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  • ab 24.11.2022 (aktuelle Fassung)

Anlage 2 MHüHAnfRdErl

Bibliographie

Titel
Tierschutz; Ausführungsbestimmungen zum Abschnitt 4 der TierSchNutztV - Anforderungen an das Halten von Masthühnern
Redaktionelle Abkürzung
MHüHAnfRdErl,NI
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
78530
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Stand: 15.04.2021

Tierschutzfachliche Empfehlungen / Managementmaßnahmen zum Umgang mit kranken und verletzten Masthühnern (Einzeltiere)

Einleitung:

In Niedersachsen werden Masthühner in konventioneller Bodenhaltung üblicherweise in Ställen von 10.000 - 48.000 Tieren gehalten. Die Einrichtung von kleineren Abteilen zum Separieren von kranken, verletzten oder lebensschwachen Tieren hat sich in der Praxis bisher kaum durchgesetzt. Mit Blick auf die Herdengesunderhaltung werden bisher üblicherweise keine Einzeltier-, sondern Herdenbehandlungen durchgeführt. Tiere, die in Bezug auf ihren Gesundheitsstatus oder ihr Verhalten auffällig sind oder bei denen von einem Infektionsrisiko auszugehen ist, werden zur Sicherstellung der Herdengesundheit selektiert, d.h. aus der Gruppe entfernt und getötet.

Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) hat jeder Halter von Nutztieren sicherzustellen, dass soweit erforderlich, unverzüglich Maßnahmen für die Behandlung, Absonderung in geeignete Haltungseinrichtungen mit trockener und weicher Einstreu oder Unterlage oder die Tötung kranker oder verletzter Tiere ergriffen werden sowie ein Tierarzt hinzugezogen wird. Diese gesetzliche Forderung gilt für alle Nutztiere, somit auch für Masthühner. Welche Maßnahmen erforderlich sind, muss für jedes Masthuhn im Einzelfall entschieden werden.

Seit 2019 enthalten die Ausführungshinweise zur TierSchNutztV, Anforderungen an das Halten von Masthühnern, eine bundesweit abgestimmte Konkretisierung dahingehend, dass für die Absonderung überlebensfähiger kranker oder verletzter Tiere Einrichtungen vorhanden sein oder mobile Einrichtungen zum unmittelbaren Aufbau vorrätig gehalten werden müssen, bei denen eine Unterbringung dieser Tiere auf Einstreu und die Versorgung mit Wasser und Futter sichergestellt ist (vgl. RdErl. d. ML v. 02.10.2019).

Die hier vorliegenden tierschutzfachlichen Empfehlungen sollen eine Hilfestellung für Masthühnerhalter/innen und Behörden beim Umgang mit kranken, verletzten oder lebensschwachen Einzeltieren einer Herde sowie der damit verbundenen Entscheidungsfindung sein. Herdenbehandlungen /-maßnahmen im Falle von Infektionskrankheiten sind hiervon unabhängig zu betrachten.

Durchführung der Tierkontrolle:

Wer Masthühner hält, hat sicherzustellen, dass alle Masthühner im Betrieb mindestens zweimal täglich in Augenschein genommen werden. Dabei ist auf ihr Wohlergehen und ihre Gesundheit zu achten (vgl. § 19 Abs. 2 TierSchNutztV). Üblicherweise werden diese Tierkontrollen zu Beginn und am Ende des Lichttages durchgeführt.

Bei einer ordnungsgemäßen Tierkontrolle müssen grundsätzlich alle Tiere einer Herde in Augenschein genommen werden. Dies bedeutet, dass sich der Tierhalter/-betreuer ruhig und langsam - üblicherweise in Stalllängsrichtung - mäanderförmig durch die Herde bewegt. Dabei muss er besonders auf Stallecken und Stalllängswände sowie die Bereiche unter oder neben Fütterungs-/Tränkeeinrichtungen und Strukturierungselementen (z.B. erhöhte Ebenen) achten, weil sich kranke oder verletzte Tiere bevorzugt dorthin zurückziehen.

Die für eine ordnungsgemäße Tierkontrolle der Herde benötigte Arbeitszeit variiert in Abhängigkeit der Stall- und Herdengröße. Mit Einrichtung eines Separationsabteils und der erforderlichen weiteren Betreuung der separierten Tiere, erhöht sich der Aufwand entsprechend. Dies ist in jedem Fall einzuplanen.

Maßnahmen beim Auffinden von kranken, verletzten oder lebensschwachen Masthühnern (Einzeltiere): -- siehe auch Entscheidungswegweiser

Beim Auffinden von einzelnen kranken, verletzten, lebensschwachen oder in der Entwicklung zurück gebliebenen Masthühnern trifft der/die sachkundige Tierhalter/-betreuer*in unverzüglich erste Versorgungsmaßnahmen; er/sie entscheidet, ob eine Separierung und/oder Behandlung des Einzeltieres erforderlich und sinnvoll ist. Erforderlichenfalls ist der/die betreuende Tierarzt*in hinzuzuziehen (vgl. § 19 Abs. 2 TierSchNutztV). Die (sofortige) Tötung des Tieres ist gem. § 1 TierSchG nur dann erlaubt, wenn der vernünftige Grund dafür gegeben ist. Die alleinige Betrachtung der Wirtschaftlichkeit ist kein vernünftiger Grund zum Töten eines Masthuhns i.S.d. Tierschutzgesetzes.

Bei der Entscheidung, ob Einzeltiere in der Herde verbleiben können oder in einem Kranken-/Separationsabteil untergebracht werden müssen, sind folgende Fragen hilfreich:

  • Ist das Masthuhn in der Lage, selbstständig Futter und Wasser aufzunehmen?

  • Kann es sich in der Gruppe behaupten und gegen andere Herdengenossen durchsetzen?

  • Besteht Aussicht auf Heilung / Besserung?

Nur wenn alle Fragen mit "ja" beantwortet werden, kann das Masthuhn in der Herde verbleiben. Muss das Tier weiter beobachtet werden, ist die Unterbringung in einem Kranken-/Separationsabteil erforderlich, da das Wiederfinden und Identifizieren von Einzeltieren bei den praxisüblichen Herdengrößen nicht möglich sind. Eine (Farb-) Markierung von Einzeltieren ist bei Geflügel nicht zielführend. Ist das Masthuhn nicht in der Lage, selbstständig Futter und Wasser aufzunehmen und besteht keine Aussicht auf Heilung/Besserung, darf das Tier nicht in einem Kranken-/Separationsabteil untergebracht, sondern muss unverzüglich tierschutzgerecht betäubt und getötet werden.

Das Separationsabteil kann bereits eingerichtet oder mobil vorrätig gehalten werden, so dass es bei Bedarf schnell aufgebaut und eingerichtet werden kann. Es muss mit einem geeigneten Material eingestreut und mit solchen Fütterungs- und Tränkeeinrichtungen ausgestattet sein, die es allen separierten Tieren im Abteil ermöglicht, eine ausreichende Menge an Futter und Wasser aufzunehmen (d.h. für alle Tiere erreichbar und in ausreichender Anzahl). Das kann bedeuten, dass zusätzlich zu vorhandenen Versorgungsbahnen weitere Futtertröge und Tränken im Separationsabteil zur Verfügung gestellt werden müssen. Außerdem ist den Tieren zusätzlich zur Einstreu geeignetes Beschäftigungsmaterial anzubieten. Die Besatzdichte im Separationsabteil sollte 32 kg/m2 nutzbarer Fläche nicht überschreiten.

Das Kranken-/Separationsabteil sollte leicht zugänglich und von der Stalltür aus gut einsehbar, im vorderen Abschnitt des Stalles eingerichtet werden, so dass die Kontrolle der dort untergebrachten Tiere leicht in den Betriebsablauf zu integrieren ist.

Die Tiere im Kranken-/Separationsabteil müssen weiter intensiv beobachtet und betreut werden. Ein alleiniges Separieren ist keine adäquate Versorgung der Tiere!

Die Entscheidung, welche Maßnahmen beim Auffinden von einzelnen kranken, verletzten, lebensschwachen oder in der Entwicklung zurück gebliebenen Masthühnern (z.B. Separieren, Behandeln, Betäuben/Töten) zu treffen und einzuleiten sind, obliegt dem/der sachkundigen Tierhalter/-betreuer*in. Nachfolgende Beispiele dienen als Hilfestellung:

Für untergewichtige oder lebensschwache Tiere bietet ein separates Abteil die Möglichkeit, Futter und Tränkwasser einfacher zu erreichen. Zum einen können zusätzliche Futter- und Tränkeeinrichtungen in angepasster Höhe zur Verfügung gestellt werden, zum anderen werden die kleineren, schwächeren Tiere nicht durch größere, stärkere Herdengenossen verdrängt. So besteht für diese Tiere die Möglichkeit, einen gewissen Gewichtsnachteil aufzuholen.

Bei leicht beeinträchtigten Masthühnern (siehe Beispiele) ermöglicht die Unterbringung in einem Separationsabteil die weitere Beobachtung des Gesundheitszustandes und damit letztlich die tierschutzfachlich begründete Entscheidung über das weitere Vorgehen bezüglich des Einzeltieres (Ausmästen zum Schlachten, Einbeziehen eines Tierarztes oder vernünftiger Grund zum Töten). Ein weiteres Beobachten von individuellen Tieren in der Herde ist bei den praxisüblichen Herdengrößen nicht möglich!

Bei folgenden Auffälligkeiten ist, in Abhängigkeit des Schweregrades, die Unterbringung der betroffenen Masthühner in einem Kranken-/Separationsabteil sinnvoll (Beispiele - Auflistung nicht abschließend):

  • kleinere, untergewichtige oder lebensschwache Tiere (z.B. Malabsorptionssyndrom)

  • Verletzungen (z.B. durch Transport der Küken oder bei Vorgriff)

  • Störungen des Bewegungsapparates und der Bewegungsfähigkeit (z.B. Spreizbeinigkeit, Lahmheit)

Tiere mit stark gestörtem Allgemeinbefinden (z.B. keine selbständige Futter-/Wasseraufnahme, Probleme beim Kotabsatz, fehlende Wahrnehmung der Umgebung, apathisch, stark bewegungsunfähig), deren Zustand mit erheblichen Schmerzen oder Leiden verbunden ist und bei denen keine Aussicht auf Heilung/Besserung besteht, dürfen nicht in einem Separationsabteil untergebracht, sondern müssen unverzüglich tierschutzgerecht betäubt und getötet werden.

Bei Unklarheiten ist ein Tierarzt hinzuzuziehen.

Ein moribundes, nicht lebensfähiges Tier muss unverzüglich sachkundig betäubt und getötet werden. Bei Geflügel bis max. 5 kg Lebendgewicht ist der Kopfschlag (= stumpfer Schlag auf den Kopf) eine zulässige Betäubungsmethode. Dazu wird mit einem geeigneten Gegenstand (Holz oder Metall) präzise und hart auf den Kopf geschlagen, wodurch eine schwerwiegende Schädigung des Gehirns hervorgerufen wird. Nach erfolgter Betäubungskontrolle muss unmittelbar anschließend die Tötung des Tieres durchgeführt werden; zulässige Verfahren dafür sind z.B. die Entblutung und der Genickbruch (mittels einer Genickbruchzange oder bis 3 kg Lebendgewicht manuell) (vgl. geltende Tierschutz-Schlachtverordnung sowie EU-VO 1099/2009).

Unter Einhaltung der fleisch- und lebensmittelhygienischen Rechtsvorgaben können kleinere, leichtere Tiere ohne gestörtes Allgemeinbefinden ggf. der Schlachtung zugeführt werden (Direktvermarktung oder Eigenbedarf).

Herausgeber:UnterAG Masthühner der Niedersächsischen Nutztierstrategie - Tierschutzplan 4.0

- Entscheidungswegweiser -

Umgang mit kranken, verletzten oder lebensschwachen Masthühnern (Einzeltiere)

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Modifiziert nach Leßmann und Petermann (2016): Tierschutzgerechter Umgang mit kranken und verletzten Schweinen, Prakt. Tierarzt 97, 628-632.

Außer Kraft am 1. Januar 2028 durch Nummer 7 Satz 1 des RdErl. vom 14. Oktober 2022 (Nds. MBl. S. 1558)