Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 10.11.1998, Az.: 5 U 114/98

Annahme eines Vermächtnisses durch schlüssiges Verhalten; Anforderungen an eine bewusste Inanspruchnahme der Wohnung als Vermächtnisgegenstand; Konkludente Annahme durch bloßes Wohnenbleiben

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
10.11.1998
Aktenzeichen
5 U 114/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 28735
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1998:1110.5U114.98.0A

Fundstellen

  • FamRZ 1999, 1618-1619 (Volltext mit amtl. LS)
  • OLGReport Gerichtsort 1999, 106-107

Amtlicher Leitsatz

Das bloße Wohnenbleiben bedeutet allein keine konkludente Annahme eines darauf gerichteten Vermächtnisses.

Gründe

1

Ohne Erfolg versucht die Berufung die Wirksamkeit der Ausschlagung des Vermächtnisses durch den Kläger in Zweifel zu ziehen und so die Anrechnung des Vermächtnisses auf den Pflichtteilsanspruch zu begründen. Der Übergang dieses Rechtes zur Ausschlagung auf den Kläger im Erbwege gemäß §§ 2180 Abs. 3 i.V.m. 1952 Abs. 1 BGB scheitert gemäß § 2180 Abs. 1 BGB nicht daran, dass der Vater das Vermächtnis bereits angenommen hatte.

2

Die Annahme eines Vermächtnisses erfolgt gemäß § 2180 Abs. 2 BGB durch eine formlose empfangsbedürftige Willenserklärung, die auch durch schlüssiges Verhalten gegenüber dem beschwerten Erben erfolgen kann (vgl. statt aller Palandt/Edenhofer, BGB, 57. Aufl., § 2180 Rn. 1). Eine ausdrückliche Erklärung, die auf eine Annahme des Vermächtnisses hindeuten könnte, hat der Vater des Klägers unstreitig nicht abgegeben. Nach den Gesamtumständen ist aber auch keine Annahmeerklärung durch schlüssiges Verhalten festzustellen. Die von der Berufung dafür herangezogenen Gründe, die sich im Kern auf das bloße Wohnenbleiben des alkoholkranken Bruders des Erben für gut 5 Wochen in der seit den siebziger Jahren ihm durch seinen Vater unter Übernahme des weiteren Unterhalts zur Verfügung gestellten Wohnung zurückführen lassen, tragen eine solche konkludente Willenserklärung nicht.

3

Nach dem erstinstanzlichen Vorbringen der Beklagten scheidet eine Annahmeäußerung bereits deswegen aus, weil der Vater des Klägers keine Kenntnis von dem Erbfall und der Enterbung gehabt haben soll. Soweit jetzt die Berufung - wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch einmal bekräftigt - für die entsprechende Kenntniserlangung unter Bezugnahme auf die angefochtene Entscheidung ausdrücklich auf die Testamentseröffnung nach der Großmutter hinweist und ebenso ausdrücklich von der Einsichtsfähigkeit des Vaters des Klägers ausgeht, ist aus dessen Verhalten nicht mit der erforderlichen Sicherheit (§ 286 ZPO) auf den rechtsverbindlich geäußerten Willen zu schließen, das Vermächtnis annehmen zu wollen. Zwar kann in der bloßen Inanspruchnahme eines Vermächtnisses ein Indiz für eine stillschweigende Annahme liegen (vgl. Palandt/Edenhofer a.a.O. Rn. 1 m.w.N.). Hier ist jedoch gerade zweifelhaft, ob der Vater des Klägers auch und gerade wegen des Vermächtnisses in der Wohnung geblieben ist oder aber nur deswegen, weil er diese schon seit Jahrzehnten bewohnte. Es fehlt mithin an hinreichenden Anhaltspunkten, die wenigstens den sicheren Schluss auf eine bewusste Annahme bzw. Inanspruchnahme der Wohnung als Vermächtnisgegenstand ermöglichen, was dann seinerseits für eine konkludente Annahme des Vermächtnisses selbst streiten könnte. Auch die weiteren rationalen Erwägungen der Berufung können allenfalls dafür sprechen, dass sich der Vater des Klägers aus persönlichen, sozialen und wirtschaftlichen Gründen eine Ausschlagung objektiv nicht habe leisten können. Ein für die Annahmeerklärung zumindest erforderliches entsprechendes schlüssiges Verhalten ist damit allein nicht zwangsläufig verbunden und wird auch von der Berufung nicht aufgezeigt. dass sich der seit langer Zeit alkoholkranke, berufs- und allein insgesamt lebensuntüchtige Vater des Klägers insoweit überhaupt Gedanken gemacht hat, die von ihm dann auch noch in einem Verhalten mit rechtsverbindlichem Erklärungsinhalt gegenüber seinem Bruder umgesetzt worden sind, ist nicht ersichtlich. Entsprechendes vermag auch die Berufung nicht darzustellen. Den dafür herangezogenen Schreiben des Rechtsanwalts K. und dem von der Beklagten verfassten Prozesskostenhilfegesuch vom 26.10.1992 ist dafür nichts zu entnehmen. Fehlt es aber an jedem Anhalt, dass in dem Wohnenbleiben auch eine rechtsverbindliche Willensäußerung im Hinblick auf die Annahme des Vermächtnisses zu sehen ist, kann nicht von einer solchen die Ausschlagungsmöglichkeit ausschließenden Erklärung ausgegangen werden. Die Ausschlagung des Vermächtnisses durch den Erben ist daher wirksam. Eine Anrechnung auf den Pflichtteil kommt nicht in Betracht.