Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 16.11.2020, Az.: L 16 KR 143/20

Erstattung von Kosten für eine privatärztlich durchführte Grafting Operation; Fehlende Empfehlung des GBA

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
16.11.2020
Aktenzeichen
L 16 KR 143/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 45694
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Oldenburg - 03.03.2020 - AZ: S 66 KR 935/18

Fundstelle

  • Breith. 2021, 89-93

Redaktioneller Leitsatz

Durch Empfehlungen u.a. über die Anerkennung eines diagnostischen und therapeutischen Nutzens einer neuen Methode wird der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (vgl. BSG, Urteil vom 28.03.2000 - B 1 KR 11/98 R).

Tenor:

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 3. März 2020 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Kosten für eine privatärztlich durchführte Grafting Operation.

Der im Jahre 1961 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er leidet an einer schweren Penisverkrümmung (Induratio penis plastica).

Am 13. November 2017 beantragte der Kläger gegenüber der Beklagten die Kostenübernahme einer sogenannten Grafting Operation durch den Arzt Dr E ... Dieser veranschlagte die Kosten der gewünschten Selbstzahlerleistung auf ca 13.400 Euro.

Mit Bescheid vom 14. November 2017 lehnte die Beklagte den Antrag ab und führte hierzu aus, dass ein Anspruch auf Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung nur bei zugelassenen Vertragsärzten bestehe. Demgegenüber könnten privat in Rechnung gestellte Kosten nicht erstattet werden.

Der Kläger erhob Widerspruch und trug vor, dass er die Operation am 2. Dezember 2017 ambulant habe durchführen lassen. Es seien Behandlungskosten in Höhe von 13.589,67 Euro, 190,00 Euro für Hotellerie und 499,80 Euro für Rechtsanwaltsgebühren entstanden. Weiterhin legte er ein Schreiben seines Hausarztes Dr F. vom 23. April 2018 vor, wonach die von Dr E. angewandte Operationstechnik in Krankenhäusern in der näheren Umgebung nicht angeboten werde. Die Maßnahme sei einzig erfolgversprechend und richtig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. November 2018 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Eine Grafting Operation sei keine abrechnungsfähige Leistung im Sinne des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM). Es handele sich vielmehr um eine unkonventionelle Behandlungsmethode, die in der vertragsärztlichen Versorgung nach § 135 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nur dann zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden dürfe, wenn dies vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) in einer Richtlinie nach § 92 SGB V empfohlen werde, Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall. Es komme auch keine Ausnamesituation nach § 2 Abs 1a SGB V in Betracht, weil keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich oder hiermit wertungsmäßig zumindest vergleichbare Erkrankung vorliege. Auch die von dem Kläger angeführte psychische Belastung eröffne keine Möglichkeit, zu einer anderen Entscheidung zu kommen. Bei psychischen Leiden beschränke sich der Heilbehandlungsanspruch auf eine Behandlung mit Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie. Ein körperlicher Eingriff zur Behandlung psychischer Leiden sei den Krankenkassen nicht gestattet. Hierzu verwies die Beklagte auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (Urteil vom 19. Oktober 2004, B 1 KR 3/03 R).

Hiergegen hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben. Nach seiner Ansicht sei ein Ausnahmefall im Sinne des § 2 Abs 1a SGB V gegeben. Bleibe das Krankheitsbild unbehandelt, so komme es bei mehr als der Hälfte der Patienten zu dauerhaften Erektionsstörungen bis zur vollständigen Impotenz. Dieses Krankheitsbild habe so massiven Einfluss und könne im schlimmsten Fall dazu führen, dass ein wichtiger Teil des Lebens vollständig zum Erliegen komme. Es sei somit der Verlust einer herausgehobenen Körperfunktion zu befürchten gewesen. Außerdem sei die Behandlung dringlich gewesen, denn die erfolglose medimentkatöse Behandlung habe sich schon auf einige Zeit erstreckt. Eine weitere Verzögerung hätte dazu geführt, dass die Erkrankung weiter fortgeschritten wäre und eventuell nicht mehr zu behandeln gewesen wäre. Allgemein anerkannte medizinische Standards hätten hier nicht zur Verfügung gestanden. Es liege ferner ein Fall des Systemversagens vor. Nach Ansicht des Klägers habe der GBA trotz Anhaltspunkten für die therapeutische Zweckmäßigkeit der Grafting Operation aus willkürlichen oder sachfremden Erwägungen keine rechtzeitige Überprüfung durchgeführt. Vorliegend sei die Leistung durch ein EU-Dienstleister erbracht worden. Dies ziehe eine Erstattungspflicht aus § 13 Abs 3, 5 SGB V nach sich:

Mit Gerichtsbescheid vom 3. März 2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Ein Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs 3 SGB V sei nicht gegeben. Zum einen handele es sich deshalb schon nicht um eine abrechenbare Leistung, weil die ärztliche Maßnahme durch einen Mediziner erbracht worden sei, der nicht nach § 95 SGB V an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehme und deshalb auch nicht am Vergütungssystems der Gesetzlichen Krankenversicherung partizipiere. Zum anderen habe der Kläger eine Behandlung in Anspruch genommen, für die keine Empfehlung des GBA vorliege. Es spräche ferner auch rein gar nichts für ein Systemversagen im Falle des klägerischen Krankheitsbildes. Abschließens seien auch die Voraussetzungen des § 2 Abs 1a SB V nicht gegeben, da keine notstandsähnliche Situation vorliege.

Gegen den am 6. März 2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 23. März 2020 Berufung bei dem SG Oldenburg eingelegt. Dieses hat die Berufung dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat der Kläger sein Klagvorbringen wiederholt ohne sich inhaltlich mit den Gründen des Gerichtsbescheides auseinanderzusetzen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 3. März 2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. November 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2018 aufzuheben und

die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Kosten für die zur Behandlung einer schweren Induratio penis plastica durchgeführte Grafting Operation zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und schließt sich den dort genannten Gründen an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte und den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die der Entscheidung zugrunde gelegen haben.

Entscheidungsgründe

Gemß §§ 124 Abs 2, 155 Abse 1, 3, 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) konnte das Gericht durch den Berichterstatter als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich mit diesen Verfahren einverstanden erklärt haben. Die Berufung ist form- und fristgemäß erhoben worden und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Der Gerichtsbescheid des SG Oldenburg vom 3. März 2020 sowie der Bescheid der Beklagten vom 14. November 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2018 sind rechtmäßig und halten er rechtlichen Überprüfung stand. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten einer Grafting Operation zur Behandlung der Penisverkrümmung. Der Anspruch des Klägers auf Kostenerstattung richtet sich nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V. Danach sind Kosten, die einem Versicherten für eine selbstbeschaffte Leistung entstehen, von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig, war und die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Demgegenüber scheiden § 13 Abs 4, 5 SGB V aus. Beide Abs. sind zum 1. Januar 2004 in § 13 SGB V eingefügt worden. Sie verlangen aber unabhängig von allem anderen nach ihrem eindeutigen Wortlaut, dass eine medizinische Leistung im EU-Ausland (oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz) in Anspruch genommen worden sein muss. Das ist hier nicht der Fall und wird von dem Kläger auch nicht behauptet.

Voraussetzung für eine Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V ist stets ein sog. Primäranspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse (vgl BSG, Urteil vom 16. Dezember 1993 - 4 RK 5/92 -), der sich aus dem materiellen Leistungs- und Leistungserbringungsrecht des SGB V ergibt. An einem solchen Primäranspruch - also einem Recht auf die Inanspruchnahme einer Sach- oder Dienstleistung, die die Krankenkasse originär zu erbringen hat - fehlt es vorliegend aus zwei Gründen.

Zum einen handelt es sich schon deshalb nicht um eine abrechenbare Leistung, weil hier eine ärztliche Maßnahme iS v § 27 Abs 1 SGB V durch einen Mediziner erbracht worden ist, der nicht nach § 95 SGB V an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt und deshalb auch nicht am Vergütungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung nach §§ 85 ff SGB V partizipiert.

Zum anderen hat der Kläger eine Behandlung in Anspruch genommen, für die keine Empfehlung des GBA vorliegt. Denn nach § 135 Abs 1 S 1 SGB V dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur dann erbracht werden, wenn der G-BA in Richtlinien nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 5 SGB V Empfehlungen u.a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben hat. Dadurch wird nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (BSG, Urteil vom 28. März 2000 - B 1 KR 11/98 R -) Bei erforderlicher, aber fehlender Empfehlung besteht demgemäß kein Primäranspruch und damit auch kein Erstattungsanspruch.

Es liegt auch kein Kostenerstattungsanspruch unter dem Gesichtspunkt eines Systemversagens vor. Dies ist dann der Fall, wenn das Anerkennungsverfahren trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wird und dies auf eine willkürliche oder sachfremde Untätigkeit bzw. Verfahrensverzögerung zurückzuführen ist (vgl BSG, Urteile vom 7. Mai 2013 -B 1 KR 44/12 R -; vom 26. September 2006 - B 1 KR 3/06 R - und 16. September 1997 - 1 RK 28/95 -). Wann von einer nicht zeitgerechten Entscheidung auszugehen ist, hängt allgemein von den Begleitumständen ab, etwa der Komplexität der Materie, der allgemeinen Belastung des G-BA oder der therapeutischen Bedeutung des Anliegens. Gerade bei der Bewertung der medizinischen Dringlichkeit wird dem G-BA ein weiter Ermessensspielraum zugestanden. Der für eine gründliche Prüfung und Bewertung anzusetzende Zeitrahmen ist insbesondere dann nicht überschritten, solange wissenschaftliche Studien über die Erfolgsaussichten und Risiken noch nicht abgeschlossen sind. Die gesetzlich vorgesehene Abweichung bei einer im Einzelfall auch bei Straffung des Verfahrens erforderlichen längeren Verfahrensdauer kommt insbesondere in Betracht, wenn die Bewertung der Methode besondere Schwierigkeiten aufweist oder eine umfangreiche Erprobung der neuen Methode nach § 137e SGB V erforderlich ist. Der mögliche Systemmangel liegt jedoch nicht (allein) in der Verfahrensdauer, sondern in der willkürlichen oder sachfremden Verzögerung der Ausschussentscheidung. Dabei ist ein zielgerichtetes Handeln des G-BA oder seiner Mitglieder nicht erforderlich. Auch wenn ein Systemmangel vorliegt, begründet dies allein noch nicht zwingend eine Leistungspflicht der Krankenkasse, da die zum Systemversagen entwickelten Grundsätze keine Sanktion darstellen, sondern lediglich den dem Versicherten bei ordnungsgemäßer Verfahrensweise zustehenden Anspruch durchsetzen sollen. Es bedarf daher darüber hinaus der Feststellung, dass tatsächlich eine Versorgungslücke besteht, also der G-BA verpflichtet gewesen wäre, eine positive Empfehlung für die in Rede stehende Behandlungs- oder Untersuchungsmethode abzugeben. Die Wirksamkeit der neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode muss grundsätzlich in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen aufgrund wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken belegt werden. Nur ganz ausnahmsweise, wenn ein Wirksamkeitsnachweis wegen der Art oder des Verlaufs der Erkrankung oder wegen unzureichender wissenschaftlicher Erkenntnisse auf erhebliche Schwierigkeiten stößt, darf darauf abgestellt werden, ob sich die Methode in der medizinischen Praxis durchgesetzt hat. Dabei ist auf den internationalen Erkenntnisstand abzustellen. Der Systemmangel muss aber im Zeitpunkt der Leistungserbringung bereits vorgelegen haben (s. zum Ganzen jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen Ihle in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Auflage 2016, Bearbeitungsstand 1. Januar 2016, § 135 Rz. 30; Roters in: Kasseler Kommentar, SGB V, Werkstand: 107. Ergänzungslieferung - Dezember 2019, § 135 Rz 11; Schmidt-De Caluwe in: Becker/Kingreen, SGB V, 6. Auflage 2018, § 135 Rz 17).

Ausgehend von diesen Maßstäben hat der Kläger ein Systemversagen allein pauschal und unsubstantiiert behauptet, ohne jedoch nachvollziehbare Umstände darzulegen, die diese Behauptung stützen könnten oder die auch nur Anlass für weitere Ermittlungen von Amts wegen sein könnten. Eine vertiefende Auseinandersetzung mit solch allgemein gehaltenen Vorbringen ist nicht angezeigt.

Der Kläger kann auch insbesondere keinen Anspruch aus § 2 Abs 1a SGB V ableiten. Danach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine (noch) nicht anerkannte Leistung beanspruchen, wenn die nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.

Diesbezüglich fehlt es bereits an der ersten Voraussetzung. Denn eine Penisverkrümmung ist keine lebensbedrohliche, regelmäßig tödlich verlaufende oder wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung. Diese Voraussetzung meint ist eine notstandsähnliche Lage mit einer sehr begrenzten Lebensdauer, z.B. bei palliativmedikamentöser Behandlung eine statistisch verbleibende Lebenserwartung von neun bis 15 Monaten (BSG v. 08.10.2019 - B 1 KR 3/19 R - juris Rn. 25, 26; LSG Nordrhein-Westfalen v. 27.02.2020 - L 5 KR 1/20 B ER: proximale spinale Muskelatrophie (SMA) Typ 1 beim Kleinkind. Vgl. auch BVerfG v. 10.11.2015 - 1 BvR 2056/12.) Wertungsmäßig damit vergleichbar ist der wahrscheinlich drohende Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen körperlichen Funktion innerhalb eines kürzeren überschaubaren Zeitraums (BSG v. 16.12.2008 - B 1 KN 3/07 KR R; LSG Baden-Württemberg v. 05.11.2019 - L 11 KR 3947/18). Diese Voraussetzungen sind insbesondere angenommen worden bei schweren und fortgeschrittenen Krebserkrankungen oder bei drohender Erblindung.

Hieraus wird deutlich, dass eine Penisverkrümmung bzw. die damit einhergehenden funktionalen Beeinträchtigungen auch nicht ansatzweise die Voraussetzungen einer Ausnahmeindikation erfüllen. Denn der Penis ist schon kein Sinnesorgan und die Erektionsfähigkeit ist keine herausgehobenen Körperfunktionen. Zwar kann der Verlust der Kohabitationsfähigkeit sehr wohl die Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigen, jedoch sind insoweit keine vitalen Funktionen betroffen (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 03. März 2005 - L 5 KR 169/04 -, Rn. 20, juris). Ferner lassen sich derartige Beeinträchtigungen aus den medizinischen Unterlagen im Falle des Klägers nicht entnehmen. Denn der Bericht des Arztes E. vom 9. November 2017 spricht bislang lediglich von einer "leichten Beeinträchtigung" der Erektion. Dies ist im Falle des Klägers als 59-jährigem Mann weit entfernt von einer Ausnahmeindikation.

Weitergehende Beeinträchtigungen sind auch nicht zwangsläufig zu erwarten, sondern nach den Ausführungen des Arztes E. mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 %. Es ergibt sich ein bedenkliches Gesamtbild, wenn der Arzt E. dem Kläger eine zeitnahe Operation allein durch ihn empfiehlt und vor anderen Ärzten und steigenden Operationsrisiken infolge von Zuwarten warnt. Denn im gleichen Schreiben erfolgt auch der ausdrückliche Hinweis auf ein gesteigertes Gesamtrisiko der Operation inklusive eines gesteigerten Risikos von postoperativen Erektionsstörungen. Ob dies dem Patienten eine angemessene Abwägung von Chancen und Risiken einer Selbstzahlerleistung ermöglicht, erscheint fraglich.

Schließlich vermögen auch die psychischen Beeinträchtigungen, die nach dem Vortrag des Klägers mit der Erkrankung verbunden waren, keine Kostentragungspflicht der Beklagten zu begründen. Denn die von den Krankenkassen geschuldete Krankenbehandlung beinhaltet grundsätzlich nur solche Maßnahmen, die unmittelbar an der eigentlichen Krankheit einsetzen. Bei psychischen Leiden beschränkt sich der Heilbehandlungsanspruch deshalb auf eine Behandlung mit den Mitteln der Psychotherapie und Psychiatrie (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004, B 1 KR 3/03 R). Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision ist nicht gegeben (§ 160 Abs 2 SGG).