Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 10.12.2002, Az.: 2 A 225/01
Bestandsregister; Rücknahme; Vertrauensschutz; Zuwendungsbescheid
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 10.12.2002
- Aktenzeichen
- 2 A 225/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 43408
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 10 Abs 1 MOG
- § 5 Abs 1 Rind/SchafPrV
- § 48 VwVfG
- § 242 BGB
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Ein Landwirt genießt gegenüber einer Prämienrückforderung wegen eines nicht vorgelegten Bestandsregisters Vertrauensschutz, wenn die Landwirtschaftskammer ihm gegenüber - in Verkennung der Rechtslage - erklärt, der erneuten Vorlage des Registers bedürfe es nicht.
Tenor:
Der Rücknahme- und Rückforderungsbescheid des Beklagten vom 13. Oktober 1999 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 25. Juni 2001 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung einer Zuwendung.
Der Kläger ist Landwirt und betreibt Rindermast. Am 4. Februar 1997, 4. März 1997 und 13. Mai 1997 beantragte er bei der zuständigen Landwirtschaftskammer Hannover - Kreisstelle Harburg in Buchholz - die Gewährung einer Sonderprämie für männliche Rinder nach § 1 Nr. 1 der Rinder- und Schafprämien-Verordnung im Jahre 1997 für insgesamt 37 Tiere. In der entsprechenden Rubrik des Antrags kreuzte er jeweils an: „Abschrift oder Kopie des aktuellen Bestandsregisters ist diesem Antrag beigefügt“. Diese Anträge leitete die Landwirtschaftskammer an den Beklagten weiter, allerdings ohne die ihr vom Kläger vorgelegten Bestandsverzeichnisse.
Mit Bescheid vom 11. Dezember 1997 gewährte der Beklagte dem Kläger auf seine Anträge einen Vorschuss in Höhe von 5.543,48 DM und setzte mit Bescheid vom 27. Mai 1998 die Abschlusszahlung auf 7.204,17 DM fest.
Bei einer Verwaltungskontrolle im September 1998 stellte der Beklagte fest, dass bei keinem der drei Anträge die aufgeführten Tiere in den miteingereichten Bestandsverzeichnissen zu finden seien und dass bei den drei Anträgen Händlerbescheinigungen zu den Ohrmarken fehlen würden. Die vom Kläger daraufhin eingeschaltete Landwirtschaftskammer teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 22. September 1998 mit, dass die Händlerbescheinigungen diverser Viehhändler leider Ohrmarken nicht ausweisen würden, die Kenndaten aber ebenfalls auf den Schlachtbescheinigungen vorzufinden seien. Hinsichtlich des fehlenden Bestandsregisters hieß es in dem Schreiben wie folgt:
„Dass die in den o.g. Anträgen aufgeführten Tiere nicht in den eingereichten Bestandsregistern zu finden sind, ist ein Versäumnis unsererseits, da die BR bei Antragstellung durch die Dienststelle fotokopiert werden. Dieses unterblieb jedoch deshalb, weil mit dem letzten Antrag vom 19.12.1996 ein vollständiges Bestandsverzeichnis vorgefunden wurde. In diesem BR sind bereits auch alle bis Ende 1996 geschlachteten Tiere ausgetragen. Dort sind aber auch alle Tiere der Anträge vom 04.02.1997 (Export mit späterer Umstellung auf Händlerabrechnung) und vom 13.05.1997 lückenlos registriert. Somit kann u.E. lediglich ein Formfehler darin liegen, dass das BR in seiner Gesamtheit nicht innerhalb von fünf Monaten noch drei Mal zusätzlich fotokopiert worden ist.“
Mit Schreiben vom 28. September 1998, eingegangen beim Beklagten am 2. Oktober 1998, reichte der Kläger ein aktuelles Bestandsverzeichnis nach.
Mit hier angefochtenem Bescheid vom 13. Oktober 1999 nahm der Beklagte den Bescheid vom 11. Dezember 1997 vollständig und den Bescheid vom 27. Mai 1998 teilweise in Höhe von 3.695,72 DM zurück und forderte den Kläger auf, den zu Unrecht gezahlten Betrag von 9.239,20 DM zuzüglich Zinsen von 825,92 DM, insgesamt also 10.065,12 DM, zurückzuzahlen. Zur Begründung hieß es in dem Bescheid, dass bei einer Überprüfung festgestellt worden sei, dass mit den drei Anträgen jeweils kein aktuelles Bestandsregister vorgelegt worden sei, da sämtliche beantragten Tiere dort fehlten. Mit dem Antrag vom 19. August 1997 sei lediglich ein zu diesem Zeitpunkt aktuelles Bestandsregister eingereicht worden. Es umfasse jedoch nicht alle für die drei vorangegangenen Anträge erforderlichen Seiten. Ein aktuelles Bestandsverzeichnis sei erstmals mit Schreiben vom 28. September 1998, das am 2. Oktober 1998 eingegangen sei, eingereicht worden. Daraus folge, dass die drei Anträge erst zu diesem Zeitpunkt gültig geworden seien. Sowohl die Sechsmonatsfrist als auch die Nachfrist seien damit eindeutig überschritten worden. Aufgrund der Verfristung des gültigen Antrags könne daher keine Sonderprämie gewährt werden. In Anwendung von § 10 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz MOG seien rechtswidrige begünstigende Bescheide, auch wenn sie unanfechtbar geworden seien, zurückzunehmen. Auf Vertrauensschutz nach § 48 Abs. 2 VwVfG könne sich der Kläger nicht berufen. Denn er habe durch Ankreuzen erklärt, dass den Anträgen jeweils eine Abschrift oder Kopie des aktuellen Bestandsregisters beigefügt sei. Dieses habe aber nicht den Tatsachen entsprochen. Mithin seien die Bescheide durch unrichtige Angaben erwirkt worden, so dass ein Vertrauensschutz nach § 48 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG entfalle.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung führte er im Einzelnen aus, dass er der Landwirtschaftskammer bei jeder Beantragung alle notwendigen Unterlagen, insbesondere auch das komplette aktuelle Bestandsregister, vorgelegt habe. Hiervon sei auch jeweils eine Kopie erstellt worden. Die Landwirtschaftskammer als antragsannehmende und antragsprüfende Stelle habe auch eingeräumt, dass bei den weitergeleiteten Anträgen das unvollständige Bestandsregister auf ein Versäumnis der Kreisstelle zurückzuführen sei. Bei Antragstellung würden alle Bestandsregister durch die Dienststelle fotokopiert. Dieses sei im vorliegenden Fall unterblieben, weil mit einem vorherigen Antrag (vom 19.12.1996) bereits ein vollständiges Bestandsverzeichnis kopiert weitergeleitet worden sei. Er wäre jederzeit in der Lage gewesen, sein vollständiges Bestandsverzeichnis nochmals und auch dem Beklagten vorzulegen. Wenn die Kreisstelle der Landwirtschaftskammer das vollständige Bestandsregister nicht weitergeleitet habe, so liege dieses nicht in seinem Verantwortungsbereich.
Mit Bescheid vom 25. Juni 2001 wies die Bezirksregierung Lüneburg diesen Widerspruch zurück. Ergänzend führte sie aus, dass die Landwirtschaftskammer zwar eingeräumt habe, es unterlassen zu haben, Kopien der Bestandsregister zu fertigen und den Anträgen beizufügen. Die Landwirtschaftskammer habe dabei aber in ihrer Beratungsfunktion privatrechtlich gehandelt, so dass dieser Fehler nicht dem Beklagten zugerechnet werden könne. Entscheidend sei, dass keine vollständigen, aktuellen Bestandsregister in den vorgelegten Anträgen beim Beklagten eingegangen seien. Die Beweispflicht über das Vorliegen des aktuellen Bestandsregisters liege gemäß § 11 MOG beim Kläger.
In der nunmehr gegen beide Bescheide erhobenen Klage vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen. Weder in der Rindesonderprämien-Verordnung noch in dem hierzu ergangenen Merkblatt finde sich eine Regelung, dass er nach Abgabe seines Antrags für eine ordnungsgemäße Weiterleitung an den Beklagten Sorge zu tragen habe. Auf den Vorhalt, dass die Zuwendung ohnehin wegen der fehlenden Ohrmarkennummern habe zurückgefordert werden müssen, führt der Kläger aus, dass diese Frage nicht Gegenstand der angefochtenen Bescheide sei.
Der Kläger beantragt,
den Rücknahme- und Rückforderungsbescheid des Beklagten vom 13. Oktober 1999 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 25. Juni 2001 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es müsse zwingend davon ausgegangen werden, dass der Kläger zur Antragstellung kein vollständiges und aktuelles Bestandsregister vorgelegt habe. Zum einen wiesen weder die mit den Anträgen vorgelegten Bestandsregisterkopien noch die später nachgeforderten - bei der Kreisstelle der Landwirtschaftskammer vorliegenden Kopien - die Antragstiere auf. Zum anderen habe die Landwirtschaftskammer in ihrem Schreiben vom 22. September 1998 selbst ausgeführt, dass sie trotz der bekannten Rechtsvorschriften es nicht für erforderlich gehalten habe, ein neues vollständiges Bestandsregister vom Kläger zu verlangen. Sie sei damit fehlerhaft davon ausgegangen, dass der Kläger ein solches vollständiges und aktuellen Bestandsregister mit seinen Anträgen nicht einreichen müsse. Dem Kläger sei aber aus den Antragsunterlagen bekannt gewesen, dass er eine aktuelle und vollständige Bestandsregisterkopie einzureichen habe. Dennoch habe er dieses nicht getan. Hierin liege sein eigenes Fehlverhalten. Auch ein eventuelles Fehlverhalten der Landwirtschaftskammer wäre dem Kläger vorzuwerfen, da diese im Rahmen der Antragsberatung als Helfer fungiert habe und nicht in ihrer zweiten Funktion als Verwaltungskontrollinstanz. Wenn der Kläger auf Anraten der Landwirtschaftskammer auf eine Vorlage des aktuellen Bestandsregisters verzichtet habe, so wäre dieses ggf. im Wege des privatrechtlichen Schadensersatzes aufgrund Fehlberatung weiter zu verfolgen. Vertrauensschutz könne dem Kläger nicht gewährt werden, da er im Antragsformular erklärt habe, eine Kopie des aktuellen Bestandsregisters dem jeweiligen Antrag beigefügt zu haben, obwohl dieses nicht der Fall gewesen sei.
Weiterhin habe er angegeben, dass die eingereichten Händlerbelege jeweils die amtlichen Ohrmarkennummern aufweisen würden, tatsächlich sei dieses jedoch für kein Antragstier zutreffend gewesen. Dieser Mangel müsse ebenfalls Gegenstand des Klageverfahrens sein, auch wenn er im Rückforderungsbescheid und im Widerspruchsverfahren nicht aufgegriffen worden sei. Es handele sich dabei lediglich um eine zusätzliche Begründung für die ohnehin erforderliche Rückforderung. Unabhängig davon könne die Vertrauensschutzregelung nach § 48 VwVfG ohnehin keine Anwendung finden, da § 48 durch EU-Recht, hier Art. 14 der VO (EWG) Nr. 3887/92, überlagert werde. Der EuGH habe in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass den nationalen Vertrauensschutzregelungen nur insoweit Bedeutung zukomme, als sie die gemeinschaftsrechtlich vorgeschriebene Rückforderung nicht unmöglich mache.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide verletzen den Kläger in seinen Rechten.
1. Rechtsgrundlage der angefochtenen Teilrücknahme der Bewilligung ist § 10 Abs. 1 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Markorganisation - MOG - in der hier maßgeblichen Fassung vom 2. Mai 1996 (BGBl I, S. 656). Danach sind rechtswidrige begünstigende Bescheide in den Fällen der §§ 6 und 8 auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, zurückzunehmen; § 48 Abs. 2 bis 4 und § 49 a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwVfG sind anzuwenden. Wie sich aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 MOG ergibt, hat die Behörde kein Rücknahmeermessen. Zu erstattende Beträge werden durch Bescheid festgesetzt (§ 10 Abs. 3 MOG). Nach § 14 MOG sind Ansprüche auf Erstattung von ihrer Entstehung an mit 3 vom Hundert über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank zu verzinsen.
Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 der Rinder- und Schafprämienverordnung - RSVO -hat ein Erzeuger, der die Sonderprämie beantragen will, ein Bestandsregister zu führen und eine Abschrift oder Kopie des aktuellen Bestandsregisters mit jedem Antrag auf Sonderprämie vorzulegen. Gemäß Art. 10 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 3886/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 sind die Bestandsregister innerhalb der 6-monatigen Antragsfrist oder der 25-tägigen Nachfrist gemäß Art. 8 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 vorzulegen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Es ist unter den Beteiligten unstreitig, dass der Kläger innerhalb der vorgegebenen Fristen ein aktuelles Bestandsregister nicht vorgelegt hat. Über die Rechtswidrigkeit der begünstigenden Bescheide besteht unter den Beteiligten Einigkeit.
2. Im Gegensatz zur Auffassung des Beklagten kann sich der Kläger gegenüber der teilweisen Rückforderung des Zuwendungsbetrages allerdings auf Vertrauensschutz berufen. Denn die Voraussetzungen der über § 10 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz MOG für anwendbar erklärten Bestimmungen des § 48 Abs. 2 bis 4 VwVfG greifen zu seinen Gunsten ein. Danach darf ein rechtwidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung gewährt, nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (§ 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte u.a. dann nicht berufen, wenn er den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG). Trifft die Behörde an der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts wegen mangelnder Sorgfalt eine Mitverantwortung, so kann das im Einzelfall dazu führen, dass die Rücknahme des Bescheides entsprechend den Grundsätzen des § 242 BGB zu bewerten ist. In einem solchen Fall wird das nationale Recht auch nicht durch Gemeinschaftsrecht überlagert, weil es die gemeinschaftsrechtlich vorgeschriebene Rückforderung nicht unmöglich macht, sondern im Einzelfall eine unzulässige Rechtsausübung darstellt (BVerwG: Urt. v. 14. 8. 1986 – 3 C 9/85 -, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - 451.90, EWG-Recht Nr. 66.; Urt. v. 6. 6. 1991 - 3 C 46.86 -, DVBl 1991, 1362; Urt. v. 13. 11. 1997 - 3 C 33/96 -, Buchholz 451.513, Sonst. Marktordnungsrecht Nr. 4; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Komm. 6. Aufl. 2001, § 48 Rdn. 159 ff). Diese Voraussetzungen sind vorliegend im Gegensatz zur Auffassung des Beklagten erfüllt.
In Niedersachsen ist nach der geltenden Erlasslage die Landwirtschaftskammer für die Entgegennahme des Antrags sowie die Überprüfung sämtlicher Angaben zum Antrag auf Prämiengewährung zuständig, wie der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung noch einmal ausdrücklich bestätigt hat. Daraus ergibt sich eine Abgrenzung der Verantwortungssphären mit der Folge, dass die Landwirtschaftskammer auf Seiten der öffentlichen Hand und nicht auf Seiten des Subventionsbewerbers steht, der sie nicht freiwillig zu seinem Betreuer gewählt hat (BVerwG, Urt. v. 6.6.1991. a.a.O.). Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren der Landwirtschaftskammer die aktuellen Bestandsverzeichnisse vorgelegt. Wie es in der Erklärung der Landwirtschaftskammer vom 22. September 1998 heißt, hat sie es nicht für erforderlich gehalten, das vollständige Bestandsregister dem an den Beklagten zu übersendenden Antrag beizufügen, weil bereits mit dem letzten Antrag vom 19. Dezember 1996 ein vollständiges Bestandsverzeichnis vorgelegt worden sei. Hierin seien alle Tiere lückenlos registriert gewesen. Es könne lediglich ein Formfehler sein, wenn sie es unterlassen habe, innerhalb eines Zeitraums von fünf Monaten noch drei Mal zusätzlich das Bestandsverzeichnis für die jeweiligen Anträge zu fotokopieren. Zu Recht hat der Beklagte aus diesem Verhalten in seinem Abgabevermerk vom 13. Februar 2001 an die Widerspruchsbehörde den Schluss gezogen, dass die Landwirtschaftskammer den Kläger bei Antragstellung offensichtlich falsch beraten habe und nachweislich von falschen Förderungsbedingungen ausgegangen sei.
Legt aber die Landwirtschaftskammer erkennbar auf bestimmte Informationen keinen Wert, so erfüllt auch der Kläger insoweit nicht die Tatbestandsmerkmale des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG. Die Behörde ist es, die nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz die Verfahrensherrschaft hat, die nach § 24 VwVfG den Sachverhalt ermittelt und die nach § 25 VwVfG die Abgabe von Erklärungen anregen soll, wenn sie offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind. Sie erteilt, soweit erforderlich, Auskunft über die den Beteiligten im Verwaltungsverfahren zustehenden Rechte und die ihnen obliegenden Pflichten. Es würde zu einem Wertungswiderspruch führen, wenn der Kläger wegen Unvollständigkeit seiner Unterlagen vom Vertrauensschutz ausgeschlossen würde, obwohl die zuständige Behörde die fehlenden Unterlagen gar nicht haben wollte. Dem Kläger ist nicht zuzumuten, der Landwirtschaftskammer Unterlagen aufzudrängen, die sie für die - wiederholte - Antragstellung erkennbar für rechtlich irrelevant und unwesentlich hält. Insofern hängt die Beantwortung der Frage nach Vollständigkeit der Unterlagen auch von dem Verhalten der Landwirtschaftskammer ab. Das bedeutet nicht, dass der Kläger nur einzureichen braucht, was die Landwirtschaftskammer ausdrücklich verlangt. Wenn die Landwirtschaftskammer aber erkennbar auf bestimmte Unterlagen keinen Wert legt, dann kann diese „Unvollständigkeit“ nicht später dem Kläger zur Last fallen (so ausdrücklich BVerwG, Urt. v. 6. 6. 1991 a.a.O. für den Fall von der Landwirtschaftskammer nicht für erforderlich gehaltener und allein aus diesem Grund unvollständiger Angaben). Demzufolge kann sich der Kläger im vorliegenden Verfahren auf Vertrauensschutz berufen. Der Beklagte muss sich an dem Verhalten der Landwirtschaftskammer festhalten lassen, zumal durch das Verhalten der Landwirtschaftskammer dem Kläger die Möglichkeit genommen worden ist, noch während der Antragsfrist oder der Nachfrist das vollständige und aktuelle Bestandsverzeichnis nachzureichen. Mithin muss der Kläger sich nicht auf Schadensersatzansprüche gegen die Landwirtschaftskammer verweisen lassen, wie der Beklagte meint.
Zu Unrecht beruft sich der Beklagte für seine Rückforderung weiterhin auf fehlende Ohrmarkennummern. Weder in dem Bescheid noch in dem Widerspruchsbescheid wird die Rückforderung darauf gestützt. Auch ist den vorliegenden Verwaltungsvorgängen nicht zu entnehmen, ob die vom den Beklagten in diesem Zusammenhang angestrengten Ermittlungen überhaupt abgeschlossen sind. Auf das entsprechende Aufforderungsschreiben des Beklagten vom 15. September1998 hat der Kläger die Händlerbescheinigungen vom 28. September 1998 vorgelegt. Auf das weitere Schreiben des Beklagten vom 29. Oktober 1998 ist nach den der Kammer von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgängen weder eine Antwort des Klägers noch eine weitere Reaktion seitens des Beklagten erfolgt. Die verfügte Wiedervorlage (23. 11. 1998 - Eingang Antwort -) löste keine weitere Nachfrage oder Entscheidung aus, wie der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung noch einmal bestätigt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Gründe für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor (§ 124a Abs. 1 iVm § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO).