Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 19.11.1998, Az.: 11 WF 168/98

Unterhaltsangelegenheiten als persönliche Angelegenheiten; Anspruch auf uneingeschränkten Prozesskostenvorschuss, wenn dem Ehegatten bei selbstständiger Prozessführung Prozesskostenhilfe zu bewilligen wäre; Anspruch auf Erhöhung der Raten von Prozesskostenhilfe im Wege eines Prozesskostenvorschussanspruchs gegen den Ehegatten

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
19.11.1998
Aktenzeichen
11 WF 168/98
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1998, 29124
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1998:1119.11WF168.98.0A

Fundstellen

  • FamRZ 1999, 1148-1149 (Volltext mit amtl. LS)
  • InVo 1999, 317
  • OLGReport Gerichtsort 1999, 72-74

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Kein Prozesskostenvorschuss, wenn auch dem Ehegatten selbst Prozesskostenhilfe nur gegen Raten zu bewilligen wäre.

  2. 2.

    Vollstreckungsgegenklage den früheren Titel bei zwei gleichen Titeln

Gründe

1

Der am 26.06.1975 geborene Beklagte ist der Sohn der Klägerin aus ihrer 1991 geschiedenen Ehe mit dem Vater des Beklagten. Zwischen ihr und dem Vater als gesetzlichem Vertreter und Prozessstandschafter des Beklagten kam es am 19.10.1991 vor dem Amtsgericht Osnabrück - 32 F 295/89 - zu einem Vergleich, in dem sich die Klägerin zur Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 360,- DM ab November 1990 verpflichtete. In einem späteren Verfahren zwischen den jetzigen Parteien vor dem Amtsgericht Offenbach - 315 F 639/91 - wurde die Klägerin durch Teilanerkenntnisurteil vom 01.10.1991 verurteilt, laufenden Kindesunterhalt von 360,- DM ab dem 01.10.1991, ferner durch Schlussurteil vom 01.11.1991 rückständigen Kindesunterhalt in Höhe von 2.820,- DM für Juni 1989 bis Oktober 1990 zu zahlen, ohne dass darin jeweils eine Abänderung des zuvor genannten Vergleichs ausgesprochen worden wäre.

2

In der Folgezeit kam die Klägerin den Zahlungen nur in geringfügigem Umfang - teilweise durch Zwangsvollstreckung - nach. Am 03.03.1994 unterzeichnete der mittlerweile volljährige Beklagte eine Erklärung, dass er "seit dem 26.06.1993 auf jeglichen Unterhalt seiner Mutter ... verzichte.", nachdem er unter dem 17.02.1994 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wegen beider genannten Urteile beantragt hatte, der am 09.03.1994 wegen eines rückständigen Betrages von 6.353,51 DM und laufenden Unterhalts von 360,- DM erging. Mit weiterem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 07.05.1997 betrieb er die Zwangsvollstreckung aus dem "Vergleich des Amtsgerichts Offenbach (statt Osnabrück) vom 19.10.1990 AZ.: 32 F 295/89" und dem o.g. Schlussurteil vom 01.11.1991 wegen eines Unterhaltsrückstandes von November 1990 bis August 1996 in Höhe von 23.949,07 DM sowie des laufenden Unterhalts von 360,- DM. Wegen des laufenden Unterhalts ab September 1996 hat er durch Erklärung in diesem Verfahren auf die Vollstreckung verzichtet.

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Mit Beschluss vom 25.02.1998 hatte das Amtsgericht der Klägerin Prozesskostenhilfe für eine als Klage auf Abänderung des Vergleichs und des Urteils vom 01.11.1991 bezeichnete Klage insoweit bewilligt, als die Klägerin beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem am 19.10.1990 vor dem Amtsgericht Osnabrück protokollierten Vergleich für unzulässig zu erklären, soweit daraus für die Zeit nach dem 26.06.1992 (!) vollstreckt werde. Für die Zeit vorher liege ein Verzicht nicht vor, für die Zeit nach der Erklärung des Verzichts könne die Klägerin sich auf Leistungsunfähigkeit berufen. Das im Klagantrag bezeichnete (Schluss-)Urteil erfasse den hier betroffenen Zeitraum nicht.

4

Mit Schriftsatz vom 07.05.1998 hat die Klägerin Prozesskostenhilfe für den Klagantrag beantragt, das (Teilanerkenntnis-)Urteil des Amtsgerichts Offenbach vom 01.10.1991 sowie den gerichtlichen Vergleich des Amtsgerichts Osnabrück vom 19.10.1990 abzuändern und festzustellen, dass die Klägerin gegenüber dem Beklagten nicht mehr zur Zahlung eines Unterhalts verpflichtet sei. Zur Begründung beruft sie sich auf den vom Beklagten erklärten Verzicht, den er immer wieder, auch noch im August 1997, wiederholt habe. Diesen Antrag hat das Amtsgericht mit der Begründung abgelehnt, der Klägerin stehe ein Prozesskostenvorschussanspruch gegen ihren jetzigen Ehemann zu, was es im früheren Beschluss übersehen habe.

5

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer zulässigen Beschwerde, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat. Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.

6

Das Amtsgericht hat einen Prozesskostenhilfe ausschließenden Prozesskostenvorschussanspruch der Klägerin zu Unrecht bejaht. Zwar handelt es sich bei der Unterhaltsangelegenheit der Klägerin um eine persönliche Angelegenheit i.S.d. § 1360a Abs. 4 BGB. Ein uneingeschränkter Vorschussanspruch besteht aber dann nicht, wenn dem Ehegatten, sofern er selbst den Prozess führen würde, Prozesskostenhilfe - ggfls. auch gegen Ratenzahlung - zu bewilligen wäre (ganz h.M., vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 92, 77; OLG Oldenburg MDR 94, 618; OLG Zweibrücken FamRZ 97, 757; Palandt/Diederichsen, BGB, 57. Aufl., § 1360a Rn. 15 m.w.Rspr.N.). Das ist hier der Fall. Ausgehend von einem Bruttoeinkommen von 4.500,- DM erhält der Ehemann netto gerundet 3.100,- DM. Abzusetzen sind nach der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Lebensversicherungsbeitrag (50,- DM), Fahrtkosten (320,- DM), Miet- und Heizkosten zur Hälfte (605,10 DM) sowie Verbindlichkeiten (277,- DM). Ferner sind die Freibeträge (663,- DM und 265,50 DM) abzusetzen. Danach verbleiben 919,40 DM, so dass dem Ehemann Prozesskostenhilfe gegen Raten von 350,- DM zu bewilligen wäre. Da sich der Streitwert einer Vollstreckungsgegenklage nach der zu vollstreckenden Forderung bestimmt (hier über 23.000,- DM), würde die Bewilligung nicht an der Vierratengrenze gemäß § 115 Abs. 3 ZPO scheitern.

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Für die Klägerin selbst liegen die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Ratenanordnung in Höhe von 90,-- DMdm unzweifelhaft vor. Dem Amtsgericht kann auch nicht in der Berechnungsweise gefolgt werden, dass es beide Einkünfte der Eheleute zusammenrechnet. Denn gemäß § 115 Abs. 1 ZPO kommt es nur auf das Einkommen des Antragstellers an (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 20. Aufl., § 115 Rn. 7).

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Eine Erhöhung der Raten im Wege eines ratenweise an die Klägerin zu zahlenden Prozesskostenvorschussanspruchs gegen ihren Ehemann kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht, weil dies nicht der Billigkeit entspricht (§ 1360a Abs. 4 BGB). In Rechtsprechung (OLG Zweibrücken FamRZ 97, 757; OLG Frankfurt FamRZ 85, 826) und Literatur (Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1360a Rn. 15) wird allerdings teilweise die Auffassung vertreten, dass der vorschusspflichtige Ehepartner unter Wahrung des eigenen angemessenen Unterhalts Prozesskostenvorschuss in Raten zu leisten habe, wodurch der Prozesskostenhilfeberechtigte in die Lage versetzt werde, aus dem als Vermögen anzusehenden Vorschussanspruch Raten an die Staatskasse zu leisten. Im vorliegenden Fall kann dahinstehen, ob dem im Grundsatz gefolgt werden kann, weil es hier nur um eine Erhöhung der Ratenzahlungsverpflichtung der Klägerin ginge, die nur zu einem schnelleren Abtrag der durch Prozesskostenhilfe vorgeschossenen Prozesskosten führen würde. Denn jedenfalls in solchen Fällen entspricht es nach Auffassung des Senats nicht der Billigkeit, dass die Partei den Ehepartner nur wegen eines Restbetrages in Anspruch nimmt.

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Der vom Amtsgericht zutreffend als Vollstreckungsgegenklage ausgelegte Antrag, der von der Klägerin entsprechend umzuformulieren wäre, hat hinreichende Aussicht auf Erfolg, soweit die Klägerin die Abwehr der Vollstreckung aus dem Vergleich erreichen will. Denn zum einen verfügt der Beklagte für den Zeitraum ab dem 01.10.1991 über zwei vollstreckbare Titel über denselben Betrag, der dem Beklagten nur einmal zustand. Gemäß § 767 Abs. 2 ZPO kann die Vollstreckungsgegenklage nur auf Einwendungen gestützt werden, die der Schuldner im früheren Verfahren nicht hat geltend machen können. Dies trifft nur auf den Vergleich zu, nicht aber auf das Anerkenntnisurteil vom 01.10.1991, weil die Klägerin in jenem Verfahren den Einwand der bereits bestehenden Titulierung hätte erheben können. Dies gilt auch für die Zeit nach dem 26.06.1992, für die der Klägerin Prozesskostenhilfe bereits durch Beschluss vom 25.02.1998 bewilligt worden ist. § 767 ZPO ist auch auf Prozessvergleiche anzuwenden (vgl. Zöller/Herget, a.a.O., § 767 Rn. 6). Soweit es zum anderen um Ansprüche vor dem 01.10.1991 geht, sind die Ansprüche zum Teil durch das Schlussurteil vom 01.11.1991 ebenfalls anderweitig tituliert, zum anderen Teil sind sie beglichen.

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Die beabsichtigte Vollstreckungsgegenklage gegen das Anerkenntnisurteil vom 01.10.1991 hat zunächst hinreichende Aussicht auf Erfolg für den Unterhaltszeitraum vom 26.06.1993 bis zum 03.03.1994, weil der Beklagte insoweit auf den rückständigen Unterhalt wirksam verzichtet hat. Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung kommt wegen Versäumung der Frist des § 124 BGB nicht in Betracht. Der Beklagte hatte im unmittelbaren Anschluss an den Verzicht erfahren, dass der Vater, wie die Klägerin angeblich vorgespiegelt habe, dem Verzicht nicht zugestimmt habe. Des Weiteren hat die Vollstreckungsgegenklage hinreichende

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Aussicht auf Erfolg für den Zeitraum ab August 1996. Insoweit hat der Beklagte erklärt, ab diesem Zeitpunkt keine Unterhaltsforderung mehr geltend machen zu wollen. Dies stellt einen wirksamen Verzicht in Bezug auf Unterhaltsrückstände dar. Am Rechtsschutzbedürfnis mangelt es nicht, weil der Beklagte den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auch wegen des Unterhalts ab August 1996 erwirkt hat. Für die Zukunft ist der Klagantrag schließlich als Abänderungsklage begründet, weil die Klägerin schlüssig geltend macht, nicht leistungsfähig zu sein.

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Zutreffend geht das Amtsgericht jedoch davon aus, dass die gegen das Anerkenntnisurteil gerichtete Vollstreckungsgegenklage für die Zeiträume vom 01.10.1991 bis 25.06.1993 und vom 04.03.1994 bis 31.07.1996 unbegründet ist. Zunächst hat die Beklagte insoweit einen Verzicht nicht schlüssig vorgetragen. Zwar hat sie behauptet, dass der Beklagte noch im August 1997, aber auch vorher, stets betont habe, dass er selbst das Geld von der Klägerin nicht haben wolle. Dies war aber mit der Anmerkung verbunden, dass der Vater den Anspruch durchsetzen wolle, wogegen er, der Beklagte, sich nicht wehren könne und wolle. Denn der Vater benötige das Geld. Daraus folgt aber gerade kein Verzicht zu Gunsten der Klägerin. Denn der Beklagte will den rückständigen Unterhalt zur Weiterleitung an den Vater beitreiben, der für seinen Barunterhalt aufgekommen war.

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Schließlich vermag die Klägerin auch mit dem Einwand der Verwirkung nicht durchzudringen. Zwar können titulierte rückständige Unterhaltsansprüche verwirkt werden, bei streitigen Ansprüchen sogar schon nach einem Jahr. Dies setzt aber voraus, dass der Unterhaltsgläubiger untätig bleibt und der Schuldner nicht fortlaufend gemahnt wird. Das war hier aber für die Unterhaltsansprüche von 1991 bis 1993 und von 1994 bis 1996 nicht der Fall. Denn die Forderungsaufstellung zum Pfändungs- und Überweisungsbeschluss belegt, dass der Beklagte vielfache Vollstreckungsversuche unternommen hat, so dass die Klägerin zu keiner Zeit davon ausgehen konnte, dass der Beklagte die Forderung nicht noch beitreiben würde.