Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 15.05.2001, Az.: 6 A 30/00
Asylrelevanz; Gruppenverfolgung; Kulturforum; Maisel; Staatenlose; Syrien; Verfolgungsdichte; Wiedereinreiseverweigerung
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 15.05.2001
- Aktenzeichen
- 6 A 30/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 39236
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 16a Abs 1 GG
- § 51 Abs 1 AuslG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Kein Anspruch auf Asyl oder Abschiebungsschutz bei Staatenlosen, denen Syrien die Wiedereinreise verwehrt. Keine Gruppenverfolgung der Yeziden.
Tenor:
Der Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 29. Juli 1999 wird hinsichtlich der unter Nr. 2 getroffenen Feststellung aufgehoben.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Vollstreckungsschuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Vollstreckungsbetrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Beigeladene ist yezidische Glaubenszugehörige aus Syrien. Ihre Staatsangehörigkeit bezeichnet sie als ungeklärt. Sie reiste nach eigenen Angaben am 06. Juli 1999 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte ihre Anerkennung als Asylberechtigte.
Zur Begründung dieses Begehrens trug sie vor: Sie stamme aus dem Dorf G., und sei mit ihrem Bruder aus Syrien ausgereist. Dort habe sie noch zwei verheiratete Schwestern, die in T. lebten. Eine weitere Schwester sei von Moslems entführt worden. Eine Woche vor ihrer Ausreise seien ihre Eltern verschwunden. Sie hätten in Syrien kein eigenes Land besessen, nur 40 Dönem gepachtet und mit Weizen und Baumwolle bepflanzt. Araber hätten ihren Bruder geschlagen und sie und ihre Schwester belästigt. Man habe sie islamisieren wollen und aufgefordert, mitzukommen. Die Araber hätten im letzten Jahr neun Säcke Baumwolle gestohlen. Als der Vater und ihr Bruder zur Polizei gegangen seien, habe man gesagt, dass man ihnen nicht helfen könne. Als ihre Schwester G. spät nachmittags auf dem Feld gearbeitet habe, sei sie von drei Männern entführt worden. Dies habe sie von dem Sohn der Familie R. gehört. Sie fürchte, ebenfalls entführt zu werden.
Mit Bescheid vom 29. Juli 1999 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag als unbegründet ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG gegeben seien.
Gegen den am 03. August 1999 zugestellten Bescheid hat der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten am 12. August 1999 Klage erhoben.
Zur Begründung der Klage trägt er vor:
Die Einlassungen der Beigeladenen ließe nicht erkennen, dass sie wegen ihrer Zugehörigkeit zur yezidischen Religionsgemeinschaft in Syrien individuell einer Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Auch als Mitglied der Gruppe der Yeziden bestehe dort wegen ihrer Zugehörigkeit zur yezidischen Religionsgemeinschaft weder landesweit noch regional begrenzt die Gefahr einer Verfolgung. Es fehle insoweit die für diese Annahme erforderliche Vielzahl und Dichte etwaiger Verfolgungsschläge, denen sich jeder Yezide ausgesetzt sehen müsse. Schließlich bestehe für die Beigeladene nicht die Gefahr einer asylrelevanten Gruppenverfolgung wegen der Zugehörigkeit zur kurdischen Minderheit. Auch wenn die Kurden in Syrien wirtschaftlich und sozial benachteiligt würden oder ein Teil dieser Minderheit seit der Volkszählung des Jahres 1962 als staatenlos behandelt werde, verletzen diese Diskriminierungen nicht in asylerheblicher Weise die Menschenwürde.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes vom 29. Juli 1999 aufzuheben, soweit darin die Feststellung eines Abschiebungsschutzes nach § 51 Abs. 1 AuslG getroffen worden sei.
Die Beklagte hat weder Ausführungen zur Sache gemacht noch einen Klageantrag gestellt.
Die Beigeladene hat an ihrem schriftlich gestellten Klageabweisungsantrag in der mündlichen Verhandlung nicht weiter festgehalten.
Sie trägt vor:
Sie und ihre Familienangehörigen seien wiederholt Übergriffen der muslimischen Bevölkerung ausgesetzt gewesen. Eine ihrer Schwestern habe man entführt. Der Staat habe ihnen keinen Schutz gewährt. In der Region Hassake, aus der sie stammten, werde eine Vielzahl von Yeziden wegen ihrer Glaubenszugehörigkeit von der muslimischen Bevölkerung schikaniert. Ihre Eltern seien deshalb ebenfalls geflohen.
Die Beigeladene ist in der mündlichen Verhandlung zu ihrem Asylbegehren informatorisch ergänzend angehört worden. Hinsichtlich ihrer Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie auf die den Beteiligten bekannte Liste der Erkenntnismittel zu Asylverfahren von Ausländern aus Syrien verwiesen. Diese Unterlagen waren ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand des Verfahrens.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Die Beigeladene hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Der Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 29. Juli 1999 ist deshalb hinsichtlich der unter Nr. 2 getroffenen Feststellung aufzuheben.
Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Schutz vor Abschiebung aus § 51 Abs. 1 AuslG sind mit denen des Asylanspruchs aus Art. 16a Abs. 1 GG deckungsgleich, soweit es um die Verfolgungshandlung, das geschützte Rechtsgut, den politischen Charakter der Verfolgung sowie den Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und dessen Herabstufung bei bereits vor der Ausreise aus dem Heimatstaat verfolgten Asylsuchenden geht (BVerwG, Urt. vom 18.01.1994, NVwZ 1994, 497; Urt. vom 05.07.1994, NVwZ 1995, 391 [BVerwG 05.07.1994 - BVerwG 9 C 1.94]).
Dagegen ist ein Abschiebungsschutz aus § 51 Abs. 1 AuslG im Gegensatz zum asylrechtlichen Schutz nach Art. 16a Abs. 1 GG auch dann zu gewähren, wenn einem Betroffenen aus Gründen, die er erst nach der Ausreise aus dem Heimatstaat geschaffen hat (subjektiver Nachfluchtgrund), politische Verfolgung droht oder ein Asylanspruch aus den in den §§ 26a und 27 AsylVfG genannten Gründen (bei einer Einreise aus Drittstaaten) ausgeschlossen ist (BVerwG, Urt. vom 28.06.1999, BVerwGE 109, 174 = NVwZ 2000, 81).
Ausgangspunkt eines jeden Asylanspruchs oder Anspruchs nach § 51 Abs. 1 AuslG ist die in die Zukunft gerichtete Prüfung der Frage, ob der Flüchtling im Fall seiner Rückkehr - erstmals oder erneut - politischer Verfolgung ausgesetzt sein würde, durch die der hiervon Betroffene in eine die Gewährung politischen Asyls oder des Schutzes vor Abschiebung rechtfertigende Notlage geriete. Das setzt einen Staat voraus, in den der Asylsuchende in rechtlich zulässiger Weise zurückkehren könnte (BVerwG, Urt. vom 15.10.1985, NVwZ 1986, 759 [BVerwG 15.10.1985 - BVerwG 9 C 30.85]). Soweit der Ausländer eine Staatsangehörigkeit besitzt, ist Gegenstand der Prüfung, ob dem Flüchtling im Land seiner Staatsangehörigkeit die in § 51 Abs. 1 AuslG bezeichneten Gefahren drohen (§ 3 AsylVfG). Nur auf die Verhältnisse in diesem Staat und nicht auf die Gegebenheiten in anderen Ländern kommt es für die Beurteilung des geltend gemachten Asylanspruchs an. Derjenige, der in einem Drittstaat politisch verfolgt worden ist oder dem dort eine solche Verfolgung droht, kann den Schutz des Staates in Anspruch nehmen, dem er angehört. Einen Schutz vor politischer Verfolgung besitzt er im Ausland nur dann, wenn er im Land seiner Staatsangehörigkeit keinen Schutz erhalten kann (BVerwG, Urt. vom 18.10.1983, BVerwGE 68, 106 = NVwZ 1984, 244 m.w.N.).
Bei Personen, die staatenlos sind, kommt es auf die Verhältnisse im Land seines gewöhnlichen Aufenthalts an (§ 3 AsylVfG). Dies ist grundsätzlich der Staat, in dem der Staatenlose bis zu seiner Ausreise gelebt hat. Allein der Umstand, dass der Staatenlose ihn verlässt und im Ausland im Asyl nachsucht, ändert daran nichts. Eine Änderung der rechtlichen Lage tritt jedoch ein, wenn der Staat den Staatenlosen ausweist oder die Wiedereinreise verweigert und dies aus Gründen tut, die nicht als politische Verfolgung qualifiziert werden können. Der Staat löst damit seine Beziehungen zu dem Staatenlosen und hört auf, für ihn das Land des gewöhnlichen Aufenthalts zu sein (BVerwG, Urt. vom 15.10.1985, aaO.). In diesem Fall wird die Frage, ob dem Staatenlosen auf dem Territorium dieses Staates politische Verfolgung droht, unter asylrechtlichen Gesichtspunkten gegenstandslos. Staatenlose, die in eine solche Lage geraten sind, können weder Asyl nach Art. 16a Abs. 1 GG noch Abschiebungsschutz gemäß § 51 Abs. 1 oder § 53 AuslG beanspruchen (BVerwG, Urt. vom 15.10.1985, aaO.; Urt. vom 24.10.1995, NVwZ-RR 1996, 602).
Dies gilt erst recht für solche Asylsuchende, die sich illegal und ohne eine behördliche Registrierung in Syrien aufgehalten haben und entweder ebenfalls staatenlos sind oder über eine andere als die syrische Staatsangehörigkeit verfügen. Für diesen Personenkreis gilt ebenfalls, dass der syrische Staat die Wiedereinreise verweigert (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 30.01.2001 an das VG Aachen; Lagebericht vom 08.02.2001; Auskunft vom 26.04.2001 an das VG Saarlouis; Landeshauptstadt Düsseldorf, Auskunft vom 15.11.2000 an das VG Aachen).
Die Gründe, aus denen den staatenlosen Kurden aus Syrien sowie den dort illegal gelebt habenden Personen die Einreise verwehrt wird, haben keinen asylrechtlich relevanten Anknüpfungspunkt. Die syrischen Behörden halten die frühere Duldung dieser Personen für einen humanitären Akt und sehen keine Veranlassung, sie weiterhin aufzunehmen, nachdem diese Personen freiwillig das Land verlassen haben. Hinzu kommt, dass dieser Personenkreis in aller Regel das Land illegal unter Verletzung der syrischen Grenzübertrittsregelungen verlassen hat, was auch für syrische Staatsangehörige einen Rechtsbruch bedeuten würde (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 30.01.2001 an das VG Aachen; Lagebericht vom 08.02.2001; Auskunft vom 26.04.2001 an das VG Saarlouis; vgl. zum Ganzen: OVG Lüneburg, Urt. vom 27.03.2001 - 2 L 2505/98).
Das Gericht ist mit der nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO gebotenen Gewissheit zu der Überzeugung gelangt, dass die Beigeladene staatenlos ist und dass mit der Ausreise aus Syrien ein Verlust des Staates ihres gewöhnlichen Aufenthalts eingetreten ist.
Die Beigeladene hatte bei der Anhörung vor dem Bundesamt angegeben, dass ihr Vater "irgendeinen Ausweis" besessen habe, dass sie aber keine syrischen Staatsangehörigen, sondern "Ungeklärte" seien. In der mündlichen Verhandlung vom 15. Mai 2001 hat der Bruder der Beigeladenen den Ausweis des Vaters als eine in Folie einschweißte Karte näher beschrieben und die Farbe mit "bräunlich/orange" angegeben. Ein solches Personaldokument entspricht den Ausweispapieren, die der syrische Staat den Kurden und ihren Nachfahren, die aufgrund einer im Jahre 1962 durchgeführten Sondervolkszählung und Ausbürgerung staatenlos geworden sind, ausgestellt hat. Diese Personen werden in einem besonderen Personenstandsregister geführt (amnesty international, Bericht vom 01.05.1994; Gesellschaft für bedrohte Völker, Bericht vom 01.04.1997; Auswärtiges Amt, Auskunft vom 30.01.2001 an das VG Aachen, Lagebericht vom 08.02.2001, Auskunft vom 26.04.2001 an das VG Saarlouis). Die Beigeladene hatte eine ähnliche Beschreibung der Ausweiskarte gegeben und ergänzt, dass ihr Vater - allerdings erfolglos - bei der Registerbehörde einen Antrag auf Erteilung der syrischen Staatsangehörigkeit und auf die Ausstellung eines Passes gestellt habe. Hiernach ist davon auszugehen, dass die Beigeladene nicht die syrische Staatsangehörigkeit besitzt, sondern dort als eine der Staatenlosen gelebt hat, die der syrische Staat während der Dauer ihres Aufenthalts duldet.
Damit hat die Beigeladene nach der gegenwärtigen Erkenntnislage keine rechtliche oder tatsächliche Möglichkeit, nach Syrien zurückzukehren. Die Frage, ob ihr im Falle einer Rückkehr in Syrien politische Verfolgung droht und ihr deshalb Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG zu gewähren ist, ist infolgedessen gegenstandslos (BVerwG, Urt. vom 15.10.1985, aaO.; Urt. vom 24.10.1995, aaO.). Bereits dieser Umstand führt zu der getroffenen Entscheidung.
Die Beigeladene hätte jedoch selbst dann keinen Anspruch auf die Gewährung eines Abschiebungsschutzes nach § 51 Abs. 1 AuslG, wenn entgegen der aus der gegenwärtigen Erkenntnislage gewonnenen Überzeugung des Gerichts davon ausgegangen werden könnte, dass sie die Möglichkeit hätte, nach Syrien zurückzukehren. Denn die Beigeladene hat das Land ihres bisherigen Aufenthalts nicht wegen einer bereits erlittenen oder unmittelbar bevorstehenden Gefahr der individuellen Verfolgung aufgrund der yezidischen Glaubenszugehörigkeit verlassen. Das Gericht geht nach einer Würdigung der von der Beigeladenen in dem Asylverfahren gemachten Angaben davon aus, dass die Glaubensverschiedenheit zu den arabischen Mitbewohnern in der Vergangenheit allenfalls den Grad von bloßen Belästigungen und nicht von asylrechtlich relevanten Übergriffen erreicht hatten. Soweit die Beigeladene gegenteilige Behauptungen aufgestellt hat, hält das Gericht dieses Vorbringen für unglaubhaft. Es ist bereits zweifelhaft, ob der von dem Bruder der Beigeladenen behauptete Vorfall, wegen Streitigkeiten um die Bewässerung eines Feldes von seinen muslimischen Nachbar geschlagen worden zu sein, auf einem asylrechtlich relevanten Beweggrund beruht hat. Wegen der widersprüchlichen Angaben der Beigeladenen und ihres Bruders zu der behaupteten Körperverletzung geht das Gericht davon aus, dass sich ein solcher Vorfall tatsächlich nicht zugetragen hat. Während die Beigeladene vor Gericht angegeben hatte, dass ihr Bruder bei einem Versuch, sie zu entführen, als ihre Eltern bereits die gemeinsame Wohnung verlassen hatten, geschlagen worden sei, hat ihr Bruder in seinem Verfahren für die Körperverletzung einen anderen Zeitpunkt angegeben und auch den Ablauf anders dargestellt. Die Beigeladene hatte bis zu ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung einen solchen Vorfall nicht geschildert. Die von ihr auf einen entsprechenden Vorhalt gegebene Antwort, vorher nicht danach gefragt worden zu sein, erklärt die unterbliebene Schilderung eines solchen gravierenden Vorfalls nicht. Der bei der Anhörung der Beigeladenen im Sitzungssaal anwesende Bruder hat bei seiner später erfolgten informatorischen Anhörung dann auch seine früher gemachten Angaben dahingehend ergänzt, ein weiteres Mal geschlagen worden zu sein, als man versucht habe, seine Schwester zu entführen. Das Gericht hält diese Schilderungen für ein gesteigertes Vorbringen. Für unglaubhaft hält das Gericht außerdem die Behauptung der Beigeladenen, dass der Versuch, die auf dem Feld erlittene Körperverletzung bei der Polizei zur Anzeige zu bringen, deshalb keinen Erfolg gehabt habe, weil man sich dort zunächst nach ihrer Religion erkundigt und dann die Aufnahme einer Anzeige abgelehnt habe, weil sie Yeziden seien. Es trifft zwar zu, dass Anzeigen von Yeziden in Syrien häufig erfolglos bleiben, weil es sich bei den Anzeigeerstattern um den Polizeikräften bekannte Yeziden handelt oder nachdem den Beamten die Religionszugehörigkeit bekannt geworden ist; es erscheint indes als abwegig anzunehmen, dass die syrischen Polizeikräfte einen ihnen nicht bekannten Anzeigeerstatter zunächst nach seiner Religionszugehörigkeit befragen, um das weitere Vorgehen hiervon abhängig zu machen. Unglaubhaft ist schließlich auch, dass die Eltern der Beigeladenen sie und den Bruder aufgrund der Entführung einer weiteren Tochter verlassen haben, ohne nähere Angaben über das Ziel ihres Weggangs zu machen. Sollte es tatsächlich zu der Entführung einer weiteren Tochter der Eltern gekommen sein, hätte es nahegelegen, zu ihrem Schutz auch die Beigeladene und den Bruder mitzunehmen und nicht ihrem Schicksal zu überlassen. Die Behauptung, auch derzeit noch keinen Kontakt zu ihren in Syrien verbliebenen Angehörigen und den Eltern aufgenommen zu haben, weil sie selbst keine Briefe schreiben könnten, nimmt das Gericht der Beigeladenen ebenfalls nicht ab.
An der Auffassung, dass die Angehörigen der yezidischen Glaubensgemeinschaft in Syrien keiner unmittelbaren oder mittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung ausgesetzt sind, hält die Kammer weiterhin fest (Urteil vom 14.03.2001, 6 A 313/00; vgl. auch: OVG Lüneburg, Beschl. vom 25.01.2001, 2 L 3172/00; Urt. vom 27.03.2001, 2 L 5117/97 und 2 L 2505/98 ). Die Kammer sieht nach Prüfung der aktuellen Erkenntnismittellage, insbesondere nach einer Auswertung des von dem Kulturforum der yezidischen Glaubensgemeinschaft e.V. in Oldenburg erstellten Gutachtens vom 19. November 2000 sowie des Gutachtens des Sachverständigen Maisel vom 30. November 2000 keine Veranlassung, von dieser Rechtsauffassung abzuweichen. Das Gericht folgt insoweit nicht der gegenteiligen Auffassung des Verwaltungsgerichts Magdeburg (Urteil vom 29.01.2001, 8 A 497/98 MD). Selbst wenn nach dem vom Kulturforum in Oldenburg zusammengestellten Zahlenmaterial innerhalb des Zeitraumes von 1990 bis 1999 insgesamt 77 asylrechtlich relevante Verfolgungsschläge im Nordosten Syriens (Distrikt Hassake) vorgefallen sein sollten, lässt sich daraus nicht die für die Annahme einer mittelbaren Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte herleiten. Bei einer quantitativen Betrachtung der Relation von ermittelten Yeziden, die sich derzeit noch im Nordosten Syriens befinden sollen (ca. 4000), und der aus insgesamt 77 Verfolgungsschlägen abgeleiteten Zahl von etwa 8 Vorfällen jährlich ergibt sich, dass von den Verfolgungsschlägen auf jedes Jahr bezogen nur 0,2 v.H. der im Nordosten Syriens lebenden Yeziden betroffen waren. Auch wenn man an Stelle der Gesamtzahl yezidischer Personen in diesem Raum lediglich die Zahl der Yezidenfamilien zugrunde legt, in denen die Einzelpersonen als Verband gelebt haben, führt die Zahl der jährlichen Verfolgungsschläge, die zudem seit Mitte der 90iger Jahre (mit Ausnahme der Landwegnahmen) rückläufig sind, ebenfalls nur zu einem Prozentsatz von etwas mehr als 1,2 v.H.. Ungeachtet der Frage, ob die vom Kulturforum in Oldenburg ermittelten Übergriffe auf Yeziden sämtlich nach ihrer Intensität ein asylrechtlich relevantes Maß erreicht hatten oder ob ihnen überhaupt asylrechtlich relevante Motive zugrunde gelegen haben, lässt sich bei einer quantitativen Betrachtungsweise nicht der Schluss ziehen, dass die Verfolgungsschläge derart dicht und eng gestreut fallen, dass für jeden Yeziden die aktuelle Gefahr besteht, selbst das Opfer eines Übergriffs von arabischen Mitbewohnern zu werden.
Eine nach qualitativen Gesichtspunkten vorgenommene Betrachtung nach der Art und Intensität der im Gutachten des Kulturforums in Oldenburg aufgeführten Übergriffe rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme, dass jeder im Nordosten Syriens lebende Yezide befürchten muss, selbst ein Opfer von Verfolgungsmaßnahmen zu werden. Dies ergibt eine Gesamtwürdigung der Zahl der besonders schweren Verfolgungsschläge sowie die Feststellung, dass die in dem Gutachten des Kulturforums in Oldenburg aufgelisteten Vorfälle nicht in einem eng umgrenzten Bereich des Nordostens, sondern sich an teilweise weit verstreut liegenden Orten zugetragen haben. Der Umstand, dass vor allem die besonders schweren Übergriffe in den letzten Jahren abgenommen haben, deutet zudem darauf, dass mit der Anzahl der in den letzten Jahren aus Syrien ausgereisten Yeziden der Verdrängungswettbewerb zwischen den Bevölkerungsgruppen als häufig vorgetragene Motivation für die Übergriffe nachgelassen zu haben scheint.
Die Beigeladene wäre auch nicht wegen ihrer Eigenschaft als Kurdin Verfolgungsmaßnahmen des syrischen Staates ausgesetzt. Nach der Auskunftslage ist davon auszugehen, dass die ethnische Minderheit der Kurden als solche in Syrien einer staatlichen Verfolgung nicht unterworfen ist. Fälle politischer Verfolgung allein wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden sind nicht bekannt. Die in den 60-iger Jahren von der damals regierenden syrischen Führung begonnene und von Präsident Assad bis 1976 zunächst noch fortgeführte Politik der "Arabisierung" der kurdischen Siedlungsgebiete Syriens ist noch im Jahre 1976 von der Assad-Regierung eingestellt worden (vgl. etwa die Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 10.01.1990). Zwar betont die Ideologie der Baath-Partei den arabischen Charakter Syriens. Seit Ende der 70-iger Jahre sind jedoch Bestrebungen zur Zwangsarabisierung ethnischer Minderheiten oder staatliche Repressionen gegen nichtarabische Minderheiten allein aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit nicht mehr feststellbar (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19.07.2000).
Der Klage des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten ist deshalb mit der Kostenfolge aus den §§ 154 Abs. 1 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO und § 83 b Abs. 1 AsylVfG zu entsprechen. Die Nebenentscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.