Sozialgericht Hannover
Beschl. v. 23.03.2018, Az.: S 44 R 412/16
Befreiung eines Syndikusanwalts von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
Bibliographie
- Gericht
- SG Hannover
- Datum
- 23.03.2018
- Aktenzeichen
- S 44 R 412/16
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 15727
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
- § 193 Abs. 1 S. 3 SGG
Tenor:
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
Gründe
A.
Die Klägerin begehrte die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für ihre Tätigkeit als Syndikusanwältin bei der Firma E ... Sie war seit 10. April 2006 Mitglied der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main und Mitglied des berufsständischen Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Lande Hessen. Nach einigen Tätigkeiten als Syndikusanwältin bei anderen Unternehmen war sie aufgrund des Arbeitsvertrages vom 17. Juli 2014 seit 1. November 2014 bei der Firma E ... als solche beschäftigt. Am 27. Januar 2015 stellte die Klägerin bei der Beklagten den Antrag auf Befreiung für diese Tätigkeit. Mit Bescheid vom 19. Februar 2015 lehnte die Beklagte den Antrag ab und begründete dies damit, dass die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und die Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer und zugleich in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung wegen ein und derselben Tätigkeit bestehen müssen, was bei der Klägerin nicht der Fall sei, da die Klägerin ihrem Arbeitgeber als Syndikusanwältin und nicht in ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin tätig sei. Mit Schreiben vom 4. März 2015, eingegangen am 5. März 2015, legte die Klägerin Widerspruch ein.
Sie beantragte das Ruhen des Verfahrens, bis die zu den gleichen Sachverhalten anhängigen Verfassungsbeschwerden rechtskräftig entschieden wurden und das anhängige Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen sei.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Mai 2015, zugegangen am 23. Mai 2015, als unbegründet zurück. Zur Begründung wiederholte sie im Wesentlichen die Begründung aus dem Ablehnungsbescheid und wies ergänzend auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 3. April 2014 hin. Eine Auseinandersetzung mit dem Ruhensantrag erfolgte nicht. Dagegen erhob die Klägerin am 22. Juni 2015 durch ihren Prozessbevollmächtigten Klage. Es seien die gegen die Urteile des Bundessozialgerichts anhängigen Verfassungsbeschwerden bzw. die angestrebte Rechtsänderung durch den Gesetzgeber abzuwarten und das Verfahren ruhend zu stellen, welches sodann ruhend gestellt wurde. Am 17. Februar 2016 beantragte die Klägerin nach Inkrafttreten der durch den Gesetzgeber neu geschaffenen Regelung bei der Rechtsanwaltskammer Braunschweig die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin, welche die Klägerin mit Bescheid vom 10. März 2016 als Syndikusrechtsanwältin zuließ. Mit Bescheid vom 23. Mai 2017 befreite die Beklagte die Klägerin für die Zeit vom 1. November 2014 bis 19. April 2017. Mit weiterem Bescheid vom 2. Februar 2017 befreite die Beklagte die Klägerin für die Zeit ab 20. April 2016. Daraufhin erklärte die Beteiligten die hiesige Klage für erledigt. Die Klägerin begehrt nun noch, die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beklagten aufzuerlegen. B. I. Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Beteiligten bei Beendigung des Rechtsstreits auf andere Weise als durch Urteil einander Kosten zu erstatten haben, ist nach § 193 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Erledigung nach billigem Ermessen (Rechtsgedanke des § 91a ZPO und des § 161 Abs. 2 VwGO) zu treffen, wobei den mutmaßlichen Erfolgsaussichten der Klage maßgebliche Bedeutung zukommt (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, u.a. SozR 3-1500 § 193 NR. 10 und Beschluss vom 16.05.2007 - B 7b AS 40/06 R m. w. N.). Es ist damit in der Regel billig, dass der die Kosten trägt, der unterliegt (BSGE 17, 124, 128 [BSG 20.06.1962 - 1 RA 66/59], SozR 3-1500 § 193 Nr. 2, vgl. auch Schmidt in Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 12. Auflage 2017, § 193, Rn. 12a). Das Gericht ist allerdings gehalten, alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen; es darf mithin nicht nur auf das Ergebnis des Rechtsstreits abstellen. II. 1. Vorliegend wurde durch die Beklagte mit Schreiben vom 8. Juni 2016 die Klage in der Sache für erledigt erklärt, welche die Beklagte mit Schreiben vom 13. Juli 2017 annahm. Dies hat zur Erledigung des Rechtsstreits auf andere Weise als durch Urteil geführt. 2. Die grundsätzlich maßgebliche Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage geht hier zulasten der Klägerin aus. Führt eine Änderung der Rechtslage zur Erledigung, ist wesentlich darauf abzustellen, wie ohne diese Änderung voraussichtlich entschieden worden wäre. Es entspricht der Billigkeit, auf die Erfolgsaussichten der Klage vor dem erledigenden Ereignis abzustellen (BSG, Beschluss vom 24. Mai 1991 - 7 RAr 2/91 -, SozR 3-1500 § 193 Nr 2). Demgegenüber wäre es unbillig, allgemein anzunehmen, dass der von einer Rechtsänderung betroffene Beteiligten stets dieses Risiko tragen müsse (so BFHE 119, 407, 408; zu § 63 SGB X s. BSG 13.10.10, B 6 KA 29/09 R, SozR 4-1300 § 63 Nr. 13). Vorliegend hatte die Klage zum Zeitpunkt der Klageerhebung aufgrund der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 03. April 2014 - B 5 RE 13/14 R -, BSGE 115, 267-288, SozR 4-2600 § 6 Nr 12) keine Erfolgsaussichten. 3. Das Gericht muss indes alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen. Es darf also nicht nur auf das Ergebnis des Rechtstreits abstellen. Das Gericht kann Anlass für Klageerhebung berücksichtigen (Schmidt, a.a.O., Rn. 12b). Vorliegend hat die Klägerin das Ruhen des Widerspruchsverfahrens begehrt, bis die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes bzw. die Gesetzesänderung verkündet werde. Dies hat die Beklagte ohne Begründung übergangen und den Widerspruchsbescheid erlassen und damit die Klägerin zur Klageerhebung gedrängt. 4. Aufgrund dessen erscheint die volle Erstattung der Kosten durch den Beklagten für billig und angemessen, da sie die außergerichtlichen Kosten der Klägerin veranlasst hat.