Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 31.05.2001, Az.: 6 A 497/00

Auspuff; Betriebserlaubnis; Fahranfänger; Fahrerlaubnis; Nachschulungskurs

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
31.05.2001
Aktenzeichen
6 A 497/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 39287
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Nachschulungskurs für Fahranfänger nach dem Erlöschen der Betriebserlaubnis wegen Veränderungen am Auspuff.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann eine Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Vollstreckungsbetrages abwenden, sofern nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

1

Der am ... 1983 geborene Kläger erhielt am 29. April 1999 vom Beklagten eine Fahrerlaubnis der Klasse A 1 auf Probe. Während der bis zum 29. April 2001 festgesetzten Probezeit nahm der Kläger sein zulassungspflichtiges Kleinkraftrad (Roller Piaggio Vespa) in Betrieb, obwohl die Betriebserlaubnis nach Austauschen des Auspuffs am Fahrzeug und damit auch die Zulassung zum Verkehr erloschen war. Der Kläger wurde deshalb mit Bußgeldbescheid des Beklagten vom 23. Dezember 1999 mit einer Geldbuße von 100,-- DM belegt (Tatzeit: 25. September 1999; 3 Punkte).

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Nach Eintritt der Rechtskraft des Bußgeldbescheides gab der Beklagte dem Kläger mit Verfügung vom 14. Juli 2000 auf, an einem Aufbauseminar (§ 35 FeV) teilzunehmen und innerhalb von 3 Monaten nach Zustellung dieses Bescheides die Teilnahme an dem Seminar nachzuweisen. Außerdem wurde in der Verfügung darauf hingewiesen, dass ein Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung habe und für den Fall des Nichtbefolgens dieser Maßnahme innerhalb der Frist gemäß § 2 Abs. 3 StVG die Fahrerlaubnis entzogen werden müsse. Zugleich erhob der Beklagte Kosten in Höhe von insgesamt 61,-- DM (50,-- DM Gebühren + 11,-- DM Zustellgebühren) und berief sich dazu auf Ziffer 210 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt).

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Gegen die Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar und gegen die Kostenfestsetzung erhob der Kläger Widerspruch, den die Bezirksregierung Braunschweig mit Widerspruchsbescheid vom 12. September 2000 - zugestellt am 14. September 2000 - als unbegründet zurückwies.

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Am 13. Oktober 2000 hat der Kläger Klage erhoben.

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Er trägt vor: Kurz nachdem er im September 1999 den Roller Piaggio Vespa, Baujahr 1992, mit umfangreichem Zubehör, insbesondere einen Ersatzauspuff, erworben habe, sei der montierte Auspuff defekt gewesen, so dass ihm sein Vater geraten habe, den Ersatzauspuff zu montieren, bis der Originalauspuff geschweißt worden sei. Da sich auf dem Ersatzauspuff eine Vespa-Prüfnummer befunden habe, sei er davon ausgegangen, für den Ersatzauspuff eine neue Betriebserlaubnis nicht zu benötigen. Nachdem in der Polizeikontrolle die fehlende Betriebserlaubnis für den Ersatzauspuff beanstandet worden sei, habe der Polizeibeamte diesen Verkehrsverstoß allerdings als nicht schwerwiegend angesehen und ihn - den Kläger - mit dem Roller noch nach Hause fahren lassen. Einige Tage später habe er das Fahrzeug mit dem reparierten Auspuff bei der Polizei vorgeführt. Gegen den Bußgeldbescheid, den er erst sehr viel später erhalten habe, habe er Einspruch eingelegt, weil er und sein Vater die Kosten von über 120,-- DM und die Eintragung von Punkten in der Verkehrssünderkartei für unangemessen gehalten hätten. Im Termin vor dem Amtsgericht Gifhorn sei ihm gesagt worden, er müsse die Strafe und die Punkte als Lerneffekt hinnehmen und damit sei die Sache abgeschlossen. Er habe deshalb den Einspruch zurückgenommen. Das Bußgeld sei von seinem Vater bezahlt und ihm - dem Kläger - vom Taschengeld abgezogen worden. Er halte es für unverhältnismäßig, dass er nunmehr zusätzlich zu den Kosten, die bereits aufgrund des Bußgeldbescheides für ihn entstanden seien, noch 61,-- DM Kosten für die Verfügung und etwa 550,-- DM für den Nachschulungskurs zahlen solle. Zur Tatzeit sei er erst 16 Jahre alt gewesen und habe, nachdem er im Ausland dreisprachig aufgewachsen sei, erst seit 1998 wieder in Deutschland gelebt. Das deutsche Rechtssystem sei ihm wenig vertraut und er habe hier erhebliche schulische Probleme zu bewältigen. Bei ihm habe auch keinerlei Unrechtsbewusstsein vorgelegen, weil er von seinem Vater darin bestärkt worden sei, mit dem Ersatzauspuff den Roller vorübergehend nutzen zu dürfen. Er habe den Roller keinesfalls vorsätzlich ohne allgemeine Betriebserlaubnis geführt, sondern allenfalls leicht fahrlässig. Die ihm vorgeworfene Tat sei auch keineswegs als "schwerwiegende" Zuwiderhandlung zu bezeichnen. Er habe zusammen mit seinem Vater vor Nutzung des Rollers mit dem Ersatzauspuff das Fahrzeug sorgfältig überprüft und festgestellt, dass der Roller sogar einen geringeren Geräuschpegel aufgewiesen habe als mit dem Originalauspuff. Eine Verletzungsgefahr habe nicht bestanden, weil der Ersatzauspuff von der Kontur her keine überstehenden Teile gehabt habe. Eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer habe zu keiner Zeit bestanden. Bei einer schwerwiegenden Zuwiderhandlung wäre es auch von Seiten des Polizeibeamten geboten gewesen, die Weiterfahrt mit dem Fahrzeug sofort zu unterbinden. Als Schüler erhalte er nur ein geringes Taschengeld. Den für die Nachschulung insgesamt zu zahlenden Betrag von über 600,-- DM könne er nicht aufbringen, ohne seine schulischen Pflichten erheblich zu vernachlässigen. Aufgrund der genannten Umstände stelle sich der Sachverhalt als Härtefall dar, der nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in diesem Ausnahmefall das Absehen von der Anordnung einer Teilnahme an einem Aufbauseminar erfordere. Da er bereits im Bußgeldverfahren 120,-- DM bezahlt habe, stelle die Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar für ihn auch eine Doppelbestrafung dar, die mit dem Verfassungsrecht nicht vereinbar sei.

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In der mündlichen Verhandlung am 26. April 2001 hat der Kläger erklärt, am 06. März 2001 die Fahrerlaubnis der Klassen A und B erworben zu haben.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 14. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 12. September 2000 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen

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und bezieht sich auf die Ausführungen im Verwaltungsvorgang sowie die Gründe der angegriffenen Bescheide.

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Den am 26. April 2001 geschlossenen Widerrufsvergleich hat der Beklagte am 28. Mai 2001 widerrufen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage, über die nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne (erneute) mündliche Verhandlung entschieden werden durfte, ist nicht begründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde gegen den Inhaber einer Fahrerlaubnis wegen einer innerhalb der Probezeit begangenen Straftat oder Ordnungswidrigkeit, wenn eine rechtskräftige Entscheidung ergangen ist, die nach § 28 Abs. 3 Nr. 1 - 3 in das Verkehrszentralregister einzutragen ist, auch wenn die Probezeit zwischenzeitlich abgelaufen ist, seine Teilnahme an einem Aufbauseminar anzuordnen und hierfür eine Frist zu setzen. Voraussetzung ist, dass der Fahrerlaubnisinhaber eine schwerwiegende oder zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begangen hat. Nach § 2a Abs. 2 Satz 2 StVG ist die Fahrerlaubnis bei dieser Maßnahme an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder Ordnungswidrigkeit gebunden. § 34 Abs. 1 FeV verweist hinsichtlich der Bewertung der Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Rahmen der Fahrerlaubnis auf Probe auf Anlage 12, in der unter A "schwerwiegende Zuwiderhandlungen" und B "weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen" aufgelistet sind.

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Nach den vorstehend genannten Vorschriften hat der Beklagte zu Recht die Teilnahme an einem Aufbauseminar angeordnet und hierfür eine Frist von 3 Monaten gesetzt. Der Kläger hat gegen § 18 Abs. 1 StVO verstoßen, indem er den Auspuff seines Leichtkraftrades gegen einen Polini-Auspuff ausgetauscht hat und er, obgleich infolge dieser Änderung die Betriebserlaubnis und damit auch die Zulassung zum Verkehr erloschen war, das Fahrzeug in Betrieb genommen hat. In der Anlage 12 zu § 34 FeV sind Verstöße gegen die Vorschriften der StVZO über den Gebrauch oder das Gestatten des Gebrauchs von Fahrzeugen ohne die erforderliche Zulassung (§ 18 Abs. 1) oder ohne die erforderliche Betriebserlaubnis (§ 18 Abs. 3) unter Ziff. 2.2 als "schwerwiegende Zuwiderhandlung" aufgeführt.

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Dass der Kläger selbst die Zuwiderhandlung nicht für schwerwiegend hält, ist unerheblich angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung und der ausdrücklichen Einstufung der vom Kläger begangenen Zuwiderhandlung in der Anlage 12 zu § 34 FeV als schwerwiegend. Ebenfalls ohne rechtliche Bedeutung sind die Umstände, die dazu geführt haben, dass der Kläger den Auspuff ausgetauscht hat, insbesondere dass auch sein Vater ihn dahingehend bestärkt hat. Maßgeblich ist allein, wie sich insbesondere aus § 2a Abs. 2 Satz 2 StVG, § 34 FeV i.V.m. Ziff. 2.2 der Anlage 12 ergibt, dass er eine schwerwiegende Zuwiderhandlung begangen hat und hierüber eine rechtskräftige Entscheidung ergangen ist.

18

Soweit der Kläger sich auf sein fehlendes Unrechtsbewusstsein und darauf beruft, dass er nach langjährigem Auslandsaufenthalt erst seit 2 Jahren wieder in Deutschland lebe und daher mit dem deutschen Rechtssystem wenig vertraut sei, ist ihm entgegen zu halten, dass er am 29. April 1999 seine Fahrerlaubnis der Klasse A 1 erworben hat, was voraussetzt, dass er zuvor nicht nur eine praktische, sondern auch eine theoretische Prüfung (§§ 15, 16 FeV) erfolgreich abgelegt hat. In der theoretischen Prüfung hat der Bewerber nachzuweisen, dass er mit den für den Fahrzeugverkehr maßgebenden gesetzlichen Vorschriften (StVO, StVZO, StVG) und der umweltbewussten und energiesparenden Fahrweise praktisch vertraut ist, die typischen Verkehrsgefahren kennt und abzuwenden weiß, und dass er die zur sicheren Führung im Verkehr erforderlichen technischen Kenntnisse besitzt (§ 16 Abs. 1 FeV). Das Gericht nimmt dem Kläger nicht ab, dass er bereits 5 Monate nach Ablegung der Fahrprüfung die Kenntnisse, die er im theoretischen Unterricht erworben hat, wieder vergessen hat.

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Abgesehen davon setzt eine Ordnungswidrigkeit kein vorsätzliches Handeln voraus, sondern nach § 24 StVG handelt auch derjenige ordnungswidrig, der fahrlässig einer straßenverkehrsrechtlichen Vorschrift zuwider handelt.

20

Der Kläger hat die Nachschulungsanordnung auch nicht dadurch erfüllt, dass er zwischenzeitlich die Fahrerlaubnis der Klassen A und B erworben hat. Das Bestehen der dafür erforderlichen Prüfungen ersetzt nicht die Teilnahme an einem Nachschulungskurs (vgl. dazu: BVerwG, Urt. v. 18.05.1994 - 11 C 49.92 -, NZV 1994, 12 f.). Vielmehr hätte der Beklagte aufgrund der Kraft Gesetzes vollziehbaren Nachschulungsanordnung dem Kläger die Fahrerlaubnis der Klassen A und B nicht erteilen und die der Klasse A 1 nach Ablauf der Frist des § 2 Abs. 3 StVG entziehen müssen.

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Soweit der Kläger vorträgt, sein Taschengeld reiche nicht für die Bezahlung des Nachschulungskurses und er würde seine schulischen Pflichten vernachlässigen, wenn er versuche, das Geld aufzubringen, sind dies rechtlich völlig unerhebliche Erwägungen, die keinesfalls geeignet sind aufzuzeigen, aus welchen Gründen der Kläger sich für einen Härtefall und das Absehen von der Kraft Gesetz geforderten Teilnahme an einem Aufbauseminar für erforderlich hält. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass der Kläger jedenfalls das Geld für die Fahrerlaubnis der Klassen A und B, die er am 06. März 2001 erworben hat, hat aufbringen können.

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Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, es sich bei der in Rede stehenden Anordnung nicht um eine "Doppelbestrafung" handelt. Während im Bußgeldverfahren die vom Kläger begangene konkrete Ordnungswidrigkeit geahndet worden ist, dient die von der Fahrerlaubnisbehörde angeordnete Maßnahme vor allem dem öffentlichen Interesse daran, die allgemeine Verkehrssicherheit dadurch zu erhöhen, dass bei bestimmten Verstößen von Fahranfängern durch grundsätzlich sofort wirksame Maßnahmen erzieherisch auf den Betreffenden eingewirkt wird. Außerdem soll sich der Fahranfänger in den ersten 2 Jahren nach erstmaligem Fahrerlaubniserwerb besonders bewähren. Um dies zu erreichen, sieht die Regelung der Absätze 2 und 3 in § 2a StVG abgestufte Maßnahmen bei Nichtbewährung vor, die von einer Nachschulung durch Teilnahme an einem Aufbauseminar bis zur Entziehung der Fahrerlaubnis reichen; das Alter des Fahranfängers ist dabei ohne Bedeutung (vgl. Jagosch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Aufl., § 2a StVG, Rn 4).

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Als Unterlegener hat der Kläger die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen.

24

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.