Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 11.12.2002, Az.: 5 A 141/01

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
11.12.2002
Aktenzeichen
5 A 141/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 35945
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGLUENE:2002:1211.5A141.01.0A

In der Verwaltungsrechtssache

...

Streitgegenstand: Fremdenverkehrsbeiträge

hat das Verwaltungsgericht Lüneburg - 5. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2002 durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichts ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., die Richterin am Verwaltungsgericht ..., sowie die ehrenamtlichen Richter ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten es übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

  2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  3. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin betreibt in Soltau einen Bau- und Heimwerkermarkt. Die Beklagte ist ein staatlich anerkannter Erholungs- und Kurort. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen die Heranziehung zu Fremdenverkehrsbeiträgen für die Jahre 1996-2001.

2

Auf der Grundlage der Fremdenverkehrsbeitragssatzung vom 1. Mai 1996 zog die Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 5. Juni 1997 für das Jahr 1996 zu einem Fremdenverkehrsbeitrag in Höhe von 10 615,14 DM heran. Die Klägerin erhob dagegen unter dem 23. Juni 1997 Widerspruch. Mit Bescheid vom 24. November 1997 zog die Beklagte die Klägerin für das Jahr 1997 zu einem Fremdenverkehrsbeitrag in Höhe von 15 957,40 DM heran. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin unter dem 26. November 1997 Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 12. Januar 1998 zog die Beklagte die Klägerin erneut zu einem Fremdenverkehrsbeitrag in Höhe von 15 957,40 DM heran. In dem Heranziehungsbescheid ist geregelt, dass der mit diesem Bescheid festgesetzte Fremdenverkehrsbeitrag solange unverändert seine Gültigkeit behalte, bis ein Änderungsbescheid übersandt werde. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin unter dem 21. Januar 1998 Widerspruch ein.

3

Die Beklagte erließ am 22. Februar 2001 rückwirkend zum 1. Mai 1996 eine neue Fremdenverkehrsbeitragssatzung. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2001 setzte die Beklagte aufgrund dieser Satzung die Fremdenverkehrsbeiträge für 1996-2001 gegen die Klägerin wie folgt neu fest:

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Die Beklagte forderte die Klägerin auf, für die nunmehr neu festgesetzten Fremdenverkehrsbeiträge in Höhe von 91 512,22 DM abzüglich der bereits gezahlten 42 529,94 DM noch 48 982,28 DM zu bezahlen.

7

Die Klägerin hat dagegen am 11. Oktober 2001 Klage erhoben. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte den angefochtenen Widerspruchsbescheid aufgehoben, soweit die Klägerin darin für die Jahre 1997 bis 1999 jeweils zu einem höheren Fremdenverkehrsbeitrag als 15 957,40 DM herangezogen worden ist. Insoweit haben die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

8

Zur Begründung ihrer Klage macht die Klägerin geltend, die Erhebung der Fremdenverkehrsbeiträge sei rechtswidrig, weil sie durch Touristen und andere Gäste der Stadt Soltau keine oder nur in völlig untergeordneter Weise Vorteile habe. Der festgesetzte Fremdenverkehrsbeitrag sei überhöht, weil bei einer Produktivität von jährlich unter 2 000,- DM pro m2 Verkaufsfläche erkennbar sei, dass er offenkundig unangemessen sei. Inzwischen habe sich ihr Umsatz weiter reduziert. Als Maßstab für die Vorteilsbemessung sei die Heranziehung der Verkaufsfläche untauglich. Der Beitrag sollte nach der Mitarbeiterzahl, wie bei anderen gleichartigen Betrieben auch, berechnet werden. Sie sei auch nicht mit Discountläden zu vergleichen, bei denen die Touristen für ihren täglichen Bedarf einkaufen könnten.

9

Die Klägerin beantragt,

  1. die Heranziehungsbescheide der Beklagten vom 5. Juni 1997, 24. November 1997 und 12. Januar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2001 aufzuheben, soweit nicht der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist.

10

Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

11

Sie erwidert, die Beitragssatzung sei ohne Rechtsfehler rückwirkend geändert worden. Durch die rückwirkende Inkraftsetzung sei die Gesamtheit der Abgabepflichtigen nicht ungünstiger gestellt worden als dies nach der ersten Satzung gewesen sei. Die Klägerin sei beitragspflichtig, weil sie Vorteile aus dem Fremdenverkehr ziehen könne. Die für die Beitragsberechnung maßgebliche "Verkaufsfläche" sei ein sachgerechter Maßstab für die vorteilsgerechte Festsetzung der Höhe des Fremdenverkehrsbeitrages. Sie sei ein Indiz für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und für die Möglichkeit der Erzielung von wirtschaftlichen Erträgen. Das Abstellen auf die Anzahl der Arbeitskräfte sei nicht sinnvoll, weil in größeren Einheiten wie Supermärkten und Baumärkten eine personalgestützte Bedienung und Betreuung der Kunden in der Regel nicht mehr stattfinde.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

13

Das Verfahren war einzustellen, soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

14

Die im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides sind rechtmäßig, soweit sie noch streitbefangen sind.

15

Rechtsgrundlage für die Erhebung der hier streitigen Fremdenverkehrsbeiträge ist § 9 NKAG i.V.m. der Fremdenverkehrsbeitragssatzung der Beklagten vom 22. Februar 2001 - FVBS -, die die Satzung vom 25. April 1996 in der Gestalt der Änderungssatzung vom 18. Dezember 1997 ersetzt hat und rückwirkend zum 1. Mai 1996 in Kraft getreten ist.

16

Gegen die Beitragserhebung bestehen keine grundsätzlichen rechtlichen Bedenken. Die landesrechtlich geregelte Erhebung von Fremdenverkehrsbeiträgen ist mit Bundesrecht vereinbar. Sie verstößt insbesondere nicht gegen Art. 105 Abs. 2 GG. Für den Fremdenverkehrsbeitrag hat die Gemeinde eine Gegenleistung zu erbringen, so dass er keine Steuer ist (vgl. BVerfG, NVwZ 1989, 1052; BVerwG, DVBl. 1972, 153). Gegenleistung der Gemeinde sind gemäß § 9 Abs. 1 NKAG die Aufwendungen für die Fremdenverkehrswerbung und für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung, Erneuerung und Unterhaltung ihrer Einrichtungen, die dem Fremdenverkehr dienen. Nur wegen dieses Aufwandes können nach § 9 Abs. 2 NKAG von solchen Personen und Unternehmen Fremdenverkehrsbeiträge erhoben werden, denen durch den Fremdenverkehr unmittelbar oder mittelbar besondere wirtschaftliche Vorteile geboten werden. Die Beklagte gehört als staatlich anerkannter Erholungs- und Kurort zu dem Kreis der nach § 9 Abs. 1 NKAG berechtigten Gemeinden. Sofern sie Fremdenverkehrsaufwendungen tätigt, ist sie grundsätzlich zur Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrages auf der Grundlage einer entsprechenden Satzung berechtigt.

17

Gegen die angeordnete Rückwirkung der Fremdenverkehrsbeitragssatzung vom 22. Februar 2001 bestehen nach § 2 Abs. 2 NKAG keine Bedenken. Dass der Betrieb der Klägerin von der Beklagten als fremdenverkehrsbeitragspflichtig angesehen worden ist, ist ihr bereits durch die Veranlagung für das Jahr 1996 bekannt geworden, so dass sie ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, von einer Heranziehung zu Fremdenverkehrsbeiträgen für das Jahr 1996 oder für nachfolgende Zeiträume verschont zu bleiben, für sich nicht in Anspruch nehmen kann. Gem. § 10 Abs. 2 FVBS sind auch die Beitragspflichtigen nicht ungünstiger gestellt worden (zum Rückwirkungsverbot vgl. BVerfG, NZA-RR 1999, 204 und BVerfGE 101, 239 ).

18

Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 NKAG muss die Satzung den Kreis der Abgabenschuldner, den die Abgabe begründenden Tatbestand, den Maßstab und den Satz der Abgabe sowie die Entstehung und den Zeitpunkt der Fälligkeit der Schuld bestimmen. Die Fremdenverkehrsbeitragssatzung der Beklagten genügt diesen Anforderungen. Soweit die 3. Kammer des erkennenden Gerichts die Satzungen der Beklagten vom 25. April 1996 und 18. Dezember 1997 für nichtig erklärt hat (vgl. dazu Urteil v. 16.5.2000 - 3 A 242/98 - und Beschluss des Nds. OVG v. 1.11.2000 - 9 L 2512/00 -), weist die nunmehr anwendbare FVBS vom 22. Februar 2001 vergleichbare Fehler nicht mehr auf. Der Abgabentatbestand ist in § 1 FVBS fest umrissen. Nach § 1 Abs. 3 sollen für die Fremdenverkehrswerbung 70 % des fremdenverkehrsbedingten Gesamtaufwands durch Fremdenverkehrsbeiträge gedeckt und 30 % als Interessenquote der Allgemeinheit veranschlagt werden. Für die Fremdenverkehrseinrichtungen ergibt sich eine prozentuale Aufteilung von 60 % Deckung durch Fremdenverkehrsbeiträge und 40 % Interessenquote der Allgemeinheit. Die Regelungen in § 4 FVBS i.V.m. Spalte 3 der Anlage 1 über den Beitragssatz und die ihr zugrunde liegende Kalkulation sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Im Zusammenhang mit den hier streitigen Festsetzungen hat die Beklagte für 1996 einen einjährigen und für 1997-1999 einen dreijährigen Kalkulationszeitraum gewählt, was § 5 Abs. 2 Satz 2 NKAG entspricht. In die Kalkulation eingeflossen sind Aufwendungen für die Fremdenverkehrswerbung, den ... die Heideflächen in den Bereichen ... und ... sowie für Rad- und Wanderwege. Dabei handelt es sich um Aufwendungen für typische Fremdenverkehrseinrichtungen, die umlagefähig sind. Dass die Beklagte in die Kalkulation Abschreibungen für Kosten der Einrichtungen ... und ... einbezogen hat, die zum Teil bis ins Jahr 1976 zurückreichen, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Das Entstehen der Beitragspflicht und der Beitragsschuld ist nunmehr in § 7 Abs. 1 Satz 2 FVBS eindeutig geregelt. Die Beitragspflicht entsteht mit der Ausübung der beitragspflichtigen Tätigkeit, die Beitragsschuld entsteht mit Ablauf des Kalenderjahres, auf das sie sich bezieht. Nach Maßgabe des Satzes 3 endet die Beitragspflicht.

19

Die Bildung von zwei Zonen innerhalb des Stadtgebietes der Beklagten mit unterschiedlichen Beitragssätzen von 100 % in Zone 1 und 80 % in Zone 2 gemäß § 4 Abs. 4 FVBS ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Zonenbildung berücksichtigt, dass die besonderen wirtschaftlichen Vorteile des Beitragspflichtigen mit zunehmender Entfernung vom Stadtzentrum geringer werden.

20

Die Klägerin als Betreiberin eines Bau- und Heimwerkermarktes ist gemäß § 9 Abs. 2 NKAG i.V.m. § 2 Abs. 1 FVBS beitragspflichtig. Der Klägerin betreibt ein Unternehmen, dem durch den Fremdenverkehr unmittelbar oder mittelbar besondere wirtschaftliche Vorteile geboten werden. Die Klägerin veräußert Waren des Bau- und Handwerkerbedarfes an Endverbraucher. Diese Waren können auch in einer relevanten Größenordnung an Personen verkauft werden, die nicht unmittelbar in Soltau wohnen und die die Stadt oder umliegende Gebiete besuchen. Der Klägerin werden auch mittelbare Vorteile durch den Fremdenverkehr dadurch geboten, dass in ... oder der näheren Umgebung bauliche Vorhaben verwirklicht werden, die durch den Fremdenverkehr veranlasst sind und bei denen Waren oder Materialien eingesetzt werden, die die Klägerin vertreibt. Die Klägerin kann aus diesen Umsätzen "besondere wirtschaftliche Vorteile" im Sinne des Fremdenverkehrsbeitragsrechts für sich erzielen, die es rechtfertigen, sie in den Kreis der bevorteilten und damit beitragspflichtigen Unternehmen einzubeziehen. Da es allein auf die Möglichkeit der Erzielung wirtschaftlicher Vorteile ankommt, ist es unerheblich, welchen prozentualen Umfang der Umsätze die Klägerin tatsächlich durch den Fremdenverkehr erzielt und wie hoch die Umsätze in ihrem Betrieb im Vergleich zu anderen Baumärkten an anderen Orten ist.

21

Entgegen der Auffassung der Klägerin begegnet es auch keinen Bedenken, dass ihr Bau- und Heimwerkermarkt unter der lfd. Nr. 18 der Anlage 1 zur Fremdenverkehrsbeitragssatzung der Beklagten eingestuft worden ist. Nach dieser Regelung wird der Fremdenverkehrsbeitrag für Inhaber von Discountgeschäften, Super- und Verbrauchermärkten sowie SB-Warengeschäften, Baustoffmärkten, Möbelgeschäften und Großmärkten nach der Größe der Verkaufs- und Ausstellungsfläche berechnet. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die besonderen wirtschaftlichen Vorteile im Sinne des § 9 Abs. 2 NKAG auch mittelbar durch einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab erfasst werden können und dem kommunalen Satzungsgeber dabei ein weiter, pauschalierter und typisierende Regelungen einschließender Gestaltungsraum zusteht (vgl. OVG Lüneburg, Urteil v. 17.3.1997, 9 K 1912/95 ( Nds. Rpfl. 1997, 293)), bestehen keine Bedenken, für die Bemessung des Beitragssatzes die Größe der Verkaufs- und Ausstellungsfläche des Betriebes der Klägerin zugrundezulegen. Dieser Maßstab ist weder für sich gesehen noch im Vergleich zu den übrigen in der Anlage aufgeführten Beitragsgruppen sachwidrig und ist auch sonst keine willkürliche Grundlage für die Bemessung der von der Klägerin erhobenen Beiträge. Die Beklagte hält sich im Rahmen des ihr eingeräumten Gestaltungsermessens, wenn sie als maßgebliche Bezugsgröße für die Bemessung des Vorteiles der Klägerin die Verkaufs- und Ausstellungsfläche als Maßstab bestimmt. Insbesondere ist sie rechtlich nicht verpflichtet, in der Satzung bei der Beitragsbemessung für Geschäfte und Märkte mit großen Verkaufsflächen und relativ wenig Personal wie bei kleineren Geschäften auf die Anzahl der Arbeitskräfte abzustellen. Auch die Eingruppierung des Bau- und Heimwerkermarktes der Klägerin in Nr. 18 des Beitragstarifes neben Discountgeschäften und sonstigen Super- und Verbrauchermärkten begegnet keinen rechtlichen Bedenken, da diese Unternehmen nach dem hier anzuwendenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab im Wesentlichen gleichartige Vorteile aus dem Fremdenverkehr ziehen können.

22

Unter Berücksichtigung dieser Umstände bestehen gegen die Heranziehung der Klägerin keine rechtlichen Bedenken, so dass die Klage keinen Erfolg haben kann.

23

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 S. 3 i.V.m § 161 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

24

Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO liegen nicht vor.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird bis zur Erledigungserklärung auf 46 789,45 EUR (entspricht 91 512,22 DM) und danach auf 43 916,11 EUR (entspricht 85 892,44 DM) festgesetzt.