Landgericht Verden
Urt. v. 23.03.2006, Az.: 4 O 421/05
Bibliographie
- Gericht
- LG Verden
- Datum
- 23.03.2006
- Aktenzeichen
- 4 O 421/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 43740
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGVERDN:2006:0323.4O421.05.0A
Fundstellen
- AG-Report 2006, R530 (Urteilsbesprechung von RA Dr. Jochen Weck; erläuternd)
- VuR 2006, 396-397 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
In dem Rechtsstreit
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
Klägerin,
gegen Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte
Beklagte,
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Verden
auf die mündliche Verhandlung vom 2. März 2006 durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht die Richterin am Landgericht
und
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.660,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12. Oktober 2005 zu zahlen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 4% und die Beklagte 96%.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin macht Ansprüche auf Schadenersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung hinsichtlich angelegter Beträge für die minderjährigen Kinder ....... und ..... geltend. Die Klägerin ist die Mutter dieser Kinder. Der Vater der Kinder, Herr ..... kaufte im November 1999 Fondsanteile in Höhe von jeweils 30.000,00 DM (15.338,76 €) bei dem Fonds "A.L.S.A.-N M P". Zum Ende der Laufzeit im November 2004 wurden noch jeweils 5.670,00 € ausgezahlt. Die Klägerin macht den Differenzbetrag zu einem Wert in Höhe von 80 % des angelegten Betrages als Schadenersatz geltend.
Sie trägt dazu vor, der Bankangestellte .... habe seinerzeit erklärt, dass 80 % des angelegten Betrages garantiert seien. Prospekte seien seinerzeit nicht ausgehändigt worden. Noch im Frühjahr 2002 habe der Bankangestellte .... bestätigt, dass 80 % garantiert seien. Anderenfalls hätte die Klägerin den Schaden schon damals gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Deshalb könne sich die Beklagte auch nicht auf Verjährung berufen.
Nach teilweiser Klagrücknahme beantragt die Klägerin,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 12.660,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, der Klägerin oder ihrem Ehemann sei nie erklärt worden, dass 80 % garantiert seien. Vielmehr ergebe sich aus den Prospekten, dass nur 20 % abgesichert seien. Bei der Klägerin und ihrem Ehemann habe es sich auch um erfahrene Anleger gehandelt, wie sich aus dem Erhebungsbogen ergebe. Der Zeuge .... habe gegenüber der Klägerin oder ihrem Ehemann ebenfalls nichts hinsichtlich einer 80%-igen Garantie zugesagt. Darüber sei nicht gesprochen worden. Erstmals am 19. Mai 20.04 habe es ein Gespräch über diese Anteile der Kinder der Klägerin gegeben. Darin habe der Zeuge .... klargestellt, dass lediglich 20 % auf den Kaufpreis zum Laufzeitende des Fonds abgesichert seien. Die Forderung der Klägerin sei auch verjährt.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß dem Beweisbeschluss vom 07. Februar 2006 (BI. 90 d. A.). Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das gerichtliche Protokoll vom 02. März 2006 (Bl. 99 ff d. A.) verwiesen.
Zur ergänzenden Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadenersatz aufgrund einer positiven Vertragsverletzung eines zwischen den Parteien geschlossenen Anlageberatungsvertrages.
Zwischen den Parteien ist ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen. Es liegt nicht nur eine bloße Anlagevermittlung vor, da hier nicht die Beklagte für eine bestimmte Kapitalanlage im Interesse des Kapitalsuchenden und auch mit Rücksicht auf die ihr von diesem versprochene Provision den Vertrieb übernommen hat. Vielmehr hat die Klägerin, vertreten durch ihren Ehemann, die Mitarbeiter der Beklagten hinzugezogen, weil er selbst keine ausreichenden wirtschaftlichen Kenntnisse und keinen genügenden Überblick über wirtschaftliche Zusammenhänge bzgl. der Kapitalanlage hatte. Er erwartete nicht nur die Mitteilung von Tatsachen, sondern insbesondere deren fachkundige Bewertung und Beurteilung. In einem solchen Vertragsverhältnis hat der Berater regelmäßig weitgehende Pflichten gegenüber dem betreuten Kapitalanleger. Als unabhängiger, individueller Berater, dem weitreichendes persönliches Vertrauen entgegen gebracht wird, muss er besonders differenziert und fundiert beraten. Dabei kommt ein solcher Beratungsvertrag bereits stillschweigend dann zustande, wenn der Mitarbeiter der Bank erkennt, dass der Kunde das Ergebnis der Beratung zur Grundlage einer Anlageentscheidung machen will (BGHZ 123, 126 und BGH NJW 2000, 3275).
Der Mitarbeiter der Bank muss den Kunden über alle für die Anlageentscheidung wesentlichen Umstände informieren. Die Beklagte schuldete somit eine anlegergerechte und objektgerechte Beratung, deren Umfang sich u.a. aus § 31 WpHG ergibt.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Klägerin bewiesen, dass die Beklagte sie nicht umfassend vor der Kapitalanlageentscheidung zugunsten des Fonds A.L.S.A. - N M P/ 2004 aufgeklärt hat. Zwar ist der Zeuge ........ der Ehemann der Klägerin, die den Schadenersatzanspruch als Erziehungsberechtigte für die minderjährigen Kinder ..... und ........ geltend macht. Die Aussage eines, zumindest mittelbar, am Ausgang des Rechtsstreits Interessierten ist immer mit großer Vorsicht zu bewerten, zumal der Zeuge .... hier selbst tätig war und letztlich die Anlageentscheidung getroffen hat. Er hat aber den Gang der Anlageberatung und der Entscheidung darüber sowie auch die weiteren Gespräche derart überzeugend und umfassend geschildert, dass die Kammer von der Richtigkeit seiner Darstellung überzeugt ist. So hat er im Einzelnen geschildert, wie die Entscheidung für diesen Fonds zustande gekommen ist, insbesondere, dass ihm der Zeuge ...... geschildert habe, es bestehe immer eine 80 %ige Sicherheit. Demgegenüber konnte sich der Zeuge ..... angeblich an ein Gespräch über diese Anlage konkret nicht erinnern. Obwohl er ihn etwa 5 Jahre lang in der Anlageberatung betreut hat, konnte er sich nicht einmal mehr erinnern, ob der Zeuge ...... seinerzeit als risikofreudig oder eher konservativ in der Geldanlage einzuschätzen war. Der Zeuge W machte auch insgesamt einen sehr unsicheren Eindruck und konnte auch jetzt noch nicht, obwohl er sich über das Internet darüber informiert hatte, die Absicherung über diesen Fonds erklären. Auch deshalb ist die Kammer davon überzeugt, dass er seine solche Erklärung auch nicht Ende 1999 gegenüber dem Zeugen .... hat abgeben können. Hinzu kommt, dass die Familie ... ausweislich der von der Beklagten selbst überreichten Fragebögen zu Vermögensanlagen (BI. 35 ff d. A.) als grundsätzlich konservativ orientiert einzuschätzen war. Um so mehr hätte es dem Zeugen ..... oblegen, auf die Risiken einer Anlage am sog. Neuen Markt hinzuweisen. Es erscheint auch unglaubwürdig, dass der Zeuge ....... sich an Gespräche dazu nicht erinnern kann. Weiter kommt hinzu, dass nach den von der Beklagten überreichten Unterlagen die Risikodarstellung, insbesondere auf S. 3 des Prospektes (BI. 48 d.A.), weitgehend unklar ist, wenn dort ausgeführt wird: "Ihre Sicherheit: Sie besitzen einen Risikopuffer. Bei einem Kursrückgang des ausgewählten Aktienkorbes von bis zu 20 % erhalten Sie Ihr Kapital in voller Höhe zurück (abzgl. Ausgabeaufschlag): Sie sind lediglich an darüber hinaus gehenden Kursverlusten beteiligt." Erst in den Folgeseiten wird eine Absicherung von 20 % erwähnt (BI. 50 u. 52 d. A.). Diese Formulierungen hätte der Zeuge .. dem Zeugen ...... erläutern müssen. Die Kammer glaubt dem Zeugen nicht, dass er sich daran nicht erinnern kann.
Aufgrund der unzureichenden Beratung ist die Beklagte der Klägerin zum Schadenersatz verpflichtet. Dieser Anspruch ergibt sich aufgrund der Anlage im Jahre 1999 unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung (nach dem BGB a.F.).
Dieser Anspruch ist auch nicht verjährt. Zwar verjährt ein solcher Anspruch gemäß § 37 a WpHG grundsätzlich in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist, d.h. von dem Beginn der Kapitalanlage an. Der Beklagten ist es jedoch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Verjährung zu berufen, weil sie die Klägerin von der rechtzeitigen Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches abgehalten hat. So ist das Gericht ebenfalls davon überzeugt, dass der Zeuge ..... dem Zeugen ...... im Frühjahr 2002 auf diese Anlage angesprochen hat, als der Zeuge ...... bei einem Gespräch die handschriftliche Notiz über einen Betrag in Höhe von 80 % bemerkte. Auch insoweit folgt das Gericht der Aussage des Zeugen ..... der im Einzelnen geschildert hat, wie es zu diesem Gespräch kam und wie dieses Gespräch ablief, insbesondere, dass der Zeuge .... dieses zunächst anders gesehen habe und erst nach einem Blick in den PC die Ansicht des Zeugen ... bestätigt habe. Dieser Ablauf ist ungewöhnlich und spricht zunächst ("er sähe das anders") gegen eine erneute Falschberatung, so dass für den Zeugen ... kein Grund bestand, einen solchen Ablauf zu schildern. Gerade deshalb erscheint dann die Bestätigung der Ansicht des Zeugen W durch den Zeugen .... nach einem Blick in den PC glaubwürdig. Dem gegenüber hat sich der Zeuge ... an solch ein Gespräch ebenfalls nicht mehr erinnern können, aber immerhin bestätigt, dass sich in den von dem Zeugen.... zu Gesprächen mitgebrachten Unterlagen handschriftliche Notizen von ihm befanden. Aufgrund seiner detaillierten Schilderung folgt die Kammer der Aussage des Zeugen .... dass die Beklagte aufgrund erneuter Bestätigung ihrer Falschberatung die Einrede der Verjährung nach Treu und Glauben nicht erheben kann.
Zur Höhe hat die Klägerin im Einzelnen dargelegt, dass sie die Differenz zwischen dem ausgezahlten Betrag und der 80 %igen Absicherung, auf die sie vertraut hat, geltend macht.
Der Klage war deshalb (nach teilweiser Klagrücknahme) in vollem Umfang stattzugeben.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§91, 92 l, 709 ZPO.