Sozialgericht Hannover
Beschl. v. 12.11.2018, Az.: S 43 AS 2962/17
Aufrechnung i.R. des Bezugs von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II)
Bibliographie
- Gericht
- SG Hannover
- Datum
- 12.11.2018
- Aktenzeichen
- S 43 AS 2962/17
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 43543
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 42a SGB II
- § 43 SGB II
Tenor:
Der Antrag des Klägers, ihm für die erste Instanz Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
Gründe
A.
Der Kläger wendet sich gegen die durch den Beklagten erklärte Aufrechnung.
Der Kläger steht im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II).
Der Kläger erhielt von der Beklagten ein Darlehen mit Stromschulden.
In einem anderen Klageverfahren vor dem hiesigen Gericht (S 43 AS 1692/17) hatten die Beteiligten über die Bewilligung einer Erstausstattung gestritten, welches am 25. Juli 2017 mit dem Vergleich endete, dass der Beklagte dem Kläger u.a. ein Darlehen für einen Gasherd und für eine anteilige Haushaltsgrundausstattung zu gewähren in Höhe von 330 Euro zu gewähren hat. Dies setzte der Beklagte durch Bescheid vom 27. Juli 2017 um und erklärte in diesem zudem gegen die laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Höhe von 40,90 Euro monatlich ab 1. September 2017 die Aufrechnung mit der mit dem Darlehen verbundenen Rückzahlungsforderung. Am 28. Juli 2017 wurden dem Kläger die 330 Euro ausgezahlt.
Gegen die Aufrechnung legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 14. August 2017 Widerspruch mit der Begründung ein, dass ein älteres Darlehen aus Stromschulden vorrangig zu tilgen sei. Die Aufrechnung sei insgesamt auf zehn Prozent der Regelleistung begrenzt.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. August 2017 als unbegründet zurück. Der Bescheid sei nicht zu beanstanden, denn es sei auch die Gesamthöhe von 10 Prozent eingehalten worden.
Dagegen legte der Kläger am 1. September 2017 Klage ein und wiederholt im Wesentlichen seine Begründung. Ergänzend führt er aus, dass im vorherigen Klageverfahren und Vergleich von der möglichen Aufrechnung wegen des Darlehens keine Rede gewesen sei. Die Aufrechnungsreihenfolge könne ausschließlich durch den Schuldner, nicht durch den Gläubiger bestimmt werden.
Er beantragt,
den Bescheid vom 27. Juli 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2017 hinsichtlich der Aufrechnungserklärung aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die ergangenen Bescheide.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte verwiesen, die dem Gericht zur Entscheidungsfindung vorlagen.
B.
I. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist zulässig, aber unbegründet. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe sind nicht erfüllt.
Prozesskostenhilfe kann gem. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO gewährt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Die mit der hiesigen Klage beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet jedoch keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Hinreichende Erfolgsaussichten sind gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers auf Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. November 2008, Az. L 25 B 411/08 AS PKH; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 73a, Rdnr. 7a). Vorliegend bestehen keine Erfolgsaussichten, da der Rechtsstandpunkt der Klägerseite nicht zutreffend und auch nicht vertretbar ist. Die Rechtmäßigkeit der gegenständlichen Aufrechnung beurteilt sich nach § 42a SGB II i.V.m. § 43 SGB II. Dass im Rahmen des Vergleiches vom 25. Juli 2017 die Aufrechnung nicht erwähnt wurde, ist nicht zu beanstanden, da Gegenstand der dortigen Klage auch nicht die Aufrechnung, sondern die Ausstattung für die Wohnung des Klägers war. Bei Nichtvorliegen einer Regelung im Vergleich gelten die gesetzlichen Regelungen, wie vorliegend § 42a f. SGB II. Dem Kläger war das Institut der Aufrechnung nach einem Darlehen auch nicht unbekannt, da auch die Stromschulden bereits aufgerechnet wurden, sodass er mit einer Aufrechnung des Darlehens für die Ausstattung rechnen musste. Nach § 42a Abs. 2 S. 1 SGB II werden Rückzahlungsansprüche aus Darlehen ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt, durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs (gemäß § 20 Abs. 3 SGB II i.V.m. § 8 Abs. 1 S.1 Nr. 1 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung in Höhe von 409 Euro), mithin vorliegend in Höhe von 40,90 Euro getilgt, solange der Darlehensnehmer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bezieht. Dies gilt gemäß § 42a Abs. 2 S.4 SGB II nicht, soweit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes als Darlehen erbracht werden. Gemäß § 42a Abs. 2 S.3 SGB II ist zudem die Aufrechnung durch Verwaltungsakt zu erklären.
Die Aufrechnung ist im streitgegenständlichen Bescheid vom 27. Juli 2017 erklärt worden. Bei den Leistungen für die Erstausstattung handelt es sich nicht um Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, da das Darlehen nicht auf § 24 Abs. 4 oder Abs. 5, oder § 27 Abs. 3 SGB II beruht (vgl. hierzu Bender in Gagel, SGB II / SGB III, 70. EL Juni 2018, § 42a SGB II, Rn. 29). Da der Aufrechnungsbetrag 40,90 Euro beträgt, ist die Grenze von 10 Prozent auch eingehalten. Da die Auszahlung am 28. Juli 2017 erfolgte, ist auch der Aufrechnungsbeginn ab 1. September 2017 nicht zu beanstanden. Weitere Fehler sind nicht ersichtlich.
Auch die Beanstandung der Aufrechnungsreihenfolge hat im vorliegenden Fall keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der Aufrechnung. Nach § 42a Abs. 6 SGB II werden Zahlungen, die zur Tilgung der gesamten fälligen Schuld nicht ausreichen, zunächst auf das zuerst erbrachte Darlehen angerechnet, sofern keine abweichende Tilgungsbestimmung getroffen wird. Mit dieser Vorschrift wird eine gesetzliche Tilgungsbestimmung für Zahlungen auf das Darlehen getroffen (vgl. Kemper in Eicher/Luik, Kommentar zum SGB II, 4. Auflage 2017, § 42a, Rn. 46), sofern - wie der erste Halbsatz bestimmt - keine abweichende Tilgungsbestimmung durch den Schuldner, mithin den Kläger, erfolgt. Zahlung in diesem Sinne sind auch die mit der Aufrechnung einbehaltene Beträge (siehe auch Kemper, a.a.O.). Diese Regelung hat jedoch keine unmittelbare Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Aufrechnungsverwaltungsakts. Vielmehr ist zwischen der (rechtlichen) Erklärung der Aufrechnung und dem (tatsächlichen) Einbehalten des Aufrechnungsbetrages zu unterscheiden. Nur für letzteres hat die Norm Bedeutung. Vergleichbar wie die Regelung des § 366 Abs. 2 BGB, hilft diese Norm bei Fehlen einer Bestimmung, welche Forderung mit einer Zahlung bzw. aufgrund eines aufgrund Aufrechnung einbehaltenen Betrages getilgt werden soll, und soll darüber Klarheit verschaffen, welche Forderung von mehreren Rückforderungen von geleisteten Darlehenszahlungen (zumindest teilweise) erloschen ist. Es ist mithin eine Einwendung gegen das Fordern des Jobcenters (im Sinne einer anspruchsvernichtenden Einwendung), z.B. wenn das Jobcenter durch den Inkassodienst der Bundesagentur wegen der Nichtzahlung einer Forderung mahnt und der Schuldner dann vortragen könnte, dass diese Forderung aufgrund seiner Zahlungen bzw. der einbehaltenen Beträge aufgrund von Aufrechnung bereits erloschen ist. Die Lesart der Klägerseite, dass der Aufrechnungsverwaltungsakt nicht rechtmäßig sei, wenn nicht das erst erbrachte Darlehen zunächst aufgerechnet wird, findet im Wortlaut keine Stütze. Aufgrund dessen sind die Erfolgsaussichten zu verneinen und der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzuweisen.
II. Die Beschwerde ist gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen, da in der Hauptsache (Klage) die Berufung der Zulassung bedürfte; denn die mögliche Beschwer der Kläger beläuft sich auf 330 Euro, sodass die Berufungssumme von 750 Euro gemäß § 144 Abs. 1 S.1 Nr. 1 SGG nicht überschritten wäre. Da ein Fall von § 144 Abs. 1 S. 2 SGG nicht vorliegt, wäre die Berufung zulassungsbedürftig. Da mithin die Beschwerde ausgeschlossen ist, ist dieser Beschluss unanfechtbar.