Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 10.11.1998, Az.: 5 U 91/98
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 10.11.1998
- Aktenzeichen
- 5 U 91/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 34138
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1998:1110.5U91.98.0A
Fundstellen
- FamRZ 1999, 1315-1316 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1999, 550-551 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW-RR 1999, 734-735 (Volltext mit amtl. LS)
- OLGReport Gerichtsort 1999, 159-161
- RdL 2000, 205-206
In dem Rechtsstreit
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 13.Oktober 1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht .. und die Richter am Oberlandesgericht ..und.
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 12. Mai 1998 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen geändert und wie folgt neu gefaßt: Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 42.000.-DM nebst 4% Zinsen seit dem 10.3.1998 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die im ersten Rechtszug entstandenen Kosten tragen die Parteien je zur Hälfte. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin zu 2/3 und dem Beklagten zu 1/3 auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird jeweils nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Wert der Beschwer der Klägerin übersteigt 60.000.-DM. Die Revision des Beklagten wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien sind Geschwister und die einzigen Kinder der am 1.4.1997 verstorbenen W..B.., geb. H., geb. W.. Die Erblasserin hinterließ keine letztwillige Verfügung.
14 Monate vor dem Erbfall, am 9.2.1996, schlossen die Erblasserin und der Beklagte einen notariell beurkundeten Vertrag, mit dem die Erblasserin im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ihr mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück (Flur . Flurstück . Gemarkung D.., eingetragen im Grundbuch von D.. Band . Blatt .) auf den Beklagten übertrug. Das Grundstück, dessen Wert in dem Vertrag mit 410.000.-DM beziffert wurde, stellte das wesentliche Vermögen der Erblasserin dar. Der Beklagte übernahm mit dem Eigentumserwerb die im Grundbuch eingetragenen Verbindlichkeiten, die im Vertrag mit 96.610.-DM angegeben wurden. Ferner räumte er der Erblasserin ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht an der im Hausanbau hinter dem Haupthaus gelegenen Wohnung, bestehend aus zwei Zimmern, Küche, Bad, Flur und Heizungsraum, ein und bewilligte die Eintragung eines Wohnungsrechts als beschränkt persönliche Dienstbarkeit im Grundbuch. Der Jahreswert des Wohnrechts wurde im Vertrag mit 6.000.-DM jährlich angegeben. Weiter ist in dem Vertrag ausgeführt, daß der Beklagte sich verpflichtet, bis spätestens zum 30.4.1996 an die Klägerin einen Betrag von 10.000.-DM zu zahlen. Weiter heißt es in dem Vertrag:
"Eine vollständige Abfindung der Schwester ist mit der Zahlung dieses Betrages nicht beabsichtigt; dieser stehen unter Berücksichtigung des gezahlten Betrages im künftigen Erbfall alle Erb- und Pflichtteilsansprüche zu. Im übrigen gilt folgendes:
Soweit der Wert des übertragenen Gegenstands die Gegenleistungen übersteigt, hat der Erschienene zu 2. diesen Wert bei einer künftigen Erbfolge zur Ausgleichung zu bringen, bzw. auf seine Pflichtteilsansprüche am Nachlaß der Erschienenen zu 1. anrechnen zu lassen.
Die Ausgleichung hat unter Zugrundelegung des heutigen Verkehrswerts des um die Gegenleistungen verminderten Vertragsgegenstands zu erfolgen.
Die Erschienene zu 1. und der Erschienene zu 2. vereinbaren hiermit ausdrücklich im Sinne eines Vertrages zugunsten Dritter gemäß § 328 BGB, daß die Schwester des Erschienenen zu 2. und Tochter der Erschienene zu 1., Frau A.. S.., auch über die Dauer von zehn Jahren hinaus ihre Rechte gemäß § 2325 BGB (Pflichtteilsergänzung wegen Schenkungen) geltend machen kann. Die gesetzliche Zehnjahresfrist zur Geltendmachung gemäß § 2325 Abs. 3 BGB soll im Verhältnis der Geschwister untereinander nicht gelten.
Soweit nicht die vorstehend vereinbarte Ausgleichungs- und Anrechnungspflicht des Erschienenen zu 2. zu einer vollen Berücksichtigung des Pflichtteilsanspruchs der Schwester A. S. führt, soll diese berechtigt sein, auch nach Ablauf von zehn Jahren ab Zuwendung des Vertragsgegenstands noch Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen den Bruder geltend zu machen. Der Erschienene zu 2. erkennt diese Verpflichtung ausdrücklich an.
Im übrigen erfolgt die Zuwendung unentgeltlich."
Der Beklagte leistete den vereinbarten Betrag von 10. 000 DM an die Klägerin. Der bereinigte Nachlaß der Erblasserin betrug 14.000.-DM wovon die Klägerin die Hälfte erhielt.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, daß der Grundstückswert abzüglich erbrachter Gegenleistungen dem Nachlaß hinzuzurechnen sei, und hat den auf sie entfallenden Anteil am Nachlaß zunächst wie folgt berechnet: Abzüglich der übernommenen Belastungen in Höhe von 96.610.-DM sowie eines Mietwerts von 14 Monaten in Höhe von insgesamt 4.200.-DM stehe ihr ein Anteil in Höhe von 144.500.-DM zu.
Nachdem der Beklagte während des Rechtsstreits einen weiteren Betrag in Höhe von 22.847,50 DM geleistet hat, hat die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 120.347,50 DM nebst 4% seit dem 10.3.1998 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach seiner Auffassung habe der Klägerin aufgrund der Grundstücksübertragung lediglich ein Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe des anerkannten Betrages zugestanden. Von dem Grundstückswert in Höhe von 410.000.-DM seien die übernommenen schuldrechtlichen Verpflichtungen in Höhe von 96.610.-DM sowie der kapitalisierte Wert des Wohnrechts in Höhe von 168.800.-DM abzuziehen, der sich -bei einem durchschnittlichen Mietzins von 11.-DM pro qm für die 70 qm- Wohnung- aus einem Jahreswert des Wohnrechts von 8.400.-DM und einer statistischen Lebenserwartung der Erblasserin von zwanzig Jahren bei Abschluß des Vertrages ergebe. Aus dem so errechneten Betrag von 145.390.-DM zuzüglich des Werts des Nachlasses von 14.000.-DM ergebe sich ein Pflichtteilsergänzungsanspruch von 39.747,50DM, der durch die vorprozessualen Leistungen in Höhe von 17.000.-DM sowie die während des Rechtsstreits geleisteten 22.847,50 DM erfüllt worden sei.
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, daß der Klägerin der zuerkannte Betrag aufgrund Ziffer 3.3 des Übertragungsvertrages zustehe. Wegen dieser Vertragsbestimmung handele es sich bei dem notariellen Vertrag um einen Vertrag zugunsten Dritter im Sinne des § 328 BGB, da hiernach die Klägerin für den dem Beklagten schenkweise zugewandten Teil einen Ausgleich erhalten sollte. Da die Parteien die einzigen Kinder der Erblasserin gewesen seien und eine andere Ausgleichsquote im Vertrag nicht bestimmt gewesen sei, könne nur ein hälftiger Ausgleich in Betracht kommen. Hinsichtlich der Berechnung der vom Beklagten erbrachten Gegenleistung des Wohnrechts könne nur deren tatsächliche Laufzeit und nicht der kapitalisierte Wert des Wohnrechts zugrunde gelegt werden, da der Übertragungsvertrag eine solche Wertberechnung des Wohnrechts im Rahmen des Ausgleichsanspruchs nicht vorsehe und es im übrigen grob unbillig wäre, das Wohnrecht bei einer Lebenserwartung von noch zwanzig Jahren zu kapitalisieren.
Der Beklagte verfolgt mit seiner Berufung seinen erstinstanzlich gestellten Antrag auf Klageabweisung weiter. Er trägt vor, daß -auch nach im Vertrag zum Ausdruck gekommenen Willen der Erblasserin- der Klägerin lediglich der volle Pflichtteilsanspruch, mithin ein Viertel des Werts des dem Beklagten unentgeltlich zugewandten Gegenstands zustehen sollte; eine Ausgleichsverpflichtung des Beklagten sei in dem Vertrag gerade nicht vereinbart worden. Ferner greift der Beklagte das angefochtene Urteil hinsichtlich der Berücksichtigung der übernommenen Verpflichtungen und der vom Beklagten eingeräumten Gegenleistung an: Die tatsächlich übernommenen Verpflichtungen hätten entgegen dem Übertragungsvertrag insgesamt 99.239,23 DM betragen; ferner sei der kapitalisierte Wert des Wohnrechts auf der Grundlage der statistischen Lebenserwartung der Erblasserin vom Grundstückswert in Abzug zu bringen.
Der Beklagte beantragt,
in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung. Wenn auch die Regelung in Ziffer 3.3 des Vertrages nicht durch ihre Klarheit besteche, habe die Erblasserin darin eine Ausgleichsverpflichtung des Beklagten angeordnet. Ergänzend trägt die Klägerin vor, daß sich angesichts der vertraglichen Regelung der Ansatz des in dem Vertrag mit einem Jahreswert von 6.000.-DM bezifferten Wohnrechts mit einem abstrakt kapitalisierten und an der Lebenserwartung der Erblasserin ausgerichteten Wert verbiete. Soweit der Beklagte höhere Gegenleistungen als im Vertrag festgelegt übernommen habe, handele es sich insoweit um keine Gegenleistung, sondern um eine Schenkung des Beklagten, die bei der Wertberechnung außer Betracht zu bleiben habe, zumal es sich bei den vom Beklagten vorgetragenen Leistungen an die Gläubiger um zwischenzeitlich aufgelaufene Zinsen und eine Vorfälligkeitsentschädigung handele, die an dem Wert der Gegenleistung ohnhehin nichts ändere.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg. Der Klägerin steht über die bereits vom Beklagten erbrachten Leistungen nur noch ein Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 64.347,50 DM zu.
1. Ein Anspruch der Klägerin in Höhe der Hälfte des um die vom Beklagten in dem Vertrag vom 9.2.1996 übernommenen Verpflichtungen verringerten Werts des Grundstücks besteht nicht.
Da das Grundstück aufgrund der vor dem Erbfall vollzogenen Übertragung auf den Beklagten nicht zum Nachlaß gehörte, kann sich der geltend gemachte Anspruch nur aus dem zwischen der Erblasserin und dem Beklagten geschlossenen Vertrag vom 9.2.1996 ergeben. Der Beklagte hat sich in diesem Vertrag aber nicht zur Zahlung eines hälftigen Anteils an der seine Gegenleistungen übersteigenden Zuwendung der Erblasserin im Sinne des §§ 328, 331 BGB verpflichtet.
a) Weder die im Vertrag verwandte Formulierung, daß mit der vertraglich vereinbarten Zahlung von 10.000.- DM eine vollständige Abfindung der Klägerin nicht beabsichtigt sei und ihr unter Berücksichtigung des gezahlten Betrages im künftigen Erbfall alle Erb- und Ausgleichsansprüche zustünden, noch die Wendung, daß der Beklagte die Differenz aus dem Wert des übertragenen Grundstücks und des Werts der übernommenen Verpflichtungen bei einer künftigen Erbfolge zur Ausgleichung zu bringen habe, lassen die Auslegung zu, daß der Beklagte damit die Verpflichtung übernommen hat, der Klägerin die Hälfte der sich aus dieser Differenz ergebenden unentgeltlichen Zuwendung der Erblasserin auszuzahlen.
Vielmehr sind diese Vertragsregelungen ersichtlich an den Wortlaut der §§ 2050, 2056 BGB angelehnt, wonach die Abkömmlinge bei der gesetzlichen Erbfolge das vom Erblasser zu Lebzeiten als Ausstattung Erhaltene bei der Erbauseinandersetzung untereinander auszugleichen zu haben. Damit steht zunächst die Formulierung in Einklang, daß der Klägerin im künftigen Erbfall alle Erb- und Pflichtteilsansprüche zustehen sollten, denn diese Regelung steht im ausschließlichen Zusammenhang mit der Regelung, daß der Beklagte vorab einen Geldbetrag von 10.000.- DM zu leisten habe, was sich bereits aus dem Eingangssatz ergibt, wonach eine vollständige Abfindung der Klägerin mit der Zahlung dieses Betrages nicht beabsichtigt sei. Insbesondere ergibt sich nichts anderes aus der Regelung, daß der Beklagte bei einer künftigen Erbfolge dasjenige zur Ausgleichung zu bringen habe bzw. sich auf seine Pflichtteilsansprüche am Nachlaß der Erblasserin anrechnen lassen müsse, um das der Wert des übertragenen Gegenstands die Gegenleistungen übersteigt, denn dies entspricht exakt der gesetzlichen Regelung des § 2050 BGB. Die hierdurch angesprochene Ausgleichung setzt aber stets einen zu verteilenden Nachlaß voraus, sie gewährt keinen selbständigen Anspruch auf Herausgabe der Vorempfänge, was § 2056 BGB ausdrücklich verwehrt, sondern bedeutet lediglich, daß bei Auseinandersetzung des vorhandenen Nachlasses (§ 2042 BGB) sich ein Abkömmling bestimmte Zuwendungen, die er als Vorausleistung vom Erblasser zu Lebzeiten erhalten hat, gegenüber den anderen Abkömmlingen anrechnen lassen muß.
Die nahezu wörtliche Übernahme des § 2050 BGB in der Vertragsregelung führt daher nicht zu einem Geldanspruch der Klägerin, wie er auch bei § 2050 BGB nicht bestünde (vgl. nur Palandt- Edenhofer, BGB, 57. Aufl., § 2050 Rdn.1), sondern lediglich zu einem der Teilung zugrunde zu legenden Rechnungsposten, so daß bei der Teilung der Verpflichtete um so viel weniger erhält, als er vorzeitig bereits empfangen hat.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Ziffer 3 Absatz 5 und 6 des Übertragungsvertrages. Soweit in diesen Vertragsbestimmungen ausdrücklich eine Regelung getroffen worden ist, aus der die Klägerin unmittelbar eigene Ansprüche ableiten kann, bezieht sich dieser Vertrag zugunsten der Klägerin ausschließlich auf die Verjährung ihres Pflichtteilsergänzungsanspruchs gemäß § 2325 BGB, nicht jedoch auf einen weiteren selbständigen Ausgleichsanspruch.
Daß die Erblasserin eine Gleichbehandlung der Parteien hinsichtlich des Nachlasses und des zu Lebzeiten übertragenen Grundstücks beabsichtigt hatte und der Klägerin daher ein über eine Pflichtteilsergänzung hinausgehender Ausgleichsanspruch zustehen sollte, wie die Klägerin behauptet, ergibt sich aus dem Übertragungsvertrag nicht. Allein dies ist hier von Bedeutung, da die notarielle Urkunde die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich hat und daher der Wortwahl in einer Notariatsurkunde für die Einschätzung des rechtsgeschäftlichen Inhalts der beurkundeten Erklärung erhebliches Gewicht zukommt (vgl. BGH, NJW 1981, 2687, 2688 [BGH 10.07.1981 - V ZR 79/80]; 1992, 238) und außerhalb der Urkunde bestehende Umstände von der Klägerin nicht vorgetragen worden sind, die auf einen entsprechenden rechtsgeschäftlichen Willen der Parteien schließen lassen.
b) Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 13.10.1998, in der eine Beweisaufnahme möglich gewesen und bei rechtzeitigem Vorbringen auch durchgeführt worden wäre, behauptet hat, daß die Erblasserin vor und -wiederholt- nach Abschluß des notariellen Vertrages in ihrer Gegenwart erklärt habe, die Klägerin erhalte die Hälfte des Nachlasses, und diese Behauptung in das Wissen einer sistierten Zeugin gestellt hat, war dieser erstmals in der Berufungsinstanz vorgebrachte Sachvortrag gemäß § 520 Abs.2 ZPO in Verbindung mit § 296 Abs.1 und 4 ZPO nicht zuzulassen, da die Klägerin dieses Angriffsmittel erst nach Ablauf der ihr gesetzten Berufungserwiderungsfrist vorgebracht hat und zur Überzeugung des Senats seine Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert hätte. Allein die Vernehmung der von der Klägerin sistierten Zeugin hätte der gebotenen Sachaufklärung nicht genügt, da sich der Beklagte gegenbeweislich für den von ihm behaupteten Inhalt des Übertragungsvertrages auf das Zeugnis seiner Ehefrau und der beurkundenden Notarin berufen hat; auch bei Vernehmung der von der Klägerin sistierten Zeugin hätte es eines weiteren Verhandlungstermins bedurft. Die Klägerin hat die Verspätung auch nicht genügend entschuldigt, denn schon dem erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin war der verspätete Sachvortrag bekannt. Die Klägerin durfte im Hinblick auf das der Klage zusprechende Urteil erster Instanz auch nicht darauf vertrauen, daß es auf den verspäteten Sachvortrag nicht ankommen würde, da der Beklagte nicht erst in der Berufungsinstanz, sondern schon in erster Instanz die Auslegung des Übertragungsvertrages im Sinne der angefochtenen Entscheidung angegriffen hat.
c) Der Vortrag in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin 22.10.1998 hat dem Senat keinen Anlaß gegeben, die mündliche Verhandlung gemäß § 156 ZPO wieder zu eröffnen.
2. Der Klägerin steht jedoch ein Anspruch auf Pflichtteilsergänzung gemäß §§ 2325, 2329 BGB gegen den Beklagten wegen der teilweise unentgeltlichen Übertragung des Grundstücks in Höhe des zuerkannten Betrages zu.
a) Zu dem unstreitigen Nachlaßwert von 14.000.- DM ist der Wert des Grundstücks, den die Erblasserin und der Beklagte in dem Übertragungsvertrag im Anschluß an ein zuvor eingeholtes Wertermittlungsgutachten mit 410.000.-DM beziffert und den die Parteien übereinstimmend ihrem Sachvortrag zugrundegelegt haben, vermindert um die bestehenden dinglichen Belastungen in Höhe von 96.610.-DM, hinzuzurechnen.
Zwar kommt nach § 2325 Abs.2 S. 2 BGB der verschenkte Gegenstand grundsätzlich mit dem Wert in Ansatz, den er im Zeitpunkt des Erbfalls hatte; hier ist nach § 2325 Abs.2 S. 2 BGB der im Zeitpunkt der Schenkung geringere Wert des Grundstücks maßgeblich, denn der Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, an dem Haus erhebliche wertsteigernde Maßnahmen vorgenommen hat, so daß sich der Wert des Grundstücks zum Zeitpunkt des Erbfalls -auch unter Berücksichtigung des zwischenzeitlich eingetretenen Kaufkraftschwundes- auf den Erbfall erhöht hat.
Von dem zwischen den Parteien unstreitigen Wert des Grundstücks in Höhe von 410.000.-DM sind nur die vom Beklagten übernommenen Verbindlichkeiten in Höhe von 96.610.-DM in Abzug zu bringen. Soweit der Beklagte geltend gemacht hat, daß er über die im Übertragungsvertrag vereinbarte Übernahme der vorhandenen Belastungen weitere Tilgungsleistungen erbracht habe, hat die Klägerin substantiiert bestritten, daß es sich um solche Belastungen gehandelt habe, die bei Abschluß des Vertrages bereits bestanden haben.
b) Der Grundstückswert ist -anders auch als im angefochtenen Urteil- nicht zu ermäßigen, weil das verschenkte Grundstück hinsichtlich der Erdgeschoßwohnung im Zeitpunkt der Schenkung mit einem unentgeltlichen Wohnrecht zugunsten der Erblasserin belastet war, das sie sich im Übergabevertrag vom 9.2.1996 vorbehalten hatte. Zwar wäre nach der Rspr. des BGH (BGH FamRZ 1991, 552 mit ablehnender Anmerkung von Reiff; zuletzt: BGH WM 1996, 685, 687 =NJW-RR 1996, 705 [BGH 17.01.1996 - IV ZR 214/94]; a. A. auch Staudinger- Ferid/Cieslar, BGB, 12. Aufl., § 2325 Rz. 10, 71; Soergel/Dieckmann, BGB, 11. Aufl., § 2325 Rz. 19) eine derartige Kürzung vorzunehmen, weil das im Zeitpunkt der Schenkung mit einem lebenslangen Nutzungsrecht des Schenkers belastete Grundstück im Vergleich zu einem unbelasteten Grundstück einen geringeren Wert aufweist. Hiernach soll dann, wenn der für den Zeitpunkt des Schenkung des Schenkungsvollzugs (zunächst ohne Berücksichtigung des Wohnrechts) ermittelte Weit des Grundstücks unter dessen Wert im Zeitpunkt des Erbfalls liegt und es daher gemäß §§ 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB auf den Zeitpunkt der Schenkung an kommt, der hierfür festgestellte Betrag in den Wert des Wohnrechts, das die Erblasserin sich hat einräumen lassen, einerseits und in den verbliebenen Wert des Grundstückseigentums andererseits aufzuteilen sein. Nur der so ermittelte Restwert des Grundeigentums soll als von der Erblasserin im Zeitpunkt der Schenkung aus ihrem Vermögen ausgegliedert anzusehen sein (vgl. auch BGHZ 125, 395, 397 = WM 1994, 1635); dieser ist sodann unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes auf den Todestag der Erblasserin umzurechnen. Nur wenn der Wert des Grundstücks im Zeitpunkt des Erbfalles der gemäß § 2325 Abs. 2 BGB maßgebliche Wert ist, soll das Wohnrecht unberücksichtigt bleiben.
Der Senat vermag dieser Auffassung des BGH -jedenfalls für den vorliegenden Fall, in dem die tatsächliche Nutzungsdauer des Wohnrechts zu dem kapitalisierten Wert des Wohrechts außer Verhältnis steht- mit Rücksicht auf Sinn und Zweck der Bewertungsvorschrift des 2325 Abs. 2 S. 2 BGB und unter Berücksichtigung des starken Schutzes, den ein Pflichtteilsberechtigter gegen ihn benachteiligende Schenkungen genießt (§ 2325, 2329 BGB), nicht zu folgen. Nach Auffassung des Senats zwingt die Bewertungsvorschrift des § 2325 Abs. 2 S. 2 BGB in Fällen wie dem vorliegenden nicht dazu, den Wert des Wohnrechts uneingeschränkt bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs des übergangenen pflichtteilsberechtigten Erben zu berücksichtigen.
Zwar beruht das in dieser Vorschrift verankerte Niederstwertprinzip auf der Erwägung, daß man eine etwaige Verminderung des Wertes, welche der verschenkte Gegenstand in der Zeit zwischen der Schenkung und dem Erbfall erleidet, nicht den zur Gewährung des Pflichtteils Verpflichteten tragen lassen dürfe. Denn der Pflichtteilsberechtigte werde nur dadurch geschädigt, daß der Wert, welchen der verschenkte Gegenstand zur Zeit des Erbfalles hatte, zur Zeit des Erbfalls nicht mehr vorhanden sei. Habe. sich der Wert in der Zwischenzeit erhöht, so sei es gleichfalls billig, diesem Umstand auf die Erhöhung des Pflichtteilsanspruchs keinen Einfluß einzuräumen. Denn der Pflichtteilsberechtigte könne verlangen, daß der Erblasser solche Verfügungen unterlasse, durch welche der Pflichtteil entwertet werde; auf etwaige Erhöhungen des Wert der verschenkten Sache habe er keinen Anspruch (Prot V 583, 584; vgl. auch MK- Frank, 2. Aufl., § 2325 Rdn. 21). Diese Interessenabwägung läßt jedenfalls nicht zu, daß der Pflichtteilsberechtigte das Risiko zufälliger, nicht mit Sicherheit vorhersehbarer Wertveränderungen des verschenkten Gegenstandes zwischen Schenkung und Erbfolge tragen soll.
Der Senat kann in diesem Zusammenhang auch offen lassen, ob sich der Anwendungsbereich des § 2325 Abs.2 S.2 BGB nach Sinn und Zweck der Vorschrift lediglich auf die Fälle von Wertveränderungen, die den Gegenstand selbst betreffen beschränkt, oder auch allgemein alle Wertveränderungen erfaßt, die durch Veränderung rechtsgeschäftlicher Belastungen zwischen Schenkung und Erbfall entstehen (verneinend OLG Hamburg FamRZ 1992, 228). Jedenfalls zwingt § 2325 Abs. 2 S.2 BGB nicht stets dazu, rechtsgeschäftlich vereinbarte Belastungen wertmindernd zu berücksichtigen, sondern läßt Raum für eine wertende Betrachtung, ob bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs von der Berücksichtigung einer solchen Belastung aus triftigen Gründen abgewichen werden kann. Dies gilt inbesondere in den Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Erblasser kurze Zeit nach der Schenkung verstirbt und die tatsächliche Nutzungsdauer des Wohnrecht in keinem Verhältnis zu dem kapitalierten Wert des Wohnrechts steht. Vielmehr entspräche es nicht dem Grundsatz eines billigen Interessenausgleichs, den Pflichtteilsergänzungsanspruch der Klägerin nach dem Grundstückswert unter Berücksichtigung des Wohnrechtes, das sich die Erblasserin vertraglich vorbehalten hatte, zu ermitteln. Vielmehr hat der Beklagte mit der Grundstücksübertragung unentgeltlich das Eigentum am Grundstück und kurze Zeit später die mit dem Tode der Erblasserin eintretende uneingeschränkte Nutzungsbefugnis erworben, so daß das vorbehaltene Wohnrecht aufgrund der tatsächlichen Nutzungsdauer von nur 14 Monaten keine spürbare Minderung des übertragenen Vermögenswerts bewirkte.
Da der Beklagte im Wege einer rein zeitlichen Streckung des Erwerbs im Zeitpunkt des Erbfalls um den Wert des unbelasteten Gegenstands bereichert worden ist, ohne daß irgendeine Kompensation in das Vermögen der Erblasserin geflossen ist (vgl. Reiff NJW 1992, 2857, 2860), verbietet sich nach Auffassung des Senats auch, die tatsächliche Nutzungsdauer des Wohnrechts in Anrechnung zu bringen (ebenso Reiff NJW 1992, 2857; a.A. Mayer FamRZ 1994, 739; Pentz FamRZ 1997, 724, 728 m.w.N.).
c)Hieraus ergibt sich bei einem Wert der Schenkung in Höhe von 313.390.-DM ein Gesamtwert des fiktiven Nachlasses von 327.390.-DM, von dem der Klägerin ein Viertel abzüglich der an sie insgesamt geleisteten 39.747,50 DM, mithin 42.000.-DM zusteht.
3. Die Nebentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs.1, 708 Nr. 10 und 11, 711, 546 Abs.2 Nr. 2 ZPO.