Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 13.02.2004, Az.: L 8 AL 15/03 NZB
Einmalzahlungen; Nebenverdienst
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 13.02.2004
- Aktenzeichen
- L 8 AL 15/03 NZB
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 50639
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG - 04.09.2003 - AZ: 3 AL 399/02
Rechtsgrundlagen
- § 11 S 1 Nr 1 AlhiV
- § 141b Abs 1 S 2 SGB 3
- § 194 Abs 1 SGB 3
- § 145 SGG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Bezieht ein Arbeitslosenhilfeempfänger Nebeneinkommen (§ 141 SGB III), gilt es nicht als zu berücksichtigendes Einkommen im Sinne von § 194 SGB III. Für diesen Fall regelt § 141 SGB III abschließend, in welchem Umfang das Nebeneinkommen auf die Leistungsansprüche anzurechnen ist.
Die Arbeitslosenhilfe-Verordnung bestimmt demgegenüber im Rahmen der Verordnungsermächtigung des § 206 SGB III, ob weitere Einnahmen nicht als Einkommen gelten und wie das Einkommen im Einzelnen zu berücksichtigen ist, Bestimmungen zum Nebeneinkommen trifft die Alhi-VO nicht.
§ 11 Abs. 1 Nr. 1 Alhi-VO 1974 bzw § 2 Satz 1 Nr. 1 Alhi-VO 2002 ist deshalb bei der Ermittlung der leistungsschädlichen Höhe von Nebeneinkommen nicht anzuwenden.
Tenor:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 4. September 2003 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die form- und fristgemäß eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts (SG) Hildesheim vom 4. September 2003 ist unbegründet.
Der angegriffene Gerichtsbescheid betrifft die Anrechnung von Nebeneinkommen (Weihnachtsgeld für November 2001 in Höhe von 100,00 DM) auf die Arbeitslosenhilfe (Alhi) des Klägers (Bescheid vom 28. Februar 2002, Widerspruchsbescheid vom 30. August 2002). Für den streitigen November 2001 beträgt der Anrechnungsbetrag insgesamt 235,00 DM. Der Kläger wendet insbesondere ein, dass die Anrechnung von Nebeneinkommen in der Form von Einmalzahlungen nicht mit § 198 Satz 2 Sozialgesetzbuch – Drittes Buch – (SGB III) vereinbar sei. Denn Einmalzahlungen würden bei der Berechnung der Alhi (Bemessungsentgelt) nicht berücksichtigt. Dementsprechend dürften die Einmalzahlungen, hier das Weihnachtsgeld, auch bei der Anrechnung des Nebeneinkommens nicht berücksichtigt werden.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes – die höhere Alhi-Zahlung ohne Anrechnung der Einmalzahlung für November 2001 – liegt unter 500,00 €. Denn allein der Gesamtanrechnungsbetrag für den November 2001 beträgt lediglich 235,00 DM, also 120,15 €. Berufungen wegen Rechtsstreitigkeiten, die eine Geldleistungen bis zu 500,00 € betreffen, sind nicht zulässig, §§ 143, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes unter 500,00 € liegt, bedarf die Berufung der Zulassung durch das SG, um zulässig zu sein. Das SG hat die Berufung nicht zugelassen.
Die Nichtzulassungsbeschwerde kann nur erfolgreich sein, wenn das Berufungsgericht aufgrund der Nichtzulassungsbeschwerde die Berufung durch Beschluss zulässt, § 145 Abs 5 SGG. Eine Zulassung ist nicht möglich, weil keiner der Zulassungsgründe des § 144 Abs 2 SGG vorliegt. Danach ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
eine der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Der Kläger behauptet eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Diese liegt nicht vor.
Bedeutsam in diesem Sinne ist eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage grundsätzlicher Art aufwirft, die bisher höchstrichterlich nicht geklärt ist. Die Rechtssache muss allgemeine Bedeutung haben und über den Einzelfall hinausgehen, dass heißt sie muss ein Interesse der Allgemeinheit berühren (vgl Senatsbeschluss vom 16. Mai 2002 – L 8 AL 10/02 NZB -; Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 7. Auflage 2002, § 160 Rdnr 6ff).
Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht grundsätzlicher Art.
Zwar traf es zu, dass Einmalzahlungen gemäß § 141 Abs 1 Satz 2 SGB III aF bei der Anrechnung von Nebeneinkommen zunächst nicht berücksichtigt wurden. Diese Regelung wurde mit Wirkung ab 1. Januar 2001 durch das Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz (vom 21. Dezember 2000, BGBl I Seite 1971) vor dem Hintergrund der Einbeziehung der Einmalzahlungen in das Bemessungsentgelt des Arbeitslosengeldes (Alg) beseitigt (vgl Voelzke in Kassler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts 2003, § 12 Rdnr 6, Seite 766).
Die Anrechnung von Nebeneinkommen erfolgt auch im Rahmen der Bewilligung von Alhi, wie sich aus § 194 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB III ergibt. Danach wird Einkommen des Arbeitslosen auf die Alhi angerechnet, soweit es nicht als Nebeneinkommen anzurechnen ist. Dadurch und durch die Vorschrift des § 198 Satz 1 Nr 6 SGB III ist die Regelung über die Anrechnung des Nebeneinkommens, die sich in den Vorschriften über das Alg befindet, auch bei der Berechnung der Alhi anzuwenden.
Allerdings will der Kläger aus der letztgenannten Vorschrift ableiten, dass Einmalzahlungen im Rahmen des § 141 SGB III nicht zu berücksichtigen seien. Er folgert dies im Anschluss an Winkler (info also 2000, 237) daraus, dass § 198 Abs 1 Satz 1 SGB III die entsprechende Anwendung des § 141 SGB III gebiete. Hierzu führt Winkler, aaO, Folgendes aus:
„Jetzt sind auch Nebeneinkommen in Gestalt von Einmalleistungen auf das Arbeitslosengeld und das Unterhaltsgeld anzurechnen. Für die Arbeitslosenhilfe kann das aber nicht gelten, auch nicht für das Unterhaltsgeld in Höhe der Arbeitslosenhilfe, weil in deren Berechnung Einmalleistungen nicht eingehen. Nach § 198 Satz 2 sind die Vorschriften über das Arbeitslosengeld nur insoweit entsprechend anzuwenden, als die Besonderheiten der Arbeitslosenhilfe nicht entgegenstehen. Die Berechnung der Arbeitslosenhilfe ohne die Berücksichtigung von Einmalleistungen ist eine Besonderheit, die eine entsprechende Anwendung der Anrechnungsbestimmungen ausschließt.“
Diese Rechtsansicht ist unzutreffend. Es besteht kein triftiger Grund, Einmalzahlungen bei der Anrechnung von Nebeneinkommen gemäß § 141 Abs 1 SGB III auf die Alhi – anders als beim Alg – auszunehmen. Zwar trifft es zu, dass die Bemessung der Alhi ohne Berücksichtigung von Einmalleistungen erfolgt, § 200 Abs 1 SGB III. Diese Besonderheit gegenüber dem Alg erstreckt sich allerdings nicht auf die Anrechnung von Nebeneinkommen. Vielmehr ergibt sich aus der Regelung des § 141 Abs 1 SGB III, dass sämtliches Nebeneinkommen im Umfang der dort genannten Freigrenzen auf die Leistungszahlung angerechnet werden soll. Dies muss erst recht für die Alhi gelten, die gemäß § 190 Abs 1 Nr 5 SGB III – anders als das Alg – auch von der Bedürftigkeit der Antragsteller abhängig ist. Demnach gebieten die Vorschriften der §§ 193, 194 SGB III, dass Einkommen und Vermögen des Arbeitslosen auf seine Alhi anzurechnen ist. Dies belegt den arbeitslosenhilferechtlichen Grundsatz, dass der Arbeitslose vor Inanspruchnahme der Alhi auf eigenes Einkommen und Vermögen zurückgreifen muss. Es wäre daher sinnwidrig und nicht systemgerecht, Einkommen in Form von Einmalzahlungen bei der Anrechnung durch § 141 Abs 1 SGB III auf die Alhi auszuschließen.
Dementsprechend findet die Vorschrift des § 11 Satz 1 Nr 1 Arbeitslosenhilfe-Verordnung (Alhi-VO) vom 7. August 1974 (BGBl I, Seite 1929 hier in der Änderung durch Gesetz vom 21. Dezember 2000, BGBl I, Seite 1983) auf die vorliegende Fallgestaltung keine Anwendung. Nach dieser Vorschrift gelten nicht als Einnahmen einmalige Einnahmen, soweit sie nach Entstehungsgrund, Zweckbestimmung oder Übung nicht dem laufenden Lebensunterhalt dienen. Für die Entscheidung kann offen bleiben, ob das streitige Weihnachtsgeld dazu gehört.
Soweit Einkommen des Klägers als Nebeneinkommen anzusehen ist, gilt es nicht als zu berücksichtigendes Einkommen iS des § 194 SGB III. § 141 SGB III regelt abschließend, in welchem Umfang das Nebeneinkommen auf die Leistungsansprüche anzurechnen ist. § 11 Satz 1 Nr 1 Alhi-VO bestimmt dagegen im Rahmen der Verordnungsermächtigung des § 206 SGB III, ob weitere Einnahmen nicht als Einkommen gelten (Nr 3) und wie das Einkommen im Einzelnen zu berücksichtigen ist (Nr 4).
Bestimmungen zum Nebeneinkommen trifft die Alhi-VO nicht.
Daraus folgt, dass das Weihnachtsgeld gemäß § 141 SGB III auf die Alhi des Klägers anzurechnen war.
Bei anderer Betrachtungsweise würden Bezieher von Alg bzw Alhi im Rahmen des § 141 SGB III grundlos unterschiedlich behandelt (bei Alg Anrechnung von einmaligen Einnahmen, bei Alhi keine Anrechnung). Eine derartige Gesetzesauslegung hält der Senat im Hinblick auf Art 3 GG nicht für angebracht.
Andere Zulassungsgründe hat der Kläger nicht aufgezeigt, sie sind auch nicht ersichtlich.
Mit der Ablehnung der Beschwerde ist der Gerichtsbescheid des SG Hildesheim vom 4. September 2003 rechtskräftig, § 145 Abs 4 Satz 5 SGG.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Da die Nichtzulassungsbeschwerde erfolglos bleibt, hat die Beklagte Kosten des Klägers nicht zu erstatten.
Der Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.