Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 26.02.2004, Az.: L 8 AL 259/03

Erlöschen des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe aufgrund Zeitablaufs; Fehlender Bezug von Arbeitslosengeld innerhalb der Vorfrist; Keine Verlängerung der Erlöschensfrist durch Leistungsbezug im Rahmen der freien Förderung; Fehlende Vergleichbarkeit mit dem Bezug von Unterhaltsgeld; Anwendungsbereich des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
26.02.2004
Aktenzeichen
L 8 AL 259/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 13059
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2004:0226.L8AL259.03.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Osnabrück - 27.03.2003 - AZ: S 6 AL 212/01

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Der Bezug von Leistungen im Rahmen der freien Förderung nach § 10 SGB III (Sozialgesetzbuch, Drittes Buch) führt nicht zu einer Verlängerung der Erlöschensfrist gemäß § 196 Satz 2 Nr. 4 SGB III.

  2. 2.

    Das Fehlen der Arbeitslosigkeit kann nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ersetzt werden.

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 27. März 2003 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Wiederbewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab 1. Dezember 2000. Streitig ist die Frage, ob der Anspruch erloschen ist.

2

Die 1967 geborene Klägerin bezog von der Beklagten in der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 1998 Arbeitslosengeld (Alg) und danach bis zum 31. März 1999 Anschluss-Alhi, zuletzt in Höhe von 399,85 DM wöchentlich (Bemessungsentgelt 860,00 DM, Leistungsgruppe C, ohne Kindermerkmal). Ab dem 1. April 1999 nahm sie an einer zweijährigen Ausbildung zur Aerobic- und Fitness-Managerin bei dem Fortbildungstrainer H. I. GmbH in J. teil, die von der Beklagten im Rahmen der freien Förderung nach § 10 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) gefördert wurde. Die Förderleistungen wurden bewilligt, nachdem die Trägerin der Fortbildungsmaßnahme der Klägerin nach erfolgreichem Abschluss der Maßnahme eine Anstellung in Aussicht gestellt hatte.

3

Bei der Beantragung der Maßnahme wurden der Klägerin von der Beklagten Antragsformulare vorgelegt, wie diese auch bei der Beantragung einer nach § 77ff SGB III geförderten Weiterbildungsmaßnahme verwendet werden. Neben den Lehrgangsgebühren, einem Pauschalbetrag für Unterkunft und Verpflegung sowie Reisekosten gewährte die Beklagte einen Betrag von 1.456,50 DM (= 744,70 EUR) monatlich als "Leistungen zum Lebensunterhalt" (Bewilligungsbescheid vom 5. Juli 1999). Dieser Betrag entsprach der Höhe der zuvor bezogenen Alhi. Der Bewilligungsbescheid enthielt ferner den Hinweis, dass Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf Nachweis erstattet würden, wobei es sich nur um eine freiwillige Versicherung ohne Anspruch auf Krankengeld bei einer gesetzlichen Krankenkasse handeln könnte.

4

Ab 25. August 2000 war die Klägerin arbeitsunfähig krank. Die Ausbildung wurde daraufhin am 1. Oktober 2000 abgebrochen, weil das Maßnahmeziel nicht mehr erreicht werden konnte. Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit dauerte bis zum 30. November 2000 fort.

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Die Klägerin meldete sich am 30. November 2000 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Wiederbewilligung von Alhi ab 1. Dezember 2000. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 10. Januar 2001 ab und wies den hiergegen eingelegten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. April 2001 zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe innerhalb der einjährigen Vorfrist des § 192 Satz 1 SGB III kein Alg bezogen, wie es § 190 Abs. 1 SGB III für einen Anspruch auf Alhi aber voraussetzen würde. Eine Verlängerung der Vorfrist gemäß § 192 Satz 2 Nr. 4 SGB III komme nicht in Betracht, weil es an einem Vorbezug von Unterhaltsgeld (Uhg) fehle. Die der Klägerin gewährten Leistungen im Rahmen der freien Förderung nach § 10 SGB III hätten einen Sondercharakter und könnten dem Bezug von Uhg. nicht gleichgesetzt werden.

6

Die Klägerin hat am 11. Mai 2001 Klage beim Sozialgericht (SG) Osnabrück erhoben. Sie hat vorgetragen, es habe eine Verlängerung der Vorfrist nach § 192 Satz 2 Nr. 4 SGB III zu erfolgen, weil die im Wege der freien Förderung von der Beklagten gewährten Leistungen sowohl nach ihrer Art als auch nach ihrer Zielsetzung mit den Regelleistungen für eine Förderung der beruflichen Weiterbildung nach dem SGB III zu vergleichen seien. Durch die Gewährung der Förderung gemäß § 10 SGB III habe die Beklagte die Förderungswürdigkeit der Maßnahme anerkannt. Es sei daher treuwidrig, die Ablehnung der Gewährung von Alhi damit zu begründen, dass diese Leistungen einen nicht mit der Regelförderung vergleichbaren Sondercharakter aufwiesen.

7

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 27. März 2003 abgewiesen. Es hat ausgeführt, § 10 SGB III räume den Arbeitsämtern die Befugnis zu einer weitgehend gesetzesfreien, im Wesentlichen nur Ermessensgesichtspunkten unterworfenen Leistungsgewährung ein. Dies führe zu einer Förderung von Maßnahmen, bei denen eine reguläre Förderung nach den §§ 153ff SGB III gerade nicht stattfinden könne. Aus diesen Gründen sei eine Vergleichbarkeit eines solchen Leistungsbezuges mit dem Uhg. nicht gegeben.

8

Gegen das am 26. Mai 2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23. Juni 2003 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, das angefochtene Urteil berücksichtige nicht, dass ein Beratungsfehler anlässlich der mit der Klägerin geführten Gespräche nicht auszuschließen sei. Ein solcher Beratungsfehler führe über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu einem Anspruch auf Gewährung der beantragten Alhi. Sie hätte die freie Förderung nicht in Anspruch genommen, wenn ihr gesagt worden wäre, dass sie hierdurch ihren sozialversicherungsrechtlichen Status verlieren würde und im Falle des Abbruchs der Maßnahme keine Alhi erwarten könne. Auch der Bescheid vom 8. Juli 1999, durch den die Gewährung von Alhi aufgehoben worden sei, habe nicht auf die Konsequenzen der Förderung der Maßnahme gemäß § 10 SGB III hingewiesen, sondern lediglich darauf, dass eine erneute Zahlung der Leistung nur dann möglich sei, wenn sie sich beim Arbeitsamt wieder persönlich arbeitslos melde. Die Förderung, die sie auf Grund des Beratungsfehlers der Beklagten erhalten habe, sei genauso zu behandeln, wie die Teilnahme an einer Maßnahme, die nicht der freien Förderung unterliege. Eine solche Korrektur sei durch den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch möglich.

9

Die Klägerin beantragt,

  1. 1.

    das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 27. März 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. April 2001 aufzuheben,

  1. 2.

    die Beklagte zur verurteilen, ihr ab dem 1. Dezember 2000 fortlaufend Arbeitslosenhilfe zu gewähren.

10

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

11

Sie erwidert, der sozialrechtliche Herstellungsanspruch könne hier nicht zu dem geltend gemachten Anspruch führen. Ein Beratungsverschulden könne mit diesem Instrument nur geheilt werden, wenn die Korrektur bzw. die Ersetzung einer fehlenden Anspruchsvoraussetzung mit dem jeweiligen Gesetzeszweck im Einklang stehe. Die fehlende Beschäftigungslosigkeit bzw. Verfügbarkeit des Arbeitslosen könne nicht fingiert werden.

12

Wegen des vollständigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Vorgänge des Arbeitsamtes K. (StammNr: L.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

13

Die form- und fristgerecht eingelegte, bei streitigen laufenden Alhi-Zahlungen in Höhe von 1.456,50 DM monatlich nicht durch Tatbestände des § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeschränkte Berufung der Klägerin ist zulässig aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Alhi ab 1. Dezember 2000.

14

Anspruch auf Alhi hat gemäß § 190 Abs. 1 SGB III in der ab 1. Januar 2000 gültigen Fassung des 3. SGB III-Änderungsgesetzes vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I S 2626) ein Arbeitnehmer, der arbeitslos ist (Nr. 1), sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hat (Nr. 2), einen Anspruch auf Alg nicht hat, weil er die Anwartschaftszeit nicht erfüllt (Nr. 3) und in der Vorfrist Alg bezogen hat, ohne dass der Anspruch wegen des Eintritts einer Sperrzeit mit einer Dauer von insgesamt 24 Wochen erloschen ist (Nr. 4).

15

Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht, da sie in der einjährigen Vorfrist des § 192 SGB III vom 1. Dezember 1999 bis zum 30. November 2000 kein Alg bezogen hat.

16

Ein Anspruch ergibt sich nicht durch Verlängerung der Vorfrist gemäß § 192 Satz 2 Nr. 4 SGB III. Diese Vorschrift ist nur anwendbar, wenn Alhi zum ersten Mal beantragt wird. Wurde die Alhi - wie hier - bereits gewährt (nämlich vom 1. Januar bis zum 31. März 1999), so ist das Stammrecht bereits entstanden. Es geht daher nicht mehr um die erstmalige Erfüllung der besonderen Anspruchsvoraussetzungen i.S. des § 191 SGB III, die die Beklagte und das SG in erster Linie geprüft haben, sondern um die Verlängerung der Erlöschensfrist gemäß § 196 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 Nr. 4 SGB III.

17

Die Klägerin könnte mit ihrem Begehren nur dann Erfolg haben, wenn sie mit ihrer Arbeitslosmeldung und Antragstellung mit Wirkung zum 1. Dezember 2000 an den am 1. Januar 1999 im Anschluss an die Gewährung von Alg entstandenen Anspruch auf Anschluss-Alhi anknüpfen könnte und ihr die Alhi auf Grund des fortbestehenden Stammrechts wiederzubewilligen wäre. Das ist nicht möglich, weil dieser Anspruch erloschen ist.

18

Nach § 196 Satz 1 Nr. 2 SGB III erlischt der Anspruch auf Alhi, wenn seit dem letzten Tag des Bezuges von Alhi ein Jahr vergangen ist. Das war bei der Klägerin der Fall, denn sie hatte vor der Geltendmachung zum 1. Dezember 2000 zuletzt am 31. März 1999 Alhi bezogen. Zwar verlängert sich die Jahresfrist nach Satz 2 Nr. 4 dieser Vorschrift um Zeiten, in denen der Arbeitslose nach dem letzten Tag des Bezuges von Alhi Uhg. nach dem SGB III bezogen oder nur wegen des Vorrangs anderer Leistungen nicht bezogen hat. Beide Alternativen liegen jedoch im Falle der Klägerin nicht vor.

19

Mit dem Begriff "Uhg nach diesem Buch" ist die Entgeltersatzleistung nach §§ 116 Nr. 2, 153 SGB III gemeint. Der Verlängerungstatbestand des § 192 Satz 2 Nr. 4 SGB III ist ferner erfüllt durch den Bezug der Sonderformen von Uhg, wie Teil-Uhg und bis Ende 2002 Anschluss-Uhg (Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB III, K § 192 Rdnr 211). Diese Leistungen hat die Klägerin in der Vorfrist nicht erhalten. Die Klägerin hatte auch materiell-rechtlich keinen Anspruch auf Uhg, weil die von ihr besuchte Maßnahme nicht vom Arbeitsamt für die Weiterbildungsförderung anerkannt (§ 77 Abs. 1 Nr. 4 SGB III) war.

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Der Bezug von Uhg. scheiterte nicht nur am Vorrang anderer Leistungen. Das ist der Fall, wenn dem Arbeitslosen das ihm dem Grunde nach zustehende Uhg. nach dem SGB III nur wegen des Vorranges anderer Leistungen nicht gewährt worden ist. Es muss sich bei diesem alternativen Leistungsbezug um eine vorrangige Pflichtleistung gemäß § 22 Abs. 1 SGB III handeln. Bei den Leistungen der freien Förderung gemäß § 10 SGB III handelt es sich zum einen nicht um eine Pflichtleistung, sondern um eine im Ermessen des jeweiligen Arbeitsamtes stehende Leistung. Diese ist zudem gegenüber den Leistungen nach §§ 153ff SGB III nicht vorrangig. Sie soll die Förderung lediglich ergänzen und ist nur in den Fällen möglich, in denen eine Förderung gemäß § 153 SGB III ausscheidet. Die Leistungen der freien Förderung sind gegenüber dem Uhg. nachrangig.

21

Eine analoge Anwendung des § 196 Satz 2 Nr. 4 SGB III auf den Leistungsbezug im Rahmen der freien Förderung nach § 10 SGB III kommt nicht in Betracht. Der der Einfügung des § 196 SGB III zu Grunde liegende Regelungsbedarf ist für Leistungen der freien Förderung nicht gegeben. Eine Regelungslücke ist nicht ersichtlich. Sinn und Zweck der Verlängerung der Vorfristen gemäß § 196 Satz 2 Nr. 4 SGB III ist es vor allem, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass der Bezug von Uhg. nach dem SGB III nicht mehr zur Erfüllung einer Anwartschaftszeit dient, wie dies unter der Geltung des § 107 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) noch der Fall war. Durch die Einfügung des § 196 Satz 2 Nr. 4 SGB III - wie auch der vergleichbaren Regelungen des § 124 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 und des § 192 Satz 2 Nr. 4 SGB III - sollten soziale Härten für die Betroffenen nach Beendigung von Fortbildungsmaßnahmen, während deren Dauer Uhg. gewährt wird, vermieden werden (vgl die Gesetzesbegründung in BT-Drucksache 13/4941 S 177, 189). Darüber hinaus war bereits § 107 AFG auf das Uhg. beschränkt und nicht auf andere Leistungen übertragbar.

22

Zwar gab es im Geltungsbereich des AFG keine dem § 10 SGB III entsprechende Vorschrift. Für den Fall der Zahlung von Uhg. nach den "Richtlinien für aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) mitfinanzierte zusätzliche arbeitsmarktpolitische Maßnahmen im Bereich des Bundes" hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass die Vorschrift eng auszulegen war und eine erweiternde Auslegung nicht in Betracht kam (BSG, SozR 3-4100 § 107 Nr. 11). Das heißt, dass Leistungen, die nicht Uhg. im engeren Sinne waren, bereits unter Geltung des AFG nicht zur Entstehung von Anwartschaftszeiten führen. Damit hat sich für Leistungsarten außerhalb des echten Uhg. die Rechtslage nicht geändert, so dass für einen Ausgleich der durch die Gesetzesänderung im Rahmen des Uhg-Bezuges entstehenden Härten in diesen Fällen kein Bedürfnis besteht.

23

Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist eine Gleichstellung der Leistungen nicht geboten, weil Leistungen gemäß § 10 SGB III mit dem Uhg. nach § 153 SGB III nicht vergleichbar sind. Zwar ist das Ziel beider Arten von Leistungen, die Betroffenen durch die Subventionierung von Fortbildungsmaßnahmen wieder einzugliedern und Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Allerdings wird dieses Eingliederungsziel im Rahmen einer nicht vergleichbaren Struktur realisiert.

24

Gemäß § 10 Abs. 1 SGB III können Arbeitsämter bis zu 10 % der im Eingliederungstitel enthaltenen Mittel für Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung einsetzen, um die Möglichkeiten der gesetzlich geregelten aktiven Arbeitsförderungsleistungen durch freie Leistungen der aktiven Arbeitsförderung zu erweitern (Satz 1). Die freien Leistungen müssen den Zielen und Grundsätzen der gesetzlichen Leistungen entsprechen und dürfen nicht gesetzliche Leistungen aufstocken (Satz 2). Mit dieser Regelung soll den einzelnen Arbeitsämtern dezentral die Befugnis eingeräumt werden, vor Ort auf die konkrete Arbeitsmarktlage hin im Rahmen der aktiven Arbeitsförderung innovative Ansätze zu verfolgen. Vom individuellen, auf den einzelnen Arbeitnehmer bezogenen Ansatz der aktiven Arbeitsförderung und ihrer Zielrichtung der Eingliederung in den regulären Arbeitsmarkt darf dabei nicht abgewichen werden (BT-Drucksache 13/4941 S 141, 154). Das bedeutet, dass zum einen die Zuständigkeit für die Leistungen nach § 10 SGB III bei den Arbeitsämtern selbst liegt, damit dezentrale und am regionalen Arbeitsmarkt orientierte Entscheidungen erreicht werden. Die Leistungen gemäß §§ 153ff SGB III dagegen sind von der Anerkennung durch die Bundesagentur für Arbeit gemäß §§ 77, 86 SGB III abhängig und stellen ein zentralisiertes Instrument der Arbeitsförderung dar.

25

Für die Förderung nach § 10 SGB III kommt eine breite Palette von Maßnahmen in Betracht, die sonst gerade nicht förderungsfähig wären und sich von den beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen gemäß § 77 SGB III sehr stark unterscheiden. Beispiele aus der Förderungspraxis sind Bewerbungscenter für von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitnehmer, Beschäftigung in Haushalten, Deutschkurse für Ausländer, Existenzgründungs-Qualifizierung von Arbeitslosen, die Betriebsnachfolger werden, Erwerb von Fahrerlaubnissen, Umwandlung geringfügiger Beschäftigungen in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse, Zuschüsse zur Bereitstellung zusätzlicher Ausbildungsstellen für benachteiligte Jugendliche bzw. für erstmalig ausbildende Betriebe (vgl Safferling in: Wissing ua, SGB III-Kommentar, § 10 Rdnr 7). Der anspruchsberechtigte Personenkreis für Förderleistungen nach § 10 SGB III ist viel weiter als für den Bezug von Uhg. nach § 153 SGB III. Adressaten der freien Förderung können nämlich nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Arbeitgeber und Bildungsträger sein (Armbrust, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 23 Rdnr 6).

26

Aus der Vergabe der Förderleistungen ergibt sich ferner, dass Teilnehmer an Maßnahmen gemäß § 10 SGB III nicht im gleichen Maße schutzbedürftig sind wie Teilnehmer an anerkannten Weiterbildungsmaßnahmen. Letztere werden nach einer Prüfung des Maßnahmeträgers nur unter den strengen Voraussetzungen der §§ 77, 86 SGB III anerkannt, während die Leistungen gemäß § 10 SGB III nicht näher geregelt sind und nur den allgemeinen Wertungen der §§ 1-8 SGB III unterworfen sind. Sie werden individuell nach dem Ermessen des jeweils zuständigen Arbeitsamtes weitgehend gesetzesfrei gewährt. Auf bestimmte Zugangsvoraussetzungen bzw. persönliche Merkmale wird verzichtet. Daraus ergibt sich, dass an die Teilnahme an Förderungsmaßnahmen gemäß § 10 SGB III geringere Anforderungen gestellt werden. Die Maßnahmen werden weniger detailliert geprüft. So enthält im vorliegenden Fall die Akte des Arbeitsamtes K. lediglich ein Schreiben des Maßnahmeträgers, in dem die H. M. vorgestellt wird und in einem Absatz die Eckdaten der zu fördernden Ausbildung beschrieben werden. Die subjektiven Voraussetzungen für eine Teilnahme an einer solchen Maßnahme sind geringer, weil z.B. die Erfüllung einer Vorbeschäftigungszeit (vgl für das Uhg: § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III) nicht notwendig ist. Es handelt sich daher um eine Leistung, die zwar ebenfalls aus Versicherungsbeiträgen finanziert wird, die aber auf Grund der geringeren Anforderungen an ihrer Vergabe nicht dieselben Rechtsfolgen mit allen Konsequenzen für die Versichertengemeinschaft bewirken kann, wie dies durch die Gewährung von Uhg. geschieht.

27

Die gewährte Leistung nach § 10 SGB III führt außerdem - anders als Uhg. gemäß § 153 SGB III - nicht zu einer Versicherungspflicht in der Kranken- und Rentenversicherung und ist auch unter diesem Gesichtspunkt strukturverschieden. Allein die Tatsache, dass der Leistungskatalog der Arbeitsämter durch die Einführung des § 10 SGB III erweitert wurde, bedeutet nicht, dass schon der Bezug einer "Art von Uhg" für die Gleichstellung der Leistungen ausreicht. Dem steht auch nicht das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 19. März 2003 - L 5 AL 2236/00 - entgegen, in dem eine Gleichstellung von Leistungen nach § 10 SGB III mit dem Uhg. gemäß § 153 SGB III bejaht wurde. Das LSG Baden-Württemberg begründete seine Entscheidung damit, dass in jenem Fall für den Arbeitslosen der Zwang bestanden habe, an der Maßnahme teilzunehmen, um nicht den zeitweiligen oder vollständigen Verlust seines Leistungsanspruchs in Kauf zu nehmen. Dies könne nicht dazu führen, dass der Arbeitslose durch die Teilnahme an der Maßnahme aus der gesetzlichen Pflichtversicherung ausscheiden müsse. Eine solche Rechtsfolge sei systemwidrig.

28

Abgesehen davon, dass nach Auffassung des erkennenden Senats die Ablehnung einer nach § 10 SGB III geförderten Maßnahme nicht gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 3 SGB III sperrzeitbewährt ist, so dass die Hauptargumentation des LSG Baden-Württemberg hinfällig wäre, bestand im vorliegenden Fall für die Klägerin kein Zwang, an der geförderten Maßnahme teilzunehmen. Vielmehr hatte sie selbst diese Maßnahme ausgesucht und den Wunsch geäußert, die Ausbildung durchzuführen. Ihr war auch bekannt, dass eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung während der Maßnahmedauer nicht bestand, die Beiträge für die freiwillige Versicherung jedoch im Rahmen der freien Förderung vom Arbeitsamt übernommen würden, es sich also um eine von der Regelförderung verschiedene Sondermaßnahme handelte.

29

An der fehlenden Vergleichbarkeit ändert sich nichts dadurch, dass im vorliegenden Fall die Klägerin eine Leistung erhielt, die der Höhe nach dem Uhg. entsprach, die gemäß § 158 Abs. 1 Satz 1 SGB III im Falle einer anerkannten Maßnahme zu bewilligen gewesen wäre. Dies bedeutet lediglich, dass die Ermessensentscheidung der Beklagten einen Betrag in dieser Höhe als angemessen festlegte. Dass sich das Arbeitsamt bei dieser Entscheidung an die Berechnung der Uhg-Höhe anlehnte, ändert nichts an der Struktur der Förderung an sich. Dass der Klägerin bei Antragstellung das Formular vorgelegt wurde, welches auch Antragsteller für eine Regelförderung ausfüllen, kann ebenfalls nicht zu der Annahme führen, dass die Leistungen insgesamt vergleichbar sind. Die dort abgefragten Punkte, wie persönliche Daten, Bankverbindung, Angaben zu der Maßnahme, Lohnsteuerkarte, frühere Leistungen etc sind sehr allgemein und daher als Grundlage für jede Förderungsentscheidung notwendig. Der Bewilligungsbescheid vom 5. Juli 1999 sowie alle anderen Informationen enthielten ausdrücklich die Überschrift "Freiwillige Förderung gemäß § 10 SGB III".

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Ein Anspruch auf Verlängerung der Vorfrist ergibt sich schließlich nicht aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Durch dieses Instrument kann durch Vornahme einer Amtshandlung derjenige Zustand wieder hergestellt werden, der bestehen würde, wenn ein Sozialleistungsträger eine ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis erwachsende Nebenpflicht, die er pflichtwidrig verletzt hat, ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. In diesen Fällen können gewisse sozialrechtliche Voraussetzungen für die Leistungsgewährung, wie z.B. verspätete Antragstellung als erfüllt angesehen werden, wenn die Nichterfüllung der Voraussetzung auf dem schuldhaften Verhalten des Leistungsträgers beruht.

31

Im vorliegenden Fall war der Anspruch auf Alhi auf Grund Zeitablaufs erloschen. Während der Maßnahmedauer war die Klägerin nicht mehr arbeitslos. Das Fehlen der Arbeitslosigkeit kann nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ersetzt werden (BSGE 58, 104). Fingiert werden könnte nur eine Handlung, die die Klägerin auf Grund des Beratungsfehlers nicht vorgenommen hat. Hier war sie auf Grund der Teilnahme an der Maßnahme nicht arbeitslos, so dass es nicht um die Fiktion einer unterbliebenen Handlung geht, sondern eine tatsächlich vorgenommene Handlung hinweg gedacht werden müsste. Dies ist über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht möglich, zudem der sozialrechtliche Herstellungsanspruch nur rechtmäßige Entscheidungen ermöglicht. Da eine Gleichbehandlung von Leistungen der freien Förderung mit der Uhg-Zahlung - wie oben ausgeführt - nicht geboten ist, wäre ein solche Anordnung nicht rechtmäßig und kann durch den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ebenfalls nicht erreicht werden.

32

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da die Klägerin unterliegt, muss sie selbst für ihre außergerichtlichen Kosten aufkommen.

33

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Frage, ob Leistungen nach § 10 SGB III als unterhaltsgeldähnlich anzusehen sind, grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).