Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 21.03.2007, Az.: 1 A 472/06

Gültigkeit einer Gemeinderatswahl; Satzung über die Verringerung der Ratsmandate; Fehlen der erforderlichen qualifizierten Mehrheit bei der Beschlussfassung; Verletzung von Verfahrensvorschriften oder Formvorschriften; Nicht ordnungsgemäße Information durch den Bürgermeister; Verspätete Zustellung der Wahlprüfungsentscheidung

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
21.03.2007
Aktenzeichen
1 A 472/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 30844
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2007:0321.1A472.06.0A

Fundstellen

  • FStNds 2007, 635-637
  • NdsVBl 2007, 253-255

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Die Bestimmungen der NGO (Niedersächsische Gemeindeordnung) über eine notwendige einfache oder qualifizierte Mehrheit bei Abstimmungen - hier betroffen: § 32 Abs. 2 S. 2 NGO - stellen Verfahrensvorschriften nach § 6 Abs. 4 S. 1 NGO dar. Ein Verstoß dagegen ist nur dann beachtlich, wenn er innerhalb der Jahresfrist des § 6 Abs. 4 S. 1 NGO geltend gemacht worden ist. Ohne Belang ist dabei, ob der Verfahrensfehler als schwerwiegend anzusehen ist oder nicht.

  2. 2.

    Zur erforderlichen eigenen Information von Kommunalpolitikern gehört die Lektüre und Kenntnis der in Ausschuss- und Ratsvorlagen genannten Bestimmungen der Gemeindeordnung, die Grundlage von Abstimmungen sind. Dies gilt insbesondere für Mitglieder des Verwaltungsausschusses.
    Im Übrigen kann ein Aufklärungsfehler von einem Ausschuss- bzw. Ratsmitglied nur geltend gemacht werden, wenn es seine Frage- und Antragsrechte ausgeschöpft hat.

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Göttingen -1. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung
vom 21. März 2007
durch
die Präsidentin des Verwaltungsgerichts G.,
den Richter am Verwaltungsgericht H.,
die Richterin am Verwaltungsgericht I. sowie
die ehrenamtliche Richterin J. und
den ehrenamtlichen Richter K.
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 1. zu 3/4 und die Klägerin zu 2. zu 1/4; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen die Gültigkeit der Gemeinderatswahl in L. am 10. September 2006.

2

Mit Schreiben vom 21. Januar 2005 reichte die SPD-Fraktion im Gemeinderat bei dem Bürgermeister der Gemeinde L. einen Antrag auf Verkleinerung des Gemeinderates um 6 Ratsmitglieder (von 28 auf 22 Sitze) ein. Daraufhin brachte der Bürgermeister diesen Antrag in den Verwaltungsausschuss ein, der sich unter dem 24. Januar, 14. und 28. Februar 2005 damit beschäftigte. In der Sitzung am 28. Februar 2005 beschloss der Verwaltungsausschuss dem Gemeinderat zu empfehlen, dem Antrag der SPD-Fraktion zu folgen.

3

Der Gemeinderat befasste sich in seiner Sitzung am 14. März 2005 unter dem Tagesordnungspunkt 9 mit dem betreffenden Antrag. Nach einer ausführlichen Aussprache fasste der Gemeinderat mit 14 Ja-Stimmen bei 11 Nein-Stimmen und einer Stimmenthaltung die als Anlage Nr. 3 beigefügte Satzung der Gemeinde L. über die Verringerung der Zahl der Ratsfrauen und Ratsherren für die Ratsperiode 2006 bis 2011. Der Bürgermeister fertigte daraufhin unter dem 14. März 2005 die betreffende Satzung aus und übersandte sie dem Landkreis Göttingen zwecks Veröffentlichung im Amtsblatt. Die Satzung wurde im Amtsblatt für den Landkreis Göttingen vom 7. April 2005 (Nr. 13 Seite 193) veröffentlicht.

4

Nach § 2 der Satzung trat sie 14 Tage nach ihrer Bekanntmachung im Amtsblatt für den Landkreis Göttingen in Kraft. Mit der am 31. Oktober 2011 endenden Wahlperiode des Rates der Gemeinde L. tritt sie außer Kraft.

5

Für die Gemeinderatswahl am 10. September 2006 reichten die Gemeindeverbände der CDU und SPD jeweils Wahlvorschläge mit 22 Bewerbern, der Kläger zu 1. einen Wahlvorschlag mit 10 Bewerbern und die Linkspartei einen Wahlvorschlag mit 6 Bewerbern beim Gemeindewahlleiter ein. Das vom Gemeindewahlausschuss in seiner Sitzung am 11. September 2006 festgestellte Wahlergebnis für die Gemeinderatswahl L. am 10. September 2006 wurde im Amtlichen Mitteilungsblatt der Gemeinde L. " L. aktuell" vom 21.

6

September 2006 (Nr. 38/2006 Seite 10) öffentlich bekannt gemacht. Von den 22 Sitzen entfielen auf die CDU 7 (5 Sitze bei der Personenwahl und 2 Sitze bei der Listenwahl; 5/2), die SPD 12 (9/3), das Bündnis 90/Die Grünen 2 (1/1) und die Linkspartei 1 (Listenwahl).

7

Nachdem der Kommunalaufsicht des Landkreises Göttingen wohl am 19. September 2006 erstmals aufgefallen war, dass die Satzung über die Verringerung der Ratsmandate nicht mit der erforderlichen absoluten Mehrheit von 15 Stimmen beschlossen worden war, informierte der Bürgermeister der Gemeinde L. die Mitglieder des Rates mit Schreiben vom 22. September 2006 über den Stand der Überprüfung.

8

Mit Schreiben vom 30. September 2006 legte der Kläger zu 1. gegen die Gültigkeit der Wahl zum Rat der Gemeinde L. Einspruch ein. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, Grundlage für die Wahl am 10. September 2006 sei die unter dem 14. März 2005 im Gemeinderat behandelte Satzungsänderung über die Anzahl der Ratsmitglieder gewesen. Statt bisher 28 Mitglieder habe der Gemeinderat in der Wahlperiode 2006 bis 2011 nur 22 Mitglieder haben sollen. Die betreffende Satzungsänderung sei aber nicht mit der erforderlichen qualifizierten Mehrheit von 15 Ja-Stimmen zustande gekommen, so dass diese Änderung nichtig sei. Diese Nichtigkeit könne auch nicht durch Zeitablauf geheilt werden. § 6 Abs. 4 der Nds. Gemeindeordnung -NGO -greife nicht ein. Bei dem Nichterreichen der erforderlichen Mehrheit handele es sich nicht um einen Verstoß gegen eine Verfahrens-oder Formvorschrift, sondern gegen eine normative Vorschrift. Ein Beschluss, der nicht gefasst worden sei, könne auch nicht durch seine Veröffentlichung wirksam werden. Auf eine Rügefrist könne nicht verwiesen werden, da die Veröffentlichung der Satzung keinen Hinweis auf die abgegebenen Ja-Stimmen enthalten habe. Erst nach der Wahl habe der Bürgermeister von seiner Prüfungspflicht Gebrauch gemacht, indem er den im bisherigen Gemeinderat vertretenen Parteien Mitteilung über die Unwirksamkeit des Satzungsbeschlusses gemacht habe. Durch die nichtige Satzungsänderung sei die Gemeinderatswahl in unzulässiger Weise beeinflusst worden. Denn es sei nicht auszuschließen, dass bei einer größeren Anzahl von Ratsmitgliedern sich weitere Einzelpersonen oder Parteien zur Wahl gestellt und sie dies nur aufgrund augenscheinlicher Chancenlosigkeit aufgrund des verkleinerten Rates nicht getan hätten.

9

Mit Schreiben vom 30. September 2006 legte auch die Klägerin zu 2. einen Wahleinspruch ein. Sie war in der Wahlperiode 2001 bis 2006 bereits Ratsfrau und wurde als Wahlbewerberin für das Bündnis 90/Die Grünen für die Wahlperiode 2006 bis 2011 erneut in den Rat gewählt. Neben der Wiederholung der Einspruchsbegründung des Klägers zu 1. rügte die Klägerin zu 2., die ihr gegenüber bestehende Aufklärungs-und Informationspflicht sei durch den Bürgermeister verletzt worden. An die Vorbereitung von Beschlüssen des Verwaltungsausschusses und Rates seien hohe Anforderungen zu stellen, da es sich bei den Mitgliedern eines Kommunalparlaments um Freizeitpolitiker handele. Die Beschlussorgane müssten in die Lage versetzt werden, in Kenntnis aller für ihre Entscheidung relevanten tatsächlichen und rechtlichen Umstände zu beschließen. Sie sei vom Bürgermeister nicht über die rechtlichen Voraussetzungen und Anforderungen an die Satzungsänderung zur Verkleinerung des Rates informiert worden. Die Voraussetzung einer qualifizierten Mehrheit für die Satzungsänderung sei ihr erst nach Beendigung der Gemeinderatswahl im September 2006 genannt worden.

10

Mit einem weiteren Schreiben vom 30. September 2006 rügte die Klägerin zu 2. die Nichtigkeit und Fehlerhaftigkeit des Satzungsbeschlusses vom 14. März 2005 gegenüber dem Bürgermeister der Gemeinde L..

11

Die Wahleinsprüche der Kläger legte der Gemeindewahlleiter mit einer Stellungnahme vom 30. Oktober 2006 dem beklagten neuen Gemeinderat zur Entscheidung vor. Nach Anhörung der Beteiligten in der Gemeinderatssitzung am 13. November 2006 beschloss der Beklagte, die Wahleinsprüche der Kläger als zulässig, aber unbegründet zurückzuweisen.

12

Die betreffenden Beschlüsse wurden mit 14 Ja-Stimmen bei 9 Nein-Stimmen gefasst.

13

Mit Bescheiden vom 24. November 2006 teilte der Vorsitzende des Beklagten den Klägern die betreffenden Beschlüsse des Beklagten mit und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Satzung über die Reduzierung der Ratssitze sei nicht nichtig, sondern rechtswirksam. Zwar sei die nach § 32 Abs. 2 NGO vorgeschriebene Mehrheit der Ratsmitglieder bei der Abstimmung am 14. März 2005 nicht zustande gekommen und lediglich die sogenannte einfache Mehrheit erreicht worden. Hierbei handele es sich jedoch um eine Verletzung einer Verfahrensvorschrift, die nach § 6 Abs. 4 NGO unbeachtlich sei, wenn die Verletzung nicht innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung der Satzung schriftlich gegenüber der Gemeinde geltend gemacht worden sei. Dies sei hier nicht geschehen.

14

Die Rechtswirksamkeit der Satzung über die Verringerung der Ratssitze habe zur Folge, dass die Wahl von 22 statt von 28 Ratsfrauen und Ratsherren für die Wahlperiode 2006 bis 2011 rechtlich nicht zu beanstanden sei. Die Bescheide vom 24. November 2006 wurden dem Kläger zu 1. am 28. November 2006 und der Klägerin zu 2. am 25. November 2006 zugestellt.

15

Am 22. Dezember 2006 haben die Kläger Klage erhoben und darauf hingewiesen, ihr Ziel sei es, die Ungültigkeit der Wahl feststellen zu lassen. Im Rahmen der Wahlanfechtungsklage sei auch inzident der umstrittene Satzungsbeschluss auf Verringerung der Mitglieder des Rates vom März 2005 zu prüfen. Im Übrigen vertiefen die Kläger ihre bisherigen Ausführungen. Insbesondere leide der Satzungsbeschluss vom 14. März 2005 nicht nur an einem Verfahrensfehler. Mit § 32 Abs. 2 NGO sei eine Vorschrift des Minderheitenschutzes verletzt worden, die nicht als reine Verfahrensvorschrift abgewertet werden könne.

16

Ein Vergleich mit den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes zeige, dass die Heilung eines solchen Verfahrensfehlers nicht in Betracht komme, da das Verfehlen der erforderlichen qualifizierten Mehrheit die Entscheidung in der Sache beeinflusst habe.

17

Durch die nichtige Satzung vom 14. März 2005 sei die Gemeinderatswahl am 10. September 2006 auch in unzulässiger Weise beeinflusst worden. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Wahl sei der Kläger zu 1. mit 2 Mitgliedern im 22 Sitze umfassenden Rat der Gemeinde L. vertreten. Wäre die Wahl korrekt zu einem Gemeinderat mit 28 Mitgliedern durchgeführt worden, wäre der Kläger zu 1. mit 3 Mitgliedern im Gemeinderat vertreten gewesen. Hinzu komme, dass der Gemeinderat in seiner Sitzung vom 13. November 2006 beschlossen habe, den Verwaltungsausschuss gemäß § 56 Abs. 2 Satz 3 NGO um 2 weitere Sitze zu erweitern. Dies bedeute, dass bei der ordnungsgemäßen Wahl von 28 Ratsmitgliedern der Verwaltungsausschuss nunmehr aus 8 Mitgliedern bestehen müsste.

18

Die Fraktion verfüge zur Zeit allein über ein Grundmandat in dem Verwaltungsausschuss.

19

Bei 8 Mitgliedern wäre die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stimmberechtigtes Mitglied.

20

Auch insoweit sei das Ergebnis der Wahl verfälscht worden. Der Kläger zu 1. sei folglich unmittelbar betroffen, weil dadurch ein Ratsmandat und die Stimmberechtigung im Verwaltungsausschuss fehlten. Schließlich sei dem Kläger zu 1. die Wahlprüfungsentscheidung verfristet zugestellt worden. Dieses Versäumnis sei nicht als reine Ordnungsvorschrift zu werten. Vielmehr sei der Wahleinspruch nicht fristgerecht zurückgewiesen und damit angenommen worden.

21

Die Kläger beantragen,

die Bescheide des Beklagten vom 24. November 2006 aufzuheben und festzustellen, dass das im Mitteilungsblatt der Gemeinde L. " L. aktuell" am 21. September 2006 veröffentlichte Wahlergebnis zum Gemeinderat der Gemeinde L. rechtswidrig ist und die Gemeinderatswahl am 10. September 2006 zum Gemeinderat der Gemeinde L. ungültig ist.

22

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

23

Zur Begründung führt er aus, die Kläger hielten sich mit ihrem Vorbringen nicht in dem durch § 46 Abs. 1 Satz 2 des Niedersächsischen Kommunalwahlgesetzes -NKWG -vorgegebenen Rahmen. Die Zahl der zu wählenden Ratsfrauen und Ratsherren werde nicht durch das NKWG oder durch die Verordnung nach § 53 Abs. 1 NKWG festgelegt. Die beiden ersten Alternativen des § 46 Abs. 1 Satz 2 NKWG schieden danach aus. Es sei auch nichts dafür vorgetragen und ersichtlich, dass die dritte Alternative, eine unzulässige Wahlbeeinflussung, erfüllt sein könnte. Der Vortrag, es sei nicht auszuschließen, dass bei einer größeren Anzahl von Ratsmitgliedern sich weitere Einzelpersonen oder Parteien zur Wahl gestellt und dies nur wegen augenscheinlicher Chancenlosigkeit aufgrund des verkleinerten Rates nicht getan hätten, sei nichts weiter als eine Vermutung. Im Übrigen sei der Fehler, der beim Erlass der Satzung unterlaufen sei, unbeachtlich geworden. Zu den Verfahrensvorschriften des § 6 Abs. 4 Satz 1 NGO gehöre neben der Beschlussfähigkeit des Rates auch die Beschlussfassung mit der erforderlichen Mehrheit der Stimmen. Der am 14. März 2005 begangene Verfahrensfehler sei nicht innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der betreffenden Satzung gerügt worden. Soweit die Klägerin zu 2. die Verletzung eines Informations-und Auskunftsanspruches gegenüber dem Bürgermeister gerügt habe, so liege eine Pflichtverletzung nicht vor. Die Mitglieder des Verwaltungsausschusses hätten einen Entwurf der Satzung erhalten, in dem unter anderem § 32 NGO als Ermächtigungsgrundlage genannt worden sei. Der Klägerin zu 2. sei zudem im Januar 2005 ein Artikel aus der Zeitschrift Rathaus & Recht übermittelt worden, der das Thema Verringerung der Zahl der Ratsfrauen und Ratsherren abhandele. Die Klägerin zu 2. habe sich durch Lektüre der maßgeblichen Vorschrift des § 32 NGO auf die Sitzung des Verwaltungsausschusses vorbereiten und die rechtlichen Voraussetzungen erkennen können.

24

Soweit es noch Unklarheiten für sie gegeben habe, hätte sie ihr Frage-und Antragsrecht ausschöpfen können, was Voraussetzung für die Geltendmachung der Verletzung des Rechtes auf angemessene Information sei.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und die im Parallelverfahren 1 A 473/06 beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Wahlunterlagen zur Gemeinderatswahl am 10. September 2006 verwiesen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

26

Die Klage ist als Wahlprüfungsklage nach § 49 Abs. 2 NKWG mit dem Begehren auf Aufhebung der Bescheide des Beklagten vom 24. November 2006 und auf Feststellung der Ungültigkeit der Gemeinderatswahl in L. am 10. September 2006 zulässig (vgl. Nds. OVG Lüneburg, Urteil vom 16. Februar 1999 -10 L 4498/97 -). Die Kläger haben rechtzeitig gegen die Bescheide des Beklagten Klage erhoben, mit denen ihre Wahleinsprüche als zulässig, aber unbegründet zurückgewiesen worden sind.

27

Die Klage ist unbegründet, da die Bescheide vom 24. November 2006 rechtmäßig sind und die Kläger die Feststellung der Ungültigkeit der Gemeinderatswahl am 10. September 2006 nicht beanspruchen können.

28

Soweit der Kläger zu 1. vorbringt, die am 13. November 2006 vom Gemeinderat getroffene Wahlprüfungsentscheidung sei ihm nicht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 49 Abs. 1 NKWG zugestellt und damit sein Wahleinspruch angenommen worden, so kann dem bezüglich der Rechtsfolgen nicht beigetreten werden. Diese Frist für die Zustellung des Bescheides vom 24. November 2006 ist zwar um einen Tag nicht eingehalten worden.

29

§ 49 Abs. 1 NKWG stellt aber eine reine Ordnungsvorschrift dar. Damit soll eine schnelle Zustellung der Wahlprüfungsentscheidung gewährleistet werden, um das Wahlprüfungsverfahren, das weitreichende Konsequenzen haben kann, zügig zu betreiben und nicht unnötig zu verzögern. Materielle Folgen aus einer Nichtbeachtung der Zweiwochenfrist etwa im Sinne einer fiktiven Stattgabe des Wahleinspruches nach § 48 Abs. 2 NKWG ergeben sich daraus aber nicht. Für eine entsprechende Fiktion hätte es zudem einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft.

30

Der Beklagte hat die Wahleinsprüche der Kläger zu Recht als zulässig nach § 46 Abs. 1 NKWG angesehen. Die von den Klägern gegebene Begründung unterfällt § 46 Abs. 1 NKWG. Sie haben vorgebracht, statt 28 seien am 10. September 2006 nur 22 Ratsfrauen/Ratsherren gewählt worden. Damit haben die Kläger in zulässiger Weise eine nicht ordnungsgemäße Vorbereitung und Durchführung der Wahl nach den Vorschriften des NKWG gerügt. Denn insoweit ist § 1 Abs. 2 NKWG berührt, wonach die Zahl der Vertreterinnen und Vertreter der Einwohnervertretungen sich nach den Kommunalverfassungsgesetzen oder der Verordnung über die Verwaltung gemeindefreier Gebiete bestimmt. Hierzu zählt auch die Verringerung der Zahl der Ratsfrauen und Ratsherren in einer Gemeinde durch eine Satzung nach § 32 Abs. 2 NGO (vgl. Thiele/Schiefel, Niedersächsisches Kommunalwahlrecht, 3. Auflage 2006, § 1 NKWG Anm. 2.4). Die Zahl der in ein Kommunalparlament zu wählenden Mitglieder ist eine wichtige Vorgabe für die Vorbereitung und Durchführung einer Kommunalwahl, da sich diese Zahl u.a. auf die Zulässigkeit von Wahlvorschlägen und vor allem auf das Wahlergebnis auswirkt, nämlich auf die Zahl der zu vergebenden Mandate bei der Personenwahl und der Listenwahl. Damit ist das Gericht im Rahmen der vorliegenden Wahlprüfungsklage auch zu einer Inzidentprüfung der Satzung vom 14. März 2005 berufen.

31

Die Wahleinsprüche der Kläger sind jedoch zu Recht als unbegründet zurückgewiesen worden.

32

Soweit die Klägerin zu 2. eine nicht ordnungsgemäße bzw. unterlassene Information durch den Bürgermeister über die für die Beschlussfassung am 14. März 2005 erforderliche qualifizierte Mehrheit und insoweit auch eine nicht ordnungsgemäße Vorbereitung der betreffenden Sitzungen des Verwaltungsausschusses und des Rates durch den Bürgermeister vorbringt, so ist diese Rüge unbegründet. Dem Verwaltungsausschuss, dessen Mitglied die Klägerin zu 2. war, lag in seiner Sitzung am 24. Januar 2005 der Antrag der SPD-Fraktion vom 21. Januar 2005 vor, in dem § 32 Abs. 2 S. 1 NGO als Rechtsgrundlage für die Verringerung der Zahl der Ratsmitglieder genannt worden war. Der Bürgermeister fertigte unter dem 7. Februar 2005 eine Sachvorlage für die Sitzung des Verwaltungsausschusses am 14. Februar 2005, in der auf die Notwendigkeit eines Satzungsbeschlusses nach § 32 Abs. 2 NGO und eine Beschlussfassung bis zum 30. April 2005 hingewiesen worden war. Dieser Sachvorlage waren der Antrag der SPD-Fraktion vom 21. Januar 2005 und ein entsprechender Satzungsentwurf beigefügt. Diese Unterlagen hat die Klägerin zu 2. als damaliges Mitglied des Verwaltungsausschusses erhalten. In der Sitzung des Verwaltungsausschusses am 14. Februar 2005 wurde die Angelegenheit nach Aussprache zur nächsten Sitzung vertagt, um den Fraktionen Gelegenheit zur Beratung zu geben.

33

Am 28. Februar 2005 fand eine erneute, nunmehr ausführliche Erörterung im Verwaltungsausschuss statt, an der sich auch die Klägerin zu 2. beteiligte. In der Ratssitzung am 14. März 2005 hat zu dem betreffenden Tagesordnungspunkt 9 nach dem Protokollauszug eine weitere umfangreiche Aussprache stattgefunden, in der die Klägerin zu 2. für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nochmals zu dem betreffenden Antrag Stellung bezogen hat. Angesichts dessen ist die Klägerin zu 2. mehrfach mit der Angelegenheit befasst gewesen und hätte sie um die maßgeblichen Voraussetzungen für einen Satzungsbeschluss wissen können. Schon beim bloßen Lesen des kurzen Textes in § 32 Abs. 2 NGO, der aus zwei Sätzen besteht, hätte die Klägerin zu 2. erkennen können und müssen, dass ein entsprechender Satzungsbeschluss der Mehrheit der Mitglieder des Rates bedurfte. Über diese Bestimmung der NGO und das Erfordernis eines Satzungsbeschlusses war die Klägerin zu 2. als Mitglied des Verwaltungsausschusses mit der Sachvorlage vom 7. Februar 2005 hinreichend und frühzeitig genug durch den Bürgermeister informiert worden. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin zu 2., sie sei als Feierabendpolitikerin auf eine umfassende Information des Bürgermeisters angewiesen. Auch von einem/einer Kommunalpolitiker/in ist zu erwarten, dass Ausschuss-und Ratsvorlagen umsichtig gelesen werden und eine eigene Sitzungsvorbereitung stattfindet. Gerade weil die Klägerin zu 2. mit einer Verkleinerung des Rates in der kommenden Amtszeit nicht einverstanden war, drängte es sich auf, den Antrag besonders genau zu prüfen. Auf jeden Fall wäre ein Blick in das Gesetz und das Nachlesen von § 32 Abs. 2 S. 2 NGO angezeigt gewesen. Zur eigenen Information gehört jedenfalls die Lektüre und Kenntnis der in Vorlagen genannten Bestimmungen der NGO, die Grundlage von Abstimmungen sind. Dies gilt insbesondere für Mitglieder des Verwaltungsausschusses, die regelmäßig zusammenkommen, Ratsentscheidungen vorbereiten und häufiger Entscheidungen zu treffen haben und deshalb neben einer stärkeren kommunalverfassungsrechtlichen Stellung auch eine höhere Verantwortung tragen.

34

Unabhängig davon hatte die Klägerin zu 2. mehrfach die Möglichkeit/Gelegenheit, durch Nachfragen gegenüber dem Bürgermeister eine Klärung herbeizuführen, wenn sie nicht gewusst hätte, was unter der von § 32 Abs. 2 S. 2 NGO geforderten Mehrheit der Mitglieder des Rates zu verstehen war. Von diesem ihr zustehenden Antrags-und Fragerecht hat die Klägerin zu 2. aber keinen Gebrauch gemacht, obwohl der Angelegenheit, wie die zahlreichen Sitzungen des Verwaltungsausschusses gezeigt haben, größere Bedeutung beigemessen worden war. Auch insoweit ist ein Aufklärungsfehler in der Sache zu verneinen, da die Geltendmachung der Verletzung des Rechts auf angemessene Information voraussetzt, dass das Ausschuss-bzw. Ratsmitglied seine Frage-und Antragsrechte ausgeschöpft hat (vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 2. April 2004 -2 B 1229/04 -).

35

Aber selbst wenn eine unzureichende Information der Klägerin zu 2. unterstellt würde, handelt es sich dabei um einen nach § 6 Abs. 4 S. 1 NGO unbeachtlich gewordenen Verfahrensfehler.

36

Denn die Vorgaben an die Vorbereitung von Sitzungen und die Information des Verwaltungsausschusses und von Ratsmitgliedern durch den Bürgermeister nach den §§ 39 Abs. 1, 42 S. 1, 62 Abs. 1 Nr. 1 NGO betreffen das Verfahren im Vorfeld einer Beschlussfassung des Rates über eine Satzung.

37

Nach alledem kann dahinstehen und bedurfte es keiner weiteren Klärung, ob der Bürgermeister den drei Fraktionsvorsitzenden der im Rat vertretenen Parteien, u.a. der Klägerin zu 2., einen in der Zeitschrift Rathaus & Recht Nr. 39/2004 veröffentlichten Artikel zur Verringerung der Zahl der Ratsfrauen und Ratsherren übermittelt hat, in dem ausführlich die gesetzgeberischen Überlegungen für die Aufnahme des § 32 Abs. 2 in die NGO dargelegt und auch die erforderliche qualifizierte Mehrheit der Mitglieder des Rates nach den §§ 32 Abs. 2 Satz 2, 31 Abs. 2 NGO erläutert worden sind.

38

Auch der bei der Abstimmung des Rates am 14. März 2005 begangene Fehler, dass der Beschluss nicht mit der absoluten Mehrheit von 15 Stimmen nach § 32 Abs. 2 Satz 2 NGO gefasst wurde (bei 28 Ratsfrauen/Ratsherren und dem Bürgermeister hatte der Rat damals 29 Mitglieder, so dass die Mehrheit der Mitglieder des Rates 15 Stimmen erforderte), stellt eine seit dem 8. April 2006 unbeachtliche Verletzung einer Verfahrensvorschrift nach § 6 Abs. 4 Satz 1 NGO dar.

39

Ist eine Satzung unter Verletzung von Verfahrens-oder Formvorschriften, die in diesem Gesetz enthalten oder aufgrund dieses Gesetzes erlassen worden sind, zustande gekommen, so ist nach § 6 Abs. 4 Satz 1 NGO diese Verletzung unbeachtlich, wenn sie nicht schriftlich innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung der Satzung gegenüber der Gemeinde unter der Bezeichnung der verletzten Vorschrift und der Tatsache, die den Mangel ergibt, geltend gemacht worden ist. Diese zum 1. Juli 1982 in die NGO aufgenommene Vorschrift (ehemals § 6 Abs. 5 NGO, vgl. Nds.GVBl. 1982, 53; seit dem 1. April 1996 wurde Abs. 5 zum inhaltsgleichen Abs. 4, vgl. Nds. GVBl. 1996, 82) lehnte sich an den § 155 a BBauG an und sollte wie diese Bestimmung der Rechtssicherheit dienen, indem sie verhindert, dass noch lange Zeit nach dem Inkrafttreten des Ortsrechts seine Ungültigkeit wegen der Verletzung von Form-und Verfahrensvorschriften festgestellt wird (vgl. Begründung des Entwurfs des Achten Gesetzes zur Änderung der Niedersächsischen Gemeindeordnung und der Niedersächsischen Landkreisordnung, Landtagsdrucksache 9/1961, Seite 23). Mit § 155 a BBauG wollte der Bundesgesetzgeber erreichen, dass einzelne Verfahrens-oder Formfehler beim Zustandekommen der Satzung, die von niemanden gerügt, sondern allgemein hingenommen worden sind oder jedenfalls bei einjähriger Anwendung der Satzungsbestimmungen keine praktische Bedeutung erlangt haben, nach einer bestimmten Frist unschädlich für die Gültigkeit der Satzung werden. Jeder einzelne Verfahrens-oder Formfehler, der nicht konkret schriftlich innerhalb der Jahresfrist gegenüber der Gemeinde geltend gemacht worden ist, wird deshalb für die Gültigkeit der Satzung unschädlich, gleichviel, ob diese aus anderen Gründen in einem Normenkontrollverfahren oder inzidenter in einem anderen Rechtsstreit -hier einem Wahlprüfungsverfahren -angegriffen wird. Das hat zur Folge, dass ein innerhalb der Jahresfrist nicht ordnungsgemäß geltend gemachter Verfahrens-oder Formfehler auch in einem laufenden Rechtsstreit nicht beachtet wird, dass also aus ihm nicht die Ungültigkeit der Satzung hergeleitet werden darf (vgl. BVerwG, NVwZ 1983, 347). Dem Landesgesetzgeber ging es mit § 6 Abs. 4 NGO um die Rechtssicherheit sämtlichen Ortsrechts, das nach seinem Inkrafttreten nur zeitlich eingeschränkt für angreifbar erklärt worden ist. Es geht deshalb nicht darum, die verletzte Rechtsordnung wiederherzustellen, sondern Rechtssicherheit zu schaffen. Rechtssicherheit wird nach Ablauf der Rügefrist der Gesetzmäßigkeit vorangestellt.

40

Dies unterscheidet die Rügeklauseln auch von den Heilungsvorschriften etwa der §§ 45, 46 VwVfG (vgl. Ossenbühl, NJW 1986, 2805, 2810). Von § 6 Abs. 4 NGO werden alle gemeindlichen Satzungen erfasst; und zwar ohne Unterscheidung nach der Bedeutung und Reichweite ihrer Inhalte etwa für die Bürger oder die Mitglieder eines Rates oder nach der Schwere eines begangenen Verfahrens-oder Formfehlers. Verfassungsrechtlich ist die Ausschlussfrist von einem Jahr nicht zu beanstanden. Die Rechtsschutzgarantie, die Art. 19 Abs. 4 GG jedem gibt, der sich durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt fühlt, bleibt erhalten. Der Rechtsschutz gegen gemeindliche Satzungen wird sachlich in vollem Umfang gewährleistet. § 6 Abs. 4 NGO schränkt die Angriffsmöglichkeit im Interesse der Rechtssicherheit nur in zeitlicher Hinsicht ein (vgl. BVerwG, NJW 1967, 591; Ossenbühl, NJW 1986, 2805, 2812).

41

Die Bestimmungen der NGO über eine notwendige einfache oder qualifizierte Mehrheit bei Abstimmungen stellen Verfahrensvorschriften nach § 6 Abs. 4 Satz 1 NGO dar (so auch Thiele, Niedersächsische Gemeindeordnung, 7. Auflage 2004, § 6 Erl. 6; vgl. auch Schliesky, in: KVR -SH, Stand: Juni 2006, § 4 GO Rn. 219; Wiegand/Grimberg, GO Sachsen-Anhalt, § 6 Rn. 14 i.V.m. Anhang 10 und 13 und Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 8. Aufl. 2006, Art. 121 Rn. 1 zur Mehrheit der Mitglieder des Bundestages und der Bundesversammlung).

42

Der vorliegend einschlägige § 32 Abs. 2 Satz 2 NGO legt fest, in welcher Art und Weise der parlamentarische Meinungs-und Willensbildungsprozess bezüglich einer gemeindlichen Satzung zur Verringerung der Ratsmitglieder zum Abschluss gebracht wird, nämlich mit welcher Mehrheit von Stimmen die Beschlussfassung zu erfolgen hat. Über den Inhalt des Entscheidungsgegenstandes sagt diese Regelung gerade nichts aus. Dabei handelt es sich allein um eine durch die/den Ratsvorsitzende/n zu beachtende Verfahrensvorschrift, und zwar ob mit der Zahl der abgegebenen Stimmen die erforderliche Mehrheit für eine Beschlussfassung erreicht worden ist. Von daher liegt es nicht anders als etwa bei den zu beachtenden Vorgaben des § 46 NGO an die Beschlussfähigkeit oder des § 26 NGO an ein Mitwirkungsverbot, die unstreitig ebenfalls Verfahrensvorschriften sind. Stellt die/der Ratsvorsitzende trotz fehlender Beschlussfähigkeit, wegen eines Zählfehlers, wegen der falschen Annahme, für die Beschlussfassung sei die einfache Mehrheit der Stimmen ausreichend, oder wegen eines nicht erkannten bzw. übersehenen Mitwirkungsverbotes fehlerhaft eine Beschlussfassung des Rates fest, so sind all diese Fehler nur beachtlich, wenn sie innerhalb der Jahresfrist des § 6 Abs. 4 S. 1 NGO geltend gemacht werden. Dies ist jedem unerkannt gebliebenen Verfahrensfehler immanent. Von daher ist es ohne Belang, dass der Fehler auch anderen Personen wie dem Bürgermeister oder der Kommunalaufsicht schon hätte auffallen und von diesen rechtzeitig hätte gerügt werden können. Davon ist zu trennen, dass jeder Verfahrensfehler, sei er nun als schwerwiegend anzusehen oder nicht, sich auch auf die Rechtmäßigkeit einer danach ordnungsgemäß ausgefertigten, bekannt gemachten und in Kraft getretenen Satzung materiell auswirkt und damit auf der Rechtsfolgenseite immer wesentlich und schwerwiegend ist. Beachtlich ist er jedoch nur, wenn er innerhalb der Jahresfrist des § 6 Abs. 4 Satz 1 NGO geltend gemacht worden ist. Wie bereits oben dargelegt, unterscheidet § 6 Abs. 4 NGO gerade nicht nach einfachen oder schweren Verfahrensfehlern. Insoweit kommt es für die Bewertung als Verfahrensvorschrift auch nicht darauf an, ob diese Regelung eine einfache oder qualifizierte Stimmenmehrheit für eine Beschlussfassung vorschreibt.

43

Der Auffassung der Kläger, der Fehler sei materieller Art, da er den Minderheitenschutz bei einer geforderten qualifizierten Mehrheit schwerwiegend verletze, kann schon deshalb nicht gefolgt werden. Bei der Festlegung einer qualifizierten Mehrheit geht es zudem auch nicht um einen parlamentarischen Minderheitenschutz, sondern darum, dass Beschlüsse über wichtige gemeindliche Angelegenheiten von einer breiteren Mehrheit der Ratsmitglieder getragen werden sollen. Soweit die Kläger des Weiteren wohl auf eine in der Literatur vertretene Meinung abstellen (vgl. Wefelmeier, in: KVR -NGO, Stand: Februar 2007, § 6 Rn. 57), so überzeugt diese nicht. Der Kommentator teilt lediglich die Auffassung mit, bei der Frage, ob die Satzung mit der erforderlichen Mehrheit vom Rat beschlossen worden sei, handele es sich nicht um einen Verfahrens-, sondern um einen materiellen Fehler, für den Heilung nicht eintreten könne. Eine Begründung für diese Einschätzung gibt er nicht. Auch der Verweis auf eine Kommentarmeinung zur Gemeindeordnung in Nordrhein-Westfalen (vgl. Wanzleben, in: KVR -NW, Stand: Januar 2007, § 7 GO Anm. 6.4) vermag hier nicht weiter zu helfen, da auch dieser Kommentator keinerlei Begründung für seine gleichlautende Ansicht gibt. Bei materiellen Fehlern handelt es sich um solche, die den Inhalt einer beschlossenen Satzung betreffen. Vorliegend wäre dies etwa der Fall, wenn die Zahl der Ratsfrauen und Ratsherren entgegen § 32 Abs. 2 S. 1 NGO um 3, 5 oder 7 verringert oder die Zahl der Ratsmitglieder unter 20 gesunken wäre. Solche materiellen, inhaltlichen Fehler der Satzung vom 14. März 2005 liegen jedoch nicht vor.

44

Nach alledem ist der bei der Beschlussfassung am 14. März 2005 begangene Verfahrensfehler mit Ablauf des 7. April 2006 und damit seit dem 8. April 2006 unbeachtlich geworden.

45

Die Satzung vom 14. März 2005 ist nämlich im Amtsblatt des Landkreises Göttingen vom 7. April 2005 ordnungsgemäß bekannt gemacht worden (insbesondere ist sie inhaltlich korrekt veröffentlicht worden; Angaben zum Abstimmungsergebnis bei der Beschlussfassung sind hierfür nicht erforderlich). Mit ihren entsprechenden Einwendungen sind die Kläger ausgeschlossen, da ihre Wahleinsprüche vom 30. September 2006 und auch das Rügeschreiben der Klägerin zu 2. vom 30. September 2006 erst am 5. Oktober 2006 bei dem Gemeindewahlleiter bzw. dem Bürgermeister eingegangen sind. Dies war mehrere Monate nach Ablauf der Jahresfrist des § 6 Abs. 4 NGO.

46

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 2 ZPO.

47

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

48

Gründe, die Berufung nach den §§ 124 a Abs. 1 S. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO zuzulassen, sind nicht gegeben.