Sozialgericht Hannover
Urt. v. 15.11.2018, Az.: S 44 R 234/16
Auslandsbezug; ausländischer Arbeitgeber; Koordinierungsverordnung über Soziale Sicherungssysteme (VO (EG) 883/2004); Tätigkeit im Ausland
Bibliographie
- Gericht
- SG Hannover
- Datum
- 15.11.2018
- Aktenzeichen
- S 44 R 234/16
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2018, 74012
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 7a SGB 4
- § 7 SGB 4
- Art 11 EGV 883/2004
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Vor der sozialversicherungsrechtlichen Einordnung einer Tätigkeit eines Auftragnehmers, die Auslandsbezug hat, muss die Anwendbarkeit deutschen Rechts, insbesondere anhand der Art. 11 ff. der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. L 200 vom 7.6.2004, S. 1-49), geprüft werden.
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die sozialversicherungsrechtliche Einordnung der Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen.
Die Beigeladene ist Hersteller von multifunktionalen Mixern und Kochern für die Nahrungsmittelindustrie mit dem Sitz in Dänemark. Die Kunden der Beigeladenen sind vorwiegend lebensmittelverarbeitende Betriebe und Chemie- und Pharmaunternehmen.
Der am J. geborene Kläger ist staatlich geprüfter Techniker der Fachrichtung Lebensmitteltechnik mit dem Schwerpunkt Prozesstechnik und war für die Beigeladene für die Zeit vom 1. Oktober 2014 bis 31. September 2015 als Berater zur Unterstützung des Vertriebs in Deutschland tätig.
Mit einer auf Englisch getroffenen Vereinbarung („agreement“) vom 19. September 2014 schlossen der Kläger und die Beigeladene einen Vertrag für die oben genannte Zeit. In dem Vertrag wurde folgendes niedergelegt.
Der Kläger unterstützt die Vertriebsmitarbeiter beim Verkauf in Deutschland, was die Teilnahme an Verkaufsterminen in Deutschland, aber nicht nur dort, bedeutet. Es wird erwartet, dass der Kläger vor Ort mit dem Kunden Test ohne Unterstützung durch die Beigeladene durchführt. Von seinem Büro zu Hause wird der Kläger an Werbemaßnahme durchführen, wie Strategien, Planausführung, sog. Desk-Research (Sekundäre Marktforschung: eine Methode der Marktforschung, die sich zur Gewinnung von Marktinformationen - im Gegensatz zur Primärforschung - an bereits vorhandenen Informationsquellen bedient). Die Beigeladene wird die hierfür erforderliche IT-Ausstattung zur Verfügung stellen. Der Kläger muss seine Arbeitszeit selbst planen, was bedeutet, dass eine Erhebung der Arbeitsstunden nicht erfolge; es werde stattdessen von ihm Flexibilität bei den Kundenbesuchen, bei den Tests und Unterstützung bei der Inbetriebnahme der Maschinen erwartet. Das Entgelt beträgt 3.200 Euro pro Monat. Der Kläger soll der Beigeladene jeden Monat eine Rechnung stellen. Jede Verpflichtung, die der Kläger mit dem deutschen Staat in Form von Steuern und Pflichten habe, fällt einzig und allein in die Verantwortung des Klägers. Die Beigeladene ist in keinem Fall für die Verpflichtungen gleich welcher Art zwischen dem Kläger und jeglicher staatlichen Einrichtung zur Verantwortung zu ziehen. Reisekosten wie Hotelunterkunft und Fahrtkosten werden monatlich durch den Beigeladenen gezahlt, sind aber vom Kläger auszulegen. Sofern der Kläger Urlaub in den zwölf Monaten nimmt, wird diese Zeit nicht bezahlt und bei der nächsten Zahlung abgezogen; die Urlaubszeit wird an das Ende des Vertrages angehängt. Der Kläger darf nur für die Beigeladene arbeiten; er darf nicht mit der Beigeladenen in Wettbewerb treten oder andere Wettbewerber unterstützen, insbesondere darf der Kläger identische oder ähnliche Produkte wie die Beigeladene nicht herstellen; er darf auch sich auch nicht an anderen Unternehmen beteiligen, die mit der Beigeladenen in Konkurrenz steht. Er darf ferner keine Produkte - weder neu noch gebraucht - auf den Markt bringen, die identisch oder ähnlich zu den Produkten der Beigeladenen sind. Auch Produkte von Wettbewerbern der Beigeladenen, die nicht den Produkten der Beigeladenen ähneln, darf der Kläger nicht auf den Markt bringen. Der Kläger muss die Beigeladene über alle bestehenden Vereinbarung des Klägers mit anderen Unternehmen informieren, sei es als Vertreter, Berater oder Wiederverkäufer. Die Ausübung dieser Tätigkeiten dürfen den Kläger jedoch in keinem Fall daran hindern, seine Verpflichtungen für die Beigeladene zu erfüllen. Das Wettbewerbsverbot gilt für die Dauer der Vereinbarung und für zwei Jahre nach Beendigung. Zusätzlich zu der monatlichen Zahlung erhält der Kläger 2,5 Prozent von dem Gesamtverkaufswert, wenn ein Verkaufswert von 500.000 Euro überschritten ist. Diese wird bei Erfüllung des Vertrages durch den Kunden fällig; etwaige Umsatzsteuer hierfür geht zulasten des Klägers. Aus wichtigem Grund kann dieser Vertrag fristlos gekündigt werden; dies gilt auch für den Fall des Todes oder Erwerbsminderung des Klägers. Änderungen zu diesem Vertrag bedürfen der Schriftform.
Der Kläger gründete zur Ausübung dieses Vertrags keine Gesellschaft und beschäftigte selbst keine Arbeitnehmer. Er war nicht für andere Auftraggeber tätig, außer für den Malermeister K., für den er aufgrund seiner Kenntnisse Farbmischungen herstellte. Er hatte in seiner Wohnung für die Tätigkeit ein Büro eingerichtet. Der Kläger arbeitete mit dem Mitarbeiter der Beigeladenen Herr L. und dem Geschäftsführer Herr M. zusammen und führte mit diesen Betriebsbesuche durch. Diese Termine wurden von der Beigeladenen organisiert. Der Kläger hat freiwillig Berichte über die Betriebsbesuche von Kunden an die Beigeladene gesendet, in denen mögliche Aufgabenstellungen und Bedarfe für Maschinen der Beigeladenen festgehalten wurden. Der Kläger setzte für seine Arbeit im Wesentlichen ein Handy und ein iPad ein, wobei ihm letzteres von der Beigeladenen geliehen wurde. Er erhielt von der Beigeladenen ein Hemd mit dem Firmenlogo, das er bei den Kundenbesuchen und auf der Anuga-FoodTec-Messe in Köln trug. Er benutzte auch Visitenkarten, mit dem Logo der Beigeladenen. Er hatte bei der Beigeladenen eine eigene E-Mail-Adresse (N.).
Im Oktober 2014 arbeitete der Kläger 24 Stunden und erhielt einen Netto-/Bruttobetrag von 3.200 Euro. Im November 2014 arbeitete er 33 Stunden und erhielt zusätzlich die Kosten für ein Bahnticket nach P., für eine Hotelübernachtung und für eine Bahncard mit Bahnreiseversicherung in Höhe von 197,75 Euro. Im Dezember 2014 arbeitete er 45 Stunden und erhielt zusätzlich die Kosten für eine Automiete, sowie für Benzin und eine Handyrechnung in Höhe von 216,89 Euro. Im Januar 2015 war er 48 Stunden tätig und erhielt zusätzlich die Zugtickets für die Fahrt nach Q. und zurück und von R. nach S. in Höhe von 76 Euro erstattet. Im Februar 2015 arbeitete er 37 Stunden und erhielt zusätzlich eine Handyrechnung von 20,24 Euro von der Beigeladenen erstattet. Im März 2015 arbeitete er 47 Stunden und erhielt zusätzlich eine Fahrkarte für eine Bahnfahrt, sowie eine Handyrechnung und Hotelrechnung für die Messe in Köln in Höhe von 509,20 Euro. Im April 2015 arbeitete er 45 Stunden und erhielt zusätzlich die Handyrechnung in Höhe von 24,59 Euro erstattet. Im Mai 2015 arbeitete er 44 Stunden und erhielt daneben eine Handyrechnung von 21,69 Euro erstattet. Im Juni 2015 arbeite er 52 Stunden und erhielt zusätzlich eine Handyrechnung in Höhe von 25,75 Euro und die Kosten für einen Mietwagen und Benzin in Höhe von 139,98 Euro und 48,02 Euro. Im Juli arbeite er 56 Stunden und erhielt ferner eine Handyrechnung für 21,40 Euro erstattet. Im August 2015 arbeitete er 54 Stunden und erhielt zusätzlich eine Handyrechnung für 19,95 Euro erstattet. Im September 2015 arbeitete er 51 Stunden und erhielt darüber hinaus eine Handyrechnung in Höhe 22,56 Euro, eine Schutzhülle für das iPad in Höhe von 9,99 Euro und die Kosten für Broschüren von Deutschland nach Dänemark in Höhe von 17,55 Euro erstattet. Im Zeitraum seit Vertragsbeginn hat der Kläger keinerlei Umsätze generiert, weshalb es auch nicht verlängert wurde und keine Provision erhielt.
Am 2. Oktober 2014 stellte der Beigeladene einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status. Er beantragte festzustellen, dass eine Beschäftigung nicht vorliege.
Mit Schreiben vom 14. Oktober 2014 forderte die Beklagte weitere Unterlagen an und bat um Beantwortung von Fragen, welche der Kläger am 3. Dezember 2014 beantwortete.
Mit Schreiben vom 13. Januar 2015 hörte die Beklagte den Kläger und die Beigeladene dazu an, dass beabsichtigt sei, ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis anzunehmen. Für diese sprächen eine feste monatliche Pauschale zuzüglich Umsatzprovision, die Teilnahme an Schulungen und Dienstbesprechungen, die Pflicht zur Fertigung von Berichten, die persönliche Tätigkeitsausübung, die Tatsache, dass der Beigeladene als Mitarbeiter des Auftraggebers nach außen erscheint, die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers, die Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern des Auftraggebers und der Umstand, dass der Beigeladene kein eigenes Kapital einsetzt. Für die Selbstständige spreche, dass die Arbeitszeit frei wählbar sei.
Dazu nahm die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 28. Januar 2015 Stellung. Gegen ein Beschäftigungsverhältnis spreche die Rechnungsstellungspflicht und die Steuerpflicht. Die Teilnahme an Schulungen sei nur in der Einführungsphase erfolgt. Verpflichtungen zur Teilnahme an Schulungen und Besprechungen ergäben sich aus dem Vertrag nicht. Aus dem Vertrag ergebe sich ebenso wenig, dass der Beigeladene sich nicht anderen Personen zur Ausführung seiner Tätigkeit bedienen hätte dürfen. Er ist auch nicht gehalten, ausschließlich für die Klägerin zu arbeiten. Es ist nicht ersichtlich, woraus sich der Umstand, dass er nach Außen in Erscheinung trete, ergebe. Ein Vertriebler sei bereits dadurch in die Arbeitsorganisation des Erstellers eingebunden, weil er als Absatzmittler in die Vertriebsstruktur eingebunden sei. Die Arbeitszeit sei frei wählbar. Es fehle an der Vereinbarung über eine Arbeitszeit. Der Kapitaleinsatz sei in der Büroeinrichtung und einem Auto zu sehen. Die Mandantin stellt lediglich die IT-Ausrüstung zu Verfügung, was bei Handelsvertreterin üblich sei. Das unternehmerische Risiko liege in der Umsatzprovision, die wie bei Handelsvertreterverträgen typisch teilweise als feste Vergütung gezahlt werde.
Auch der Kläger nahm durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 24. Februar 2015 dazu Stellung, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.
Mit Bescheid vom 17. Februar 2015 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit des Beigeladenen bei dem Kläger seit 1. Oktober 2014 ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sei und Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung vorliege. Für die Abwägung werden die Argumente aus dem Anhörungsschreiben wiederholt.
Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 19. März 2015 Widerspruch ein.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2015 als unbegründet zurück. Zur Begründung führt sie aus, dass nach § 7 Abs. 1 SGB IV Kennzeichen der Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers ist. Für die Entscheidung, ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliege, sei der Umfang der beurteilten Tätigkeit und der ausgeübten Nebentätigkeit unerheblich. Eine im Wesentlichen freie Ausübung der Servicetätigkeit sei nicht möglich. Während der Arbeitsverrichtung könne der Kläger nicht den Ort, die Zeit oder die Art und Weise der Ausübung frei wählen, vielmehr würden die Arbeitsorte durch die Vertriebsmitarbeiter der Beigeladenen bestimmt. Die Arbeitstage seien laufend mit den Mitarbeitern abzustimmen, zu deren Unterstützung die geschuldete Arbeit erfolge. Es spreche nicht gegen das Vorliegen der persönlichen Abhängigkeit, dass im weiteren Verlauf keine Weisungen hinsichtlich der Ausübung der Tätigkeit erteilt worden seien. Die Beigeladene setze den äußeren Rahmen, innerhalb dessen der Kläger tätig ist. In einem solchen Fall liege ein Direktionsrecht auch dann vor, wenn keine ausdrücklichen Einzelanweisungen erteilt würden. Vielmehr könne die Beigeladene als Auftraggeberin auf ihre Kunden bzw. Vertriebsmitarbeiter übertragen. Der Kläger sei über die Ausrichtung der Tätigkeit auf die Weisungen bzw. Bedürfnisse des Vertriebsmitarbeiters und Kunden einem Direktionsrecht unterworfen. Dem widerspreche nicht, dass aufgrund der beruflichen Qualifikation eigenständig gearbeitet werden könne. Eigenverantwortung bezüglich der übertragenen Arbeit werde vom Arbeiter bei jedem Beschäftigten erwartet bzw. vorausgesetzt. Die Entschließungsfreiheit liege, wie bei jedem anderen befristet, unständig bzw. in Teilzeit arbeitenden Beschäftigten ausschließlich darin, über die Aufnahme einer Beschäftigung, ihren Umfang und ihre Dauer zu bestimmen. Eine unternehmerische Gestaltungsfreiheit stelle dies nicht dar. In der gegenüber den Kunden bestehenden Gesamtverpflichtung der Beigeladen übernehme der Kläger eine Teilaufgabe. In Bezug auf die Arbeitsinhalte sei eine Präzisierung erforderlich. Daher sei es auf Seiten der Beigeladenen über die vorstehend bezeichneten organisatorischen Weisungen hinaus möglich, gegenüber dem Kläger jeweils konkret die Arbeitsinhalte vorzugeben. Bereits durch die Weisungen, die die organisatorischen Dinge betreffe, sei der Kläger in der Ausübung der Arbeit festgelegt und damit in den Organismus des fremden Betriebs eingegliedert. Die bestehenden Dispositionsmöglichkeiten hinsichtlich Zeit, Art und Weise der auszuführenden Tätigkeit stelle daher lediglich die Freiräume abhängig Beschäftigter dar. Zeit, Ort, Inhalt sowie Art und Weise der Arbeitsausführungen würden im Wesentlichen vorgegeben. Es erfolgt eine funktionsgerechte Eingliederung der Position als technischer Berater in die fremd geplante Arbeitsorganisation. Im Wesentlich wird die eigene Arbeitskraft geschuldet. Unter Berücksichtigung der weiteren Umstände stehe die Nichtgewährung der sozialen Leistungen, wie Lohnfortzahlung im Urlaub- und Krankheitsfall, einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegen. Die Zuweisung von Risiken an den Arbeitenden spräche nur dann für Selbständigkeit, wenn damit größere Freiheiten und größere Verdienstmöglichkeiten verbunden seien, die nicht bereits in der Sache angelegt seien. Allein die Zuweisung zusätzlich Risiken mache einen abhängig Beschäftigten noch nicht zum Selbständigen. Es sei nicht erkennbar, welche unternehmerischen Risiken und Chancen sich aus der Kostenabwälzung ergeben. Für die Beurteilung sei es unerheblich, dass der finanzielle Erfolg der Auftragnehmer von deren beruflicher Tüchtigkeit abhängt. Die Chance, weniger oder mehr zu arbeiten, um so ein höheres Entgelt zu erzielen, sei nicht die spezielle Chance des Unternehmers. Sie habe auch jeder Beschäftigte.
Dagegen erhob der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am 30. November 2015 Klage. Zur Begründung führt er aus, dass es sich bei der Vorgabe von Arbeitsorten nur um Vorschläge handele. Eine Abstimmung mit Mitarbeitern der Beigeladenen sei auch bei anderen Tätigkeiten der Fall, wie z.B. im Werkvertragsrecht im Baugewerbe. Auch beispielsweise ein Installationsunternehmen übernehme eine Teilaufgabe im Zusammenhang mit der Errichtung eines Gebäudes. Die Argumentation der Beklagte führe dazu, dass jeder Einzelbetrieb sich in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis befände, wenn er einen größeren Auftrag annehme, der für ihn über einen längeren Zeitraum mit einem bestimmten Kontingent des Arbeitsvolumens einbinde. Auch wenn eine Grundvergütung eingeräumt worden sei, liege ein unternehmerisches Risiko vor. Der wesentliche Teil der Vergütung sollte über die Provisionsvereinbarung generiert werden. Es sei die Praxis eines Handelsvertreters gelebt worden.
Er beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 17. Februar 2015 in Form des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2015 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
Zur Begründung verweist sie auf die angegriffenen Bescheide.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte verwiesen, die dem Gericht zur Entscheidung vorlagen.
Entscheidungsgründe
A.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtlich nicht zu beanstanden, da deutsches Recht anwendbar ist (I.) und die Beklagte in der gemäß § 7a Abs. 2 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV) zu treffendenden Gesamtabwägung der Einzelfallumstände zu Recht die Tätigkeit des Klägers als Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 S.1 SGB IV qualifiziert hat und zutreffend die Versicherungspflicht in den Sozialversicherungszweigen angenommen hat (II.).
I. Deutsches Recht ist im vorliegenden Fall trotz des dänischen Auftraggebers maßgeblich, da die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. L 200 vom 7.6.2004, S. 1-49) einschlägig ist (vgl. zur Maßgeblichkeit auch Pietrek in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 7a SGB IV, Rn. 64).
Der persönliche Geltungsbereich der Verordnung ist nach Art. 2 Abs. 1 der VO eröffnet, da der Kläger als Deutscher Angehöriger eines Mitgliedstaats ist; der sachliche Geltungsbereich der Verordnung ist nach Art. 3 Abs. 2 der VO eröffnet, da beim letzteren auch kein Ausnahmefall nach dem Anhang XI der VO einschlägig ist; damit findet diese Verordnung auf den Kläger Anwendung.
Gemäß Art. 11 Abs. 3 der VO unterliegt eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung (Art. 1 lit a) der VO) oder selbstständige Erwerbstätigkeit (Art. 2 lit b) der VO) ausübt, den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats, sofern sich aus den Artt. 12 bis 16 der VO nichts Anderes ergibt. Der Kläger ist eine Person, die in Deutschland eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit ausübt; dabei kann an dieser Stelle noch dahinstehen, ob es sich um eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit handelt, da beide Tätigkeiten von Art. 11 Abs. 3 der VO erfasst sind. Da auch die Ausnahme nach Artt. 12 ff der VO nicht einschlägig sind, unterliegt der Kläger den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats Deutschland.
II. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 S.1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Die negative Definition zeigt, dass eine Abgrenzung zur selbstständigen Tätigkeit zu erfolgen hat. Es kommt – wie § 7a Abs. 2 SGB IV darlegt – auf eine Abwägung der Gesamtumstände des Einzelfalls an, wobei entscheidend ist, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 24. Januar 2007, NZS 2007, 648 [BSG 24.01.2007 - B 12 KR 31/06 R]). Der Gesetzgeber gibt als wesentliche Anhaltspunkte für eine Beschäftigung hierfür in § 7 Abs. 1 S.2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers an. Es kommt danach mithin auf das Vorliegen persönlicher Abhängigkeit des Auftragnehmers zu seinem Auftraggeber an. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb liegt eine persönliche Abhängigkeit vor, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem die Zeit, die Dauer, den Ort und die Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Auftraggebers unterliegt (BSG, Urteil vom 24. Januar 2007, NZS 2007, 648 [BSG 24.01.2007 - B 12 KR 31/06 R]). Keine Voraussetzung ist, dass dem Auftraggeber ein ins Einzelne gehende Weisungsrecht zusteht oder der Auftragnehmer eine untergeordnete Tätigkeit ausübt (Rolfs in Kassler Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Auflage 2016, § 7, Rn 9). Ebenso wenig ist entscheidend, in welchem Umfang das Direktionsrecht ausgeübt wird. Es genügt vielmehr, dass dem anderen Teil auf Grund der vertraglichen Vereinbarung das Recht zusteht und er nach den tatsächlichen Gegebenheiten die Möglichkeit hat, die Durchführung der Beschäftigung entscheidend zu bestimmen (Rolfs, a.a.O.). Die Eigenverantwortlichkeit des Auftragnehmers ist vor allem bei Diensten höherer Art noch kein Beweis für seine persönliche Unabhängigkeit.
Neben der Weisungsgebundenheit und der Eingliederung hat die Rechtsprechung eine Vielzahl weiterer Kriterien und Indizien entwickelt, die im Rahmen einer Gesamtabwägung für bzw. gegen eine Beschäftigung sprechen. Für eine abhängige Beschäftigung sprechen u.a. die Nichtbeschäftigung von Hilfskräften, Berichtspflichten des Erwerbstätigen (BSG Urteil vom 28.10.1960, AP RVO § 165 Nr. 1), die mangelnde Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft, das Fehlen einer eigenen Betriebsstätte (BSG, Urteil vom 19.6.2001, NZA-RR 2002, 494), die Gestellung wesentlicher Arbeitsmittel durch den Weisungsgeber (LSG Bayern Urteil vom 13.8.2012, NZS 2013, 67 [BSG 03.07.2012 - B 1 KR 23/11 R]), die feste Entlohnung anstelle einer Gewinn- und Verlustbeteiligung (BSG Urteil vom 29. März 1961 E 14, 142, 146), die Gewährung von Entgeltfortzahlung bei Urlaub und im Krankheitsfall (BSG, Urteil vom 29. August 2012, NZA-RR 2013, 252 [BSG 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R]; LSG Bayern, Urteil vom 13. August 2012 NZS 2013, 67), das Verbot, gegenüber Kunden mit eigenem Kennzeichen („Logo“), im eigenen Namen oder für eigene Rechnung aufzutreten, die Abführung von Lohnsteuer (BSG, Urteil vom 28. Januar 1960, E 11, 257, 262; Urteil vom 29. März 1962, E 16, 289, 295; Urteil vom 28. April 1964, E 21, 57, 60), ausnahmsweise auch die bisherige Stellung im Berufsleben (BSG Urteil vom 24. Oktober 1978, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 30).
Demgegenüber sprechen für eine selbstständige Tätigkeit: der Einsatz von eigenem Kapital (BSG, Urteil vom 1. Dezember 1977, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 27), die (weitgehend) freie Wahl der Arbeitszeit (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013, BeckRS 2014, 66942), das Recht, sich durch Dritte vertreten zu lassen (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013, BeckRS, 2014, 66942) oder die Möglichkeit, auch für andere Auftraggeber tätig zu werden (LSG Berlin, Urteil vom 14.8.1996, NZS 1997, 31 f [BSG 21.05.1996 - 12 RK 77/94]), das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlich frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit (jeweils BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 NZS 2007, 648 [BSG 24.01.2007 - B 12 KR 31/06 R]).
Bei der vorzunehmenden Abwägung ist keinesfalls erforderlich, dass stets sämtliche als idealtypisch erkannten Merkmale vorliegen. Diese können vielmehr in unterschiedlichem Maße und verschiedener Intensität gegeben sein; je für sich genommen haben sie nur die Bedeutung von Indizien. Entscheidend ist jeweils ihre Verbindung, die Intensität und Häufigkeit ihres Auftretens im konkreten Einzelfall (BVerfG, 20.5.1996, NZA 1996, 1063 [BVerfG 20.05.1996 - 1 BvR 21/96]).
Bei der Abwägung dieser Einzelfallumstände ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung maßgebend, wobei sich das Gesamtbild nach den tatsächlichen Verhältnissen bestimmt (BSG, a.a.O.). Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist (BSG, a.a.O.). Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (BSG, a.a.O.). Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine formlose Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist (BSG, a.a.O.).
b) Gemessen an diesen Maßstäben überwiegen die Merkmale für eine Beschäftigung deutlich. Unter Berücksichtigung aller Umstände der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse hat die Kammer keine Zweifel, dass der Kläger in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur Beigeladenen gestanden hat.
aa) Zwar liegen auch Merkmale für eine selbständige Tätigkeit vor:
Der Kläger konnte über seine Arbeitskraft frei verfügen und er hatte auch bezüglich seiner Rolle Lebensmitteltechniker im Wesentlichen Gestaltungsfreiheit. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Eigenverantwortlichkeit des Auftragnehmers bei Diensten höherer Art noch kein Beweis für seine persönliche Unabhängigkeit ist.
Dass der Kläger einen Teil der Arbeit zu Hause erledigte, spricht nicht zwingend für eine eigene Betriebsstätte und eine Selbstständigkeit, denn auch Arbeitnehmer, denen Heimarbeit gewährt wird, können von zu Hause aus arbeiten.
Dass der Kläger seine Leistung in Rechnung gestellt, sind Indizien für eine selbstständige Tätigkeit (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Juni 2017, L 9 KR 354/13). Formalen Kriterien dieser Art kommen indes generell nur eine sehr geringe Bedeutung zu (LSG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 14. Dezember 2016, L 9 KR 344/13 und 15. Dezember 2015, L 9 KR 82/13).
Ein selbstständiger Handelsvertreter im Sinne des § 84 Abs.1 S.1 HGB war der Kläger nicht, da er nur den Mitarbeiter L. der Beigeladenen bei den Verkaufsgesprächen unterstütze, ohne selbst Geschäfte eigenständig zu vermitteln.
bb) Es überwiegen indes diejenigen Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen, deutlich:
Zum einen spricht hierfür, dass dem Kläger die wesentlichen Arbeitsmittel, wie das iPad, von der Beigeladenen gestellt wurden.
Er hat auch die Nebenkosten für Fahrten, Versand und Telefon erstattet bekommen.
Zum anderen erbrachte er die Leistungen persönlich, da er selbst keine eigenen Hilfskräfte beschäftigte.
Ferner bestand ein Wettbewerbsverbot während der Tätigkeit. Im Wesentlichen konnte der Kläger damit keiner umfassenden anderen Tätigkeit nachgehen, da ein Interessenkonflikt möglich war.
Als wesentliches Merkmal ist anzusehen, dass der Kläger kein Unternehmerrisiko hatte. Nach der Rechtsprechung (BSG, SozR 3-2400 § 7 Nr. 13 S 36; BSG Urteil vom 25.1.2001, B 12 KR 17/00 R, BSG Urteil vom 28.9.2011, B 12 R 17/09 R) ist dabei maßgebendes Kriterium, dass eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Die Kammer kann ein solches nicht erkennen. Vielmehr hat der Kläger eine feste Entlohnung von 3.200 Euro erhalten. Selbst die Kosten für Fahrten, Übernachtungen und für die Telefonbenutzung musste er nicht tragen. Dass er an dem Umsatz vertraglich beteiligt war, ist nicht erheblich, denn die feste Entlohnung war ihm gewiss; zudem gibt es auch bei Arbeitnehmern Gewinnbeteiligung bei Erreichung eines Umsatzes.
Ebenfalls gewichtig ist, dass der Kläger auch in den fremden Betrieb der Beigeladenen eingegliedert war. Er führte die Verkaufsgespräche nicht selbstständig durch. Vielmehr organisierte Herr L. die Termine und der Kläger kam nur zur Unterstützung mit. Der Kläger übernahm letztlich im Gefüge der Beigeladenen nur die Rolle eines Beraters für die Prozesstechnik; er alleine konnte bei den Kunden keine Verkäufe bewirken; der Kläger war auch auf den Mitarbeiter L. und M. angewiesen, da diese die Größe und Art der Maschinen der Beigeladenen kannten. Auch gegenüber den Kunden trat der Kläger als Mitarbeiter der Beigeladenen auf, da er sowohl auf der Messe als auch bei den Kunden mit einem Hemd mit Logo der Beigeladenen auftrat. Auch die Visitenkarten und die Benutzung einer E-Mail-Adresse bei der Beigeladenen bestätigen den Eindruck, dass der Kläger „ein Zahnrad“ im „Uhrwerk“, mithin Teil des Betriebs der Beigeladenen war.
cc) Unter Abwägung der genannten Kriterien für und gegen eine Beschäftigung, überwiegen die Indizien für die Annahme einer Beschäftigung deutlich, insbesondere da es an einem Unternehmerrisiko bei dem Kläger fehlte.
Die Annahme einer Beschäftigung des Klägers bei der Beigeladenen und die daraus gefolgerten Versicherungspflichten sind mithin als zutreffend anzusehen. Ergänzend wird insoweit auf die Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid der Beklagten gemäß § 136 Abs. 3 SGG verwiesen.
Die angegriffenen Bescheide sind mithin rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht. Die Klage ist daher abzuweisen.
B.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 S.1 SGG und berücksichtigt den Ausgang in der Sache.