Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.09.2018, Az.: 11 K 1/18
Streit um die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage für Wärmelieferungen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 24.09.2018
- Aktenzeichen
- 11 K 1/18
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2018, 73671
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
- § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 UStG
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, mit welcher Bemessungsgrundlage Wärmelieferungen der Klägerin an Personen aus ihrem Umfeld im Streitjahr 2013 umsatzsteuerlich anzusetzen sind.
Die Klägerin ist eine GmbH, die mit Gesellschaftsvertrag vom xxx 2011 errichtet worden ist. Alleingesellschafter und Geschäftsführer ist D. Gegenstand der Klägerin ist die Erzeugung von Strom aus regenerativen Energien, die Verarbeitung von Biomassen, die Produktion und Veräußerung von Wärme, Energie und Wertstoffen sowie Agrardienstleistungen aller Art. Für das Streitjahr reichte die Klägerin am xxx 2014 eine Umsatzsteuererklärung, ein die der Beklagte der Besteuerung zugrunde legte.
Im Juli 2015 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Außenprüfung durch, die die steuerlichen Verhältnisse in den Jahren 2011 bis 2013 umfasste. Dabei griff der Außenprüfer u. a. folgenden Sachverhalt auf:
Am xxx 2013 schloss die Klägerin mit der GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ebenfalls D ist, einen Wärmelieferungsvertrag ab. Die Klägerin verpflichtete sich dabei, für das Objekt der GmbH überschüssige Wärme aus der von ihr betriebenen Biogasanlage in einem Umfang von etwa 170 kW/h bereitzustellen. Die komplette Versorgung mit Wärme wurde nicht garantiert. Zur Absicherung der Wärmeversorgung war die GmbH zur Vorhaltung eines eigenen Heizungssystems verpflichtet. Als Basiswärmepreis vereinbarten die Vertragsparteien einen Nettobetrag von 15 € MWh. Für fünf Jahre bestand eine Preisbindung; danach konnte eine Preisanpassung erfolgen. Die Klägerin stellte die Übergabestation und die Nahwärmeleitungen. Die GmbH versteuert ihre Umsätze als Regelbesteuerer. Einen inhaltlich gleichlautenden Vertrag schloss die Klägerin mit D, die nach Durchschnittssatz gemäß § 24 Umsatzsteuergesetz (UStG) versteuert. Im Streitjahr lieferte die Klägerin an die GmbH 338.890 kWh und an D 439.0003 kWh.
Der Außenprüfer ging davon aus, dass der vereinbarte Preis für die Wärmelieferungen nicht dem ortsüblichen entspreche. Er ermittelte die Selbstkosten für die Produktion der Wärme mit 8,31 Cent pro kWh. Die sich ergebende Differenz setzte er bei der Körperschaftsteuer als verdeckte Gewinnausschüttung und bei der Umsatzsteuer als Mindestbemessungsgrundlage an. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Tzn. 14, 19 und Anlage 2 des Berichts vom xxx 2015 über die Außenprüfung des Beklagten zur StNr. xxx; AD-Nr. xxx hingewiesen.
Der Beklagte folgte der Auffassung seines Außenprüfers und erließ am xxx. Januar 2016 einen entsprechenden Umsatzsteuerbescheid; der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.
Hiergegen erhob die Klägerin am xxx. Februar 2016 Einspruch. Wie bei der Körperschaftsteuer sei auch bei der Umsatzsteuer nur das vereinbarte Nettoentgelt als Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen. Es handele sich um den ortsüblichen Verkaufspreis als Obergrenze. Entsprechend der Verwaltungsanweisung in Abschn. 2.5. Abs. 23 Satz 9 und Abs. 22 Abs. 8 Umsatzsteuer-Anwendungserlass 2017/18 (UStAE) schlug der Beklagte vor, einen Betrag von 7,5 Cent kWh als Nettobetrag anzusetzen. Eine Reaktion der Klägerin auf diesen Vorschlag erfolgte nicht.
Der Rechtsbehelf hatte insoweit Erfolg, als der Beklagte die Bemessungsgrundlage für die verbilligten Lieferungen der Wärme auf 7,5 Cent pro kWh senkte. Im Übrigen wurden die Einsprüche mit Einspruchsbescheid vom xxx. Dezember 2017 zurückgewiesen. Ein Vergleich mit den entstandenen Selbstkosten bei der Produktion der Wärme zeige bereits eindrucksvoll, dass die vereinbarten 1,5 Cent pro kWh nicht ortüblich seien.
Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. In den Finanzamtsbezirken Sulingen, Vechta und Cloppenburg gäbe es über 100 Biogasanlagenbetriebe, die ihre Abwärme für einen Preis zwischen 1,5 und 2,5 Cent je kWh an Dritte abgegeben hätten. So habe in unmittelbarer Nähe zum klägerischen Betrieb (1,2 km Entfernung) die Bioenergie W-GmbH Wärme zu 1,5 Cent an Dritte verkauft; ein entsprechender Fremdvergleich sei möglich.
Mit Schreiben vom xxx. April 2018 erklärte die Klägerin ergänzend, nach Abschn. 10.7. Abs. 6 Sätze 2 und 3 UStAE sei eine Mindestbemessungsgrundlage nicht anzusetzen, wenn der Leistungsempfänger zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sei und der geltend gemachte Vorsteuerabzug keinem Berichtigungstatbestand nach § 15 a UStG unterliege. Dies treffe auf die GmbH und D zu.
Um den Streitfall gütlich zu beenden, schlug die Klägerin mit Schreiben vom xxx. Mai 2018 vor, die Wärmelieferung mit einer (Netto-)Bemessungsgrundlage von 4,45 Cent pro kWh anzusetzen, wenn der Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung bei der Körperschaftsteuer entfalle.
Der Beklagte erließ am xxx. Juli 2018 einen entsprechenden Änderungsbescheid, erklärte allerdings, auf einen Ansatz als verdeckte Gewinnausschüttung nicht verzichten zu wollen.
Die Klägerin führte mit Schreiben vom xxx. Juli 2018 aus, eine Einigung zwischen den Beteiligten sei nicht zustande gekommen. Laut einer beigefügten Erdgasrechnung der XXX Vertriebs GmbH vom xxx. Oktober 2014 habe der Durchschnittsverkaufspreis für Erdgas bei zusammen 4,544 Cent pro kWh gelegen. Der Rechnungsempfänger habe seinen Sitz etwa 15 km vom klägerischen Betrieb gehabt. Zudem seien die Selbstkosten für die produzierte Wärme durch Aufteilung der Gesamtkosten für Strom und Wärme am Maßstab der Verkaufspreise zu ermitteln. Dies führe zu einem Selbstkostenansatz von 1,66 Cent pro kWh Wärme.
Die Klägerin beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid 2013 vom xxx 2016 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom xxx. Dezember 2017 und des Änderungsbescheids vom xxx. Juli 2018 zu ändern und die Umsatzsteuer 2013 unter Berücksichtigung eines Nettoentgelts für die Wärmelieferungen an die GmbH in Höhe von 1,5 ct/kWh für eine gelieferte Wärmemenge von 338.890 kWh und für die Wärmelieferungen an D in Höhe von netto 3,9 ct/kWh für die gelieferte Wärmemenge von 439.000 kWh anzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält im Grundsatz an seiner im Einspruchsbescheid geäußerten Rechtsauffassung fest. Das außergerichtliche Einigungsangebot der Klägerin habe er nicht annehmen können, weil die Körperschaftsteuer keinen Bezug zur hier streitigen Umsatzsteuer habe. An dem Standort des Betriebs der Klägerin gäbe es keinen Marktpreis für Wärme, weil es keine entsprechenden Vergleichsfälle gäbe. Die angesprochene Preisgestaltung in der Biogasanlage in W könne der Beklagte nicht nachvollziehen, auch die näheren Umstände dort seien ihm nicht bekannt.
Mit Schreiben vom xxx. August 2018 führt der Beklagte aus, dass ein ortsüblicher Marktpreis für die gelieferte Wärme nur dann angesetzt werden könne, wenn die fremd erzeugte Wärme im Zeitpunkt der Entnahme durch den Betreiber ebenso erreichbar sei, was nur gegeben sei bei einem Anschluss an ein Fernwärmenetz (Hinweis auf Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. Dezember 2012 XI R 3/10). Alternativ könnten auch Einkaufpreise für andere Energieträger wie Heizöl oder Erdgas herangezogen werden, wenn deren Verwertung bei den Empfängern der Wärme keine aufwändigen Investitionen auslösten. Dies habe die Klägerin nicht vorgetragen.
Ungeachtet dieser Bedenken habe der Beklagte das Angebot der Klägerin hinsichtlich der Umsatzsteuer angenommen. Dieses Angebot basieren auf einer Preisauskunft von EWE aus dem Jahr 2009 mit einem Bruttopreis von 5,3 Cent pro kWh. Aktuelle Auskünfte und Preisanfragen bei EWE und Gasauskunft.de ergäben, dass der Nettopreis für das Streitjahr eher zu niedrig geschätzt worden sei. Der Beklagte habe in seinem Bezirk auch weitere Wärmelieferungen zusammengestellt, wobei als Preise Beträge zwischen 3,5 Cent und 7 Cent pro kWh vereinbart worden seien. Unter Beachtung dieses Marktumfelds sei der von der Klägerin begehrte Wert nicht marktüblich.
Der Auffassung der Klägerin zum Aufteilungsschlüssel bei der Ermittlung der Selbstkosten für Strom und Wärme könne der Beklagte nicht folgen. Zwar habe der BFH in dem Urteil vom 16. November 2016 V R 1/15, BFH/NV 2017, 413 ausgeführt, bei einer Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG sei nicht auf das Verhältnis der produzierten Wärme- und Strommenge abzustellen, sondern auf das Verhältnis der Marktpreise der im Streitjahr produzierten Strom- und Wärmemengen. Das FG Baden-Württemberg habe dieser Entscheidung ausdrücklich widersprochen (Urteil vom 9. Februar 2017 1 K 755/16, EFG 2017, 947).
Mit Beschluss vom 10. August 2018 ist der Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Umsatzsteuerbescheid 2013 vom xxx. Januar 2016 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom xxx. Dezember 2017 und des Änderungsbescheids vom 5. Juli 2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin insoweit in ihren Rechten, als für die Wärmelieferungen an die GmbH abweichend vom vereinbarten Entgelt von 1,5 Cent/kWh eine höhere Bemessungsgrundlage angesetzt worden ist und für die Wärmelieferungen an D eine Bemessungsgrundlage von mehr als 3,9 Cent/kWh.
Nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG unterliegen entgeltliche Leistungen, die Körperschaften, Personenvereinigungen sowie Gemeinschaften im Rahmen ihres Unternehmens an ihre Anteilseigner, Gesellschafter, Mitglieder, Teilhaber oder diesen nahestehende Personen ausführen, der sog. Mindestbemessungsgrundlage. Gegenüber nahestehenden Personen - wie vorliegend der GmbH als Schwestergesellschaft und des Alleingesellschafters und Geschäftsführers D im Verhältnis zur Klägerin erfolgt die Besteuerung dann nicht auf der Grundlage des vereinbarten Entgelts (§ 10 Abs. 1 UStG), sondern nach den Bemessungsgrundlagen des § 10 Abs. 4 UStG (vgl. dazu BFH, Urteil vom 24. Januar 2008 V R 39/06, BStBl. II 2009, 786). Der Umsatz ist nach § 10 Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz UStG jedoch höchstens nach dem marktüblichen Entgelt zu bemessen.
Die Bemessungsgrundlage bei Lieferungen i. S. v. § 3 Abs. 1b UStG wird nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes bemessen. Maßgebend ist demnach primär der Einkaufspreis. Die Selbstkosten sind nur subsidiär anzusetzen, wenn ein Einkaufspreis für den (entnommenen) Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand nicht zu ermitteln ist.
Von einem Fernwärmeversorger produzierte und angebotene Fernwärme kann dabei nur dann als Einkaufspreis für den Gegenstand oder einen gleichartigen Gegenstand im Sinne des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG angesehen werden, wenn sie zum Zeitpunkt des Umsatzes grundsätzlich ebenso erreichbar und einsetzbar ist wie die selbst erzeugte Wärme. Nur dann kann im Zeitpunkt des Bedarfs die selbst erzeugte Wärme durch eine gleichartige, einzukaufende ersetzt und der Einkaufspreis ermittelt werden, der einem fremden Anbieter für den Liefergegenstand "Wärme" zu diesem Zeitpunkt hätte bezahlt werden müssen (vgl. BFH, Urteil vom 12. Dezember 2012 XI R 3/10, BStBl II 2014, 809; Niedersächsisches Finanzgericht -FG-, Urteile vom 9. Januar 2014 16 K 316/12 Juris-Rn. 16, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst -DStRE- 2016, 279 und vom 20. Februar 2014 16 K 47/13 Juris-Rn. 17, n.v.; Umsatzsteuer-Anwendungserlass 2017/18 -UStAE- Abschn. 2.5 (20) Satz 5).
Ist ein (fiktiver) Einkaufspreis nicht feststellbar, sind die Selbstkosten als Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG anzusetzen. Die Selbstkosten umfassen alle vorsteuerbelasteten und nichtvorsteuerbelasteten Kosten, die für die Herstellung der jeweiligen Wärmemenge unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse vor Ort anfallen. Hierzu gehören neben den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Anlage auch die laufenden Aufwendungen. Die Selbstkosten sind grundsätzlich im Verhältnis der erzeugten Mengen an elektrischer und thermischer Energien in der einheitlichen Messgröße kWh aufzuteilen (sog. energetische Aufteilungsmethode). Eine überproportionale Zuordnung der Selbstkosten zum produzierten Strom nach sog. exergetischen Allokations- oder Marktwertmethoden - von der Klägerin auch Kuppelkalkulation genannt - findet dagegen im Gesetz keine Stütze. Anders als die Klägerin meint, spricht hierfür auch nicht das Urteil des BFH vom 16. 11. 2016 V R 1/15, BFH/NV 2017, 413, in dem es um die anders gelagerte Frage der Vorsteueraufteilung i. S. von § 15 Abs. 4 UStG geht (vgl. FG Baden-Württemberg Urteil vom 9. Februar 2017 1 K 755/16, EFG 2017, 945; FG Niedersachsen, Urteil vom 12. Juli 2018 11 K 276/17, n. v., rkr.).
Auch bei der Prüfung der Selbstkosten ist der Umsatz gem. § 10 Abs. 5 S. 1 2. Alt. UStG in jedem Fall aber auf das marktübliche Entgelt begrenzt.
§ 10 Abs. 5 UStG stellt außerdem eine abweichende Sondermaßnahme i.S. des Art. 395 Abs. 1 der MwStSystRL dar. Die Vorschrift ist als abweichende nationale Maßnahme zur Verhütung von Steuerhinterziehungen und -umgehungen eng auszulegen und darf nur angewandt werden, soweit dies hierfür unbedingt erforderlich ist (vgl. BFH, Urteile vom 8. Oktober 1997 XI R 8/86, BStBl. II 1997, 840; vom 24. Januar 2008 V R 39/06i, BStBl. II 2009, 786; vom 27. Februar 2008 XI R 50/07, BStBl. II 2009, 426; vom 29. Mai 2008 V R 12/07, BStBl. II 2009, 428; vom 7. Oktober 2010 V R 4/10, BFH/NV 2011, 930; vom 19. Juni 2011 XI R 8/09, BFH/NV 2011, 2184; ferner Europäischer Gerichtshof -EuGH-, Urteil vom 29. Mai 1997 C-63/96 --Skripalle--, Slg. 1997, I-2847, BStBl II 1997, 841, Rz 22 f.)
Die Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage setzt also voraus, dass die Gefahr einer Steuerhinterziehung oder -umgehung besteht (vgl. BFH, Urteil vom 7. Oktober 2010 V R 4/10, BStBl. 2016 II S. 181). Eine Regelung, nach der bei einem Umsatz zwischen nahestehenden Personen die entstandenen Kosten die Besteuerungsgrundlage auch dann bilden, wenn das vereinbarte Entgelt dem marktüblichen Entgelt entspricht, auch wenn es niedriger ist als diese Kosten, beschränkt sich nicht auf die Einführung der Maßnahmen, die unbedingt erforderlich sind, um die Gefahr einer Steuerhinterziehung oder -umgehung zu verhüten und ist demnach durch Art. 395 MwStSystRL nicht gedeckt (EuGH-Urteil Skripalle in Slg. 1997, I-2847, BStBl II 1997, 841 [BFH 08.10.1997 - XI R 8/86] Rdnr. 26). Als Höchstgrenze der Bemessungsgrundlage legt § 10 Abs. 5 S. Hs. 2 UStG dementsprechend das marktübliche Entgelt fest. Marktübliches Entgelt ist der gesamte Betrag, den ein Leistungsempfänger an einen Unternehmer unter Berücksichtigung der Handelsstufe zahlen müsste, um die betreffende Leistung zu diesem Zeitpunkt unter den Bedingungen des freien Wettbewerbs zu erhalten. Für die Ermittlung des marktüblichen Entgelts sind also - entsprechend den Bedingungen des freien Wettbewerbs -die konkreten Verhältnisse am Standort des Energieverbrauches entscheidend.
Eine Anwendung des § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG entfällt schließlich auch dann mangels einer Gefahr für eine Steuerhinterziehung oder -umgehung, wenn der leistende Unternehmer und der Leistungsempfänger beide zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind und der vom Leistungsempfänger in Anspruch genommene Vorsteuerabzug keiner Vorsteuerberichtigung i. S. d. § 15 a UStG unterliegt. In einem solchen Fall kann eine Steuerhinterziehung oder -umgehung stattfinden (BFH, Urteil vom 5. Juni 2014 XI R 44/12, BStBl. II 2016, 187).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze scheidet die Anwendung des § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG für die Wärmelieferungen der Klägerin an die GmbH von vornherein aus. Sowohl die Klägerin als auch die GmbH als Leistungsempfängerin sind als Regelbesteuerer nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt. Gerade die Aufzucht von Geflügel, für die die bezogene Wärme verwendet wird, und die anschließende Veräußerung sind umsatzsteuerpflichtig, weil Befreiungstatbestände mit Vorsteuerausschluss nach § 15 Abs. 2 und 3 UStG nicht erkennbar sind. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Auch eine Vorsteuerberichtigung nach § 15 a UStG ist im Streitfall nicht denkbar. Bei der bezogenen Wärme handelt es sich um ein Wirtschaftsgut zum einmaligen Verbrauch, sodass lediglich § 15 a Abs. 2 UStG in Betracht kommen könnte. Da die bezogene Wärme aber im gleichen Moment verbraucht wird, ist eine Änderung der umsatzsteuerrechtlichen Verhältnisse zwischen Bezug und beabsichtigtem Verbrauch und späterem tatsächlichen Verbrauch technisch nicht denkbar. Somit verbleibt es bei der Besteuerung der Wärmelieferungen gegenüber der GmbH beim Ansatz des vereinbarten Entgelts von 1,5 Cent pro kWh.
Bei den Wärmelieferungen an D sind dagegen nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG i. V. m. § 10 abs. 4 Nr. 1 UStG grundsätzlich die Selbstkosten für die Klägerin bei der Produktion der gelieferten Wärme anzusetzen, weil D als Durchschnittsatzbesteuerer nach § 24 Abs. 1 Sätze 3 und 4 UStG nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Diese Selbstkosten sind allerdings zu deckeln auf das marktübliche Entgelt. Im Wege der Schätzung zieht das Gericht die von der Klägerin beigebrachte Preisauskunft der RWE für die GmbH und das Streitjahr 2013 mit 3,9 Cent pro KWh heran. Mit diesem Angebot werden die konkreten Verhältnisse am Standort auch des Betriebs des D wiedergespiegelt, zumal auch die dem Angebot zugrunde gelegte Abgabemange von 400.000 kWh in etwa der Menge, die die Klägerin an D geliefert hat, entspricht. So wird zur Überzeugung des Gerichts sichergestellt, dass die Umsatzsteuer für die Lieferungen der Klägerin an D als nahestehende Person nicht höher ist als die für vergleichbare Umsätze eines anderen fremden Lieferanten an den Endverbraucher.
Die danach festzusetzende Umsatzsteuer berechnet sich wie Folgt:
Bemessungsgrundlage | Umsatzsteuer | ||
---|---|---|---|
Lieferung an die GmbH | |||
338.890777.890 kWh x 1,5 Cent pro kWh | 5.083,35 € | 965,84 € | |
Lieferung an D | |||
439.000 kWh x 3,9 Cent pro kWh | 17.121,00 € | 3.252,99 € | 4.218,83 € |
Bislang angesetzt: | |||
777.890 kWh x 4,45 Cent pro kWh | 34.616,11 € | 6.577,04 € | |
Minderungsbetrag | 2.358,21 € |
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Nebenentscheidungen folgen aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.