Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 23.04.2003, Az.: 6 A 5808/02
Fortsetzungsfeststellungsantrag; Fortsetzungsfeststellungsklage; Nichtversetzung; Schüler; Versetzung
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 23.04.2003
- Aktenzeichen
- 6 A 5808/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48301
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 59 Abs 4 SchulG ND
- § 113 Abs 1 S 4 VwGO
- § 19 Abs 1 VersetzV ND
- § 9 GymOStV ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Die vollzogene Entscheidung der Schule, einen Schüler nicht zu versetzen und ihn auch nicht zur Nachprüfung zuzulassen, erledigt sich im Verlauf des auf die Nichtversetzung folgenden Schuljahres.
2. Wegen der Bedeutung der Nichtversetzungsentscheidung für den weiteren Ausbildungsweg des Schülers ist in Fällen dieser Art regelmäßig ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage gegeben.
Tatbestand:
Der am ... 1985 geborene Kläger besuchte im Schuljahr 2001/2002 die Klasse 11c (Vorstufe) der gymnasialen Oberstufe des Beklagten. Er wiederholt gegenwärtig die Vorstufe und begehrt die gerichtliche Feststellung, dass seine Nichtversetzung in die Kursstufe rechtswidrig war.
Am Ende des ersten Schulhalbjahres des Schuljahres 2001/2002 waren die Leistungen des Klägers in Französisch und Mathematik jeweils mit 03 Punkten, in Physik und Biologie jeweils mit 04 Punkten, in Kunst mit 05 Punkten, in Geschichte mit 06 Punkten, in Deutsch, Englisch und Informatik jeweils mit 07 Punkten, in Politik mit 08, in Latein mit 10 Punkten und in Sport mit 11 Punkten bewertet worden.
Zum Ende des zweiten Schulhalbjahres der Vorstufe hatte der Kläger folgende Noten erhalten: In Französisch 01 Punkt, in Biologie 03 Punkte, in Mathematik 04 Punkte; in Erdkunde und Kunst jeweils 05 Punkte; in Latein, Geschichte und Physik jeweils 06 Punkte, in Deutsch und Englisch jeweils 07 Punkte, in Politik 09 Punkte sowie in Sport 11 Punkte. Für das Fach Informatik enthielt das Zeugnis vom 19. Juni 2002 den Vermerk "Nicht erteilt".
Die Klassenkonferenz der Klasse 11c beschloss am 13. Juni 2002, den Kläger wegen der Noten in Französisch, in Biologie, und Mathematik nicht in die Kursstufe zu versetzen. Diese Entscheidung teilte der Schulleiter der Beklagten den Eltern des Klägers mit einem formlosen Bescheid vom 14. Juni 2002 mit folgender Begründung mit: Mit den mangelhaften Leistungen in drei von zwölf Fächern sei eine Versetzung nicht möglich. Die Note des aus organisatorischen Gründen nur im ersten Halbjahr erteilten Faches Informatik könne nicht herangezogen werden, da Informatik nicht zu den halbjährlich zu unterrichtenden Fächern zähle.
Nach einem Gespräch mit der Mutter des Klägers berief der Schulleiter der Beklagten die Klassenkonferenz der Klasse 11c für den 19. Juni 2002 erneut ein. Die Konferenz berücksichtigte sodann die mit 07 Punkten bewertete Leistung im Fach Informatik und zog stattdessen die mit 03 Punkten bewertete Leistung im Fach Biologie nicht heran. Die Klassenkonferenz entschied, von der nunmehr bestehenden Ausgleichsmöglichkeit keinen Gebrauch zu Gunsten des Klägers zu machen und beschloss wiederum die Nichtversetzung des Schülers, was der Schulleiter des Beklagten den Eltern des Klägers mit formlosem Bescheid vom 20. Juni 2002 mitteilte.
Durch seine Eltern gesetzlich vertreten erhob der Kläger am 24. Juni 2002 Widerspruch.
Zur Begründung machte er im Wesentlichen geltend, er habe vor Beginn 11. Jahrgangs 14 Kurse belegt, unter anderem das Fach Werte und Normen, in welchem er bisher immer die Note befriedigend erhalten habe, und das zugleich als Abiturfach neu angebotene Fach Informatik. Zu Beginn des Schuljahres sei ihm mitgeteilt worden, dass Werte und Normen wegen Lehrermangels nicht unterrichtet werde und der Ausgleichskurs Philosophie sowie alle anderen für ihn in Frage kommenden Kurse bereits voll seien. Die Beklagte habe dann bereits nach dem ersten Schulhalbjahr den Kurs Informatik wieder eingestellt. Er sei daraufhin mit einer Mitschülerin zu der Lehrkraft des Kurses Philosophie gegangen, um nachträglich in diesen Kurs aufgenommen zu werden. Das habe die Lehrkraft abgelehnt, dabei aber zugleich erklärt, dass der Halbjahreskurs Informatik voll gewertet werde und man im 11. Jahrgang alles ausgleichen lasse. Die Annahme, dass seine erfolgreiche Mitarbeit im 12. Jahrgang nicht zu erwarten sei, sei nicht nachvollziehbar, weil er die Fächer Französisch und Biologie für die Kursstufe abwählen werde. Schließlich sei allen anderen Schülern, die eine Ausgleichsmöglichkeit gehabt hätten, der Ausgleich gestattet worden. Außerdem falle Französisch als sein am schlechtesten benotetes Fach des 11. Jahrgangs für die Versetzungsentscheidung ohnehin weg. Die Nichtanwendung der Ausgleichsmöglichkeit lasse sich auch nicht damit begründen, dass er bereits in den Vorjahren ausgeglichen habe. Außerdem sei das Abstimmungsergebnis in der Konferenz vom 19. Juni 2002 nicht vorschriftsmäßig zustande gekommen. Da nicht alle zuständigen Lehrkräfte an der Konferenz teilgenommen hätte, lasse sich nicht ausschließen, dass nicht alle Lehrer zur Konferenz eingeladen worden seien.
Im Widerspruchsverfahren fand am 31. Juli 2002 erneut eine Klassenkonferenz für die Klasse 11 c statt. Dabei entschied die Konferenz wiederum, den Kläger nicht zu versetzen und eine Nachprüfung nicht zuzulassen. Dasselbe entschied die Klassenkonferenz, nachdem sie auf Weisung der Bezirksregierung Hannover ein weiteres Mal am 16. Oktober 2002 einberufen worden war.
Die Bezirksregierung Hannover wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2002 zurückgewiesen und führte zur Begründung aus:
Grundlage für die Versetzungsentscheidung seien Leistungen in 12 Fächern, unter anderem in Französisch und Mathematik. Da der Kläger in Französisch und Mathematik mit weniger als 05 Punkten bewertet worden sei, sei eine Regelversetzung nicht möglich gewesen. Die Möglichkeit eines Ausgleichs sei in den Konferenzen erörtert worden sei. Dass dabei die Prognose einer erfolgreichen Mitarbeit des Klägers im Kurssystem zu seinen Ungunsten ausgegangen sei, sei nicht zu beanstanden, denn er habe die Fähigkeit zur erfolgreichen Mitarbeit im 12. Jahrgang in den Fächern Französisch, Biologie und Mathematik mit einer Bewertung von weniger als 05 Punkten nicht nachgewiesen. Die größeren Lücken des Klägers in Mathematik ließen in der Kursstufe mehrere Unterkurse und infolgedessen eine Nichtzulassung zum Abitur befürchten. Gegen eine erfolgreiche Mitarbeit spräche auch der Leistungsabfall in einzelnen Fächern von Klasse 10 nach Klasse 11 sowie insbesondere in Latein, Französisch und Biologie im 2. Halbjahr der Klasse 11. Dass die Ausgleichsregelung bereits zweimal für den Kläger in den vorherigen Jahrgängen angewendet worden, schließe zwar ihre erneute Anwendung nicht aus; die Leistungen des Klägers hätten jedoch trotz Warnung zum Halbjahr in der 11. Klasse in wichtigen Fächern nachgelassen, was zeige, dass er eine Versetzung nicht ohne Ausgleichsregelung erreichen könne. Mangels Aussicht einer erfolgreichen Mitarbeit sei auch die Nachprüfung nicht zuzulassen gewesen. Die vom Kläger angesprochenen schultechnischen Probleme im Zusammenhang mit den Fächern Werte und Normen, Philosophie und Informatik änderten daran nichts. Jedenfalls habe der Kläger in Französisch und Mathematik nicht die für eine Versetzung erforderliche Punktzahl erreicht.
Der Kläger hat am 29. November 2002 Klage erhoben.
Er macht geltend, die Klassenkonferenz der Klasse 11c habe der Versetzungsentscheidung nicht seine Leistung im Fach Französisch, sondern seine Leistung im Fach Biologie zugrunde legen müssen. Die Klassenkonferenz habe ferner nicht erkannt, dass er in der Vorstufe Latein als dritte Fremdsprache belegt habe und in der Kursstufe die Fächer Französisch und Biologie abwählen werde. Abgesehen davon hätte die nur 10 Minuten dauernde Abhilfekonferenz vom 31. Juli 2002 in der Kürze der Zeit nicht ausführlich seinen Widerspruch und die Versetzungsentscheidung diskutieren können. Die Prognose einer nicht erfolgreichen Mitarbeit im 12. Jahrgang sei angesichts der vorhandenen Ausgleichsfächer nicht nachvollziehbar. Wegen seiner zahlreichen krankheitsbedingten Fehltage habe er die Anstrengungen nicht in die Fächer, die er für den 12. Jahrgang habe abwählen wollen, investiert. In allen anderen Fächern seien seine Leistungen gleich geblieben oder besser geworden. Auch ein Vergleich der Zeugnisse des 2. Halbjahrs 2002 und des 1. Halbjahrs 2002/2003 zeige die Steigerung seiner Leistungsbereitschaft.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass die Bescheide der Beklagten vom 14. Juni 2002 und 20. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Hannover vom 29. Oktober 2002 rechtswidrig sind.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Feststellungsklage für unzulässig. Jedenfalls sei die Klage nicht begründet, weil der Nichtversetzungsbeschluss der Klassenkonferenz ordnungsgemäß zustande gekommen sei. Eine Versetzung sei bei Anwendung der Ausgleichsregelung nicht in Betracht gekommen, weil der Kläger in der Vergangenheit eine erfolgreiche Mitarbeit in den zentralen und aussagekräftigen Fächern nicht habe nachweisen können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts nimmt das Gericht auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klage ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Soweit ein Verwaltungsakt, der rechtswidrig war und den Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt hat, erledigt ist, kann das Gericht auf Antrag durch Urteil aussprechen, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
Die Entscheidungen der Beklagten, den Kläger im Anschluss an das Schuljahr 2001/2002 nicht zu versetzen und ihn auch nicht zur Nachprüfung zuzulassen, haben sich im Verlauf des Klageverfahrens erledigt, denn es liegt auf der Hand, dass der Kläger aufgrund des versäumten Unterrichts selbst nach einer erfolgreichen Verpflichtungsklage jetzt nicht mehr in den 12. Jahrgang wechseln könnte. Zum einen tritt in den Fällen der vorliegenden Art durch bloßen Zeitablauf eine nicht mehr zu revidierende Erledigung ein (vgl. VGH Mannheim, Urt. vom 11.12.1990, NVwZ-RR 1991 S. 479 [480]). Zum anderen ist es dem Kläger nach Ablauf des 1. Kurshalbjahres der Kursstufe inzwischen nicht mehr möglich, die für einen erfolgreichen Abschluss der Oberstufe vorausgesetzten Einbringungsverpflichtungen des § 15 Abs. 1 der Verordnung über die Abschlüsse in der gymnasialen Oberstufe, im Fachgymnasium und im Kolleg (AVO-GOFAK) noch zu erfüllen. Wegen der Bedeutung der Nichtversetzungsentscheidung für den weiteren Ausbildungsweg des Schülers ist in Fällen dieser Art auch regelmäßig ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit gegeben (BVerwG, Urt. vom 14.7.1978, BVerwGE 56, 155 [156] und vom 6.12.1983, NVwZ 1984 S. 794).
Die Klage ist auch begründet. Die Bescheide der Beklagten vom 14. und 20. Juni 2002 waren auch in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Hannover vom 29. Oktober 2002 rechtswidrig und haben den Kläger in seinem Recht auf rechtsfehlerfreie Entscheidungen über die Versetzung in die Kursstufe und die Zulassung zur Nachprüfung verletzt.
Nach § 59 Abs. 4 Satz 1 NSchG kann ein Schüler den nächsthöheren Schuljahrgang einer Schulform oder eines Schulzweiges erst besuchen, wenn die Klassenkonferenz entschieden hat, dass von ihm eine erfolgreiche Mitarbeit in diesem Schuljahrgang erwartet werden kann. Danach setzt die Entscheidung, ob ein Schüler versetzt werden kann, eine pädagogisch-fachliche Prognose der für den Schüler zuständigen Klassenkonferenz (§ 35 Abs. 3 NSchG) voraus; Entscheidungsgrundlage der Prognose sind die von den Lehrkräften (§ 50 Abs. 1 NSchG) in eigener Verantwortung erteilten Leistungsbeurteilungen. Aus diesem Grund lässt sich eine Versetzungsentscheidung gerichtlich nur eingeschränkt überprüfen. Das Gericht kann insbesondere keine eigene Prognose anstellen oder der Schule einen bestimmten Ausgang der Versetzungsentscheidung vorschreiben, sondern nur prüfen, ob die Entscheidung gegen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften verstößt, ob bei ihr von unrichtigen Voraussetzungen oder sachfremden Erwägungen ausgegangen wurde oder ob sie gegen allgemein anerkannte pädagogische Grundsätze oder Bewertungsmaßstäbe verstößt.
Die mit der Klage angegriffene Entscheidung der Klassenkonferenz der ehemaligen Klasse 11c des Beklagten ist danach rechtlich zu beanstanden, denn sie hat sich infolge der fehlerhaften Anwendung der Versetzungsvorschriften nicht auf eine richtige Entscheidungsgrundlage gestützt.
Für die im Anschluss an die Vorstufe der gymnasialen Oberstufe zu treffende Versetzungsentscheidung wird § 59 Abs. 4 Satz 1 NSchG durch die für diesen Jahrgang geltenden besonderen Versetzungsregelungen der Verordnung über die gymnasiale Oberstufe (VO-GO) und ergänzend durch die Regelungen der Verordnung über Versetzungen, Aufrücken, Übergänge und Überweisungen an allgemeinbildenden Schulen (Versetzungsverordnung) konkretisiert. Danach war gemäß § 9 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a) VO-GO eine Versetzung des Klägers grundsätzlich möglich, denn er hatte nicht mehr als zwei der versetzungsrelevanten Fächern (§ 9 Abs. 2 VO-GO) am Ende des Schuljahres mit weniger als 5 Punkten (sog. Unterkurse), mindestens aber mit 1 Punkt, abgeschlossen und konnte diese Bewertungen durch höhere Punktwerte in Ausgleichsfächern ausgleichen. Allein entscheidend für die Frage, ob der Kläger in die Kursstufe versetzt werden konnte, war danach der Ausgang der von § 59 Abs. 4 Satz 1 NSchG und § 9 Abs. 3 VO verlangten Prognose, ob von dem Kläger eine erfolgreiche Mitarbeit in der Kursstufe erwartet werden konnte.
Dieses pädagogisch-fachliche Beurteilung hat die Klassenkonferenz der ehemaligen Klasse 11c auch vorgenommen, mit dem Ergebnis, der Kläger werde in der Kursstufe nicht erfolgreich mitarbeiten können. Das Urteil der Klassenkonferenz war aber rechtsfehlerhaft, weil es sich entscheidend auch auf Leistungen des Klägers im Fach Französisch gestützt hat, diese aber aus zwingenden Gründen nicht hätten berücksichtigt werden dürfen. § 9 Abs. 3 VO-GO lässt trotz seiner in umständlichen sprachlichen Fassung noch hinreichend deutlich erkennen, dass sich die Beurteilungsgrundlage der Klassenkonferenz auch bei der Anwendung der Ausgleichsregelung der Nr. 3 Buchst. a) nach Maßgabe des Absatzes 2 von § 9 VO-GO bestimmt. Dazu rügt der Kläger zu Recht, dass die Klassenkonferenz auch noch bei ihrer letzten Sachentscheidung am 16. Oktober 2002 die rechtsfehlerhafte Auffassung vertreten hat, die Note 01 Punkt im Fach Französisch müsse in die Versetzungsentscheidung einbezogen werden, während die Note 03 Punkte im Fach Biologie unberücksichtigt bleibe, obwohl sich aus § 9 Abs. 2 Sätze 1 und 2 VO-GO eindeutig die gegenteilige Rechtsfolge ergibt. Danach waren die in der Vorstufe erbrachten Leistungen des Klägers im Fach Französisch gerade nicht als Grundlage der Versetzungsentscheidung heranzuziehen, denn Französisch war mit 01 Punkt das am schlechtesten bewertete Fach des Klägers. Stattdessen hätten nach § 9 Abs. 2 Satz 1 VO-GO die Leistungen im Fach Biologie Grundlage der pädagogischen Abwägung im Rahmen der Erfolgsprognose sein müssen. Die Frage, ob die Klassenkonferenz bei Vermeidung des Rechtsfehlers gleichwohl keine Chancen für eine erfolgreiche Mitarbeit in der Kursstufe gesehen hätte, stellt sich bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der ergangenen Bescheide nicht. Sie ist rein hypothetischer Natur. Entscheidend ist allein, dass sich die fehlerhafte Entscheidungsgrundlage tatsächlich auf den Ausgang der Versetzungsentscheidung ausgewirkt haben kann.
Das war vorliegend der Fall, denn die zu Unrecht herangezogenen Leistungen im Fach Französisch stellten auch bei der Wiederholung der Klassenkonferenz am 16. Oktober 2002 einen wesentlicher Abwägungsgesichtspunkt der Klassenkonferenz dar. Das ist sowohl der Konferenzniederschrift vom 17. Oktober 2002 als auch der Begründung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Hannover vom 29. Oktober 2002 zu entnehmen, wonach sich das Ergebnis der Konferenzentscheidung tragend auf einen im zweiten Schulhalbjahr festgestellten Leistungsabfall des Klägers in insgesamt vier Fächern, darunter im Fach Französisch, stützt. § 9 Abs. 2 VO-GO nimmt aber ausnahmslos alle Leistungen im Fach Französisch als das am schlechtesten bewertete von 13 Fächern von der Grundlage der Versetzungsentscheidung aus, ohne insoweit zwischen den Leistungen im Unterricht und bei Lernkontrollen einerseits und der durch die Zeugnisnote dokumentierten Gesamtleistung andererseits zu differenzieren.
Zwar kann die Klassenkonferenz ohne Zweifel einen Leistungsabfall des Schülers vor dem Hintergrund, dass dieser in den beiden vorangegangenen Schuljahren jeweils nur mit Hilfe von Ausgleichsregelungen versetzt worden war, zu dessen Ungunsten berücksichtigen. Das gilt insbesondere für die Versetzung in die Kursstufe, weil dem Schüler in der Kursstufe für die Einbringungsvoraussetzungen des Abiturs keine "Ausgleichsmöglichkeit" für sog. Unterkurse mehr eingeräumt wird. Stützt sich allerdings eine pädagogische Abschätzung zum Erfolg der Mitarbeit in der Kursstufe wie im Fall des Klägers auf eine Gesamtschau der individuellen Leistungen und seiner Leistungsentwicklung, müssen alle wesentlichen Teile dieser Beurteilungsgrundlage richtig sein.
Rechtswidrig waren die Bescheide des Beklagten auch, soweit dem Kläger darin konkludent bekannt gegeben worden ist, dass die Konferenz ihn nicht zur Nachprüfung nach § 19 Abs. 1 Satz 1 und 2 VersetzungsVO in einem von ihr bestimmten oder seiner Wahl überlassenen Fach zugelassen hatte.
In formeller Hinsicht ist es rechtlich bedenklich, dass dem Kläger gegenüber auch im Verlauf des Widerspruchsverfahrens nicht die erforderliche einzelfallbezogene, schriftliche Begründung für diese von der Nichtversetzung zu trennende Entscheidung abgegeben worden ist. Die Gründe des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Hannover vom 29. Oktober 2002 beschränken sich insoweit auf die Rechtsauffassung, dass auch diese Konferenzentscheidung aus schulfachlicher Sicht nicht zu beanstanden sei.
Jedenfalls war diese Entscheidung der Klassenkonferenz der Beklagten schon deshalb rechtswidrig, weil sie sich nicht nur auf eine unrichtige Entscheidungsgrundlage stützte, sondern dadurch bedingt auch inhaltlich unvollständig war und deshalb den Zweck des § 19 Abs. 1 Satz 1 VersetzungsVO nicht erfüllt hat. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 VersetzungsVO kann sich die Entscheidung über die Zulassung zur Nachprüfung im Fall der Nichtversetzung in die Kursstufe nur auf die nach § 9 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a) VO-GO auszugleichenden Fächerleistungen beziehen. Daraus folgt, dass die Klassenkonferenz vorliegend zu entscheiden hatte, ob dem Kläger eine Nachprüfung im Fach Biologie ermöglicht werden konnte, denn – wie bereits ausgeführt – war für die Versetzungsentscheidung nicht Französisch, sondern Biologie als auszugleichendes Fach heranzuziehen. Eine Nachprüfung im Fach Biologie war nach dem vorliegenden Akteninhalt nach § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VersetzungsVO rechtlich auch möglich, weil das Zeugnis vom 27. Juni 2001 für das Fach Biologie die Note ausreichend enthielt. Eine solche Entscheidung hat die Klassenkonferenz der ehemaligen Klasse 11c aber ausweislich der Konferenzniederschrift vom 17. Oktober 2002 ausdrücklich nicht getroffen. Vielmehr hat die Konferenz stattdessen festgestellt, dass eine Nachprüfung im Fach Französisch wegen der vorausgegangenen Zeugnisnoten rechtlich ausgeschlossen war, und ihre Entscheidung im Übrigen nur auf das Fach Mathematik beschränkt.