Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 11.12.2002, Az.: 1 A 193/01
Begründung; Beurteilerkonferenz; Beurteilungsrichtlinien; dienstliche Beurteilung; Gesamtnote; Plausibilisierungslast; Quotenregelung; Richtwerte
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 11.12.2002
- Aktenzeichen
- 1 A 193/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 42102
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 33 Abs 2 GG
- § 113 Abs 5 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Es ist rechtswidrig, in sog. "Beurteilerkonferenzen" Noten in der Weise individuell verbindlich festzulegen, dass sie von den zuständigen Beurteilern nur noch umgesetzt werden dürfen und müssen.
2. Äußern sich die zuständigen Beurteiler dahin, dass sie wegen "rigider Vorgaben" der Beurteilerkonferenzen nicht mehr die ihnen gerecht erscheinende Beurteilung vornehmen könnten, dann zeigt das eine unzulässige Einbindung in Konferenzbeschlüsse auf.
3. Bei solcher Bindung an Konferenzbeschlüsse trifft den Dienstherrn bei ansonsten sehr positiver Einschätzung des Beamten eine hohe Plausibilisierungslast für die vergebene Gesamtnote.
Tatbestand:
Der 1955 geborene Kläger wendet sich gegen seine Regelbeurteilung zum Stichtag 1. November 1999 und erstrebt insoweit eine Neubescheidung.
Er ist als Kriminalhauptkommissar (BesGr. A 11) in der Polizeiabteilung der Bezirksregierung {E.} als Fortbildungsbeauftragter im Dez. {F.} auf einem A-12-wertigen Dienstposten tätig. Er war dort von 1981 bis 1994 als Disziplinarsachbearbeiter beim Leiter der Kriminalpolizei eingesetzt und ab 1984 zusätzlich noch als Sachbearbeiter Ausbildung / Sportsachbearbeiter. Er ist Mitglied der Fortbildungskommission der Bezirksregierung Lüneburg und stellv. Mitglied des Fortbildungsausschusses beim Bildungsinstitut der Polizei Niedersachsen in Hann. Münden.
Zum 1. November 1999 erhielt er für den Zeitraum 1.6.97-31.10.99 eine Regelbeurteilung, die mit dem Gesamturteil „Übertrifft erheblich die Anforderungen (4)“ endete. Unter Pkt. 7 dieser Beurteilung heißt es:
„{G.}gehört zu den sich im Grenzbereich zur Wertungsstufe 5 befindlichen Mitarbeitern im Amt A 11 BBesO. Er zeichnet sich durch besonderen Fleiß und eine hohe Zuverlässigkeit und Loyalität aus. Vor dem Hintergrund des sehr strengen Beurteilungsmaßstabes in diesem Amt war die Zuordnung zur Wertungsstufe 5 (noch) nicht möglich.“
Am 6. März 2000 fand ein Erörterungsgespräch statt, am 14. März 2000 wurde ihm ein Beurteilungsentwurf ausgehändigt, zu dem er mit seinem Schreiben vom 21. März 2000 in der Weise Stellung nahm, dass er auf seine überall positiv eingeschätzte Arbeit verwies und dabei die hohe Zahl an Fortbildungsaktivitäten mit entsprechender Qualität unterstrich, was andernorts dazu geführt habe, dass die Bezirksregierung {E.} insoweit als „Vorzeigebehörde“ betrachtet werde. Der Erstbeurteiler stimmte dieser Stellungnahme zu, nahm dazu jedoch wie folgt Stellung:
„Trotz dieser sehr positiven Einschätzung kann ich als Erstbeurteiler vor dem Hintergrund des durch die Zweitbeurteiler abgestimmten Beurteilungsmaßstabes im Amt A 11 BBesO zu keiner anderen Entscheidung kommen.“
Der Zweitbeurteiler äußerte sich in seinem Vermerk vom 22. März 2000 u.a. folgendermaßen zu den Einwendungen des Klägers:
„Die Reaktion des Beamten und die Enttäuschung kann ich nachvollziehen und verstehen, weil ich täglich mit ihm zusammenarbeite und sehe, welche Spitzenleistungen er erbringt. Seine Stellungnahme ist vollkommen korrekt.
{H.}hat wirklich herausragende Fortbildungsarbeit im Regierungsbezirk geleistet und {I.}und mich entscheidend entlastet und es so ermöglicht, dass wir - die Behörde - im Lande eine Spitzenposition erreicht haben, auf die wir stolz sein können.
{J.}hat diese Leistungen trotz erheblicher persönlicher Belastungen in der Familie und schwerwiegender gesundheitlicher Beschwerden mit außerordentlicher Zähigkeit und klaglos-loyal bewältigt.
Die rigiden Vorgaben bei der Vergabe der Spitzennote lassen es nicht zu, diesem Phänomen zu begegnen und letztendlich gerecht zu sein....
Gleichwohl bin ich auch in diesem Beurteilungsverfahren gehalten, mich an der Quote zu orientieren, obwohl es mir bei {K.}ausgesprochen schwer fällt.“
Am 10. Mai 2000 wurde die Regelbeurteilung dem Kläger mit dem gen. Gesamturteil (4) bekannt gemacht, am 14. Juni beantragte der Kläger deren Abänderung auf das Gesamturteil (5), u.zw. unter Bezug auf die vorgenannte Stellungnahme des Zweitbeurteilers, in der zum Ausdruck komme, dass seine Leistungen an sich der Wertungsstufe (5) entsprächen, aber im Widerspruch zu 9.2.1 der Beurteilungsrichtlinien an einer Quote ausgerichtet worden seien.
Durch Bescheid vom 4. September 2000 wurde der Abänderungsantrag mit der Begründung abgelehnt, die Einzelfallgerechtigkeit sei hier nicht verletzt worden, da Erst- und Zweitbeurteiler „lediglich den in den Beurteilerkonferenzen erarbeiteten Maßstab eingehalten“ hätten. Die Wertungsstufe (5) sollten nur Beamte mit „außergewöhnlichen Leistungen und Befähigungen“ erhalten, da schon die Note (4) an erheblich herausragende Beamte vergeben werde. Der rechnerische Durchschnitt aller Einzelmerkmale von 4,5 tendiere unter Berücksichtigung der gewichteten Merkmale eher zur Notenstufe (4) statt (5).
Zur Begründung seines dagegen erhobenen Widerspruches vom 17. Oktober 2000 verweist der Kläger darauf, dass der Zweitbeurteiler zum Ausdruck gebracht habe, er habe sich an der Quote zu orientieren gehabt und deshalb die Stufe 4 zuerkannt, obwohl er damit dem Kläger „nicht gerecht werde“. Nur die strikte Beachtung der Quotenvorgabe habe hier eine Zuerkennung der Notenstufe (5) verhindert. Er habe im weit überwiegenden Teil des Beurteilungszeitraums eine höherwertige - nach A-12 bewertete - Tätigkeit ausgeübt und dabei anerkanntermaßen Spitzenleistungen erzielt, so dass unverständlich sei, weshalb ihm nicht die entsprechende Note (5) zuerkannt worden sei. Entgegen der Darstellung der Beklagten sei es nicht so, dass die Note (4) an erheblich herausragende Beamte vergeben werde, sondern diese Note erhielten mehr als 60 % der Beamten seiner Gruppe, sie sei also eine Durchschnittsnote. Nur 10 % seiner Gruppe erhielten die Note (5). Schließlich sei das gesamte Ranking-Verfahren zum 1. November 1999 rechtswidrig, weil ohne einzelfallgerechte Leistungsabstufung pauschal festgelegt worden sei, wieviele Beamte bei welcher Polizeiinspektion die Note (5) erhalten dürften.
Durch Schreiben der Beklagten vom 13. Dezember 2000 wurde der Zweitbeurteiler gebeten, seine Stellungnahme vom 22. März 2000 „zu relativieren“, weil es andernfalls „nur schwer möglich“ sein werde, die „Wertungsstufe (4) aufrecht zu erhalten“. Der Zweitbeurteiler tat dies dann mit seiner Zusatz-Stellungnahme vom 14. Mai 2001, in der er u.a. ausführte,
“Dabei muss sich die Gerechtigkeit zweifelsohne auch an einem Maßstab oder einer Norm ausrichten. Weil dies so ist, hat auch der Beurteilungsgeber die Einzelfallgerechtigkeit als Ausgleichsmöglichkeit geschaffen, um damit der Problematik gerecht zu werden.“
Da hier jedoch Rahmenwerte für die einzelnen Notenstufen (strikt) einzuhalten seien, sei der Kläger vor diesem Hintergrund - „auch wenn ich seine Leistungen für überdurchschnittlich halte“ - mit der Stufe (4) zu beurteilen.
Durch Widerspruchsbescheid vom 1. Juni 2001 wurde dieser Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, der Kläger sei nicht nur - im Sinne einer Einzelfallgerechtigkeit - an seinen Leistungen zu messen, sondern im Rahmen des Rankings „auch an einer Vielzahl anderer Kollegen“, was hier zur Vergabe der Note (4) geführt habe. Die höherwertige Tätigkeit des Klägers sei bei der Notenfindung berücksichtigt worden. Die Tatsache, dass ca. 60 % aller Beamten der Gruppe des Klägers die Wertungsstufe (4) erhielten, nehme dieser Stufe in Übereinstimmung mit einer Entscheidung des OVG Lüneburg v. 11.5.1999 (5 L 3782/98) noch nicht die Qualifizierung „erheblich herausragend“. Das Ranking-Verfahren aber sei aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht anders als geschehen zu gestalten.
Zur Begründung seiner am 18. Juni 2001 erhobenen Klage erweitert und vertieft der Kläger seine vorgebrachten Gründe. Er betont, der Zweitbeurteiler habe sich aus Quotengründen gehindert gesehen, den Kläger „letztendlich gerecht“ zu beurteilen. Das habe auch die Beklagte erkannt, weil sie den Zweitbeurteiler im Dezember 2000 gebeten habe, seinen Vermerk „zu relativieren“. Die Form, in welcher der Zweitbeurteiler das getan habe, zeige jedoch nach wie vor, dass der Zweitbeurteiler sich - bei Einräumung „überdurchschnittlicher Leistungen des Klägers - an die „Rahmenwerte (Quoten)“ strikt gebunden gefühlt habe.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Ablehnungsbescheides vom 4.9.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.6.2001 zu verurteilen, den Kläger zum Stichtag 1.11.1999 für den Zeitraum vom 1.6.1997 bis 31.10.1999 nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu beurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist zur Begründung darauf, dass der Zweitbeurteiler im Dezember 2000 lediglich gebeten worden sei, seine u. U. missverständlichen Formulierungen vom 22.3.2000 „weiterführend zu kommentieren“. Die Annahme des Klägers, dem Zweitbeurteiler sei vorgegeben worden, in der 2. Stellungnahme „die tatsächlichen Motive seines Handelns zu verschleiern“, treffe nicht zu. Letztendlich habe der Kläger zwar „überdurchschnittliche Leistungen“ erbracht, aber nicht „hervorragende Leistungen“. Daher sei der Kläger korrekt beurteilt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige, auf eine Neubescheidung gerichtete Klage ist sachlich begründet.
Der Kläger hat Anspruch auf eine Neubescheidung seines Abänderungsantrages vom 14. Juni 2000. Denn die Ablehnung dieses Antrages verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO (analog).
Die Kontrolldichte der Verwaltungsgerichte ist bei dienstlichen Beurteilungen mit Blick auf die dem Dienstherrn zustehende Beurteilungsermächtigung (Kellner, DÖV 1969, 309) naturgemäß eingeschränkt, wie das in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung allgemein anerkannt ist (vgl. u.a. BVerwG, ZBR 1981, 197 u. 315 [BVerwG 02.04.1981 - BVerwG 2 C 13.80]). Allerdings können die Verwaltungsgerichte neben Verfahrensverstößen vor allem das Einhalten gesetzlicher Vorgaben und Maßstäbe, die Vollständigkeit der Beurteilungsgrundlagen und deren Plausibilität, die Beachtung und Einhaltung allgemeingültiger Wert- und Beurteilungsmaßstäbe und den Einfluss sachfremder Erwägungen kontrollieren (Schnellenbach, NJW-Schriften 40, 4. Aufl. 1998, Rdn. 480 ff. m.w.N.). Hier ist die Beurteilung vom 10. August 1998 in verwaltungsgerichtlich zugänglichen Kontrollbereichen aus mehreren Gründen zu beanstanden.
1. Allerdings kann nicht davon ausgegangen werden, dass die hier anwendbaren Beurteilungsrichtlinien schon dem Grunde nach eine rechtsfehlerfreie Beurteilung nicht ermöglichen, dass etwa die allgemeinen Beurteilungsmaßstäbe nicht hinreichend konkretisiert sind, die Vorgabe von Quotenrichtwerten grundsätzlich allgemeine Beurteilungsmaßstäbe verletzt oder die Durchführung von sog. Rankingkonferenzen für sich genommen schon dem Erfordernis einer individuellen Beurteilung entgegensteht (vgl. dazu OVG Lüneburg, Urteil vom 11.5.1999 - 5 L 3782/98 -). Ferner bestehen keine stichhaltigen Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Quotenrichtwerte erheblich überschritten worden sind und damit eine unzulässige Maßstabsverschiebung (vgl. dazu Urt. d. BVerwG v. 2.3.2000, Buchholz 237.8 § 18 RhPlBG Nr. 1; OVG Rheinland-Pfalz, DVBl. 1997, 385) stattgefunden hat.
2. Jedoch ist es nach der Überzeugung der Kammer so, dass in den Ranking- und Beurteilerkonferenzen der Bezirksregierung die Notenstufen in einer Art und Weise individuell festgelegt werden, die rechtswidrig ist. Die Kammer hat insoweit in ihrem Urteil vom v. 20.3.02 - 1 A 8/00 - dieses unzulässige Verfahren wie folgt beschrieben:
„Danach sei von der Beurteilerkonferenz die Note für die zu beurteilenden Beamten im Einzelnen verbindlich festgelegt worden. Diese habe der Erstbeurteiler umzusetzen gehabt, auch wenn er sich mit seinem Notenvorschlag in der Konferenz nicht durchgesetzt habe. Für den Fall der Abweichung von der festgelegten Notenstufe seien ihm zum Teil „dienstrechtliche“ Maßnahmen angedroht worden, da in der Abweichung von den Ergebnissen der Beurteilerkonferenz eine Weigerung liege, die Beurteilungsrichtlinien ordnungsgemäß anzuwenden und hierin ein Dienstvergehen zu sehen sei.“
Ein solches Verfahren ist von der Kammer mit folgenden Erwägungen als rechtswidrig eingestuft worden (aaO.):
„Diese Verfahrensweise ist eindeutig fehlerhaft und rechtswidrig. Zwar ist die Vorgabe von Richtwerten und ist die Durchführung von Beurteilerkonferenzen mit dem Ziel, den für die Beurteilung vorgegebenen Maßstab zu verdeutlichen und unter Beachtung der festgelegten Richtwerte auf leistungsgerecht abgestufte und untereinander vergleichbare Beurteilungsergebnisse hinzuwirken, ganz grundsätzlich zulässig. Unzulässig ist es jedoch, wenn letztlich - wie hier - die Beurteilerkonferenz die Note auch gegen die Überzeugung des Erstbeurteilers für diesen verbindlich festlegt. Angesichts dieser Praktiken, in die auch die Zweitbeurteiler eingebunden waren, kann die erhebliche Notenänderung des Erst- und des Zweitbeurteilers nur dann als rechtmäßig angesehen werden, wenn sie deutlich machen, dass sie sie nicht lediglich zur widerspruchsfreien Begründung der in der Konferenz verbindlich festgelegten Note vorgenommen haben, sondern weil sie selbst von dieser Note als zutreffender Leistungsbewertung in der Sache überzeugt sind.‘“
Hieran hält die Kammer fest. Die Beurteilerkonferenzen lassen den zuständigen, mit einer eigenen Beurteilungsermächtigung ausgestatteten Beurteilern nicht mehr die nötige (eigene) Wertungsfreiheit, die sie jedoch unabdingbar benötigen, um in einem „Akt wertender Erkenntnis“ zu den allein von ihnen für richtig befundenen Beurteilungen zu gelangen. Die jeweils zuständigen Beurteiler müssen angesichts solcher Einbindungspraktiken in den Beurteilerkonferenzen mit rigider Vorgabe fester Quoten gerichtlich nachvollziehbar machen, dass sie die Beurteilungen mit den jeweils festgesetzten Einzel- und Gesamtnoten aus freier Überzeugung als Beurteiler vergeben haben und nicht etwa deshalb, weil sie - bei Befürchtung disziplinarrechtlicher Maßnahmen (vgl. dazu ebenfalls das o. a. Urteil der Kammer v. 20.3.02) - nur noch die Vorgaben der Konferenzen umgesetzt und ausgeführt haben. Denn die Festlegung des Endbeurteilers auf „einseitig vorgegebene Beurteilungsergebnisse“, die u. U. sogar „personenscharf“ erfolgt sind, ist rechtswidrig (so OVG Münster, NVwZ-RR 2002, 58 [OVG Sachsen 16.01.2001 - 2 BS 301/00]). Richtwerte „dürfen den für die Beurteilung zuständigen Dienstvorgesetzten nicht zwingen, einen Beamten schlechter zu beurteilen als er ihn bei Beachtung“ des Leistungsgrundsatzes beurteilen würde (so Bayer. VGH, DÖD 1976, S. 260).
Das Bestreben der Beklagten, über die Beurteilerkonferenzen auf die individuellen Beurteilungen in unzulässiger Weise Einfluss zu nehmen, zeigt sich u. a. auch daran, dass für den mittleren Dienst sogar der Notenschnitt per Beschluss gravierend - abweichend von den Beurteilungsrichtlinien - verändert worden ist (vgl. dazu Urt. des VG Stade v. 17.8.00 - 3 A 1420/99 -). In jenem Verfahren legte der Kläger lt. angegebenem Urteil
„ein Fernschreiben des Beklagten v. 2.7.1998 (66.79) vor, demzufolge in der Beurteilerkonferenz der Zweitbeurteiler vom 9. Juli 1998 zur Regelbeurteilung der Beamten des mittleren Dienstes zum Stichtag 1. Juni 1998 beschlossen worden sei, den Durchschnitt mit der Wertungsstufe 4 zu definieren.15 % sollten darüber und 15 % darunter liegen.“
Es ist im Hinblick auf die hier vorliegenden Äußerungen der Beurteiler bei einer Gesamtwürdigung des gesamten Verfahrens davon auszugehen, dass auch im vorliegenden Fall in der beschriebenen Weise rechtswidrig vorgegangen wurde, so dass gem. § 108 VwGO anzunehmen ist, dass die angegriffene Beurteilung letztlich rechtswidrig zustande gekommen ist.
3. Dahinstehen kann unter diesen Umständen hier, inwieweit die Beklagte berechtigt war, für die Beurteilung des Klägers (schon) auf Vordrucke und Beurteilungsmaßstäbe zuzugreifen, die erst nach dem Beurteilungsstichtag - 1. Nov. 1999 - und auch erst nach Ablauf des maßgeblichen Beurteilungszeitraums - 1.6.1997 bis 31.10.1999 - überhaupt erst wirksam eingeführt worden sind, nämlich mit dem am 1.1.2000 in Kraft getretenen Runderlass des MI v. 29.12.1999 (PolNBl. NI 2/2000, S. 36). Erst zu diesem Zeitpunkt sind auch die vorangehenden Beurteilungsrichtlinien 1996, also der Runderlass d. MI v. 4.1.1996 (Nds.MBl. S. 169), außer Kraft getreten (Pkt. 17 d. Runderlasses v. 29.12.1999). Mit den neuen Beurteilungsrichtlinien sind jedoch materiell-rechtlich neue Notenstufen - vor allen Dingen Zwischennoten - eingeführt worden, wobei äußerst zweifelhaft ist, ob auf einen abgeschlossenen Zeitraum, der eindeutig noch unter der Geltung andersartiger Beurteilungsrichtlinien des Jahres 1996 steht, rückwirkend neue Notenstufen (mit Zwischennoten) angewandt werden können. Erheblich ist das hier deshalb, weil die Beurteiler sich bei Anwendung der Beurteilungsrichtlinien 1996, also ohne solche Zwischennoten, bei den Einzelmerkmalen zu 1, 2, 5, 7 und 11 für die eine (4) oder andere (5) Notenstufe hätten entscheiden müssen - mit erheblichen Auswirkungen auf die vergebene Gesamtnote.
4. Hiervon abgesehen hat die Klage aber vor allem auch deshalb Erfolg, weil die Beklagte im vorliegenden Fall nicht ihrer dienstherrlichen Plausibilisierungslast gerecht geworden ist (vgl. OVG Saarlouis, DÖD 2000, 65 [OVG Rheinland-Pfalz 10.05.1999 - 3 A 12725/98] mwN.; VG Regensburg, Urt. v. 15.11.1994, - RN 1 K 94.34 -, ÖD 1995, 53-55).
Das hier zur Rede stehende Gesamt-(Wert-)-Urteil mit der Wertungsstufe (4) - „übertrifft erheblich die Anforderungen (4)“ - ist von der Beklagten für den gesamten Beurteilungszeitraum nicht in der rechtlich gebotenen Weise verifiziert und nachvollziehbar gemacht worden (vgl. BVerwGE 60, 245 / 249 f.; OVG NW, ZBR 1975, 90/91; Bieler, Die dienstliche Beurteilung, 3. Aufl. 2000, Rdn. 91). Das aber ist ihre Aufgabe. Denn aus einer Summe von Einzel- bzw. Teilbewertungen und -beobachtungen ist grundsätzlich ein adäquates, rational nachvollziehbares Gesamturteil zu bilden, das mit der Darstellung der Gesamtpersönlichkeit harmonisch in Einklang zu bringen ist. Es darf auf keinen Fall eine nur „formelhafte Behauptung“ bleiben (BVerwG, aaO, S. 251), die nur mit „allgemeinen Ausführungen“ (BVerwG, aaO., S. 253) belegt wird. Für die Vergabe der Wertungsstufe (4) hätten sich also die Leistungen des Klägers während des gesamten, von der Beklagten hier beurteilten Zeitraums insgesamt nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei als solche darstellen müssen, die der Wertungsstufe (4) zuzuordnen sind. Das ist jedoch nicht der Fall.
In welcher Weise für die Festlegung von Einzelnoten der Leistungsmerkmale und des Gesamturteils eine hinreichend plausible Begründung zu erfolgen hat, hängt - nach richterlicher Wertung (§ 108 VwGO) - insbesondere von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab. Entscheidend ist, dass das Werturteil keine formelhafte Behauptung bleibt, sondern dass es für den Beamten einsichtig und für außenstehende Dritte - unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten vor allem für das Gericht - nachvollziehbar wird, dass der Beamte die Gründe und Argumente des Dienstherrn erfährt und für ihn der Weg, der zu der Bewertung geführt hat, sichtbar wird (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 11. Mai 1999 - 5 L 3782/98 -). Dort, wo das Gesamturteil von dem allgemeinen Mittel der Teilbeurteilungen in signifikanter Weise abweicht, muss die Begründung in ganz besonderem Maße erkennen lassen, welche Teilaspekte, -vorgänge und -urteile der Dienstherr stärker gewichtet hat als andere und warum das geschehen ist. In der Begründung ist die unterschiedliche Gewichtung der Teilurteile und die Berücksichtigung weiterer Kriterien und Wertmaßstäbe deshalb im Einzelnen plausibel niederzulegen, weil nur so ein willkürliches Vorgehen auszuschließen ist und auch nur so eine effektive gerichtliche Kontrolle der Beurteilungsentscheidung gem. Art. 19 Abs. 4 GG möglich erscheint (vgl. Huber, Anforderungen an die Erstellung dienstlicher Regelbeurteilungen, ZBR 1993, 361/368).
Die angegriffene Beurteilung ist von der Beklagten nicht ausreichend plausibel gemacht worden: Das dem Kläger letztlich zugebilligte Gesamturteil „übertrifft erheblich die Anforderungen“ (Durchschnitt der Einzelmerkmale: 4,5 / gewichteter Durchschnitt: 4,3 - hierbei 3x 4,5 und 2x 4) steht zunächst einmal im Widerspruch zu der „sehr positiven Einschätzung“ des Erstbeurteilers (vgl. 9.4 des Beurteilungsvordrucks), die deutlich macht, dass der Kläger durch seine Tätigkeit dazu beigetragen hat, dass die Bezirksregierung H. in Niedersachsen hinsichtlich der Fortbildung als „Vorzeigebehörde“ eingeschätzt wird, was offenbar durch eine hohe Zahl von Fortbildungsaktivitäten „mit entspr. Qualität“ (z.B. kriminalistische Fortbildung: ZKD-Lehrgang, KED-Lehrgang, Tatortseminar u.a.) erreicht worden ist. Auch die Mitwirkung des Klägers in verschiedenen landesweiten Arbeitsgruppen wird vom Erstbeurteiler nicht in Frage gestellt (vgl. 9.4 des Vordrucks iVm der Stellungnahme des Klägers vom 11.3.2000). Der Erstbeurteiler sah sich „trotz dieser sehr positiven Einschätzung“ allein wegen „des durch die Zweitbeurteiler abgestimmten Beurteilungsmaßstabes im Amt A 11 BBesO“, so führt er aus, nicht in der Lage, zu einer anderen Entscheidung zu kommen. Er „konnte“ das nicht, wie er sagt. Schon das deutet darauf hin, dass sich der Erstbeurteiler in einer Weise durch die vorgegebenen Richtwerte und die bei der Rankingkonferenz festgelegte Quote eingebunden sah, die seinen „Akt wertender Erkenntnis“ als Beurteiler unzulässig eingeschränkt hat.
Unterstrichen wird diese Einschätzung (§ 108 VwGO) dadurch, dass nun auch der Zweitbeurteiler in seiner Stellungnahme vom 22. März 2000 davon spricht, der Kläger erbringe „Spitzenleistungen“ und habe „wirklich herausragende Fortbildungsarbeit im Regierungsbezirk geleistet“, wobei die Wortwahl „herausragend“ sich inhaltlich nicht mehr von der Notendefinition der Stufe (5) - „hervorragend“ - unterscheidet. Vom Zweitbeurteiler wird hervorgehoben, dass diese Leistungen „mit außerordentlicher Zähigkeit und klaglos-loyal“ erreicht worden seien. Damit ist vom Zweitbeurteiler hinreichend beschrieben, dass die Leistungen des Klägers „hervor-“ bzw. „herausragend“ waren, was ihre Zuordnung zur Notenstufe (5) nahe legt.
Wenn der Zweitbeurteiler angesichts solcher Leistungseinschätzung und -beurteilung dann doch nur zu einem Gesamturteil der Stufe (4) kommt, so deshalb, wie er ausführt, weil es „rigide Vorgaben bei der Vergabe der Spitzennote“ gebe, die es „nicht zulassen“, die Note zu vergeben, die von den Leistungseinschätzungen her zutreffe: Die Vorgaben verhinderten es, „letztendlich gerecht zu sein“ (3. Absatz der Stellungnahme vom 22.3. 2000). Solche Erfahrungen habe der Zweitbeurteiler, sagt er, auch schon im letzten Beurteilungsverfahren „mit ebenfalls hervorragenden Beamten“ machen müssen, die dann „zutiefst enttäuscht und verletzt“ gewesen seien. Abschließend meint der Zweitbeurteiler, er sei „gleichwohl“ auch in diesem Verfahren gehalten, sich „an der Quote zu orientieren“, was ihm beim Kläger jedoch „ausgesprochen schwer“ falle.
Die von der Beklagten unter diesen Umständen mit Verfügung vom 13. Dezember 2000 beim Zweitbeurteiler angeforderte „Relativierung“ seiner Stellungnahme vom 22.3.2000 ist dann mit der Stellungnahme vom 14. Mai 2001 erfolgt: Der Zweitbeurteiler hat seinen Vermerk dahingehend interpretiert, dass Gerechtigkeit ein „Grundwert des menschlichen Zusammenlebens“ sei, neben der Persönlichkeit des zu Beurteilenden aber auch „die gegebenen Verhältnisse“ zu berücksichtigen seien. Dabei habe der Beurteilungsgeber allerdings die „Einzelfallgerechtigkeit als Ausgleichsmöglichkeit geschaffen, um damit der Problematik gerecht zu werden“. Hier sei es so, dass „Rahmenwerte für die einzelnen Notenstufen einzuhalten sind“. Damit hat der Zweitbeurteiler nun nochmals sehr deutlich gemacht, dass er in einem Konflikt zwischen Einzelfallgerechtigkeit und Quoten-Vorgaben stand und sich genötigt sah, diesen Konflikt zu Gunsten der ihm - verbindlich - vorgegebenen Richtwerte zu lösen. Auf die o. a. Rechtsprechung der Kammer zur Beurteiler-Konferenz und der dabei geübten Einbindungspraxis sei hier verwiesen. Somit hat sich der Zweitbeurteiler einzig an den Quoten der Notenstufen orientiert und sich durch sie gebunden gefühlt. Allein diese „Rahmenwerte“ waren für ihn maßgebend. Daraus ist abzuleiten, dass nach dem Zweitbeurteiler von der insgesamt sehr positiven Beurteilung mit der Einschätzung, der Kläger sei „ebenfalls“ ein „hervorragender Beamter“ (3. Absatz der Stellungnahme v. 22.3.2000) keine Abstriche gemacht werden sollten, er sich jedoch gezwungen bzw. „gehalten“ gesehen hat, sich an den „rigiden Vorgaben“ der Rahmenwerte zu orientieren, so dass er „vor diesem Hintergrund“ den Kläger eben mit der Wertungsstufe (4) beurteilen „müsse“. Das ist gemäß § 108 Abs. 1 S. 1 VwGO zu berücksichtigen und zu würdigen.
Obwohl es grundsätzlich zulässig ist, Rahmen- und Richtwerte zu bilden, darf das nicht dazu führen, dass die für die Beurteilung zuständigen Vorgesetzten sich gezwungen fühlen, sich bindend an solchen Vorgaben zu orientieren. Der Bay.VGH hat dazu in seinem Urteil v. 23.4.1976 (DÖD 1976, 260) ausgeführt:
„Derartige Richtwerte dürfen den für die Beurteilung zuständigen Dienstvorgesetzten nicht zwingen, einen Beamten schlechter zu beurteilen als er ihn bei Beachtung der §§ 50, 51 LbV und der dazu ergangenen Verwaltungsvorschriften beurteilen würde. Eine solche unterschiedliche prozentuale Gliederung der zu vergebenden Gesamturteile hat als Hilfsmittel und Kontrollmaßstab für den Beurteilenden seine Berechtigung. Sie muß jedoch Richtwert bleiben und darf nicht selbst Beurteilungsmaßstab werden. Insbesondere kann es die besonders gute oder schlechte Besetzung einer Dienststelle erfordern, von solchen erfahrungs-orientierten Richtwerten für die Vergabe des Gesamturteils bei der Beurteilung der Beamten abzuweichen (..).“
Hier liegt es bei einer Gesamtwürdigung der Sach- und Rechtslage so, dass die zuständigen Beurteiler sich offensichtlich - rechtswidrig - gezwungen gefühlt haben, trotz ihrer sehr positiven Einschätzungen der Leistungen des Klägers nicht die ihm zukommende Notenstufe 5, sondern eine schlechtere Notenstufe (4) zuzuteilen, um damit den Quotenvorgaben Rechnung zu tragen. Andernfalls wären wohl, wie der Kammer bekannt ist (s. o., Urt. d. Kammer v. 20.3.2002 - 1 A 8/00 -), „dienstrechtliche Maßnahmen“ gegen die Beurteiler zwecks Einhaltung der Quote ergriffen worden. Das wollten die Beurteiler vermeiden und haben daher in dem Konflikt zwischen Einzelfallgerechtigkeit und verbindlich vorgegebener Richtwerte sich für letztere entschieden. Das hat mit einem „Akt wertender Erkenntnis“ der allein zuständigen Beurteiler nichts mehr zu tun.
Bei dieser Lage der Dinge ist die angegriffene Beurteilung mit der Notenstufe (4) für einen ja doch als „hervorragend“ eingeschätzten Beamten insgesamt nicht plausibel. Aus einer Summe von Einzel- und Teilleistungen ist nämlich für den Beurteilungszeitraum grundsätzlich ein adäquates, rational nachvollziehbares Gesamturteil zu bilden, das mit der Darstellung der Gesamtpersönlichkeit in Einklang zu bringen ist. Der Beurteiler hat in Wahrnehmung der gerade ihm zugewiesenen Beurteilungsermächtigung rechtlich zwingend eine wertende Gesamtwürdigung vorzunehmen (BVerwG, NVwZ-RR 1999, 455).
5. Bei einer all das einbeziehenden Gesamtwürdigung und Erstellung der dienstlichen Beurteilung des Klägers mit dem erforderlichen (hohen) Maß an „Sensibilität, Gewissenhaftigkeit, Objektivität sowie Verantwortungsbewußtsein“ (vgl. Richtlinien I 1. Abs. 3) könnte mit Blick auf die Einschätzungen des Erst- wie auch Zweitbeurteilers hier durchaus eine Vergabe der Notenstufe (5) in Betracht kommen, so dass die ablehnenden Bescheide der Beklagten aufzuheben waren und die Verpflichtung zur Neubescheidung auszusprechen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe, die Berufung gem. § 124 a Abs. 1 S. 1 iVm § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.