Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.02.2014, Az.: 16 K 47/13

Unterschiede in der Besteuerung von Energieerzeugnissen durch einen Fernwärmeerzeuger gegenüber selbstproduzierter Energie mittels eines Blockheizkraftwerks

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
20.02.2014
Aktenzeichen
16 K 47/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 18756
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2014:0220.16K47.13.0A

Amtlicher Leitsatz

Von einem Fernwärmeversorger produzierte und angebotene Fernwärme kann nur dann als "gleichartiger Gegenstand" im Sinne der Vorschrift angesehen werden, wenn sie für den jeweiligen Verbraucher zum Zeitpunkt des Umsatzes grundsätzlich ebenso erreichbar und einsetzbar ist wie die selbst erzeugte Wärme.

Tatbestand

1

Strittig sind im 2. Rechtsgang die Schätzungen für unentgeltliche Wertabgaben von Strom und Wärme bei einem Blockheizkraftwerk.

2

Die Klägerin betreibt in dem von ihr und ihrer Familie bewohnten Haus ein sogenanntes Blockheizkraftwerk. Die Anlage produziert unter Verbrennung von Erdgas gleichzeitig Strom und Wärme. Das Blockheizkraftwerk ist seit 2002 in Betrieb. Die Klägerin hatte den vollen Vorsteuerabzug aus dem Erwerb der Anlage erhalten.

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Im Streitjahr betrug die produzierte Stromenergie 26.118 kWh. Davon wurden 7.835 kWh für den privaten Bereich verwendet. Als Bemessungsgrundlage für die Wertabgabe sowohl des selbstgenutzten Stroms als auch der für die Heizung des Hauses verwendeten Wärme setzte die Klägerin im Streitjahr einen Betrag von 1.716,83 € an.

4

Der Beklagte führte eine Umsatzsteuersonderprüfung durch. Nach den Vermerken des Prüfers hatte ihm gegenüber der Ehemann der Klägerin geäußert, dass die Wärmeleistung des Blockheizkraftwerkes etwa 2/3 der gesamten Energieleistung ausmache und der tatsächliche Wärmeverbrauch für die eigene Wohnung etwa 30.000 kWh jährlich ausmache. Daraufhin nahm der Prüfer an, dass die gesamte Wärmeerzeugung im Streitjahr den doppelten Betrag der gemessenen Stromerzeugung ausgemacht habe. Die gesamte erzeugte Wärme sei für den außerunternehmerischen Bereich verwendet worden. Zusammen mit der privat verbrauchten Strommenge betrage die dem nichtunternehmerischen Bereich zuzurechnende Energie 76,67 v.H. Nach § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG seien die Selbstkosten anzusetzen, die im Streitfall 10 v.H. der Anschaffungs-/Herstellungskosten sowie der laufenden vorsteuerbelasteten Kosten ausmachten. Hieraus ermittele sich eine Bemessungsgrundlage von 4.930,83 €. Diesen Betrag setzte der Beklagte im mit Klage angefochtenen Umsatzsteuerbescheid vom 26. Juni 2008 an. Den Einspruch hiergegen wies er mit Bescheid vom 12. Januar 2009 als unbegründet zurück.

5

Die hiergegen gerichtete Klage der Klägerin in dem Verfahren 16 K 41/09 wies das Niedersächsische Finanzgericht mit Urteil vom 10. September 2009 zum überwiegenden Teil ab. Es hielt dabei den Umfang der Selbstkosten für vom Beklagten zutreffend ermittelt, ermittelte den Umfang der unentgeltlichen Wertabgabe jedoch zu Gunsten der Klägerin im Wege der Schätzung geringfügig im Hinblick auf die Abwärme anders. Mit Urteil vom 12. Dezember 2012 (AZ: XI R 2/10) hob der Bundesfinanzhof (BFH) dieses Urteil auf und wies die Sache an das Niedersächsische Finanzgericht zurück. Dem FG könne nicht gefolgt werden, soweit es bei der Bemessung des Umsatzes der Lieferungen i.S. des § 3 Abs. 1b UStG von den Selbstkosten der Klägerin ausgegangen sei. Nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG seien die Selbstkosten nur dann anzusetzen, wenn ein Einkaufspreis für den (entnommenen) Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand nicht zu ermitteln sei. Nachdem das Haus der Klägerin an das Elektrizitätsnetz angeschlossen gewesen sei, habe sie jederzeit Strom aus diesem Netz beziehen und die Eigenproduktion unterlassen können. Es sei danach grundsätzlich möglich gewesen, zum Zeitpunkt der Entnahme den Einkaufspreis für gleichartigen, von dem Vertrags-Energieversorgungsunternehmen der Klägerin erzeugten Strom zu ermitteln. Hinsichtlich der von der Klägerin zur Beheizung des Hauses genutzten Wärme dürfte es hingegen bereits an "gleichartigen Gegenständen" fehlen, für die Einkaufspreise ermittelbar wären. Feststellungen hierzu habe das FG indes nicht getroffen. Soweit die Klägerin vorgetragen habe, die unentgeltliche Wertabgabe seien anhand der Preise zu bemessen, für die die Stadtwerke Münster Fernwärme anböten, könne das allenfalls dann in Betracht kommen, wenn sie an deren Fernwärmenetz bereits angeschlossen gewesen sei. Denn von einem Fernwärmeversorger produzierte und angebotene Fernwärme könne nur dann als "gleichartiger Gegenstand" angesehen werden, wenn sie für den jeweiligen Verbraucher zum Zeitpunkt des Umsatzes grundsätzlich ebenso erreichbar und einsetzbar sei wie die selbst erzeugte Wärme.

6

Die Klägerin begründet ihre Klage nunmehr wie folgt. Ihr Haus sei im Streitjahr an ein Elektrizitätsnetz angeschlossen gewesen, so dass sie Strom aus diesem Netz hätte beziehen können. Bei ihrem Vertrags-Energieversorgungsunternehmen handele es sich um die EWE Aktiengesellschaft, deren seinerzeitiger Arbeitspreis für Strom 14,06 Cent/kWh betragen habe. Bei einer Menge des eigengenutzten Stroms von 7.835 kWh ergebe sich zuzüglich des jährlichen Grundpreises von 43,10 € ein Betrag von 1.144,70 €.

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Die Wärme sei nicht unentgeltlich aus dem Unternehmen entnommen worden. Für die Wärme habe die Klägerin als Entgelt von dritter Seite den sog. KWK-Bonus erhalten. Zum Nachweis dafür, dass dieser für die als KWK-Strom bezeichnete Wärme genau in der Höhe gezahlt worden sei, in der Strom erzeugt wurde, reichte die Klägerin eine Abrechnung der EWE Netz GmbH vom 15. Januar 2007 ein. Nur hilfsweise sei die Bemessungsgrundlage anhand des Einkaufspreises zu ermitteln. Die Klägerin habe früher ihr Haus mithilfe einer Heizöl-Wärmetherme beheizt. Diese Therme sei für das Streitjahr funktionsfähig und nutzbar gewesen. Kosten für Abschreibungen fielen für die Therme aufgrund des Alters der Anlage nicht mehr an. Der Ehemann der Klägerin habe als Heizungsbauer jegliche Reparaturen an der Therme vornehmen können. Unter Zugrundelegung eines damaligen Bezugspreises von 4,85 Cent/kWh und einem Verbrauch von 36.400 kWh ergebe sich ein Ansatz der unentgeltlichen Wertabgabe von 1.765,40 €.

8

Es habe aber auch eine Reihe weiterer, jederzeit verfügbarer Möglichkeiten gegeben, das Haus der Klägerin zu beheizen wie beispielhaft durch mobile Biomassecontainer, mobile Wärmespeicher oder durch die Abwärme von sog. KWK-Anlagen. Äußerst hilfsweise seien die Selbstkosten als Bemessungsgrundlage für die Wärme anzusetzen, wobei die vom Beklagten ermittelten Selbstkosten auf jeden Fall um den nicht nutzbaren Teil der Abwärme zu kürzen seien. Der Beklagte sei ferner fälschlicherweise davon ausgegangen, dass alle Selbstkosten der Wärmeerzeugung dienten. Unter Bezugnahme auf eine Reihe von Stellungnahmen, welche die Klägerin zu den Akten gereicht hat, sei aber davon auszugehen, dass ein Anteil von 80 % auf die Erzeugung des Stroms und ein Anteil von 20 % auf die Erzeugung der Wärme entfalle. Schließlich sei zu beachten, dass Selbstkosten das marktübliche Entgelt nicht überschreiten dürften, da der Steuerpflichtige der unentgeltlich aus seinem Unternehmen entnehme andernfalls schlechter stehe, als der Steuerpflichtige, der am Markt erwerbe.

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Die Klägerin beantragt,

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den Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 26. Juni 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Januar 2009 dahingehen zu ändern, dass als Bemessungsgrundlage für die unentgeltliche Wertabgabe 1.144,70 € angesetzt werden.

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Das FA beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Neben der Bemessungsgrundlage für den eigengenutzten Strom i.H.v. 1.144,70 € sei eine Bemessungsgrundlage von 3.858,75 € für die Wärme anzusetzen, die sich aus den Selbstkosten ergebe. Dass mit der vorhandenen Therme Wärme habe erzeugt werden können, führe nicht zu einem Bezugspreis für den Liefergegenstand Wärme. Eine solche Therme sei nämlich mit einem anderen Energieträger zu betreiben, so dass insoweit kein Einkaufspreis für einen gleichartigen Gegenstand Wärme vorliege.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet.

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Da die Klägerin das Blockheizkraftwerk vollständig ihrem Unternehmen zugeordnet hat, ist die Abgabe von Strom und Wärme an den privaten Bereich gemäß § 3 Abs. 1 b Nr. 1 UStG einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt. Was den Bezug der Wärme angeht, so kann in diesem Zusammenhang offen bleiben, ob ein KWK-Bonus als Entgelt von Dritter Seite nach § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG anzusehen ist, denn die Vorschrift des § 3 Abs. 1 b Nr. 1 UStG ist als Fiktion einer entgeltlichen Lieferung des Unternehmers an sich selbst als Verbraucher zu verstehen. Die Bemessungsgrundlage für die Leistungen ergibt sich aus § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG. Danach ist für den Strom der Einkaufspreis und für die Wärme die Selbstkosten maßgeblich, weil es für die Klägerin keinen von ihr zu zahlenden Einkaufspreis "für einen gleichartigen Gegenstand" gibt.

16

Da das Haus der Klägerin an das öffentliche Elektrizitätsnetz angeschlossen war, bestand für sie die Möglichkeit jederzeit Strom von einem Fremdanbieter zu beziehen. Bei einer Menge des eigengenutzten Stroms von 7.835 kWh ergibt sich bei einem fiktiven Einkaufspreis bei der EWE AG als dem Versorgungsunternehmen der Klägerin von 14,06 Cent/kWh zuzüglich eines jährlichen Grundpreises von 43,10 € ein Betrag von 1.144,70 € als Bemessungsgrundlage.

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Hinsichtlich der von der Klägerin zur Beheizung des Hauses genutzten Wärme fehlt es an "gleichartigen Gegenständen", für die Einkaufspreise ermittelt werden könnten. Da das Haus der Klägerin im Streitjahr nicht an ein Fernwärmenetz angeschlossen war, scheidet eine Bemessung der Wertabgabe anhand von Preisen für Fernwärme aus. Denn von einem Fernwärmeversorger produzierte und angebotene Fernwärme kann nur dann als "gleichartiger Gegenstand" im Sinne der Vorschrift angesehen werden, wenn sie für den jeweiligen Verbraucher zum Zeitpunkt des Umsatzes grundsätzlich ebenso erreichbar und einsetzbar ist wie die selbst erzeugte Wärme. Nur dann kann die Klägerin im Zeitpunkt des Bedarfs die selbst erzeugte Wärme durch eine gleichartige, einzukaufende ersetzen und den Einkaufspreis ermitteln, den sie einem fremden Anbieter für den Gegenstand "Wärme" zu diesem Zeitpunkt hätte bezahlen müssen (vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 2012 XI R 3/10 BFHE 239, 377). Auch eine Bemessung des Umsatzes nach den Einkaufspreisen anderer Energieträger wie Heizöl, Gas oder Elektrizität scheidet aus, weil eine Wärmeerzeugung auf deren Basis weitere aufwändige Investitionen vorausgesetzt hätte.

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Hieran ändert auch die aus früheren Jahren vorhandene, funktionsfähige Heizöl-Wärmetherme der Klägerin nichts, da diese für eine Inbetriebnahme neu hätte installiert werden müssen. Außerdem wäre der Bezug von Heizöl zu bewerkstelligen gewesen. Auch die von der Klägerin ins Spiel gebrachten möglichen Beheizungen durch mobile Biomassecontainer, mobile Wärmespeicher oder durch die Abwärme von KWK-Anlagen waren für die Klägerin im Zeitpunkt des Bezugs der selbsterzeugten Wärme nicht ebenso erreichbar und einsetzbar wie diese selbsterzeugte Wärme, da auch diese Heizmethoden aufwändige Investitionen vorausgesetzt hätten.

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Bei der Ermittlung der Selbstkosten ist zu berücksichtigen, dass das Blockheizkraftwerk sowohl Prozesswärme als auch Abwärme produziert, die bereits aus technischen Gründen nicht zur Beheizung des Hauses der Klägerin geeignet ist. Diese Energiemengen sind jedoch nicht unter § 3 Abs. 1 b Nr. 1 UStG zu fassen. Denn insoweit liegt keine Entnahme aus dem Unternehmen vor. Es mangelt bereits an einem entsprechenden Entnahmewillen. Da die Klägerin keine Aufzeichnungen über die tatsächlich für die Beheizung des Hauses verwendete Wärmeenergie getroffen hat, dem Gericht auch keine nachprüfbaren Unterlagen über die Effizienz des Heizkraftwerkes oder das konkrete Verhältnis zwischen Strom- und Wärmeerzeugung vorgelegt hat, schätzt das Gericht den Anteil der unentgeltlichen Wertabgabe auf 70 v.H. der gesamten produzierten Energiemenge. Grundlage für diese Schätzung ist die Aussage des Ehemanns der Klägerin während der Umsatzsteuersonderprüfung gegenüber dem Prüfer wonach die Wärmeleistung des Blockheizkraftwerks etwa 2/3 der gesamten Energieleistung ausmache. Die Entnahme des Stroms macht 10 v.H. und die Entnahme der Wärme demnach 60 v.H. der gesamten produzierten Energiemenge aus. Mit 60 v.H. der Selbstkosten von 6.431,25 € beträgt die Bemessungsgrundlage für die eigengenutzte Wärme 3.858,60 €. Zwar hat die Klägerin unter Bezugnahme auf eine Reihe von Stellungnahmen geltend gemacht, dass ein Anteil von 80 % der Selbstkosten auf die Erzeugung des Stroms und ein Anteil von 20 % auf die Erzeugung der Wärme entfielen. Mangels Herstellerangaben sind diese Angaben jedoch zu allgemein, als dass sie einer Schätzung zugrunde gelegt werden könnten. Schließlich ist die von der Klägerin begehrte Deckelung des Betrages der Selbstkosten mit dem marktüblichen Entgelt schon deshalb nicht möglich, weil ein vergleichbares marktübliches Entgelt für die eigengenutzte Wärme sich wie oben ausgeführt nicht feststellen lässt.

20

Die Bemessungsgrundlage für die Leistungen insgesamt (Strom + Wärme) beträgt somit 5.003,30 € (= 1.144,70 € + 3.858,60 €). Dieser Betrag liegt über der vom FA angesetzten Bemessungsgrundlage i.H.v 4.930,83 €. Eine Verböserung im finanzgerichtlichen Verfahren ist nicht zulässig.

21

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.