Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 07.06.2000, Az.: 2 W 42/00
Voraussetzungen einer Gesetzesverletzung im Sinn des § 7 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO); Begriff der "ernsthaften Zweifel"
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 07.06.2000
- Aktenzeichen
- 2 W 42/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 31122
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2000:0607.2W42.00.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Lüneburg - 17.04.2000 - AZ: 3 T 12/00
Fundstellen
- NZI 2001, 57
- ZInsO 2001, 34 (amtl. Leitsatz)
- ZInsO 2000, 456-457 (Volltext mit red. LS)
Aus den Gründen
Die nach §§ 309 Abs. 2 Satz 3, 6 Abs. 1, 7 Abs. 1 Satz 1 InsO statthafte sofortige weitere Beschwerde des Schuldners ist nicht zuzulassen, weil die Entscheidung des LG nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht und eine Nachprüfung der Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht geboten ist. Vielmehr handelt es sich um eine reine Tatsachenentscheidung ohne grds. Bedeutung, bei der eine Überprüfung im Verfahren der Rechtsbeschwerde nach § 7 Abs. 1 InsO nicht in Betracht kommt. Insbesondere hat das LG die Anforderungen an das Vorliegen von "ernsthaften Zweifeln" i.S.d. § 309 Abs. 3 Satz 1 InsO an den vom Antragsteller angegebenen Forderungen nicht verkannt oder überspannt, sondern vielmehr eine aufgrund der Sachlage zutreffende Entscheidung erlassen. Anlass für eine Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde besteht deshalb nicht.
I.
Der Beschwerdeführer hat keine Gesetzesverletzung ausgeführt, die Voraussetzung für die Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde nach § 7 Abs. 1 InsO ist. Eine Gesetzesverletzung i.S.d. Vorschrift liegt dann vor, wenn das Beschwerdegericht eine allgemein verbindliche Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet hat, indem es entweder die abstrakten Tatbestandsmerkmale der Norm nicht richtig erkannt hat oder nicht bemerkt hat, dass der festgestellte Sachverhalt die Tatbestandsmerkmale nicht ausfüllt (s. dazu Becker, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 7 Rn. 13 ff.; Kirchhof, in: Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, § 7 Rn. 15 ff.; Prütting, in: Kübler/Prütting, InsO, § 7 Rn. 22 ff.; Smid, InsO, § 7 Rn. 9 ff.). Geht es um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffes, so ist diese im Rahmen des Rechtsbeschwerdeverfahrens zwar grds. nachprüfbar; die Ausübung eines Ermessensspielraums durch die Vorinstanz ist aber nur daraufhin zu überprüfen, ob die rechtlichen Voraussetzungen für den Ermessensgebrauch verkannt worden sind oder das Ermessen sonst rechtsfehlerhaft ausgeübt worden ist (vgl. Kirchhof, in: Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, § 7 Rn. 18). Tatsächliche Würdigungen hat das Gericht dagegen nicht zu überprüfen.
Hier macht der Beschwerdeführer zwar eine Verkennung des Begriffes der "ernsthaften Zweifel" i.S.d. § 309 Abs. 3 Satz 1 InsO durch das LG geltend, weil das Gericht verkannt habe, dass die beschwerdeführende Gläubigerin keine Umstände glaubhaft gemacht habe, die derartige Zweifel rechtfertigen könnten. Eine mögliche Rechtsverletzung i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 InsO wird damit aber nicht ausgeführt. Eine solche Rechtsverletzung könnte nur dann vorliegen, wenn das LG entweder die grds. Voraussetzungen des Begriffes der "ernsthaften Zweifel" an der Forderungsberechtigung verkannt hätte oder seinen Beurteilungsspielraum bei der Prüfung der Frage, ob derartige Zweifel vorhanden sind, unzutreffend angewendet hätte. Beides ist nicht der Fall. Das LG ist in seiner sorgsam abgewogenen Entscheidung vielmehr von einem Beurteilungsspielraum ausgegangen, indem es aufgrund der vorgetragenen Tatsachen zu dem Ergebnis gekommen ist, die Gläubigerin habe ernsthafte Zweifel an der Forderungsberechtigung glaubhaft gemacht. Es hat dabei weder die Voraussetzungen der Glaubhaftmachung verkannt noch seinen Beurteilungsspielraum fehlerhaft ausgeübt. Vielmehr ist der Schluss, an der Forderungsberechtigung der Mutter und Schwester des Antragstellers bestünden erhebliche Zweifel, durch die von der antragstellenden Gläubigerin glaubhaft gemachten Umstände vollauf gedeckt. Zweifel an der Forderungsberechtigung der Mutter und Schwester des Antragstellers wären eigentlich schon aufgrund der fehlenden Angabe eines Schuldgrundes im Schuldenbereinigungsplan, in dem der Antragsteller die Begründung der gegen ihn gerichteten Forderungen überwiegend nicht dargelegt hatte, gerechtfertigt gewesen. Sie wurden durch die später vorgelegten weitgehend miteinander identischen "Schuldurkunden" noch verstärkt. Der unmittelbare Zusammenhang zwischen der angeblichen Abgabe eines Schuldanerkenntnisses über 65.000 DM gegenüber der Schwester und die zeitlich parallele Schenkung eines Betrages von 40.000 DM an diese nach den Angaben im notariellen Vertrag mussten Zweifel im Hinblick auf die schon 1995 desolate wirtschaftliche Situation des Antragstellers hervorrufen. Wenn das Beschwerdegericht bei dieser Sachlage zu dem - auch aus der Sicht des Senats - einzig möglichen Schluss gekommen ist, an der Berechtigung der Forderungen der Mutter und Schwester des Antragstellers bestünden erhebliche Zweifel, stellt dies keine Verkennung des Begriffes der "ernsthaften Zweifel" i.S.d. § 309 Abs. 3 Satz 1 InsO dar, sondern ist vielmehr die gebotene Subsumtion der glaubhaft gemachten Tatsachen unter die genannte Norm. Es handelt sich deshalb um eine nicht zu beanstandende Entscheidung im Einzelfall, die im Rechtsbeschwerdeverfahren auch unter dem Gesichtspunkt, dass die Rechtsanwendung der Insolvenzordnung noch an ihrem Anfang steht und eine höchstrichterliche Auslegung des Begriffes der "ernsthaften Zweifel" bislang noch aussteht, nicht zu überprüfen ist.
II.
Soweit vom Beschwerdeführer geltend gemacht wird, das LG habe ihm das rechtliche Gehör verweigert und seine Hinweispflicht entsprechend § 139 ZPO verletzt, braucht der Senat die Frage, ob allein diese Vorwürfe die Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtfertigen könnten, nicht zu entscheiden. Da das LG den Beschwerdeführer zu dem Vorbringen der Gläubigerin gehört und ihm Gelegenheit gegeben hat, seinen Vortrag zu erweitern und zu ergänzen, gehen diese Vorhaltungen ins Leere. Eine Vorabinformation über seine Entscheidung brauchte das LG dem Beschwerdeführer nicht zu übermitteln. Das Verfahren des Gerichts bot weder unter dem Aspekt einer Verletzung des rechtlichen Gehörs noch im Hinblick auf eine mögliche außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit (dazu Prütting, in: Kübler/Prütting, § 7 Rn. 34 ff.) Veranlassung, über das Rechtsmittel in der Sache zu entscheiden. Das Verfahren des LG und seine Erwägungen im Rahmen der Begründung seines Beschlusses sind frei von Rechtsfehlern, sodass eine außerordentliche Beschwerde wegen einer groben Rechtsverletzung von vornherein nicht in Betracht kommt.
III.
Im Hinblick auf die fehlende Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde wegen der zutreffenden Anwendung des § 309 Abs. 3 Satz 1 InsO kann offen bleiben, ob als weiterer Versagungsgrund nicht auch die wirtschaftliche Schlechterstellung der Gläubiger durch den Schuldenbereinigungsplan aufgrund der Unerreichbarkeit eines Restschuldbefreiungsverfahrens durch den Schuldner in Betracht gekommen wäre. Zwar hat der Schuldner die Auffassung vertreten, seine im September 1998 vorsätzlich falsch abgegebene eidesstattliche Versicherung sei unbeachtlich, weil sie nicht auf Betreiben des Bundesverwaltungsamtes, sondern auf Betreiben eines anderen Gläubigers abgegeben worden sei und man sich außerdem nicht im Verfahren über die Anfangsentscheidung zur Erteilung der Restschuldbefreiung nach § 289 InsO befinde. Die Argumentation, Versagungsgründe i.S.d. § 290 Abs. 1 Nr. 1-6 InsO seien im Schuldenbereinigungsverfahren unbeachtlich, dürfte jedoch - hierauf weist der Senat im Hinblick auf künftige Fälle vorsorglich hin, da das Insolvenzgericht diese Frage bei seinen Ausführungen unberücksichtigt gelassen hat - durch das Schlechterstellungsverbot des § 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Inso widerlegt werden, das eine Zustimmungsersetzung dann ausschließt, wenn der Gläubiger durch den Schuldenbereinigungsplan voraussichtlich wirtschaftlich schlechter gestellt wird, als er bei Durchführung des Verfahrens über die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung stünde. Käme aufgrund des Vorliegens von Versagungsgründen eine Restschuldbefreiung von vornherein nicht in Betracht, müsste dies auch im Rahmen des § 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO Berücksichtigung finden.
Die Auffassung, Versagungsgründe könnten nur von demjenigen Gläubiger geltend gemacht werden, dem gegenüber sie verwirkt seien, begegnet ebenfalls erheblichen Zweifeln. Zwar wird diese Ansicht teilweise vertreten (s. Kohte/Ahrens/Grote, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenzverfahren, § 290 Rn. 27), soweit es um den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO geht. Eher zutreffen dürfte aber die Gegenauffassung, derzufolge der antragstellende Gläubiger nicht selbst Opfer des unredlichen Verhaltens des Schuldners gewesen sein muss (vgl. Wenzel, in: Kübler/Prütting, InsO, § 290 Rn. 5; Römermann, in: Nerlich/Römermann, § 290 Rn. 17), da die Frage der Redlichkeit des Schuldners, die Voraussetzung für die Erteilung der Restschuldbefreiung ist, nicht als teilbar angesehen werden kann. Ein Schuldner, der innerhalb des Zeitraums des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO eine vorsätzlich falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, dürfte unbeschadet einer späteren Korrektur dieser falschen Versicherung und der Frage, wer betreibender Gläubiger des Zwangsvollstreckungsverfahrens war, weder die Restschuldbefreiung der §§ 300 ff. InsO nach Ablauf der Wohlverhaltensphase noch die zwangsweise Schuldenbereinigung des § 309 InsO verdient haben, wenn die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO verwirkt sind.
IV.
Die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners war zu verwerfen, nachdem der Senat die Zulassung des Rechtsmittels abgelehnt hat.