Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 11.12.2002, Az.: 1 A 230/01

Annexkosten; Beihilfe; Fahrtkosten; Nebenkosten; Parkgebühren

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
11.12.2002
Aktenzeichen
1 A 230/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 41899
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Parkgebühren sind als Nebenkosten nicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 9 BhV beihilfefähig, und zwar auch nicht als sog. "Annexkosten".

Tatbestand:

1

Der Kläger, der als Beamter im Dienst des Landes Niedersachsen steht und in ... wohnt, begehrt die Anerkennung von Parkgebühren als beihilfefähig nach § 6 Abs. 1 Nr. 9 BhV.

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Die Ehefrau des Klägers befindet sich seit längerem in ärztlicher Behandlung bei der Gemeinschaftspraxis Dr. med. ... in der Innenstadt von ..., sie erhält dort seit ... wegen eines erneuten Tumorprogresse eine ambulante Chemotherapie, für die der Kläger vom beklagten Amt antragsgemäß Beihilfe einschließlich der Fahrtkosten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 9 BhV erhält. Nach der Bescheinigung von Dr. med. ... vom 14. August 2000 empfiehlt es sich, dass sie mit einer Begleitperson zur Praxis gebracht wird.

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Mit Bescheid vom 29. Januar 2001 setzte das beklagte Amt wie bisher antragsgemäß eine Beihilfe fest, lehnte jedoch – im Gegensatz zu bisher – die zugleich ebenfalls beantragten Aufwendungen für Parkgebühren zu Fahrten nach ... zur Durchführung der ambulanten Chemotherapie in Höhe von insgesamt 64,50 DM als nicht beihilfefähig ab. Zur Begründung führte das Amt an, § 6 Abs. 9 BhV spreche eindeutig von Beförderungskosten. Beförderungskosten seien die Kosten, die während des Betriebes und der Benutzung eines privaten bzw. öffentlichen Verkehrsmittels entstünden. Sei das Verkehrsmittel nicht im Betrieb und werde keine Person befördert, so seien die Kosten, die durch die Nichtbeförderung (z. B. Parkgebühren) entstünden, nicht beihilfefähig.

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Der Kläger legte hiergegen Widerspruch mit der Begründung ein, die Beihilfestelle habe in der Vergangenheit auch die ihm entstandenen Parkkosten antragsgemäß als Beihilfe erstattet, letztmalig im November 2000, die jetzige Ablehnung der Beihilfefähigkeit der ihm entstandenen Parkkosten stelle daher eine unzulässigerweise zu seinen Lasten gehende Abweichung von der bisher üblichen Verwaltungspraxis dar. Im Rahmen der Chemotherapie seiner Ehefrau hätten er und seine Ehefrau von ihrem Wohnort in ... zum Behandlungsort in ... mit dem Pkw fahren müssen. Dabei seien aufgrund der Lage der Praxis des behandelnden Arztes in Hannover grundsätzlich Parkkosten entstanden. Diese Parkkosten stünden in einem zwangsnotwendigen Zusammenhang mit den nach § 6 Abs. 9 BhV beihilfefähigen Beförderungskosten. Die Parkgebühren stellten letztlich „Annexkosten“ zu Aufwendungen, für die eine Beihilfe vorgesehen sei, dar und seien mithin ebenfalls als beihilfefähig anzuerkennen.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2001 wies das beklagte Amt den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es an, Parkgebühren stellten keine Beförderungsaufwendungen im Sinne der BhV dar. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 9 BhV seien nur die Aufwendungen für die Beförderung bei Inanspruchnahme einer ärztlicher Leistung beihilfefähig; dies seien nach dem eindeutigen Wortlaut ausschließlich Kosten, die bei der Fortbewegung des Verkehrsmittels unvermeidbar entstünden. Diese Kosten würden mit einem Pauschalbetrag abgegolten. Hiervon nicht erfasst würden Kosten, die beim Stillstand des Verkehrsmittels entstehen könnten. Die bisherige beihilferechtliche Handhabung begründe keinen Anspruch auf Fortsetzung dieser Praxis. Hierbei sei auch der Charakter der Beihilfe als lediglich ergänzende Hilfe zu beachten, die neben der zumutbaren Eigenbelastung des Beamten ergänzend und im angemessenen Umfang eingreife, um den in einem durch die Fürsorgepflicht gebotenem Maße die wirtschaftliche Lage des Beamten durch Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln zu erleichtern. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes müsse der Beamte auch gewisse Härten und Nachteile hinnehmen, die sich aus der pauschalierenden und typisierenden Konkretisierung der Fürsorgepflicht ergäben, soweit diese keine unzumutbare Belastung darstellten.

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Daraufhin hat der Kläger am 30. Juli 2001 Klage erhoben, zu deren Begründung er seinen bisherigen Standpunkt wiederholt.

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Der Kläger beantragt,

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das beklagte Amt zu verpflichten, die ihm im Dezember 2000 entstandenen Aufwendungen für Parkkosten in vollem Umfang als beihilfefähig anzuerkennen, ihm darauf eine Beihilfe in Höhe von 16,49 EUR (entspricht 32,25 DM) zu zahlen und den Festsetzungsbescheid des beklagten Amtes vom 29. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2001 aufzuheben, soweit er dem Begehren entgegensteht.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie verweist auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide und trägt ergänzend vor, dass sich die Fahrtkostenerstattung im vorliegenden Fall nach § 6 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 BhV richte. Diese Vorschrift nehme auf § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BRKG Bezug, der dort genannte Betrag sei die maximale Höhe der Wegstreckenentschädigung bei Benutzung von Kraftfahrzeugen. Die Beihilfevorschrift stelle ausdrücklich klar, dass höchstens dieser Betrag beihilfefähig sei.

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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des beklagten Amtes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage, über die im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), hat keinen Erfolg. Der angefochtene Bescheid des beklagten Amtes vom 29. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2001 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Beihilfe zu den von ihm geltend gemachten und hier umstrittenen Aufwendungen für Parkgebühren (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

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Nach § 87 c NBG erhält der Kläger als niedersächsischer Landesbeamter für Aufwendungen in Krankheitsfällen Beihilfen nach den für die Beamten des Bundes geltenden Vorschriften. Das sind die zur Zeit der Entstehung der Aufwendungen geltenden Allgemeinen Verwaltungsvorschriften über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen in der hier maßgeblichen Fassung vom 10. Juli 1995 (GMBl. S. 470), zuletzt geändert durch Änderungsvorschrift vom 8. Januar 1999 (GMBl. S. 58) - Beihilfevorschriften (BhV) -. Hiernach sind die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen nicht beihilfefähig.

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Die Beihilfevorschriften, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes trotz ihres Charakters als Verwaltungsvorschriften im Hinblick auf ihre besondere rechtliche Form und ihre ungewöhnliche rechtliche Bedeutung wie Rechtsvorschriften aus sich heraus auszulegen sind (vgl. hierzu nur BVerwG, Urt. v. 30.3.1995 - 2 C 9.94 -, NVwZ-RR 1996, 100 m. w. N.), bestimmen im Einzelnen, zu welchen Aufwendungen der Art und dem Entstehungsgrund nach eine Beihilfe zu gewähren ist. „Nebenkosten“, die anlässlich etwa der Beschaffung von beihilfefähigen Leistungen anfallen, sind nur insoweit beihilfefähig, als dies ausdrücklich vorgeschrieben ist. Dies gilt insbesondere für Fahrt-, Unterkunfts- und Verpflegungskosten, die in den Beihilfevorschriften besonders behandelt werden. Danach ist es gerade ausgeschlossen, derartige Aufwendungen gleichsam als „Annexkosten“ der Inanspruchnahme von Leistungen, für die eine Beihilfe vorgesehen ist, generell als beihilfefähig anzuerkennen (BVerwG, Urt. v. 10.6.1999 - 2 C 29.98 -, NVwZ-RR 2000, 99). 

16

Soweit dem Kläger Aufwendungen für Fahrtkosten, die in engem Zusammenhang mit einer ärztlichen, als beihilfefähig anerkannten Leistung stehen, entstanden sind, können in Anwendung der genannten Grundsätze gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 9 BhV nur die Fahrtkosten, die unmittelbar anfallen, berücksichtigt werden. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 BhV sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen für die Beförderung bei Inanspruchnahme u. a. ärztlicher Leistungen und für eine erforderliche Begleitung bis zur Höhe der Kosten der niedrigsten Klasse regelmäßig verkehrender Beförderungsmittel sowie die Gepäckbeförderung. Nach Satz 2 Halbsatz 1 dieser Vorschrift dürfen höhere Beförderungskosten nur berücksichtigt werden, wenn sie unvermeidbar waren. Wenn in diesen Fällen – wie hier – ein privater Personenkraftwagen benutzt wird, ist nach Halbsatz 2 dieser Beihilfevorschrift höchstens der in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BRKG genannte Betrag beihilfefähig. Weitere Aufwendungen wie die Entrichtung von Parkgebühren, die anlässlich des Arztbesuches in einem weiterem Zusammenhang mit den jeweiligen Fahrten anfallen, werden von dieser abschließenden Regelung – und zwar auch und gerade nicht im Sinne von sog. „Annexkosten“, wie der Kläger argumentiert – hingegen nicht erfasst. Zur weiteren näheren Begründung verweist die Kammer auf die Gründe der angefochtenen Bescheide, denen sie folgt (§ 117 Abs. 5 VwGO).

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Über die Beihilfevorschriften hinausgehende Ansprüche stehen dem Kläger nicht zu. Die Beihilfevorschriften konkretisieren grundsätzlich abschließend die Fürsorgepflicht in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen. Deshalb lässt sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes ein Beihilfeanspruch regelmäßig nicht unmittelbar aus der dem Dienstherrn gegenüber dem Beamten gem. § 79 BBG oder vergleichbaren landesrechtlichen Vorschriften herleiten, soweit die Beihilfevorschriften für bestimmte Aufwendungen die Beihilfefähigkeit beschränken oder ausschließen. Unmittelbar auf den verfassungsrechtlich nach Art. 33 Abs. 5 GG vorgegebenen Grundsatz der Fürsorge kann ein Anspruch nur ausnahmsweise gestützt werden, wenn die Fürsorgepflicht andernfalls in ihrem Wesenskern verletzt wäre. Die Fürsorgepflicht verpflichtet den Dienstherrn nicht, zu jeglichen Aufwendungen, die aus Anlass einer Krankheit entstehen, Beihilfen zu gewähren. Insbesondere „Nebenkosten“, die mittelbar etwa bei der Anschaffung und Wartung von Hilfsmitteln und Körperersatzstücken oder – wie hier die Parkgebühren – im weiteren Zusammenhang mit Fahrtkosten zu ärztlichen Terminen entstehen, gehören nicht zu den Aufwendungen, die aufgrund der Fürsorgepflicht in jedem Falle als beihilfefähig berücksichtigt werden müssen (BVerwG, Urt. v. 10.6.1999, a. a. O. m. w. N.). Insbesondere im vorliegenden Fall ist es angesichts des nur geringen Umfanges der geltend gemachten Aufwendungen nicht unzumutbar, letztlich den Kläger mit den Parkgebühren zu belasten. Eine Verletzung des genannten „Wesenskerns“ ist jedenfalls nicht ersichtlich.