Anlage 5 MHüHAnfRdErl
Bibliographie
- Titel
- Tierschutz; Ausführungsbestimmungen zum Abschnitt 4 der TierSchNutztV - Anforderungen an das Halten von Masthühnern
- Redaktionelle Abkürzung
- MHüHAnfRdErl,NI
- Normtyp
- Verwaltungsvorschrift
- Normgeber
- Niedersachsen
- Gliederungs-Nr.
- 78530
Stand: 21.06.2019
Merkblatt
zur Vermeidung von Hitzestress bei Masthühnern
Sind in den Sommermonaten nach Vorhersage des Deutschen Wetterdienstes Enthalpiewerte in der Außenluft von 67 kJ/kg (die für Geflügel kritische Obergrenze) und darüber zu erwarten, sind nachfolgende Maßnahmen einzuleiten, um hitzebedingte Verluste zu vermeiden. Dies betrifft insbesondere Masthühnerhaltungen in der Endphase der Mast (ab 20. Lebenstag, LT).
Der Enthalpiewert von 67 kJ/kg wird beispielsweise bereits bei 25 °C Außentemperatur und 80 % rel. Luftfeuchte erreicht.
1. Rechtzeitige Abfrage der Klimadaten über problematische Wetterlagen (z.B. im Internet) unter:
http://www.agrowetter.de
Für den jeweiligen Standort können die individuellen Wetterdaten der nächstgelegenen Wetterstation abgefragt werden unter:
Deutscher Wetterdienst, Abteilung Agrarmeteorologie, ZAMF Braunschweig
Tel.: 069 - 8062 6097, Fax: 069 - 8062 11930, Email: lw.braunschweig@dwd.de
Hilfreich kann auch die Nutzung entsprechender Apps sein.
2. Ständige Präsenz einer verantwortlichen Person
zur Überwachung der Stalltechnik und zur Betreuung der Tiere.
3. Rechtzeitige Erhöhung der Luftgeschwindigkeit im Tierbereich
Die Lüftungseinrichtungen müssen so konzipiert sein, dass bereits bei zu erwartenden Enthalpiewerten in der Außenluft von 67 kJ/kg Luft ein ausreichender Luftaustausch im Tierbereich gewährleistet ist.
Entscheidend für die Wirksamkeit der Maßnahmen bei hohen Enthalpiewerten sind die Umspülung mit Frischluft und der Abtransport der Wärme in direkter Umgebung der Tiere. Die zu ergreifenden Maßnahmen variieren bei den verschiedenen Stalltypen. Die Sommerzusatzlüftungen sollten in Abhängigkeit vom Temperaturverlauf (steigend / fallend) stufenweise zu- bzw. zurückgeschaltet werden.
Kann die erforderliche Lüftungsleistung (4,5 m3/kg Lebendgewicht und Stunde) in einem Stall nicht erbracht werden, ist die Besatzdichte in der Endmast in der Zeit von Mitte Mai bis Mitte September zu reduzieren, um die o. a. Förderleistung zu erreichen.
3.1 Zwangsbelüftete Ställe
Die mechanische Lüftung wird unterschieden in Überdruck-, Gleichdruck- und Unterdrucklüftung. In Geflügelställen ist heute die Unterdrucklüftung das am weitesten verbreitete mechanische Lüftungssystem. Hierbei wird durch regelbare Ventilatoren ein Unterdruck im Stall erzeugt und die verbrauchte Abluft abgesaugt. Die frische Zuluft wird über regelbare Zuluftelemente bodennah in den Tierbereich geführt. Die hierbei entstehende Luftumwälzung sorgt sowohl für den Austausch der Luft als auch für die ausreichende Abfuhr von Wärme aus dem bodennahen Tierbereich, auch bei hohen Enthalpiewerten. Eine Änderung der Strömungsverhältnisse ist zu vermeiden (z. B. Öffnung der Stalltore kann zu Lüftungskurzschlüssen führen).
Schematische Darstellung des Luftzugs über den Tieren bei hohen Temperaturen
Die Luftvolumenstromberechnungen in der Masthühnerhaltung bei Ställen dieser Bauweise sollten in Anlehnung an DIN 18910:2017-08 erfolgen. Dabei sollte eine Differenz zwischen Raumtemperatur und Außentemperatur in der Endmastphase unter Hitzebedingungen von 3 °C nicht überschritten werden (siehe DIN 18910, Tabelle A.6). Durch geeignete Maßnahmen (siehe auch Managementhinweise) ist sicherzustellen, dass v. a. bei hohen Enthalpiewerten ein ausreichender Luftaustausch im Tierbereich erfolgt.
Es ist sicherzustellen, dass im Sommer die Mindestluftrate im Tierbereich bei zwangsbelüfteten, geschlossenen Ställen für Masthühner 4,5 m3/kg Lebendgewicht und Stunde (d.h. für 1,5 kg schwere Masthühner in der Endmast 6,75 m3/h) erreicht werden kann. Für extreme Hitzeperioden wird empfohlen, die Lüftung so auszulegen, dass eine 10 %ige Erhöhung der Mindestluftrate erreicht werden kann (dies gilt, sofern keine zusätzlichen Kühlungssysteme vorhanden sind; vgl. Kap. 4).
3.2 Natürlich gelüftete Ställe (Offenställe)
Ein Offenstall ist ein Stall mit einer wärmedämmenden Schicht direkt unter dem Dach sowie Licht- und Luftbändern von ca. 1,00 - 2,00 m Höhe an beiden Stalllängsseiten. Die Frischluft gelangt durch die Licht- und Luftbänder in den Tierbereich, erwärmt sich und entweicht aufgrund der Thermik durch Abluftöffnungen im First. Diese natürliche Lüftung reicht nach bisherigen Kenntnissen aus, um entsprechend der DIN 18910:2017-08 die Differenz zwischen Stallinnentemperatur und Außentemperatur nicht über 3 °C ansteigen zu lassen. Zu beachten ist dabei, dass sich beim Auftreten von Temperaturspitzen im Sommer die Stallinnen- und die Außentemperatur soweit angleichen können, dass der Effekt des thermischen Auftriebes nicht mehr gegeben ist.
Zusatzlüftungen
Spätestens bei zu erwartenden Enthalpiewerten von 67 kJ/kg Außenluft müssen für Tiere in der Endmastphase (ab 20. LT) zusätzliche Maßnahmen getroffen werden, die körpereigene Wärme der Tiere abzuführen. Die hierzu erforderliche Luftbewegung kann nach den bisher vorliegenden praktischen Erfahrungen bei natürlich gelüfteten Ställen beispielsweise durch folgende zusätzliche mechanische Lüftungseinrichtungen erreicht werden:
Stützluftventilatoren (sog. Durchtriebslüfter) mit einer Leistung von ca. 40.000 m3/h, die so im Stall angeordnet sind (auf Ständern montiert bzw. unter der Decke hängend), dass der erzeugte Luftstrom in Längsrichtung verläuft und vom nächsten Ventilator angesaugt und weitertransportiert wird. Der Abstand zwischen den Ventilatoren sollte maximal 30 m betragen.
Schwenkventilatoren mit einer Mindestleistung von ca. 22.000 m3/h, die in einem Abstand von ca. 30 m an einer Längsseite des Stalles angebracht sind.
Deckenumluftventilatoren, wobei ein Deckenumluftventilator mit einer Förderleistung von 35.000 m3/h für ca. 200 m2 Stallfläche reicht
Stützluftventilator
Stützluftventilator mobil
Schwenkventilator
Deckenumluftventilator
Bei den Systemen kann es sich auch um mobile Einrichtungen handeln.
Sowohl stationäre als auch mobile Zusatzlüfter sind rechtzeitig (Einsatzbereitschaft z. B. bereits in den frühen Morgenstunden an Tagen mit zu erwartendem Hitzestress) vorzubereiten und in einen funktionsfähigen Zustand zu versetzen.
Umluft muss auch in den "toten Ecken" mit Windschatten sichergestellt werden. Dies kann entweder durch aktive Belüftung oder Entlüftung (Sogwirkung) erfolgen. Bei frei gelüfteten Ställen kann unter Beachtung der Windrichtung auch das Öffnen der Giebeltore sinnvoll sein, wobei direkte Sonneneinstrahlung zu vermeiden ist.
Zuluftelement
Zuluftkamin für Gleich- oder Überdrucklüftung
4. Kühlungssysteme
Voraussetzung für den Einsatz von Kühlungssystemen ist eine effektive Lüftung (siehe oben). Durch Befeuchtung der Zuluft und / oder Stallluft kann eine Absenkung der Stalltemperatur um 3 bis 5 °C bei gleichzeitiger Staubbindung erreicht werden. Der Einsatz einer Hochdruck-Sprühkühlung ist auf Grund seines höheren Wirkungsgrades dem einer Niedrigdruck-Sprühkühlung vorzuziehen. Die Sprühkühlung muss auf die Leistung der Lüftungsanlage abgestimmt sein. Eine Befeuchtung von Tieren und Einstreu ohne ausreichende Lüftung ist zu vermeiden. Einbau und Betrieb sind daher eng mit erfahrenen Fachfirmen und Beratern abzustimmen.
Die Steuerung und der Betrieb des Kühlsystems haben in Abhängigkeit von Stalltemperatur, Luftvolumenstrom ("Luftgeschwindigkeit") und insbesondere auch der Luftfeuchte zu erfolgen (spezielle Beachtung je nach Stallbautyp bei einer rel. Luftfeuchte von > 60 bis > 80 % !).
4.1. Zwangsbelüftete Ställe
Nach derzeitigem Kenntnisstand wird in zwangsbelüfteten Ställen eine Kühlung der Stallluft durch Hochdruck-Sprühkühlung empfohlen.
Zur Abkühlung der aus der Zwischendecke entnommenen Zuluft kann auch eine Berieselung der Stalldachfläche sinnvoll sein.
4.2. Natürlich gelüftete Ställe (Offenställe)
Auf Grund der sehr unterschiedlichen möglichen Sommerzusatzlüftungssysteme und möglicher gegenläufiger Effekte bei unsachgemäßem Einbau und Nutzung ist grundsätzlich eine standort- und stallbezogene Lösung in enger Abstimmung mit dem einbauenden Fachbetrieb vorzunehmen.
5. Managementmaßnahmen bei Enthalpiewerten ab 67 kJ/kg Außenluft
Bei Enthalpiewerten ab 67 kJ/kg Außenluft sind reine Umluftsysteme allein nicht mehr ausreichend. In diesem Fall müssen zusätzlich Managementmaßnahmen ergriffen werden, z.B.:
5.1 Ständiger Zugang zu frischem, kühlem Tränkwasser
Den Tieren muss ständig kühles Tränkwasser zur Verfügung stehen (auch während der Nacht). An heißen Tagen benötigen Masthühner deutlich mehr Wasser als unter normalen Bedingungen. Frisches, kühles Wasser kann bei hohen Temperaturen dazu beizutragen, die Körpertemperatur zu regulieren.
Betriebe, die das Tränkwasser über die öffentliche Wasserversorgung beziehen, sollten - sofern noch eine eigene Wasserversorgung z.B. über Brunnen vorhanden ist - diese für den Notfall aufrechterhalten. Bei einer Versorgung ausschließlich über Brunnenwasser ist ein technischer 24-Stunden-Notfall-Service zu gewährleisten.
Der ausreichende Wasserdruck und die Höhe der Tränkebahnen sind zu kontrollieren.
5.2 Vitamin C-haltige / Elektrolythaltige Futtermittelzusatzstoffe
In Absprache mit dem Tierarzt können ggf. Elektrolyte, Vitamin C und / oder Zitronensäure über das Tränkwasser gegeben werden. Dies kann einer durch Hecheln entstehenden respiratorischen Alkalose vorbeugen.
5.3 Vermeidung von stresserzeugenden Störungen der Tiere
U.a. wird empfohlen, die Stalldurchgänge in die frühen Morgen- und späten Abendstunden zu verlegen.
5.4 Reduzierung der Fütterung
Zur Kreislaufstabilisierung ist einige Stunden vor der erwarteten Tageshöchsttemperatur die Fütterung durch "Leerfressenlassen" der Tröge zu reduzieren bzw. einzustellen. Ein Hochziehen der Futterbahnen hat sich bei Masthühnern im Allgemeinen nicht bewährt, da die Tiere beim Herunterlassen der Tröge nicht ausweichen. Die Fütterung sollte erst nach Absinken der Temperatur in den Abend- und Nachtstunden wieder uneingeschränkt aufgenommen werden. Dazu kann in diesen Tagen in Abstimmung mit dem Bestandstierarzt auf eine Dunkelphase verzichtet werden.
5.5 Ausstallung der Masthühner
Es ist eine rechtzeitige Abstimmung mit der Schlachterei vorzunehmen (ggf. Vorgriff mit höherer Tierzahl). Verfügt der abholende LKW über eigene Lüfter, sind sie zur Kühlung der bereits verladenen Tiere einzusetzen; insbesondere bei längeren Transporten sollten LKW mit Lüfter zum Einsatz kommen. Bei der Verladung sind generell Zusatzlüfter aufzustellen.
6. Überprüfung der Versorgungseinrichtungen vor und während einer zu erwartenden Hitzeperiode
Rechtzeitig vor Beginn einer zu erwartenden Hitzeperiode hat der Tierhalter die Funktionsfähigkeit der technischen Einrichtungen (einschließlich Notstromaggregat und Kühlungssysteme) zu überprüfen. Bei der Klimaregelung mit Klimacomputer und Alarmgeräten ist unbedingt zu beachten, dass die Sollwerte und Regelbereiche vom Winter- auf Sommerbetrieb angepasst werden.
Die Verfügbarkeit eines technischen Notfalldienstes - oder andere Möglichkeiten der Nothilfe - zur Sicherstellung der Wasserversorgung, Kühlung und Lüftung ist zu gewährleisten.
Folgende Überprüfungen sind in Hitzeperioden täglich durchzuführen:
Alarmanlage incl. Alarmweiterschaltung
Lufteinlassöffnungen
Luftleiteinrichtungen
Ventilatoren (u. a. saubere Schutzgitter!)
Wasserversorgungseinrichtungen (Tränke und ggf. Sprühkühlung)
Die technische Einrichtung zur Notfallalarmierung bei Stromausfall ist über eine unabhängige Stromversorgung (USV) des Wählgerätes (z. B. Batterie) abzusichern. Die Funktionsfähigkeit der USV sollte rechtzeitig vor einer zu erwartenden Hitzeperiode überprüft werden. Zusätzlich sollte die Hauptstromeinspeisung, z. B. vor Blitzeinschlägen, über einen Überspannungsschutz abgesichert sein.
7. Beschattung
z. B. durch vorübergehende Abdunkelung der Lichteinfallsflächen auf der Sonnenseite des Stalles
8. Maßnahmen vor dem bzw. beim Transport
Reduktion der Besatzdichte in den Transportbehältnissen
während der Fahrt dürfen nur unvermeidbare Pausen eingelegt werden
bei unvermeidbaren Pausen ist das Fahrzeug im Schatten abzustellen
stauträchtige Strecken sollten vermieden werden - Verkehrsfunk verfolgen!
ggf. über Notruf die Polizei verständigen, um das Fahrzeug, wenn möglich, aus dem Stau zu leiten
Parken auf dem Schlachthof nur mit Zusatzlüftung, ansonsten LKW bis zur Schlachtung bewegen
Bei zu erwartenden extrem hohen Enthalpiewerten (ab 67 kJ/kg) sollten Verladung und Transport auf kühlere Tages-/Nachtzeiten verschoben werden.
Die zuvor beschriebenen Empfehlungen zur Vermeidung von Hitzestress bei Masthühnern werden bei Vorliegen neuer wissenschaftlich fundierter Erkenntnisse und Praxiserfahrungen stetig weiterentwickelt.
Herausgeber:
Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Calenberger Str. 2, 30169 Hannover, Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Röverskamp 5, 26203 Wardenburg in Zusammenarbeit mit der Nds. Geflügelwirtschaft, Landesverband e.V., Mars-la-Tour-Straße 1-13, 26121 Oldenburg
Außer Kraft am 1. Januar 2028 durch Nummer 7 Satz 1 des RdErl. vom 14. Oktober 2022 (Nds. MBl. S. 1558)