Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 17.11.1998, Az.: 5 U 120/98
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 17.11.1998
- Aktenzeichen
- 5 U 120/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 34139
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1998:1117.5U120.98.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Oldenburg - 30.06.1998 - AZ: 8 O 1286/98
Fundstellen
- FamRZ 1999, 1537-1538 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1999, 232-233 (Volltext mit amtl. LS)
- OLGReport Gerichtsort 1999, 23-24
In dem Rechtsstreit
hat der 5.Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 1998 durch den den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht . und die Richter am Oberlandesgericht . und .
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 30. Juni 1998 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg wird zurückgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer übersteigt nicht 60.000,00 DM.
Tatbestand:
Der Kläger, Vater der Beklagten, begehrt die Feststellung, daß er durch sein mit seiner vorverstorbenen Ehefrau errichtetes gemeinsames Testament nicht in seiner Testierfähigkeit beschränkt ist.
Der Kläger errichtete am 06.05.1986 mit seiner am 14.08.1991 verstorbenen Ehefrau E. B. ein gemeinschaftliches notarielles Testament, in dem sich die Eheleute gegenseitig zu befreiten Vorerben und die Beklagten, ihre gemeinsamen Kinder, zu gleichen Teilen als Nacherben einsetzten. Der Kläger heiratete am 03.06.1993 erneut und erklärte durch die notarielle Urkunde vom 22.11.1993 die Anfechtung seiner gemeinschaftlichen letztwillen Verfügung vom 06.05.1986. Am 03.06.1997 beantragte der Kläge die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als befreiten Vorerben seiner verstorbenen Ehefrau und die Beklagten als Nacherben ausweist. Zur Begründung stützte er sich auf ein abhanden gekommenes Testament seiner Ehefrau, das inhaltlich der letztwilligen Verfügung vom 06.05.1986 entspreche. Das Amtsgericht erteilte den Erbschein antragsgemäß.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei durch das gemeinschaftliche Testament nicht in seiner Testierfähigkeit gebunden. Dieses enthalte keine ausdrückliche Regelung, daß die Beklagten auch Erben des Längstlebenden sein sollten. Zudem sei die Bestimmung der gemeinsamen Kinder zu Erben des Längstlebenden nicht wechselbezüglich zu der gegenseitigen Erbeinsetzung der Eheleute. Hilfsweise macht er geltend, das gemeinschaftliche Testament wirksam angefochten zu haben. Nach seiner Wiederverheiratung habe ihm entsprechend § 2281 BGB ein Anfechtungsrecht zugestanden, das er form- und fristgerecht ausgeübt habe.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß er durch das gemeinschaftliche Testament, das er am 06.05.1986 vor dem Notar H. S. in D. zu dessen Urkundenrolle Nr. 304/86 gemeinsam mit seiner verstorbenen Ehefrau E. B., geb. K., errichtet hat, nicht in seiner Testierfähigkeit gebunden ist.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben die Ansicht vertreten, die Klage sei bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, weil zunächst im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Wirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments hätte geklärt werden müssen. Im übrigen sei der Kläger in seiner Testierfähigkeit gebunden, weil ihre Einsetzung als Erben des Längstlebenden wechselbezüglich zu der gegenseitigen Erbeinsetzung der Eheleute sei. Die von dem Kläger erklärte Anfechtung des gemeinschaftlichen Testaments sei unwirksam, da der Kläger nicht zugleich das ihm Zugewendete ausgeschlagen habe.
Die Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg hat der Klage durch Urteil vom 30.06.1998 stattgegeben. Das für die Feststellungsklage erforderliche Rechtsschutzbedürfnis werde durch die mögliche Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments begründet, wobei die rechtliche Beziehung zwischen den Parteien durch den künftigen Nachlaß des Klägers vermittelt werde. Die Klage sei auch begründet, weil es an der Wechselbezüglichkeit der Verfügungen, durch die jeder Ehegatte die gemeinsamen Kinder zu seinen Erben eingesetzt habe, fehle.
Dagegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung, mit der sie zunächst die Zulässigkeit der Feststellungsklage zur Überprüfung stellen und die Auffassung vertreten, es solle unzulässigerweise das Erbrecht nach einer noch lebenden Person, des Klägers, festgestellt werden.
Die Feststellungsklage sei auch unbegründet, weil das Landgericht die Einsetzung der Beklagten als Erben des Längstlebenden zu Unrecht als nicht wechselbezüglich mit der gegenseitigen Erbeinsetzung der Eheleute angesehen habe. Für die Wechselbezüglichkeit dieser Verfügungen streite überdies die Vermutung des § 2270 Abs. 2 BGB; diese Vorschrift gelte auch dann, wenn sich -; wie hier -; Eheleute gegenseitig zu befreiten Vorerben und Kinder zu Nacherben eingesetzt hätten.
Im übrigen erlöscht das Recht zum Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen mit dem Tode des anderen Ehepartners; eine Aufhebung der Verfügung setze voraus, daß der Überlebende das ihm Zugewendete ausschlage; daran fehle es.
Die Beklagten beantragen,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er tritt der Berufung nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung entgegen.
Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Gründe
Die zulässige Berufung ist sachlich nicht gerechtfertigt.
Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, daß der Kläger durch das gemeinschaftliche Testament vom 06.05.1986 nicht in seiner Testierfähigkeit gebunden ist. Die Bindungswirkung ist durch die Testamentsanfechtung entfallen (§§ 2281, 2079 BGB analog).
1.) Ohne Erfolg wendet sich die Berufung gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage. Das Landgericht hat das Rechtsschutzbedürfnis für das Feststellungsbegehren des Klägers (§ 256 ZPO) zu Recht bejaht. Mit der vorliegenden Klage verfolgt der Kläger das Ziel festzustellen, daß er -; sei es wegen fehlender Wechselbezüglichkeit, sei es nach erfolgreicher Anfechtung -; durch das gemeinschaftliche Testament nicht in seiner Testierfähigkeit eingeschränkt wird. Im Gegensatz zur Auffassung der Berufung richtet sich dieses Klagebegehren auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 256 ZPO, weil es insoweit ausreicht, wenn sich aus einem bestimmten konkreten Sachverhalt, hier dem vorliegenden gemeinschaftlichen Testament, aufgrund bestimmter Rechtsnormen rechtlich geregelte Beziehungen zwischen Personen ergeben. Derartige Beziehungen bestehen aber kraft Gesetzes zwischen dem längstlebenden Ehegatten und den in einem gemeinschaftlichen Testament eingesetzten Erben und Nacherben, wie bereits aus §§ 2272, 2271 BGB folgt (BGHZ 35, 331 zum Rechtsverhältnis zwischen dem längstlebenden Ehegatten und dem in einem gemeinschaftlichen Testament mit einem Vermächtnis bedachten Dritten).
Da der Kläger ein wirtschaftliches und damit auch ein schutzwürdiges rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung hat, ist die Zulässigkeit der Feststellungsklage gegeben.
2.) Die Berufung macht allerdings zu Recht geltend, daß die gegenseitige Einsetzung der Eheleute B. zu befreiten Vorerben wechselbezüglich im Sinne des § 2270 BGB mit der Einsetzung der Beklagten als Erben des Längstlebenden ist. In der letztwilligen Verfügung vom 06.05.1986 werden die Beklagten zwar ausdrücklich nur zu Nacherben bestimmt; dem Gesamtzusammenhang des gemeinschaftlichen Testaments ist jedoch der Wille der Eheleute zu entnehmen, die Beklagten auch zu gemeinschaftlichen Erben des Längstlebenden einzusetzen, wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat (S. 7 erster Absatz der angefochtenen Entscheidung). So enthalten § 4 und 5 des Testaments Regelungen, denen der Wille der Erblasser zugrundelegt, ihre Kinder auch zu Erben des Längstlebenden zu bestimmen: Nach § 4 soll das Kind, das bereits nach dem Tode des Erstversterbenden seinen Pflichtteil fordert, auch von dem beim Tode des Längstlebenden vorhandenen Vermögen nur den Pflichtteil erhalten. Der dadurch freiwerdende Teil des Vermögens soll den anderen Kindern (als Erben) gleichanteilig zuwachsen.
In § 5 ist darüber hinaus u. a. vorgesehen, daß ein Kind, das seine Eltern auf Unterhalt in Anspruch nimmt, sich die gezahlten Unterhaltsbeträge auf seinen Erbteil anrechnen lassen muß. Im übrigen entspricht es der gesetzlichen Vermutung des § 2102 Abs. 1 BGB, daß die Beklagten als Nacherben zugleich als Ersatzerben des Längstlebenden eingesetzt sind (vgl. Palandt-Edenhofer, 57. Aufl., 1998, § 2102 Rn. 2 und 2269 Rn. 2, jeweils m.w.N.; streitig).
Das Landgericht hat die Wechselbezüglichkeit der o.g. Verfügungen zu Unrecht verneint. Wechselbezüglich im Sinne des § 2270 Abs. 1 BGB sind Verfügungen von Ehegatten, wenn jeder Ehegatte seine Verfügung gerade deshalb getroffen hat, weil auch der andere eine bestimmte Verfügung traf und nach dem Willen der gemeinschaftlich Testierenden die eine Verfügung mit der anderen stehen und fallen soll. Kennzeichnend ist also die gegenseitige innere Abhängigkeit der beiderseitigen Verfügungen (Münch.Komm.-Musielak, BGB, 3. Aufl. 1997, § 2270, Rn. 1, 2 m.w.N.). Eine derartige innere Abhängigkeit ist hier zwischen der gegenseitigen Einsetzung der Eheleute zu Vorerben und der Einsetzung der Beklagten zu Erben des längstlebenden zu bejahen, weil in einer intakten Familie die Vorstellung herrschen dürfte, daß das erwirtschaftete Vermögen vom Längstlebenden Ehepartner auf die gemeinsamen Kinder übertragen werden soll. Im vorliegenden Fall machte ein Hausgrundstück, das beiden Eheleuten je zur ideellen Hälfte gehörte, den wesentlichen Teil ihres Vermögens aus. Es spricht viel dafür, daß diese Haus dem Überlebenden als Lebensgrundlage verbleiben und mit dem Tode des Längstlebenden den Beklagten zufallen sollte. Dieses Ziel ist aber nur zu erreichen, wenn die o.g. Verfügungen im Sinne einer Wechselbezüglichkeit miteinander verbunden sind.
Es entspricht im übrigen der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB, daß die fraglichen Verfügungen im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit stehen.
Die vom Landgericht herangezogenen Entscheidung des BayObLG vom 04.03.1996 -; FamRZ 1996, 1040 -; vermag im übrigen bereits deshalb keine gegenteilige Beurteilung zu rechtfertigen, weil dem Beschluß ein anderer Sachverhalt zugrundelag. Dort hatten Eheleute in einem gemeinschaftlichen Testament ihren einzigen gemeinsamen Sohn zum Alleinerben eingesetzt, ohne sich jedoch gegenseitig zu Erben zu bestimmen, so daß sich das BayObLG nicht zur Wechselbezüglichkeit der hier fraglichen Verfügungen geäußert hat.
3.) Die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments vom 06.05.1986 ist aber bezüglich des Klägers durch die Anfechtungserklärung vom 22.11.1993 entfallen. Es ist anerkannt, daß der überlebende Ehegatte, der eine neue Ehe eingeht, binnen Jahresfrist nach der Eheschließung wechselbezügliche Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament in entsprechender Anwendung von §§ 2281 ff BGB in Verbindung mit § 2079 BGB anfechten kann (Münch.Komm.-Musielak, a.a.O., § 2271 Rn. 36 m.w.N.; BGH FamRZ 1970, 79; BayObLG, FamRZ 1995, 1024). Voraussetzung ist, daß der Erblasser durch seine Verfügung einen Pflichtteilsberechtigten übergangen hat, der erst nach der Errichtung des Testaments pflichtteilsberechtigt geworden ist, und daß der Überlebende bei Kenntnis der Sachlage seine Verfügung nicht getroffen haben würde. Durch die Eingehung der zweiten Ehe ist die jetzige Ehefrau des Klägers als Pflichtteilsberechtigte übergangen worden. Wie aus dem Prozeßvortrag des Klägers zu schließen ist, hätte er auch bei Kenntnis der veränderten Sachlage seine Kinder nicht als Erben eingesetzt. Im übrigen spricht insoweit die gesetzliche Vermutung des § 2079 Satz 2 BGB für die Ursächlichkeit zwischen Irrtum und Verfügung. Es ist daher Sache der Beklagten als Anfechtungsgegner zu beweisen, daß der Kläger auch bei Kenntnis der Sachlage so testiert hätte, wie geschehen (vgl. Palandt, a.a.O., § 2079, Rn. 6). Dazu aber haben sie nicht unter Beweisantritt vorgetragen.
Da der Kläger die Testamentsanfechtung form- und fristgerecht (§§ 2282 Abs. 2, 2283 Abs. 1 BGB) erklärt hat, muß der Berufung der Erfolg versagt bleiben.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711, 713 und 546 Abs. 2 S. 1 ZPO.