Landgericht Aurich
Urt. v. 15.12.2006, Az.: 4 O 208/06

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
15.12.2006
Aktenzeichen
4 O 208/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 53272
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG - 21.08.2009 - AZ: 3 U 145/07

Tenor:

Es wird festgestellt, dass die von der Beklagten gemäß ihrem Statut erteilte Startgutschrift und die Verrentungsmitteilung der Beklagten vom 17.06.2005 nebst dem Einspruchsbescheid vom 14.11.2005 nicht verbindlich sind.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abgewendet werden, falls nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Streitwert: bis zu 9.000,- €

Tatbestand:

Der am x.x.1940 geborene Kläger war vom 01.03.1960 bis zu seinem Renteneintritt am 31.05.2005 über seinen Arbeitgeber bei der Beklagten im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung versichert.

Die Beklagte ist eine selbständige Institution des niedersächsischen Sparkassen- und Giroverbandes, bei der die jeweiligen im Sparkassen- und Giroverband beteiligten Sparkassen als sogenannte „Beteiligte“ Mitglied sind.

Sie ist Teil eines aufgrund Tarifvertrags gegründeten Systems der betrieblichen Altersversorgung im öffentlichen Dienst. Danach hatten sich die öffentlichen Arbeitgeber in Tarifverträgen verpflichtet, ihren Angestellten eine Zusatzversorgung zur gesetzlichen Rente zu gewähren, wobei ursprünglich einmal das Ziel verfolgt wurde, die Altersversorgung der öffentlichen Angestellten den Beamtenpensionen anzugleichen. Hierzu haben die jeweiligen Verbandsorganisationen der Arbeitgeber Zusatzkassen eingerichtet. Die Beklagte ist die Zusatzkasse des niedersächsischen Sparkassen- und Giroverbandes.

Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen eine mit Wirkung zum 01.01.2002 eingetretene Änderung des Statuts der Beklagten, durch welche die bis dahin auf Basis eines Umlagesystems basierende Zusatzversorgung auf ein kapitalgedecktes System umgestellt wurde. Konkret beanstandet der Kläger die ihm von der Beklagten am 29.07.2003 auf Grundlage der Übergangsregelung des neuen Statuts mitgeteilten Startgutschrift, mit der die bis dato erworbenen Anwartschaften des Klägers in das neue System überführt werden sollte, sowie die ihm in weiterer Folge auf Grundlage der Übergangsregelung und der Startgutschrift von der Beklagten mitgeteilten Verrentungsmitteilung vom 17.06.2005.

Die Ausgestaltung der Versicherungsverhältnisse ist in dem Statut der Beklagten geregelt. Sie basiert allerdings auf einer Einigung der Tarifvertragsparteien im Rahmen des Flächentarifvertrages. So beruht auch die gegenwärtige Regelung auf dem „Altersvorsorge Tarifvertrag Kommunal (ATV-K)“ vom 01.03.2002, dessen Regelungen in das Statut der Beklagten übernommen wurden. Sowohl nach altem, wie nach neuem System zahlen die jeweiligen Arbeitgeber der Beklagten Beiträge für die Alterszusatzversorgung ihrer Arbeitnehmer. Diese Beiträge sind Zusatzleistungen der Arbeitgeber, die diese nach den Tarifverträgen auf die Tätigkeit ihrer Arbeitnehmer zu erbringen haben; die jeweiligen Arbeitnehmer – mithin auch der Kläger - sind in diesem Sinne bei der Beklagten pflichtversichert. Im Gegenzug verpflichtet sich die Beklagte gegenüber den Arbeitgebern zur Gewährung einer Zusatzversorgung an die Arbeitnehmer (= Versicherte).

Vor der Systemumstellung gewährte die Beklagte eine Zusatzversorgung, die das Ziel einer sogenannten Gesamtversorgung verfolgte und umlagebasiert war, d.h. grundsätzlich wurden die laufenden Beiträge dazu verwendet, die gegenwärtigen Ansprüche der aktuellen Versorgungsempfänger zu bedienen. Abweichend von diesem Grundsatz hatte es die Beklagte aber vermocht, hohe Rücklagen zu bilden, so dass sie zum Zeitpunkt der Systemumstellung in der Lage war, aktuelle Ansprüche der Versorgungsempfänger aus Zinserträgen zu bedienen.

Nachdem vor der Systemumstellung geltenden Statut der Beklagten erhielten die Versicherten eine Gesamtversorgung, die an die Beamtenpensionen angelehnt war. Abhängig von ihrer Beschäftigungszeit erhielten die Versicherten einen bestimmten Prozentsatz ihres durchschnittlichen Gehalts der letzten drei Jahre vor Renteneintritt, maximal 75% des Bruttogehalts (Bruttoversorgungssatz) oder – wenn niedriger – 91,75% des Nettogehalts (Nettoversorgungssatz). Dabei übernahm es die Beklagte, den Differenzbetrag zwischen den gesetzlichen Renten, welche die Versicherten als sozialversicherungspflichtige öffentliche Angestellte erhielten, und den o.g. Versorgungssätzen auszugleichen.

Nach der Systemumstellung wird nunmehr eine gänzlich andere Zusatzversorgung gewährt. Danach zahlen die bei der Beklagten organisierten Sparkassen für ihre Arbeitnehmer jedes Jahr einen von der Mitgliederversammlung zu beschließenden Prozentbetrag (gegenwärtig 4%) bezogen auf die Arbeitnehmerbezüge bei der Beklagten ein, für welche diese während der Ansparphase eine 3,25 %ige und für die Auszahlungsphase eine 5,25 %ige Verzinsung zusagt. Von dem so angesparten Kapital wird schließlich bei Renteneintritt die Zusatzversorgung gewährt.

Soweit die Beklagte darüber hinaus mit dem angelegten Geld Gewinne erwirtschaftet, sind zunächst die laufenden Kosten und weitere Aufwendungen (etwa Abfindungen, Sterbegelder u.Ä.) hiervon zu tragen. Hiernach noch bestehende Überschüsse werden dann den Versicherten zugewiesen, die dadurch theoretisch noch eine bessere Verzinsung des eingesetzten Kapitals erreichen können.

Grundlage für die Berechnung der Versicherungsleistung ist ein Punktesystem. So werden gemäß § 34 des Statuts der Beklagten die jährlich eingezahlten Beiträge in sogenannte Versorgungspunkte umgerechnet und mit einem Altersfaktor multipliziert, der umso höher ist, je jünger der Versicherte ist. Hierdurch wird die oben erwähnte garantierte Verzinsung der Beiträge erreicht. Auch die oben angesprochenen zu verteilenden Überschüsse werden den Versicherten in Form von Punkten gutgeschrieben. Die in der Ansparphase erworbenen Punkte, die selber nicht mehr verzinst werden, werden addiert. Die so individuell ermittelte Summe steht bei Rentenbeginn dem Versicherten zur Gewährung seiner Zusatzversorgung zur Verfügung.

Für die Versicherten, deren auf sie entfallende Beiträge bislang grundsätzlich nicht angelegt, sondern im Umlagesystem wieder ausgeben worden sind, die aber gleichwohl mit den geleisteten Beiträgen eine Anwartschaft auf Alterszusatzversorgung erworben hatten, wurde anlässlich des Systemwechsels mit dem fünften Teil / Abschnitt II (§§ 72 – 74) des Statuts der Beklagten Übergangsregelungen getroffen.

Gemeinsamer Ansatzpunkt dieser Übergangsregelungen war, dass bereits mit Wirkung der Systemumstellung zum 01.01.2002 die bis dahin erworbenen Anwartschaften bewertet und in Form einer Startgutschrift – entsprechend dem neuen System in Punkten ausgedrückt – dem einzelnen Versicherten gutgeschrieben werden sollten.

Bei der Bewertung der bisher erworbenen Rentenanwartschaften unterscheidet das Statut zwischen rentennahen (Versicherter hatte zur Systemumstellung bereits das 55. Lebensjahr überschritten, § 73 Abs. 3 d. St.) und rentenfernen Jahrgängen (Versicherter hatte das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet, § 73 Abs. 2 d.St.).

Für die rentennahen Jahrgänge wurde dabei fiktiv der Rentenanspruch nach altem Recht berechnet, der sich unter der Annahme ergeben würde, die Versicherten wären bereits zum 31.12.01 in Rente gegangen und hätten dabei bereits mindestens das 63. Lebensjahr vollendet. Von dem sich hieraus ergebenden Punktewert wurden lediglich noch die Versorgungspunkte abgezogen, die der Versicherte tatsächlich noch im neuen System bis zum Renteneintritt erwerben konnte.

Für die rentenfernen Jahrgänge wurde die Anwartschaft dagegen nach einem in § 18 BetrAVG vorgesehenen Näherungsverfahren bewertet und sodann ebenfalls in Punkteform als Startgutschrift gutgeschrieben.

Für beide Verfahren gilt, dass der für die Anwartschaft ermittelte Wert ohne Berücksichtigung der Altersfaktoren in die Punkteform umgerechnet wird (§ 72 Abs. 1 S. 2 d. St.) und an der oben erwähnten garantierten Verzinsung nicht teilnehmen (§ 72 Abs. 1 S. 3 d.St.).

In dem Statut der Beklagten heißt es unter § 52 Abs. 8:

„Gegen Bescheide oder, wenn das Einspruchsverfahren gewählt worden war, gegen den Einspruchsbescheid der Kasse kann binnen einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach Zustellung vor den ordentlichen Gerichten Klage erhoben werden. Gerichtsstand ist der Sitz der Kasse“

Weiter heißt es unter § 72 Abs. 3:

„Beanstandungen gegen die mitgeteilte Startgutschrift sind innerhalb einer Ausschlussfrist von 6 Monaten nach Zugang des Nachweises der Kasse schriftlich unmittelbar gegenüber der Kasse zu erheben. Auf die Ausschlussfrist wird in dem Nachweis hingewiesen.“

Wegen der Regelungen des Statuts der Beklagten im Übrigen wird auf die zur Akte gereichte Ablichtung des Statuts der Beklagten verwiesen.

Entsprechend dieser Übergangsregelung erhielt auch der Kläger am 29.07.2003 von der Beklagten eine Startgutschrift. Seine bis dahin erworbene Anwartschaft wurde mit 1623,08 € bzw. 405,77 Versorgungspunkten bewertet. Die Startgutschrift enthielt ferner folgende Rechtsbehelfsbelehrung:

„Gemäß den Regelungen im „Tarifvertrag über die zusätzliche Altersvorsorge der Beschäftigten im öffentlichen Dienst“ sind Beanstandungen gegen die mitgeteilte Startgutschrift innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Zugang dieses Nachweises schriftlich unmittelbar gegenüber der ZVK-Sparkassen zu erheben (§ 32 Abs. 5 Satz 1 ATV-K).“

Im Anschluss an diese Belehrung heißt es weiter:

„Bei möglichen Fehlern in den Rechengrößen – z.B. in den Daten Ihres Versicherungsverlaufs – bitten wir die oben genannte Frist zu beachten. Bitte beschränken Sie Ihre möglichen Beanstandungen auf diese technischen Feststellungen. Von inhaltlichen, das neue Zusatzversorgungsrecht in Frage stellenden Beanstandungen / Einsprüchen bitten wir abzusehen.

Wir weisen an dieser Stelle ausdrücklich darauf hin, dass bei anderen Zusatzversorgungskassen bereits Einspruchsverfahren, die sich gegen die tarifvertraglichen Übergangsregelungen für die Anwartschaften der Versicherten wenden, anhängig sind. Diese Einspruchsverfahren können zu einer gerichtlichen Überprüfung der tarifvertraglichen Übergangsregelungen führen. Sobald eine rechtskräftige höchstrichterliche Entscheidung feststellt, dass die den Startgutschriften zugrunde liegenden tarifvertraglichen Regelungen zu ändern sind, werden wir dies für alle Startgutschriften berücksichtigen. [...]“

Wegen des weiteren Inhalts der dem Kläger erteilten Startgutschrift wird auf die zur Akte gereichte Ablichtung des Schreibens der Beklagten vom 29.07.2003 verwiesen (Bl. 82 und 17ff).

In weiter Folge erhielt der Kläger von der Beklagten am 17.06.2005 eine Rentenmitteilung, die seine ab dem 01.06.2005 zu beziehende Betriebsrente festlegte.

Gegen diese Rentenmitteilung wendete sich der Kläger mit dem – als Einspruch bezeichneten - Schreiben vom 13.07.2005 an die Beklagte. Mit dem als „Einspruchsbescheid“ betitelten Schreiben der Beklagten vom 14.11.2005 wies die Beklagte, vertreten durch ihren Geschäftsführer, der eine Entscheidung des Kassenausschuss der Beklagten mitteilte, das Anliegen des Klägers vom 13.07.2005 zurück. Das Schreiben der Beklagten endete mit einer ausdrücklich als solchen bezeichneten Rechtsmittelbelehrung:

„Gegen diesen Bescheid kann binnen einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach Zustellung vor den ordentlichen Gerichten Klage erhoben werden. Gerichtsstand ist E..“

Wegen des weiteren Inhalts des zwischen den Parteien in Folge der Startgutschrift außergerichtlich gewechselten Schriftwechsels wird auf die zur Akte gereichten Ablichtungen der Schreiben vom 17.06.2005 (Bl. 37), 13.07.2005 und 14.11.2005 (Bl. 53) verwiesen.

Hieraufhin hatte der Kläger die vorliegende Klage erhoben, die beim Landgericht Aurich am 15.02.2005 einging.

Der Kläger ist der Ansicht, dass der vorgenommene Systemwechsel in der betrieblichen Zusatzversorgung gegen den Vertrauensschutz verstoße. Er rügt die Abschaffung des Gesamtversorgungsprinzips, die Abschaffung der Dynamik gemäß den Pensionen, die Belastung mit fiktiven Steuern nach der Steuertabelle 2001 und die fehlende Berücksichtigung der Belastung der Rentner durch Krankenversicherungsbeiträge und Steuern.

Der Kläger beantragt festzustellen,

1. dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine Rente zu gewähren, die auf dem Gesamtversorgungsprinzip beruht und gemäß den Beamtenpensionen nach § 47 des Statuts i.d.F.v. 31.12.2000 angepasst wird;

2. dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine Rente zu gewähren, bei der die Steuertabellen 2005/2006 und auch zukünftige Steuererleichterungen für die aktiven Beschäftigten gemäß der jeweils gültigen Steuertabelle durch eine Neuberechnung berücksichtigt werden;

3. dass die Beklagte verpflichtet ist, die dem Kläger erteilte Startgutschrift vom 29.07.2003 mit 407,77 Versorgungspunkten zu dynamisieren für den Zeitraum 01.01.2002 bis zum 31.05.2005 gemäß den Erhöhungen der Versorgungsbezüge der Pensionäre des Bundes und der Länder,

4. dass die von der Beklagten gemäß ihrem Statut (Satzung) erteilte Startgutschrift und die Verrentungsmitteilung der Beklagten vom 17.06.2005 nebst dem Einspruchsbescheid vom 14.11.2005 nicht verbindlich sind;

hilfsweise zu 1. – 4.

die Beklagte zu verurteilen an den Kläger mindestens weitere 195,04 € monatlich an Betriebsrente ab 01.06,2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass die Systemumstellung, die das Ergebnis einer Neubeurteilung der Tarifvertragsparteien sei, nur einer eingeschränkten Überprüfung der Gerichte zugänglich sei. Die Tarifvertragsparteien waren gezwungen, Massenentscheidungen zu treffen, was sie berechtigt, Sachverhalte zu typisieren und Gesichtspunkte der Praktikabilität zu berücksichtigen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A. Zuständigkeit

Das Landgericht Aurich ist zur Entscheidung über den vorliegenden Rechtsstreit berufen. Es entspricht inzwischen höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass für die Streitigkeiten aus der Systemumstellung der Zusatzversorgung der öffentlichen Angestellten mit Wirkung zum 01.01.2002 der ordentliche Rechtsweg eröffnet ist. In weiteren bei der erkennenden Kammer anhängigen Verfahren hat sowohl das BAG (4 O 1275/04) als auch der BGH (4 O 207/04) entsprechend entschieden. Gegen die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Aurich im Rahmen des ordentlichen Rechtsweges bestehen keine Bedenken.

B. Zulässigkeit

Die Klage ist auch zulässig; namentlich ist das Feststellungsinteresse für die Anträge des Klägers zu bejahen. Hinsichtlich der Geltung der Übergangsvorschriften und der hierauf seitens der Beklagten festgestellten Startgutschrift hat der Kläger ein erhebliches und anzuerkennendes Interesse an der Feststellung der Unverbindlichkeit, zumal er bereits Rentenleistungen von der Beklagten erhält.

Dabei braucht er sich auch nicht auf eine grundsätzlich vorrangige Leistungsklage verweisen zu lassen, wie er sie mit seinem Hilfsantrag hilfsweise geltend macht, da der Kläger von der Beklagten als Körperschaft des öffentlichen Rechts erwarten kann, dass diese auch auf Grundlage lediglich feststellender Urteile eine Neubewertung der Rentenanwartschaften bzw. der Startgutschriften vornehmen wird, zumal die Beklagte in ihren Startgutschriften allen Versicherten mitgeteilt hatte, dass sie einen höchstrichterlich erkannten Änderungsbedarf der Übergangsregelungen für alle Versicherten umsetzten wird.

C. Begründetheit

Die Klage ist mit dem Hauptantrag zu 4. begründet, denn die Bestimmungen der neuen Satzung der Beklagten, auf denen die mitgeteilte Startgutschrift, die Verrentungsmitteilung und der diese bestätigende Einspruchsbescheid beruhen, sind für das Versicherungsverhältnis des Klägers unwirksam.

Die weiteren Klageanträge zu 1. bis 3. sind hingegen unbegründet.

I. Keine Versäumnis von Ausschlussfristen

1. Ablauf der Einspruchsfrist nach § 52 Abs. 8 des Statuts

Der Kläger hat innerhalb der durch den „Einspruchsbescheid“ der Beklagten vom 14.11.2004 gesetzten Dreimonatsfrist, die auf der Regelung von § 52 Abs. 8 des Statuts der Beklagten basiert, Klage vor dem Landgericht Aurich erhoben. Wann genau der Bescheid der Beklagten vom 14.11.2004 dem Kläger zuging, ist nicht bekannt. Dieses dürfte aber nicht vor dem 15.11.2005 der Fall gewesen sein, so dass die am 15.02.2006 eingegangene Klage noch innerhalb der laufenden Frist (§§ 187, 188 BGB) beim Landgericht einging.

2. Ablauf der Beanstandungsfrist nach § 72 Abs. 3 des Statuts.

Der Kläger ist auch nicht mit ihren Einwänden gegen die Startgutschrift ausgeschlossen, weil er die Frist nach § 72 Abs. 3 des Statuts verstreichen ließ. Zwar hat er seine Einwände gegen die ihm im Juli 2003 erteilte Startgutschrift frühestens erst mit seinem Einspruch vom 13.07.2005 gegenüber der Beklagten vorgebracht und damit eineinhalb Jahre  nach Ablauf der zugestandenen sechs Monate. Gemäß § 72 Abs. 3 S. 2 des Statuts hätte die Beklagte jedoch auf die Wirkungen der Ausschlussfrist in der von ihr erteilten Startgutschrift hinweisen müssen. Diesem Erfordernis hat die Beklagte jedoch nicht genügt. Vielmehr hat sie mit dem Hinweis an ihre Versicherten - Beanstandungen mögen nur eingelegt werden, wenn Rechenfehler bzw. Fehler in den tatsächlichen Feststellungen zum Versicherungsverlauf festgestellt würden, im übrigen solle von Beanstandungen abgesehen werden, da man höchstrichterlich erkannte Änderungen ohnehin umsetzen würde - ausdrücklich auf die Einhaltung der Beanstandungsfrist verzichtet. Nach dieser Rechtsmittelbelehrung sollte die sechsmonatige Ausschlussfrist nur für Rechenfehler bzw. fehlerhafte tatsächliche Feststellungen zum Versicherungsverlauf gelten. Selbst wenn diese Erklärung nicht als Verzicht gemeint war, so entspricht die erteilte Belehrung nicht den Anforderungen von § 72 Abs. 3 S. 2 des Statuts. Die Versicherten konnten hiernach nicht erkennen, dass sie bei Ablauf von 6 Monaten mit grundsätzlichen Einwendungen gegen die Übergangsregelung bzw. den Startgutschriften ausgeschlossen sein sollten. Solche werden aber vorliegend geltend gemacht.

II. Begründetheit des Antrags zu 4.

Die von den Tarifparteien vorgegebenen Übergangsregelungen im Rahmen des Systemwechsels gemäß dem „Altersvorsorge Tarifvertrag-Kommunal (ATV-K)“ vom 01.03.2002 in der von der Beklagten gewährten Zusatzversorgung verstoßen gegen höherrangiges Recht. Die auf Grundlage dieser Tarifeinigung von der Beklagten erstellte Startgutschrift vom 29.07.2003, die Verrentungsmitteilung vom 17.06.2005 und der am 14.11.2005 erlassene Einspruchsbescheid sind damit für das Versicherungsverhältnis zum Kläger unwirksam.

1. Kontrollmaßstab

Der Beklagten ist insoweit zuzugeben, dass die Vereinbarungen von Tarifparteien nur sehr eingeschränkt einer gerichtlichen Kontrolle zugänglich sind. Aufgrund der gleichen Mächtigkeit der Tarifparteien besteht eine Vermutung der Ausgewogenheit der tarifvertraglichen Einigung, die den Schutz von Art. 9 Abs. 3 GG genießt. Hieraus folgt, dass derartige tarifvertraglichen Einigungen auch nicht anhand der Dreistufentheorie des BAG zu bewerten sind, die für die Änderung einseitiger Versorgungszusagen des Arbeitgebers bzw. für Änderungen entsprechender Betriebsvereinbarungen entwickelt wurde, und bei denen jeweils nicht sichergestellt ist, dass das Vertrauen der Arbeitnehmer in die bisher geltende Versorgungszusage im hinreichenden Maße Berücksichtigung findet.

Gleichwohl unterliegen auch die Tarifparteien dem Willkürverbot (Art. 3 GG) und den aus dem Rechtsstaatsgebot folgenden Prinzipien des Vertrauensschutzes und des Verhältnismäßigkeitsgebots, zumal vorliegend auf der Arbeitgeberseite öffentlich rechtliche Institutionen handeln, die einer direkten Grundrechtsbindung unterworfen sind. Insoweit ist auch die gerichtliche Kontrolle einer Vereinbarung der Tarifpartner eröffnet.

2. Verstoß gegen Art. 3 GG

Die Übergangsregelung nach § 72 Abs. 1 S. 2 und 3 des Statuts der Beklagten, wonach bei der Umrechnung der Anwartschaften der Versicherten in Versorgungspunkte die Altersfaktoren keine Berücksichtigung finden und die für die Anwartschaften ermittelten Versorgungspunkte - bis auf die Chance an der Verteilung von Bonuspunkten teilzunehmen – nicht verzinst werden, verstößt gegen das Willkürverbot nach Art. 3 GG.

a)

Indem die Arbeitgeber bis zur Systemumstellung für ihre Arbeitnehmer Beiträge an die Beklagte zur Zusatzversorgung zahlten, haben die Arbeitnehmer unverfallbare Anwartschaften auf eine Zusatzversorgung zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles gegenüber der Beklagten erworben, da die Beiträge der Arbeitgeber Vergütungsbestandteile waren, deren konkreter Umfang jeweils tarifvertraglich vereinbart wurde.

Anlässlich des Systemwechsels stellte sich den Tarifpartnern die Frage, wie mit diesen bis dato erworbenen Anwartschaften umzugehen sei. Da es sich bei dem neuen Zusatzversorgungssystem um ein kapitalgedecktes System handelt, entschieden sich die Tarifparteien für den nahe liegenden Weg, die bisher erworbenen Anwartschaften zu kapitalisieren und mit ihren Werten in das neue System zu integrieren. Hierzu geben die §§ 73 und 74 des Statuts Berechnungsmethoden vor, die danach unterscheiden, ob es sich bei dem Versicherten um einen – wie hier - rentennahen oder um einen rentenfernen Jahrgang handelt. Unabhängig davon welche Methode anzuwenden ist, steht am Ende ein Betrag, der in Versorgungspunkte umgerechnet wird und der den Kapitalwert der bisher erworbenen Anwartschaft des Versicherten auf eine Zusatzversorgung der Beklagten wiedergeben soll. Dieser Wert wurde mit der Startgutschrift dem Versicherten sowohl als Eurobetrag als auch in Form der Versorgungspunkte mitgeteilt und betrug vorliegend für den Kläger 1623,08 € bzw. 405,77 Versorgungspunkte.

Die Stargutschrift sollte den Wert der Anwartschaft, die vom Versicherten in das neue System eingebracht wurde, verbindlich festlegen. Beanstandungen gegen die ermittelten Werte sollte nur innerhalb einer Ausschlussfrist von 6 Monaten (§ 72 Abs. 3 d.St.) möglich sein.

b)

Die Entscheidung der Tarifpartner, die bisherigen Rentenanwartschaften zu kapitalisieren und in dieser Form in das neue System zu integrieren begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Es ist zwar zutreffend, dass mit dieser Entscheidung insbesondere den rentenfernen Versicherten eine Reihe von Chancen genommen wurde, die bis dato erworbene Anwartschaft weiter aufzubessern, etwa durch Wechsel in eine höhere Gehalts- oder bessere Steuerklasse. Auch ist das Argument nicht von der Hand zu weisen, wonach damit zu rechnen gewesen wäre, dass der Anteil der gesetzlichen Rentenversicherung am zuvor gewährten Gesamtversorgungssystem angesichts der demographischen Entwicklung voraussichtlich weiter geschrumpft wäre, womit die Anwartschaft des Versicherten auf die Zusatzversorgung, die den entsprechenden Differenz zum Gesamtversorgungsniveau ausgleichen sollte, immer wertvoller geworden wäre.

Insoweit handelte es sich aber um bloße Chancen, deren Realisierung keineswegs gewiss war und die damit auch noch keinen unverfallbaren Vertrauensschutz genossen.

Die Entscheidung der Tarifpartner, diese Chancen, die ohnedies nur durch höhere Umlagesätze zu finanzieren gewesen wären, zugunsten eines kompletten, stichtagsbezogenen Systemwechsels aufzugeben und damit auch für alle Beteiligten wieder ein deutliches Maß an Sicherheit und Vorausberechenbarkeit zu bieten, ist einer gerichtlichen Kontrolle entzogen. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht ist insoweit nicht erkennbar.

c)

Mit der Entscheidung, die in Form der Startgutschriften ermittelten Werte der Anwartschaften im Gegensatz zu den laufenden Beiträgen nicht an der garantierten Verzinsung teilhaben zu lassen, haben die Tarifpartner jedoch gleichartige Sachverhalte ungleich behandelt und damit gegen das Willkürverbot verstoßen, ohne dass hierfür ein rechtfertigender Grund ersichtlich wäre.

Die laufenden Beiträge, die nach dem Systemwechsel von den Arbeitgebern für die Versicherten eingezahlt werden, werden mit einer 3,25 %igen Mindestverzinsung verzinst. Dieses wird dadurch erreicht, dass die Beiträge bei der Umrechnung in Versorgungspunkte mit einem Altersfaktor multipliziert werden, der danach ausgerichtet ist, dass im Ergebnis für jeden Jahresbeitrag die bis zum Renteneintritt zu erzielenden Zinsen hinzuaddiert werden. Indem die so ermittelten Versorgungspunkte selber nicht mehr verzinst werden, wird eine Zinsesverzinsung der angelegten Beiträge vermieden. Insoweit besteht lediglich über das Bonuspunktesystem die Chance, an weiter erwirtschafteten Kapitalgewinnen teilzuhaben.

Bei der Umrechnung der für die Anwartschaften ermittelten Werte in das Punktesystem sollen gemäß § 72 Abs. 1 S. 2 des Statuts die Altersfaktoren jedoch keine Berücksichtigung finden. Auch sonst sollen diese Punkte bis auf die Teilhabe am Bonussystem – insoweit systemgerecht – nicht an einer Verzinsung teilnehmen, was durch § 72 Abs. 1 S. 3 des Statuts klar gestellt wird.

Damit werden jedoch die Anwartschaften der Versicherten, die infolge der Kapitalisierung nichts anderes darstellen, als den gegenwärtigen Gegenwert für vergangen Beiträge, anders behandelt, als die gegenwärtigen und zukünftigen Beiträge die für die Versicherten von deren Arbeitgebern eingezahlt werden. Diese unterschiedliche Behandlung von eingezahltem Kapital, dass der Beklagten einheitlich zur Bewirtschaftung zur Verfügung steht, ist in einem kapitalgedeckten System systemwidrig und lässt sich auch nicht mit dem Hinweis darauf beseitigen, dass die Versicherten rentennaher Jahrgänge – wie dem Kläger – bis zum Renteneintritt ohnehin nur noch eine verhältnismäßig geringe Verzinsung zu erwarten hätten, zumal in der Regelung des § 72 Abs. 1 ohnehin nicht zwischen rentenfernen und rentennahen Jahrgängen differenziert wird.

III. Unbegründetheit der übrigen Anträge

Die übrigen gestellten Anträge sind abzuweisen, da der Kläger insoweit Feststellung begehrt, dass die Beklagte an bestimmte Berechnungsmodi gebunden wäre. Insoweit besteht jedoch kein Anspruch des Klägers. Dahingehende Feststellungen wären auf Korrekturen der derzeitigen Regelung gerichtet, die jedoch den Tarifpartnern überlassen bleiben muss. Mit Rücksicht auf die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie geht es nicht an, die Beklagte durch eine gerichtliche Entscheidung auf bestimmte Anwartschaftswerte oder Berechnungsmethoden festzulegen und so die in den Tarifverhandlungen angenommene Kostenbelastung als maßgebliche Grundlage für die Vereinbarung des Systemwechsels wesentlich zu verändern.

IV. Nebenentscheidungen

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Den wirtschaftlichen Wert des zuerkannten Anspruches bemisst die Kammer mit der Hälfte des Wertes der übrigen Anträge, die im Wesentlichen auf eine konkrete, höhere Bewertung der Rentenanwartschaften gerichtet sind. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.