Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 05.11.2020, Az.: L 10 VE 46/17

Aluminiumhydroxid; Fatigue; Havrix 1440; Impfschaden; Multiple Sklerose

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
05.11.2020
Aktenzeichen
L 10 VE 46/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 71529
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 29.06.2017 - AZ: S 50 VE 19/11

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand gibt es keine Hinweise für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer Impfung und der Auslösung von Multipler Sklerose.
2. Impfbedingte neurologische Schadensvermutungen beim Menschen durch das Adjuvans Aluminium in Impfstoffen sind (bisher) reine Spekulation.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 29. Juni 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von Leistungen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen einer Multiplen Sklerose (MS).

Der 1966 geborene Kläger wurde am 8. Mai 2001 mit dem Impfstoff Havrix 1440 (Chargen-Nr. VHA628C6) gegen Hepatitis-A geimpft aufgrund seiner zum damaligen Zeitpunkt ausgeübten Tätigkeit als Pilot für Langstreckenflüge bei der I. AG.

Am 25. Mai 2001 wurde der Kläger bei seinem Hausarzt Dr. J. vorstellig und beklagte nach einem Flug in den Senegal seit fünf Tagen unter viermal täglichem Durchfall ohne Fieber zu leiden und sich schlapp zu fühlen. Er nehme zurzeit Sempera, ein Präparat gegen Nagelpilz, ein (Bl. 97 Verwaltungsakte). Dr. J. diagnostizierte Diarrhoe und Gastroenteritis, vermutlich infektiösen Ursprungs, sowie Unwohlsein und Ermüdung. Eine von Dr. J. eingeleitete Untersuchung des Stuhls auf Erreger, Würmer etc. verlief negativ. Der Kläger war aufgrund dieser Gesundheitsstörungen bis einschließlich 28. Mai 2001 arbeitsunfähig erkrankt (vgl. Bl. 129 Verwaltungsakte).

Im Rahmen einer Flugtauglichkeitsuntersuchung am 13. August 2001 durch die Fliegerärztliche Untersuchungsstelle konnten keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers festgestellt werden. Seine Flugtauglichkeit wurde dementsprechend bestätigt.

Am 6. Februar 2002 stellte sich der Kläger wegen eines zweimaligen leichten Schwankschwindelgefühls bei Dr. J. vor. In seinem Befundbericht vom 21. Juni 2002 teilte Dr. J. diesbezüglich mit, dass der Kläger zweimaligen kurzen Schwankschwindel berichtet habe. Danach seien keinerlei Beschwerden diesbezüglich mehr aufgetreten. Vom 20. bis 22. März 2002 begab sich der Kläger in stationäre neurologische Behandlung ins Zentralkrankenhaus K. wegen seit einer Woche aufsteigender Parästhesien der unteren Extremität. Dort wurde eine wahrscheinliche Encephalitis disseminata diagnostiziert. Die Weiterbehandlung erfolgte durch die Fachärztin für Neurologie Dr. L.. Diese teilte in ihrem Befundbericht vom 9. Juli 2004 die Diagnose einer Encephalomyelitis disseminata bei Erstsymptomatik und Diagnosestellung im März 2002 mit.

Am 20. September 2007 stellte der Kläger bei dem Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem IfSG mit der Begründung, seine Erkrankung an MS sei auf die am 8. Mai 2001 durchgeführte Hepatitis-A-Impfung zurückzuführen. Erstmals acht Monate nach der Impfung sei bei ihm ein leichter Schwindel als erster Anhaltspunkt für die Erkrankung an MS aufgetreten.

In einem parallel geführten Verfahren des Klägers gegen die zuständige Berufsgenossenschaft auf Anerkennung der Hepatitis-A-Impfung vom 8. Mai 2001 als Arbeitsunfall holte die Berufsgenossenschaft eine Stellungnahme des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 18. Dezember 2007 ein, wonach dem RKI keine Studien zum Zusammenhang zwischen Hepatitis-A-Impfungen und MS vorlägen. Aus allen epidemiologischen Daten ergebe sich statistisch kein Hinweis auf eine Häufung von Erstmanifestationen oder Schubauslösungen von Autoimmunerkrankungen wie MS nach Impfungen. Ein Zusammenhang zwischen der Hepatitis-A-Impfung des Klägers und seiner MS-Erkrankung erscheine auch wegen des langen Zeitraums zwischen den ersten vermeintlichen Symptomen und der Impfung extrem unwahrscheinlich. Ferner holte die Berufsgenossenschaft ein Gutachten bei Prof. Dr. M. vom 30. Oktober 2008 nach Aktenlage ein. Dieser gelangte in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, die MS könne nicht mit der nötigen hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf die Hepatitis-A-Impfung am 8. Mai 2001 zurückgeführt werden. Nachdem die Berufsgenossenschaft daraufhin die Anerkennung der Hepatitis-A-Impfung als Arbeitsunfall abgelehnt hatte und auch der Widerspruch hiergegen erfolglos geblieben war, wurde im darauf folgenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Bremen, Az.: S 29 U 15/09 (anschließend: Landessozialgericht Bremen L 14 U 61/15, Urteil vom 20. Februar 2020) auf Antrag des Klägers ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Dr. Klaus N. vom 11. November 2010 eingeholt, worin dieser zu dem Ergebnis gelangte, ein Ursachenzusammenhang zwischen der Hepatitis-A-Impfung und der Erkrankung des Klägers sei mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Ein plausibles Zeitintervall zwischen der Impfung und der Erkrankung sei vorliegend gegeben, da es bei dem Kläger innerhalb von 12 Tagen nach der Impfung zu einer Erkrankung mit Durchfall ohne Fieber oder andere Anzeichen einer Infektion gekommen sei, welche mit schwerem Krankheitsgefühl sowie massiver Müdigkeit und Abgeschlagenheit verbunden gewesen sei. Der erste Schub einer MS könne durchaus mit solchen unspezifischen Symptomen beginnen und dann auch wieder abklingen, wie dies bei dem Kläger der Fall gewesen sei. Alternative Ursachen der Erkrankung kurz nach der Impfung, wie z. B. nachgewiesene Infektionen, hätten nicht festgestellt werden können. Die Berufsgenossenschaft berief sich in dem Verfahren S 29 U 15/09 auf eine beratungsärztliche Stellungnahme des Neurologen Prof. Dr. O. vom 19. April 2011, welcher die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs zwischen der Impfung und der Erkrankung des Klägers verneinte.

Mit Bescheid vom 13. Juli 2011 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Versorgung nach dem IfSG ab und stützte sich zur Begründung im Wesentlichen auf die gutachterlichen Einschätzungen von Prof. Dr. M. vom 30. Oktober 2008 sowie von Prof. Dr. O. vom 19. April 2011, wonach es an einem ursächlichen Zusammenhang zwischen der Impfung gegen Hepatitis-A und der Entstehung der MS fehle. Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. August 2011 als unbegründet zurück.

Dagegen hat der Kläger am 16. August 2011 Klage beim Sozialgericht Bremen erhoben. Er legte ein in dem Verfahren S 29 U 15/09 von dem Facharzt für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren Peter P. gefertigtes toxikologisches Zusatzgutachten vom 4. März 2012 vor, das im Ergebnis einen wahrscheinlichen Kausalzusammenhang zwischen der Impfung und der MS-Erkrankung des Klägers bejahte, wobei als Auslöser der MS das im Impfstoff auch enthaltene Aluminium angenommen wurde. Die Abgeschlagenheit und Müdigkeit am 25. Mai 2001 seien als erster Schub der MS-Erkrankung des Klägers zu werten. Auch eine Durchfallerkrankung sei eine bekannte Komplikation nach einer Hepatitis-A-Impfung. In einer von dem Kläger vorgelegten ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen P. vom 9. August 2013 teilte dieser ferner mit, der Kläger leide an einer besonderen genetischen Prädisposition, an MS zu erkranken. Vor dem Hintergrund dieser genetischen Konstellation sei es in hohem Maße plausibel, dass die streitgegenständliche Impfung aufgrund ihres Gehalts an Aluminium und Formaldehyd eine MS zur Folge haben könne.

Das Sozialgericht hat auf Antrag des Klägers Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Neurologen Prof. Dr. Alexander N. vom 7. Februar 2013. Des Weiteren hat das Sozialgericht von Amts wegen auf Vorschlag des Klägers ein Gutachten von dem Internisten, Nephrologen und Umweltmediziner Prof. Dr. Q. vom 22. April 2016 eingeholt. Der Sachverständige Prof. Dr. N. ist in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, die Erkrankung an MS sei nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die Hepatitis-A-Impfung zurückzuführen. Auch seien die beim Kläger am 25. Mai 2001 dokumentierten Beschwerden nicht als Fatigue-Syndrom im Rahmen einer MS-Erkrankung einzuordnen. Der Sachverständige Prof. Dr. Q. hat dagegen in seinem Gutachten die Auffassung vertreten, bei dem Kläger bestehe eine entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die mit Wahrscheinlichkeit am 12. Tag nach der Impfung mit Havrix 1440 mit einem ausgeprägten Fatigue-Syndrom begonnen habe. Es spreche mehr für einen kausalen Zusammenhang.

Mit Urteil vom 29. Juni 2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Auffassung habe bisher nicht belegt werden können, dass eine MS durch Impfungen gegen Hepatitis hervorgerufen werde. Unter diesen Umständen könne ein Ursachenzusammenhang zwischen einer Hepatitis-A-Impfung und einer MS unabhängig von den Umständen des Einzelfalls allenfalls als möglich, nicht aber als hinreichend wahrscheinlich, angesehen werden. Dies werde durch das Gutachten des Prof. Dr. M. vom 30. Oktober 2008 sowie die beratungsärztliche Stellungnahme von Prof. Dr. O. vom 19. April 2011 bestätigt. Aus den Gutachten von Dr. Hartmann, Prof. Dr. Q. sowie des Internisten P. könne die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs nicht überzeugend abgeleitet werden.

Der Kläger hat gegen das Urteil am 20. Juli 2017 Berufung eingelegt, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Er ist der Auffassung, die vom Sozialgericht Bremen seiner Entscheidung zugrunde gelegten Gutachten und medizinischen Stellungnahmen gäben nicht den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand wieder. Ferner habe das Sozialgericht die Gutachten einseitig und fehlerhaft zu seinen Lasten gewürdigt und unzutreffende Beweisanforderungen gestellt. Er sei vor der Impfung vollständig gesund gewesen. Erst nach der Impfung vom 8. Mai 2001 sei er schwer erkrankt. Es liege ein eindeutiger zeitlicher und kausaler Zusammenhang zwischen der erfolgten Impfung und dem eingetretenen Krankheitsgeschehen vor, welches sich erst in der Folge durch weitere Untersuchungen als MS-Erkrankung erwiesen habe. Die gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. O. vom 19. April 2011 sei wegen Verstoßes gegen § 200 Abs. 2 SGB VII unverwertbar. Gleiches gelte für das Gutachten von Prof. Dr. Alexander N. vom 7. Februar 2013, da er in diesem Gutachten auf die Stellungnahme von Prof. Dr. O. Bezug genommen und dieser zugestimmt habe. Das Gutachten von Prof. Dr. M. sei bereits deshalb unbrauchbar, weil dem Gutachter nicht seine Krankenakte vorgelegen habe. Bei ihm sei nachweislich in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung, nämlich am 20. Mai 2001, ein Fatigue-Syndrom aufgetreten, bei dem es sich um ein bekanntes Erstsymptom einer MS handele. Zumindest im Wege der Kann-Versorgung sei die MS als Impfschaden anzuerkennen. Auch der Hersteller gehe von einem kausalen Zusammenhang zwischen der Impfung und einer Erkrankung an MS aus. Der Kläger beruft sich des Weiteren auf ein in dem parallel geführten Verfahren S 29 U 96/17 (Sozialgericht Bremen) gemäß § 109 SGG eingeholtes Gutachten von Prof. Dr. R. vom 29. Januar 2019 nebst einem Zusatzgutachten von Prof. Dr. S. vom 23. Juni 2017 über die „Toxischen Kombinationswirkungen zwischen Aluminiumhydroxyd, Permethrin/Pyrethrum und Chemikalien aus „fume events“. Zudem hätte der Impfstoff Havrix 1440 nach seiner Auffassung nicht zugelassen werden dürfen. Wie ein in seinem Auftrag erstelltes Gutachten von Herrn T. und Herrn Prof. Dr. U. von der Firma V. vom 10. August 2020 beweise, liege ein Verstoß gegen die Zulassungsvoraussetzungen des Arzneimittelgesetzes vor. Im Übrigen habe er durch ein Laborergebnis der Firma W. vom 20. Februar 2019 Kenntnis davon erlangt, dass die tatsächliche Zusammensetzung des streitgegenständlichen Impfstoffs Havrix 1440 nicht den Angaben in der Fachinformation zu dessen Bestandteilen entspreche. Tatsächlich seien im Impfstoff weitere Schwermetalle und gesundheitsschädliche Stoffe, wie Wolfram, enthalten. Das medizinische Labor Bremen gebe auf seiner Internetseite zu Wolfram an, dass eine erhöhte Wolframbelastung u.a. zu Störungen des zentralen Nervensystems und Diarrhoe führen könne, wie es in seinem Fall nach der Impfung geschehen sei.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 29. Juni 2017 sowie den Bescheid des Beklagten vom 13. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. August 2011 aufzuheben,

2. den Beklagten zu verurteilen, bei ihm eine Multiple Sklerose als Impfschaden infolge der am 8. Mai 2001 erfolgten Hepatitis-A-Impfung festzustellen und ihm ab September 2007 Beschädigtenrente nach Maßgabe von § 60 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz in Verbindung mit den Vorschriften des BVG zu gewähren,

hilfsweise,

zum Beweis der Tatsache, dass die Erkrankung des Klägers an Multipler Sklerose auf die Impfung am 8. Mai 2001 zurückzuführen ist,

die Einholung eines immunologischen und eines pharmakologischen Zusatzgutachtens.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 29. Juni 2017 zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Neurologie Prof. Dr. X. vom 14. April 2020 nebst ergänzender Stellungnahmen vom 1. Mai 2020 und 7. Juli 2020. Zudem wurde der Sachverständige Prof. Dr. X. im Termin zur mündlichen Verhandlung am 5. November 2020 gehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll, das Gutachten, die ergänzenden Stellungnahmen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 5. November 2020 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist jedoch nicht begründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 13. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. August 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung einer Schädigungsfolge und Zahlung einer Rente aus § 60 Abs. 1 Satz Nr. 1, § 61 IfSG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 3, 31 Abs. 1 Satz 1 BVG.

Der Anspruch setzt eine unter den Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG erfolgte Schutzimpfung, den Eintritt einer über eine übliche Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung, also eine Impfkomplikation, sowie eine - dauerhafte - gesundheitliche Schädigung, also einen Impfschaden, voraus. Zwischen den jeweiligen Anspruchsmerkmalen muss ein Ursachenzusammenhang bestehen. Maßstab dafür ist die im sozialen Entschädigungsrecht ebenso wie im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung allgemein geltende Kausalitätstheorie von der wesentlichen Bedingung. Danach ist aus der Fülle aller Ursachen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne diejenige Ursache rechtlich erheblich, die bei wertender Betrachtung wegen ihrer besonderen Beziehung zu dem Erfolg bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Als wesentlich sind diejenigen Ursachen anzusehen, die unter Abwägen ihres verschiedenen Wertes zu dem Erfolg in besonders enger Beziehung stehen, wobei Alleinursächlichkeit nicht erforderlich ist. Die Impfung und sowohl die als Impfkomplikation in Betracht kommende als auch die dauerhafte Gesundheitsstörung müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - im sogenannten Vollbeweis - feststehen. Allein für die zwischen diesen Merkmalen erforderlichen Ursachenzusammenhänge reicht der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit aus, § 61 Satz 1 IfSG. Die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Impfung und Impfkomplikation sowie zwischen Impfkomplikation und Impfschaden ist gegeben, wenn auf der Grundlage der zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aktuell geltenden medizinischen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht. Die aktuell geltende medizinische Lehrmeinung ist hierbei im Grundsatz den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) zu entnehmen (s. dazu auch die Hinweise auf S. 5 der Einleitung zu der zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung, deren Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (im Folgenden: VMG) allein aus Rechtsgründen keine Ausführungen mehr zu Kausalitätsbeurteilungen einzelner Krankheitsbilder enthält), solange sich keine Anzeichen dafür ergeben, dass diese den aktuellen Kenntnisstand der medizinischen Wissenschaft nicht mehr beinhalten (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2011, Az.: B 9 VJ 1/10 R, SozR 4-3851 § 60 Nr. 4). Nach Nr. 57 der Ausgabe 2008 der AHP ist zur Ermittlung des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft auf die Arbeitsergebnisse der Ständigen Impfkommission zurückzugreifen, die im Epidemiologischen Bulletin veröffentlicht sind. Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn mehr Umstände für als gegen die Kausalität sprechen. Die bloße Möglichkeit reicht nicht aus (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 7. April 2011, B 9 VJ 1/10 R, veröffentlicht in juris, Rn. 36 ff.).

Bei der bei dem Kläger am 8. Mai 2001 durchgeführten Impfung gegen Hepatitis A hat es sich um eine im Sinne von § 60 Abs. 1 IfSG von der zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlene Impfung gehandelt. Dies ergibt sich aus dem Erlass des Hessischen Sozialministeriums vom 20. Januar 2000 (Staatsanzeiger für das Land Hessen 6/2000, Seite 529, 531). Danach werden Impfungen gegen Hepatitis A empfohlen für Reisende in Regionen mit hoher Hepatitis-A-Prävalenz. Der Kläger war aufgrund seiner Tätigkeit als Pilot für Langstreckenflüge weltweit im Einsatz und gehörte damit zu den gefährdeten Personen im Sinne des Erlasses.

Ursache eines Körperschadens sind in dem hier erheblichen Sinne diejenigen Bedingungen (das sind die Umstände, die nicht hinweggedacht werden können, ohne dass der Eintritt der Gesundheitsstörung entfiele – conditio sine qua non), die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Haben zu einem Erfolg (dem Eintritt eines Körperschadens) mehrere Bedingungen beigetragen, so sind nur diejenigen Bedingungen Ursache im Rechtssinn, die von ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Schadens wenigstens der Bedeutung und Tragweite der Summe der anderen Bedingungen annähernd gleichwertig sind (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014, Az.: B 9 V 6/13 R, SozR 4-7945 § 3 Nr. 1; insoweit unterscheidet sich die Bewertung von den im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Grundsätzen: BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, Az.: B 2 U 1/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Kommt dagegen einem der Umstände gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist er allein Ursache im Rechtssinn (Theorie der rechtlich wesentlichen Bedingung, vgl. Rohr/Strässer/Dahm, Kommentar zum BVG, Anm. 10 zu § 1). Dies gilt auch, soweit zum Zeitpunkt des angeschuldigten schädigenden Ereignisses bereits eine Disposition für den Eintritt einer Gesundheitsstörung vorhanden war, ein dieser Gesundheitsstörung zuzuordnendes pathologisches physisches oder psychisches Geschehen aber noch nicht eingetreten war. In diesem Fall ist der Einfluss der Krankheitsanlage einerseits und des äußeren Ereignisses andererseits auf den Eintritt der Gesundheitsstörung zu gewichten.

Der Senat kann ebenso wie der 14. Senat des erkennenden Gerichts und das BSG in dem parallel geführten unfallversicherungsrechtlichen Verfahren nicht feststellen, dass die Impfung ursächlich für die beim Kläger vorliegende MS geworden ist. Es fehlt nach den überzeugenden Ausführungen auch des Sachverständigen Prof. Dr. X. an der überwiegenden Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der streitgegenständlichen Impfung und der Erkrankung des Klägers an MS.

Des Weiteren hat der Sachverständige Prof. Dr. X. überzeugend festgestellt, dass die Gesundheitsstörungen, die am 25. Mai 2001 zur Behandlung des Klägers durch seinen Hausarzt führten, nicht überwiegend wahrscheinlich auf die streitgegenständliche Impfung vom 8. Mai 2001 zurückzuführen seien. Die Behauptung des Klägers, bei ihm sei 12 Tage nach der streitgegenständlichen Impfung ein akzentuiertes Fatigue-Syndrom als Erstsymptom einer MS aufgetreten, findet in den damaligen Krankenunterlagen des behandelnden Hausarztes Dr. J. keine Stütze, worauf der Sachverständige Prof. Dr. X. hingewiesen hat. In der Karteikarte des Hausarztes Dr. J. heißt es nämlich zur Vorstellung des Klägers am 25. Mai 2001 zu dessen anamnestischen Beschwerdeangaben allein, dieser habe nach seiner Rückkehr aus dem Senegal über seit fünf Tagen bestehenden Durchfall, viermal täglich ohne Fieber, geklagt. Er fühle sich schlapp und nehme zurzeit Sempera. Diagnostiziert hat der Hausarzt Dr. J. insoweit Unwohlsein und Ermüdung sowie Diarrhoe und Gastroenteritis, vermutlich infektiösen Ursprungs. Es fehlen jegliche Hinweise darauf, dass Dr. J. sich veranlasst gesehen hätte, der geklagten „Schlappheit“ – von dem Hausarzt als „Unwohlsein und Ermüdung“ bezeichnet – weiter nachzugehen oder dass der Kläger deswegen einen anderen Arzt konsultiert hätte. Dies spricht gegen das Vorliegen einer abnormen Müdigkeit im Sinne eines Fatigue-Syndroms. Im Übrigen ist nach den Ausführungen von Prof. Dr. X. ein seit fünf Tagen bestehender Durchfall ohne Weiteres imstande, Unwohlsein, Ermüdung und ein Gefühl der Schlappheit nach sich zu ziehen. Der Umstand, dass die von Dr. J. veranlassten Laboruntersuchungen ein negatives Ergebnis erbracht haben, schließt eine infektiöse Durchfallerkrankung nicht aus. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die Möglichkeit einer durch Viren hervorgerufenen Durchfallerkrankung hinzuweisen. Der Ausschlusseiner erregerbedingten Ursache des Durchfalls ist - so Prof. Dr. X. - durch Laboruntersuchungen nicht möglich. Auch der Kläger selbst hat noch in seinem Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung im September 2007 angegeben, die ersten Anzeichen der Erkrankung hätten sich acht Monate nach der Impfung in Form von leichtem Schwindel geäußert. Folgt man den Aufzeichnungen des Krankenhauses K. über den dortigen stationären Aufenthalt des Klägers in der Zeit vom 20. bis 23. März 2002, sind die ersten Symptome der MS im März 2002 aufgetreten. Auch die den Kläger in den ersten Jahren behandelnde Neurologin Frau Dr. L. hat den Beginn der Erkrankung in ihrem Bericht vom 9. Juli 2004 auf März 2002 datiert. Es fehlt jeglicher Hinweis darauf, dass es sich bei den am 25. Mai 2001 gegenüber dem Hausarzt Dr. J. geklagten Beschwerden um die Erstsymptomatik einer MS gehandelt hat. Soweit es im Bericht der MS-Sprechstunde des Universitätsklinikums Y. vom April 2010, also neun Jahre nach der Impfung, heißt, der Patient habe 2001 ein akzentuiertes Fatigue-Syndrom, eine Schwankschwindelsymptomatik und eine Gangstörung entwickelt, können dies keine eigenen Feststellungen dieser Ärzte sein. Aus den früheren ärztlichen Unterlagen ergeben sich keine Hinweise auf eine besondere Intensität oder Dauer von Müdigkeit, Unwohlsein und Schlappheit, die Zweifel an einer ursächlichen Verbindung mit dem Durchfall begründen könnten. Noch in seinem Befundbericht vom 8. Juli 2002 hat der behandelnde Hausarzt Dr. J. für den 25. Mai 2001 Gastroenteritis und Diarrhoe - vermutlich infektiösen Ursprungs - sowie Unwohlsein und Ermüdung diagnostiziert. Der Kläger hat wegen dieser Beschwerden keinen anderen Arzt aufgesucht und ist lediglich bis einschließlich 28. Mai 2001 aufgrund dieser Beschwerden arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Vor diesem Hintergrund lässt sich nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit begründen, dass die von dem Hausarzt Dr. J. am 25. Mai 2001 dokumentierten Beschwerden in Form von Müdigkeit, Unwohlsein und Schlappheit nicht die Folge der Magen-Darm-Erkrankung, sondern Ausdruck einer ersten Manifestation einer MS gewesen sind. Daher kommt eine ursächliche Beziehung zwischen der Impfung und der MS-Erkrankung des Klägers schon aufgrund der speziellen Umstände des Einzelfalls nicht in Betracht. Theoretische Überlegungen – so hat Prof. Dr. X. weiter ausgeführt - sprächen dafür, dass zwischen einem Auslöser und einer klinischen Manifestation einer MS höchstens etwa sechs Wochen verstreichen dürften.

Unabhängig davon und selbständig tragend hat der Sachverständige Prof. Dr. X. überzeugend ausgeführt, dass nach dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand keine Hinweise für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer Impfung und der Auslösung einer MS bestünden (so auch schon der 14. Senat des erkennenden Gerichts unter Auswertung des ihm vorliegenden medizinischen Materials (L 14 U 61/15, Urteil vom 20. Februar 2020). Dabei sei die Frage einer ursächlichen Verknüpfung verschiedener Impfungen und einer MS Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Studien gewesen. Mittlerweile existiere in der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur keine Stimme mehr, die den Verdacht aufrechterhalte, eine Impfung könne eine MS auslösen. Wenn sich in Einzelfällen im zeitlichen Zusammenhang zu einer Impfung der klinische Beginn einer MS manifestiere, spreche dies noch nicht für das Vorliegen eines ursächlichen Zusammenhangs, auch dann nicht, wenn andere Auslöser der Erkrankung nicht ersichtlich seien. Vielmehr sei es in Anbetracht der immensen Häufigkeit von Impfungen und der ebenfalls sehr beträchtlichen Häufigkeit von MS nach dem derzeitigen Sachstand der Erkenntnis in der medizinischen Wissenschaft dem Zufall geschuldet, wenn in unterschiedlichem zeitlichen Abstand von einer vorausgegangenen Impfung sich der erste Schub einer MS einstelle. Eine ursächliche Verbindung könne erst angenommen werden, wenn die Häufigkeit der Manifestation einer MS innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach der Impfung höher sei als bei Personen ohne diese Impfung. Die große Anzahl teils sehr aufwendiger epidemiologischer Studien zu dieser Frage habe einen entsprechenden Verdacht bezüglich der Auslösung einer MS durch Impfungen aber nicht bestätigen können.

Diese Bewertung steht im Einklang mit der Einschätzung des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) und des RKI. So heißt es in dem vom Kläger selbst vorgelegten Schreiben des RKI vom 30. November 2011 (Bl. 277 Gerichtsakte): „Vorliegende Studien haben bisher keinen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von MS und vorangegangenen Impfungen aufgedeckt.“ In dem vom Kläger vorgelegten Schreiben des PEI vom 28. Oktober 2011 (Bl. 263 f. Gerichtsakte) wird ausgeführt: „Ausgehend von den Erfahrungen seit der Zulassung des Impfstoffs Havrix 1440 im Jahr 1996 ist Multiple Sklerose (MS) keine erwartbare Nebenwirkung des Impfstoffs. (…) Ebenso gibt es entsprechend der Ergebnisse von Untersuchungen zu anderen Impfstoffen in der aktuellen wissenschaftlichen Literatur derzeit keinen Hinweis auf einen möglichen ursächlichen Zusammenhang zwischen Impfungen allgemein und der Entwicklung von MS.“

Nach der aktuellen medizinischen Forschung besteht somit kein Zusammenhang zwischen einer Impfung (gleich welcher Art) und einer Erkrankung an MS (vgl. Sächsisches LSG, Urteil vom 26. November 2019, L 9 VE 22/18 ZVW, juris, Rn. 55 unter Verweis auf eine große Studie aus dem Jahre 2019, veröffentlicht von Prof. Dr. Hemmer, TU München; ebenso im parallelen Verfahren des Klägers: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20. Februar 2020, L 14 U 61/15).

Das Begehren des Klägers hat, entgegen seiner Auffassung, auch in Anwendung von § 61 Satz 2 IfSG keinen Erfolg. Danach kann, wenn die zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Schädigung im Sinne von § 60 Abs. 1 IfSG erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, mit Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde der Gesundheitsschaden als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 S. 1 IfSG anerkannt werden (sog. Kann-Versorgung). Die Zustimmung kann allgemein erteilt werden, § 61 Satz 3 IfSG. Die Regelung des § 61 Satz 2 IfSG entspricht der Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG. Die dafür von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze gelten folglich auch für § 61 Satz 2 IfSG. Die wesentlichen medizinischen Maßstäbe zur Anwendung der Kann-Versorgung ergeben sich aus Teil C Nr. 4 der VMG.

Die Frage der Kausalitätsvoraussetzungen stellt sich für die Kann-Versorgung allerdings ebenso wie für einen Rechtsanspruch. Zwischen beiden bestehen bezüglich der Kausalität lediglich graduelle Unterschiede (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 1981, 9 RVi 5/80, veröffentlicht in juris, Rn. 27). Die Möglichkeit des Kausalzusammenhangs reicht, was der Kläger verkennt, auch im Rahmen des § 61 Satz 2 IfSG nicht aus. Es muss vielmehr wenigstens eine wissenschaftliche Lehrmeinung geben, die die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs vertritt. Die Verwaltung ist nicht ermächtigt, bei allen Krankheiten ungewisser Genese immer die Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs - die so gut wie nie widerlegt werden kann - ausreichen zu lassen (vgl. BSG, Urteil vom 10.11.1993, 9/9a RV 41/92, veröffentlicht in juris, Rn. 19). Zur Gewährung der Kann-Versorgung muss nicht nur ein zeitlicher Zusammenhang bestehen, sondern nach wenigstens einer nachvollziehbaren wissenschaftlichen Lehrmeinung müssen Erkenntnisse vorliegen, die für einen generellen, in der Regel durch statistische Erhebungen untermauerten Zusammenhang zwischen besonderen Belastungen und der festgestellten Erkrankung sprechen. Es darf nicht nur eine theoretische Möglichkeit des Zusammenhangs bestehen, sondern es muss vielmehr eine "gute Möglichkeit" bestehen, die sich in der wissenschaftlichen Medizin nur noch nicht so zur allgemeinen Lehrmeinung verdichtet hat, dass von gesicherten Erkenntnissen gesprochen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 1995, 9 RV 17/94, veröffentlicht in juris, Rn. 19).

Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. X. in seinem Gutachten vom 14. April 2020 sowie seiner ergänzenden Stellungnahme vom 7. Juli 2020 (Bl. 1532 Gerichtsakte) fehlt es vorliegend an wenigstens einer fundierten wissenschaftlichen Lehrmeinung, die die Wahrscheinlichkeit eines generellen Ursachenzusammenhangs vertritt.

Die Gutachten von Dr. N., Herrn P., Prof. Dr. Q., Prof. Dr. S. und Prof. Dr. R. rechtfertigen keine andere Beurteilung.

Dr. N. unterstellt in seinem Gutachten ohne plausible Begründung einen Beginn der MS-Erkrankung bereits am 20. Mai 2001. Des Weiteren behauptet er, das Vorliegen einer „plausiblen Hypothese zur Psychopathologie und Bekanntheit der Reaktion“. Dabei verkennt er, dass die bloße Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs für die Annahme einer Kausalität zwischen der streitgegenständlichen Impfung und der Erkrankung an MS im Rechtssinne ebenso wenig ausreicht wie die Unbenennbarkeit einer konkreten anderen Ursache.

Die toxikologischen Gutachten von Herrn P., Prof. Dr. S. und Prof. Dr. R. können, worauf der Sachverständige Prof. Dr. X. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 7. Juli 2020 zu Recht hinweist, allenfalls die Möglichkeit bestimmter Nebenwirkungen von in Impfstoffen enthaltenen Zusatzstoffen, insbesondere dem Adjuvans Aluminium, aufzeigen. Die überwiegende Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Impfung gegen Hepatitis-A und der Erkrankung an MS lässt sich dadurch jedoch weder generell noch für den konkreten Einzelfall des Klägers nachweisen, zumal auch die Gutachten von Herrn P. und Prof. Dr. R. einen Beginn der MS 12 Tage nach der streitgegenständlichen Impfung unterstellen, was – wie gezeigt – nicht festgestellt werden kann. Zudem beziehen sich die Gutachten von Prof. Dr. R. und Prof. Dr. S. ausdrücklich gerade nicht auf die hier angeschuldigte Impfung, sondern gehen von einem Zusammenwirken von insgesamt fünf Impfungen und einem „fume event“ aus. Für die im hiesigen Verfahren zu prüfende Frage eines Zusammenhangs zwischen der Impfung am 8. Mai 2001 und der jetzt vorliegenden MS-Erkrankung des Klägers vermögen sie also nichts auszusagen.

Der Internist, Nephrologe und Umweltmediziner Prof. Dr. Q. unterstellt in seinem Gutachten ebenfalls einen Beginn der Erkrankung am 20. Mai 2001, 12 Tage nach der Impfung. Im Übrigen behauptet er ohne nachvollziehbare Begründung die Wahrscheinlichkeit eines kausalen Zusammenhangs zwischen der MS-Erkrankung des Klägers und der Hepatitis-A-Impfung. Dabei stellt er zum einen darauf ab, dass die Aktivierung eines Entzündungsprozesses des zentralen Nervensystems nach der Impfung durch das Adjuvans Aluminiumhydroxid nicht ausgeschlossen werden könne und zum anderen, dass entzündliche Erkrankungen des zentralen und peripheren Nervensystems zu den anerkannten Nebenwirkungen von Impfungen mit Havrix 1440 zählten. Diese Zusammenhänge entsprechen aber gerade nicht den zuvor dargestellten Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft.

Im Übrigen mangelt es den Gutachten von Z., Herrn P. und Prof. Dr. Q. an jeglicher Auseinandersetzung mit der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung, worauf der Sachverständige Prof. Dr. X. überzeugend hinweist.

Hinsichtlich des Adjuvans Aluminiumhydroxid ist nach den STIKO-Hinweisen vom Juni 2007 (Epidemiologisches Bulletin Nr. 25 Seite 232) die Aluminium-Exposition im Vergleich zu derjenigen über Trinkwasser, Lebensmittel oder Medikamente gering und liegt deutlich unter der Menge, die täglich ein Leben lang ohne gesundheitsschädliche Wirkungen aufgenommen werden kann. Für die in den Blutkreislauf gelangten Mengen Aluminium aus Impfstoffen sei ein systemisches Toxizitätsrisiko auszuschließen. Impfbedingte neurologische Schadensvermutungen beim Menschen durch das Adjuvans Aluminium in Impfstoffen sind (bisher) reine Spekulation (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 26. März 2016, L 15 VJ 9/19, juris, Rn. 98; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. Mai 2016, L 4 VJ 1/14, juris, Rn. 58 sowie LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 6. April 2017, L 6 VJ 1281/15, juris, Rn. 65). Die vom PEI vorgenommene und im Bulletin zur Arzneimittelsicherheit (Ausgabe 3, September 2015) veröffentlichte aktuelle Sicherheitsbewertung, die eine mögliche Verursachung von Impfschäden durch Aluminiumverbindungen als Adjuvantien in Impfstoffen zum Gegenstand hat, ist zu dem Ergebnis gekommen, aus klinischen Studien und aus der Spontanerfassung von Nebenwirkungen in Deutschland gebe es kein Signal zu aluminiumbedingter Toxizität von Impfungen.

Soweit der Kläger unter Hinweis auf das in seinem Auftrag durch Herrn T. und Prof. Dr. U. erstellte Gutachten vom 10. August 2020 behauptet, der Impfstoff Havrix 1440 sei unter Verstoß gegen die arzneimittelrechtlichen Vorgaben zugelassen worden sei, braucht dieser Frage im vorliegenden Rechtsstreit nicht weiter nachgegangen zu werden. Da es wie oben aufgezeigt an Hinweisen auf einen generellen Ursachenzusammenhang zwischen dem seit 1996 zugelassenen Impfstoff Havrix 1440 sowie Impfungen überhaupt und der Erkrankung an MS fehlt, ließe sich selbst bei unterstellten Fehlern im Zulassungsverfahren des Impfstoffs nicht auf einen kausalen Zusammenhang mit der Erkrankung des Klägers an MS schließen. Gleiches gilt für die Behauptung des Klägers, in dem verwendeten Impfstoff Havrix 1440 seien weitere Schwermetalle enthalten, die nicht vom Impfstoffhersteller in der Fachinformation angegeben worden seien. Auch daraus lässt sich nach dem oben Gesagten kein kausaler Zusammenhang zu der Erkrankung des Klägers ableiten.

Vor dem Hintergrund der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. X. besteht aus Sicht des Senats ferner kein Anlass, dem Hilfsantrag des Klägers auf Einholung eines immunologischen und pharmakologischen Zusatzgutachtens nachzugehen. Angesichts des Vorstehenden hält der Senat eine weitere Beweiserhebung für offenkundig überflüssig, weil sich aus der medizinischen Wissenschaft
- wie gezeigt – keine Hinweise ergeben, dass die Erkrankung MS durch die streitgegenständliche Impfung ausgelöst werden kann. Auch Gutachten auf den Gebieten der Pharmakologie und Immunologie würden hier – angesichts des von Prof. Dr. X. in der mündlichen Verhandlung wiederholt dargestellten Standes der medizinischen Forschung – nicht zu einem anderen Ergebnis führen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.