
1994DM 540,40
1995DM 382,00
1996DM 470,00
12

Die in der Türkei gezahlten Steuern hätten folgende Höhe, die aus den Bescheinigungen der Türkischen Zentralbank entnommen werden könnten:

1992DM 270,00
1993DM 2.962,15
1994DM 7.720,00
1995DM 3.820,00
1996DM 4.735,60
13

Der Kläger und die Klägerin hätten Ende 1980 bzw. Anfang der 90er Jahre ihr Vermögen in der Türkei verkauft und die Erlöse z.T. über die D. Bank, z.T. bar nach Deutschland transferiert und in Deutschland investiert. Der Kläger habe 1980 von seinen Eltern ein Grundstück und mehrere kleine Ladengeschäfte in der Türkei geerbt, die er im Urlaub verwaltet habe. Einen Teil dieser Erlöse habe der Kläger über die D. Bank wieder zur Türkischen Zentralbank rücküberwiesen und dort angelegt. Einen Teil der Gelder bei der Türkischen Zentralbank habe er anderweitig angelegt. Es handele sich hierbei um sogenannte "grüne Investitionen" bei der Firma K. Der Kläger habe sein Geld allerdings Ende der 90er Jahre aufgrund dieser Kapitalanlage wieder verloren. Die eingereichten Coupons der Firma K. würden als bares Geld gelten, mehr könne nicht vorgelegt werden.

14

Die Kläger beantragen,

die Einkommensteuerbescheide 1992 bis 1996 jeweils vom 27. Februar 2003 in der Gestalt des Einspruchsbescheides vom 14. Juli 2003 ersatzlos aufzuheben.

15

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

16

Er macht geltend, dass vorliegend eine Steuerhinterziehung geben sei. Diesbezüglich würde bedingter Vorsatz genügen. Die Frage nach der Steuerpflicht in Deutschland für die in der Türkei erzielten Beträge habe sich aufdrängen müssen. Es seien Erträge in nicht unerheblicher Höhe erzielt worden. Zudem sei in der Anlage KSO ausdrücklich nach Kapitalerträgen aus dem Ausland gefragt worden. Für das Jahr 1992 sei angegeben worden, dass keine steuerpflichtigen Zinserträge angefallen seien. Die Tatsache, dass die Erklärungsvordrucke für die Jahre 1993 bis 1995 nicht mehr vorlägen stünde dem nicht entgegen. Auch der Umstand, dass zu Beginn und Ende des Verkürzungszeitraumes unrichtige Angaben gemacht worden seien, lasse den Schluss zu, dass dies auch in den dazwischenliegenden Jahren der Fall gewesen sei. Hinsichtlich der Steueranrechnung 1993 und 1995 sei ein Fehler erfolgt, der im Einspruchsbescheid korrigiert worden sei.

17

Die Zinsen seien auch nicht aufgrund des DBA steuerfrei. Eine Steuerbefreiung nach Art. 11 Abs. 3a des DBA Deutschland Türkei beziehe sich nur auf die Befreiung von Quellensteuern für Geldanlagen der Regierungen dieser Länder im jeweils anderen Land. Deshalb sei die Vorschrift im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Zudem sei nicht erkennbar auf welche Konten der Rückfluss der Gelder bzw. der Kapitalerträge erfolgt sei. Es lägen diesbezüglich keine Abrechnungen vor. Die geltend gemachten Fahrtkosten nach A. und F. könnten mangels Nachweisen nicht berücksichtigt werden. Die Höhe der anrechenbaren Steuern sowie der Abzug der bescheinigten Fondsgebühren als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen werde anerkannt.

18

Es dürfe auch nicht übersehen werden, dass der Kläger Summen in einem größeren Umfang bewegt habe. Zwischenzeitlich habe das angelegte Geldvermögen einen Betrag vonüber DM 700.000 erreicht.

19

Das Gericht hat dem Kläger mit Datum vom 16. Februar 2005 mit Frist zum 10. April 2005 sowie mit Verfügung vom 20. Juli 2005 mit Datum zum 15. September 2005 diverse Fristen gem.§ 79 b Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) gesetzt. Die dort gestellten Angaben wurden nicht vollständig gemacht.

20

Hinsichtlich des weiteren Vortrags wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze sowie den Inhalt der beigezogenen Steuerakten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

21

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

22

Die Klage ist im vollen Umfang begründet.

23

1.

Im vorliegenden Einzelfall konnte der Beklagte im Jahr 2003 keine Änderungsbescheide mehr erlassen, da für die Streitjahre bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war. Trotz einer Steuerpflicht der Zinsen von der Türkischen Zentralbank in Deutschland konnte das Vorliegen einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung in diesem Verfahren nicht zurÜberzeugung des Senats nachgewiesen werden.

24

a.

Nach Art 11 Abs. 1 des Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei (DBA Deutschland/Türkei) können Zinsen, die aus einem Vertragsstaat stammen und an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person gezahlt werden, im anderen Staat besteuert werden. Nach Art 11 Abs. 2 des DBA kann der Belegenheitsstaat Quellensteuer einbehalten. Nach Art 11 Abs. 3 Lit b DBA Deutschland/Türkei werden Zinsen, die aus der Republik Türkei stammen und an die Regierung der Bundesrepublik Deutschland, an eines ihrer Länder, an die Deutsche Bundesbank oder die Kreditanstalt für Wiederaufbau gezahlt werden, von der türkischen Steuer befreit. Nach Art 11 Abs. 3 Lit a DBA Deutschland/Türkei sind Zinsen, die aus der Bundesrepublik Deutschland stammen und an die Türkische Zentralbank gezahlt werden, von der deutschen Steuer befreit. Nach Art 23 Abs. 1 Lit b bb des einschlägigen DBA sind Zinseinkünfte aus der Türkei unter Anrechnung der Quellensteuer in Deutschland zu versteuern (vgl. Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Band IV DBA Türkei, Art 11 Rn. 2, 4, 21; Art 23 Rn. 32f).

25

Die Zinsen der Kläger aus der Anlage von Vermögen bei der Türkischen Zentralbank sind gem. Art 11 Abs. 1 DBA Deutschland/Türkei in Deutschland steuerpflichtig, da die Kläger hier unstreitig ansässig sind. Die Voraussetzungen des Art 11 Abs. 3 Lit b des einschlägigen DBA sind nicht gegeben, da es sich vorliegend nicht um Zinsen auf Gelder handelt, die von einer Regierung der beiden Staaten oder anderen aufgeführten Organisationen angelegt wurden. Zudem könnte diese Regelung allenfalls ein Befreiung von der türkischen Quellensteuer bewirken, nicht jedoch eine Steuerbefreiung von der deutschen Einkommensteuer. Eine Steuerpflicht in Deutschland ist deshalb gegeben.

26

b.

Nach der Überzeugung des Senats sind die Vorraussetzungen des § 370 Abs.1 Nr.1 Abgabenordnung (AO) im hier zu beurteilenden Einzelfall nicht gegeben. Eine vorsätzliche Steuerhinterziehung der Kläger kann nicht erkannt werden.

27

aa.

Eine Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs.1 Nr.1 AO liegt vor, wenn ein Steuerpflichtiger einer Finanzbehördeüber steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht und dadurch Steuern verkürzt. Für das Vorliegen einer Steuerhinterziehung ist bedingter Vorsatz ausreichend. Es genügt deshalb, wenn der Täter mit dem Wissen handelt, dass er alle Tatbestandsmerkmale dieser Norm verwirklicht (direkter Vorsatz) oder aber es zwar für möglich hält, dass die Tatbestandsmerkmale verwirklicht werden, dies aber billigend in Kauf nimmt (bedingter Vorsatz) (Urteil des BFH vom 31.Juli 1996 XI R 74/95, BStBl II 1997, 157; Beschluss des BFH vom 18. Dezember 1986 I B 89/86, BStBl II 1988, 213). Die Eigenschaft einer Steuer, hinterzogen oder leichtfertig verkürzt zu sein, haftet dieser Steuer als solche an. Es kommt nicht darauf an, wer die Steuer hinterzogen oder verkürzt hat, sondern nur darauf, dass sie hinterzogen oder verkürzt worden ist (Beschluss des BFH vom 18. Dezember 1986 I B 1/86, BStBl II 1988, 211). Erforderlich ist das Vorliegen des objektiven und des subjektiven Tatbestandes. Hierfür trägt die Finanzbehörde die Feststellungslast.

28

Zwar ist für die Feststellung der Steuerhinterziehung, die nach § 76 Abs. 1 Sätze 1 und 5 Finanzgerichtsordnung (FGO) von Amts wegen zu treffen ist, kein höherer Grad von Gewissheit erforderlich als für die Feststellung anderer Tatsachen, für die der Beklagte die Feststellungslast trägt (Beschluss vom 8. November 2000 XI B 38/00, BFH/NV 2001, 478; Urteil des BFH vom 19.03.1999 V R 54/97, BStBl II 1998, 466). Gleichwohl ist auch in finanzgerichtlichen Verfahren der steuerstrafrechtliche Grundsatz "in dubio pro reo" zu beachten. Erforderlich ist, dass das Gericht auf der Grundlage des Gesamtergebnisses des Verfahrens von der Höhe und dem Vorliegen der Steuerhinterziehung überzeugt ist (Beschluss des BFH vom 29. Januar 2002 VIII B 91/01, BFH/NV 2002, 749).

29

Das Gericht hat nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung gemäß § 96 Abs. 1 FGO zu entscheiden, ob eine Steuerhinterziehung vorliegt (Beschluss des BFH vom 17. Februar 1999, IV B 66/98, BFH/NV 1999, 188). Der Beklagte trägt die Feststellungslast für den Nachweis steuerbegründender Tatsachen, so dass verbleibende Zweifel bei der Frage des Vorliegens eines Hinterziehungsvorsatzes zum Nachteil des Beklagten gehen (Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 2. Juni 2003, 1 K 59/02, EFG 2003, 1279).

30

bb.

Es konnte hier nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen werden, dass die Kläger Kenntnis von der Steuerpflicht in Deutschland hinsichtlich der in der Türkei angelegten Gelder hatten und vorsätzlich unrichtige Angaben in ihren Steuererklärungen gemacht haben.

31

In der mündlichen Verhandlung haben sich die Kläger auf das - nicht mehr vorliegende -Video der türkischen Bank berufen, aus dem sich nach ihrer Erkenntnis eine Steuerfreiheit der Geldanlage ergeben habe. Diese Band sei wegen der mittlerweile vergangenen Zeit nicht mehr vorhanden. Den Inhalt des Videos kann das Gericht mangels Vorliegen nicht beurteilen, es ist jedoch glaubhaft, dass das Band nicht mehr vorhanden ist, da die Kläger seit 1996 die Geldanlage nicht mehr haben. Demnach gingen die Kläger von einer Steuerfreiheit der Erträge aus ihrer Geldanlage aus.

32

Der Kläger, bei dem glaubhaft ist, dass er die Geschäfte getätigt hat, hat in der mündlichen Verhandlung nicht den Eindruck erweckt, dass er vorliegend von einer Steuerpflicht der Kapitalerträge ausgegangen ist. Das Gericht ist vielmehr zu derÜberzeugung gelangt, dass er sich um geschäftliche Angelegenheiten eher nachlässig gekümmert hat. Er hat mehrere Jahre von Deutschland aus das ererbte Vermögen in der Türkei bei seinen Urlaubsaufenthalten dort betreut. Da er bei Erbanfall bereits in Deutschland gelebt hat, ist dies auch glaubhaft. Eine intensive Einwirkungsmöglichkeit war dadurch nicht möglich. Zudem ist auch zu berücksichtigen, dass die Gelder 1996 so investiert wurden, dass sie letztlich verloren gegangen sind. Wenn nur berücksichtigt wird, dass der Kläger recht hohe Kapitalerträge bei der türkischen Zentralbank erwirtschaftet hat, ist nicht ersichtlich, weshalb er diese ohne Not umschichten sollte. Er hat dies wohl aus religiösen und nicht aus wirtschaftlichen Gründen getan.

33

Zudem ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Kläger um eine Person ohne weiterführende Schulbildung und Berufsausbildung handelt. Er ist mit ca. 23 Jahren nach Deutschland gekommen und war hier als Arbeiter tätig. Er hat zwar Deutsch einigermaßen verstanden, konnte sich jedoch nur schwer ausdrücken. Die Klägerin ist Hausfrau und verfügt auch nicht über fließende Deutschkenntnisse. Es ist auch glaubhaft, dass der Kläger sich aufgrund des türkischen Quellensteuerabzugs keine weiteren Gedanken gemacht hat, da er diese als Minderung seiner Erträge angesehen hat. Dies alles spricht für eine gewisse Nachlässigkeit in Geldangelegenheiten, die jedoch im vorliegenden Einzelfall keinen Vorsatz hinsichtlich einer Steuerhinterziehung begründen kann. Die Klägerin selbst war Hausfrau und nicht mit der Geldanlage befasst.

34

Es besteht auch kein Anhaltspunkt zu bezweifeln, dass die Steuererklärungen der Kläger mit Hilfe von Kollegen ausgefüllt wurden. Auch die Tatsache, dass über die Geldanlage in der Türkei nicht mit diesen Personen gesprochen wurde, kann nicht zur Bejahung eines Vorsatzes führen. Bei der glaubhaften Nachlässigkeit des Klägers im Umgang mit seinem Vermögen und dem Glauben an die Steuerfreiheit bestand hierzu kein Anlass. Der anderslautende Vortrag im Schriftwechsel wird eher auf fallübergreifendes Vorbringen des Klägervertreters zurück zu führen sein.

35

Dem steht auch nicht entgegen, dass sich die Kläger hinsichtlich ihres schriftlichen Vortrages und den Einlassungen in der mündlichen Verhandlung teilweise widersprochen haben. Die schriftlichen Einlassungen wurden in mehreren Verfahren durch den Klägervertreter vorgebracht. Auch aus der Tatsache, dass die Ein- und Auszahlungen bar zu erfolgen hatten, kann kein gegenteiliger Schluss gezogen werden. Zwar haben die Kläger in Deutschland in geringem Umfang Kapitalvermögen angelegt, hierfür haben sie sich jedoch der Bank bedient, bei der auch ihr Girokonto bestand. Es bestand somit keine Veranlassung die Gelder bar umzuschichten.

36

Auch aus der Höhe der angelegten Gelder können keine gegenteiligen Schlüsse gezogen werden. Die Kläger haben dieses Vermögen geerbt und somit weder selbst erwirtschaftet noch von Freunden und Bekannten "angeworben" um es auf ihren eigenen Namen zinsgünstig anzulegen. Es ist auch zu berücksichtigen, dass die Kläger nach der Aufforderung durch den Beklagten die Unterlagen bezüglich der türkischen Zentralbank anstandslos vorgelegt haben. Sie haben somit nicht versucht, den Vorgang zu verschleiern.

37

Es kann zudem nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass Steuerpflichtigen bekannt ist, dass sie grundsätzlich sämtliche - auch im Ausland erzielten - Einkünfte in der Steuererklärung angeben müssen. Dafür ergeben sich zwar Anhaltspunkte in der Anlage KSO, da in dieser ausdrücklich nach ausländischen Kapitalerträgen gefragt wird. Dies verlangt jedoch bereits größere Kenntnisse der deutschen Sprache, damit eine verständige Reflexion bei den Steuerpflichtigen erfolgen kann. Aufgrund des Eindrucks in der mündlichen Verhandlung kann jedoch im zu beurteilenden Einzelfall nicht davon ausgegangen werden, dass diese Lesefertigkeit bei den Klägern vorhanden war. Dies mag in anderen Fällen vergleichbarer Art durchaus anders zu sehen sein.

38

Nicht darauf berufen können sich die Kläger jedoch auf die Tatsache, dass weder die D. Bank, noch die die Steuererklärung erstellenden Kollegen bzw. die Bediensteten bei den Finanzbehörden sie hinsichtlich der Steuerpflicht aufgeklärt oder nachgefragt haben. Sobald davon ausgegangen werden kann, dass Steuerpflichtige der deutschen Sprache soweit mächtig sind, dass sie die Vordrucke lesen und verstehen können, kann durchaus eine Erkundigungspflicht der Steuerpflichtigen entstehen. Im vorliegenden Fall war dies jedoch wegen der geringen Sprachkenntnisse der Kläger nicht der Fall. Es kann nach derÜberzeugung des Senats auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Kläger im Streitfall über größeres Sprachvermögen verfügten als sie in der mündlichen Verhandlung zeigen wollten. Die Kläger haben sich bemüht auf die Fragen des Gerichts auf Deutsch zu antworten und diese auch teilweise verstanden, ohne dass es einer Übersetzung bedurfte. Dies gilt jedoch nur für einfache Fragen und nicht für komplexere Zusammenhänge.

39

Im zu beurteilenden Streitfall kann der Senat deshalb keine vorsätzliche Hinterziehung der türkischen Kapitalerträge erkennen.

40

cc.

Die Nichtangabe der inländischen Kapitaleinkünfte führt in keinem der Streitjahre zum Vorliegen einer Steuerhinterziehung, da diese ihrer Höhe nach die Sparerfreibeträge und Werbungskostenpauschbeträge nicht überschritten haben.

41

2.

Die Kläger könnten durch ihr Handeln im vorliegenden Fall allenfalls leichtfertig gehandelt haben. Da die Einkommensteuererklärung 1996 jedoch 1997 abgegeben wurde, ist Festsetzungsverjährung diesbezüglich gem. §§ 170 Abs. 2 Nr. 1, 169 Abs. 2 S. 2 (2. HS) AO bereits mit Ablauf des 31.12.2002 eingetreten. Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 5 AO ist hier nicht einschlägig, da gegen die Kläger nicht im Rahmen eines Steuerstrafverfahrens durch die damit betrauten Dienststellen ermittelt wurde. Die Anfrage vom November 2002 war somit nicht geeignet den Ablauf der Festsetzungsverjährung zu hemmen.

42

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 137 S. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

43

Im Einspruchsverfahren wurden so gut wie keine Einwendungen geltend gemacht. Diese wurden allesamt erst im Klageverfahren vorgebracht, so dass sich der Beklagte damit im Vorverfahren nicht auseinandersetzen konnte.