Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.02.2020, Az.: 9 K 95/13

Berücksichtigung von Zahlungen an die britischen Subunternehmer als Betriebsausgaben

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
05.02.2020
Aktenzeichen
9 K 95/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 69945
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 09.06.2022 - AZ: IV R 4/20

Tatbestand

Streitig ist, ob von der X-GmbH & Co. XX im Streitjahr 2002 an britische Subunternehmer geleistete Zahlungen zum Betriebsausgabenabzug zuzulassen sind oder ob unter Anwendung des § 160 der Abgabenordnung (AO) eine Kürzung wegen unterlassender Empfängerbenennung in Höhe von 70 v.H. rechtmäßig ist.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der X-GmbH &. Co XX Entwicklungs- und Bauträgergesellschaft (Im Folgenden: E). Das Insolvenzverfahren ist derzeit noch nicht abgeschlossen.

E erzielte aus der Vorbereitung und Durchführung von Bauvorhaben aller Art Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Einkommensteuergesetz - EStG -).

E nahm im Streitjahr 2002 umfangreiche Leistungen britischer Subunternehmer für die Realisierung diverser Großobjekte in Anspruch. Ausweislich der Buchführung wurden insoweit für 2002 Zahlungen in einer Gesamthöhe von insgesamt 950.110 € gewinnmindernd als Betriebsausgaben berücksichtigt. Zwischen den Beteiligten sind sowohl die Gesamthöhe der Betriebsausgaben als auch die Umstände unstreitig, dass die britischen Subunternehmer "Bauleistungen" im Sinne des § 48 EStG erbrachten, die vorstehenden Aufwendungen als Gegenleistung hierfür geleistet wurden und die E im Jahr 2003 in gesetzlicher Höhe hierfür Bauabzugssteuer für die britischen Subunternehmer anmeldete und abführte.

Nach den Feststellungen und Auskünften der Informationszentrale Ausland (IZA) des Bundeszentralamtes für Steuern (früher: BfF) handelte es sich bei sämtlichen britischen Firmen um wirtschaftlich inaktive Briefkastengesellschaften/Domizilgesellschaften.

In dem zunächst für das Streitjahr 2002 ergangenen und gemäß § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Feststellungsbescheid vom 16. November 2004 wurden die gewerblichen Einkünfte erklärungsgemäß mit 445.176 € berücksichtigt.

Anlässlich einer bei E auch für das Streitjahr durchgeführten Außenprüfung traf der Prüfer unter anderem folgende Feststellungen:

Die Zahlungen an die britischen Firmen erfolgten auf wechselnde, in den Rechnungen angegebene inländische Bankkonten. Die im Besteuerungsverfahren erfolgten Anfragen bei den maßgeblichen Banken führten zu der Erkenntnis, dass es sich in keinem der Fälle um ein Geschäftskonto handelte. Die Konten waren vielmehr durchgängig auf Einzelpersonen als Verfügungsberechtigte eingerichtet worden. Ein an die E gerichtetes Benennungsverlangen zur Feststellung der aus den Zahlungen tatsächlich begünstigten Personen führte zu keinem Ergebnis, da es dieser nicht möglich war, die betreffenden Personen mit Namen und Anschriften zu benennen und den geforderten Nachweis zu führen.

Vor diesem Hintergrund vertrat der Außenprüfer die Auffassung, dass den insoweit geltend gemachten Betriebsausgaben gemäß § 160 AO teilweise der Abzug zu versagen sei. Unter Berücksichtigung aller Risiken im Rahmen der Ermessensausübung schätzte der Prüfer die Kürzungsbeträge für 2002 auf insgesamt 665.077 € (70 % der Gesamtzahlungen über 950.110 €).

Das Finanzamt (FA) Buchholz in der Nordheide folgte der Auffassung der Außenprüfung und erließ unter dem 8. Mai 2009 gemäß § 164 Abs. 2 AO einen geänderten Feststellungsbescheid für 2002, in dem es nunmehr - unter Berücksichtigung weiterer nicht streitbefangener Änderungen - als Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) - 1.156.690 € in Ansatz brachte.

Den hiergegen noch von E mit Schreiben vom 22. Mai 2009 eingelegten Einspruch wies das zwischenzeitlich zuständig gewordene FA Lüneburg - der Beklagte - als unbegründet zurück. Die Kürzung der Betriebsausgaben nach § 160 AO sei zu Recht erfolgt, da es sich bei den betroffenen britischen Subunternehmerfirmen nachweislich um wirtschaftlich inaktive Briefkasten-/Domizilgesellschaften gehandelt habe. Sämtliche Zahlungen an die im Einzelnen aufgeführten Firmen seien unter Heranziehung des § 160 AO zu betrachten. Den erhöhten Anforderungen des § 90 AO sei die E nicht gerecht geworden. Soweit für die britischen Firmen durch das FA Hannover-Nord Bauabzugssteuer erhoben worden sei, habe es sich regelmäßig um sog. "Zwangsaufnahmen" aufgrund der seitens der E abgeführten Beträge gehandelt. Die Erhebung der Bauabzugssteuer und die Registrierung der Subunternehmerfirmen könnten den Leistungsempfänger nicht von seiner erhöhten steuerlichen Mitwirkungspflicht i.S.d. § 90 AO bei der Beurteilung des Betriebsausgabenabzugs entbinden. Zwar sei grundsätzlich § 160 Abs. 1 AO nicht anzuwenden, wenn der Leistungsempfänger seiner Verpflichtung zur Anmeldung und Abführung des Steuerabzugs bei Bauleistungen nachgekommen sei. Gleichwohl sei aber das Verlangen nach dem Leistungsempfänger gerechtfertigt, wenn der Verdacht oder aufgrund allgemeiner Erfahrungen die Vermutung begründet sei, der Empfänger könne die Einnahme zu Unrecht nicht versteuert haben. Es genüge bereits, wenn diese Annahme nicht gänzlich auszuschließen sei. Da die Rückfragen des für die Bauabzugssteuer zuständigen FA Hannover-Nord bei den britischen Firmen regelmäßig ohne Ergebnis geblieben oder gar nicht möglich gewesen und darüber hinaus die Zahlungen der E regelmäßig auf inländische Bankkonten erfolgt seien, so dass das Geld offenkundig im Inland verblieben sei, sei die Versagung des Betriebsausgabenabzugs im Umfang von 70 v.H. der Gesamtaufwendungen zutreffend und rechtmäßig.

Eine Sperrwirkung des § 48 EStG gegenüber § 160 AO bestehe trotz der Bauabzugssteueranmeldungen nicht, da es sich bei den britischen Subunternehmern um wirtschaftlich inaktive Briefkasten-/Domizilgesellschaften gehandelt habe. Derartige Firmen seien nicht in der Lage, die gesetzlich in § 48 EStG geforderten Bauleistungen zu erbringen. Das bedeute, dass die Bauabzugssteuern für unzutreffende Personen/Firmen angemeldet und abgeführt worden seien. Die Anmeldungen seien nicht korrekt und daher von der E gegenüber dem FA Hannover-Nord zu berichtigen.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Einspruchsbescheid vom 16. April 2013 Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der die E - und in der Folge der als Insolvenzverwalter über ihr Vermögen handelnde Kläger - das Begehren auf steuermindernde Berücksichtigung der ungekürzten Betriebsausgaben weiterverfolgt.

Zur Begründung der Klage trägt der Kläger im Wesentlichen Folgendes vor:

Die Kürzung des Betriebsausgabenabzugs für Zahlungen an britische Subunternehmer in Höhe von 665.077 € sei rechtwidrig. Gegen die Rechtmäßigkeit spreche bereits, dass seit dem Jahr 2002 § 160 AO über die Vorschrift des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG gesetzlich ausgeschlossen werde. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG seien im Streitfall erfüllt, da die E den Steuerabzug für die britischen Unternehmen (unstreitig) vorgenommen habe. Sie habe die entsprechende Bauabzugssteuer an das FA Hannover-Nord abgeführt. Vorliegend handele es sich bei den streitigen Aufwendungen auch eindeutig um Bauleistungen, da die entsprechenden Unternehmen Anstrich-, Spachtel- und Verglasungsarbeiten sowie Rohbau- und Fliesenarbeiten erbracht hätten. Entsprechendes ergebe sich zudem aus den insoweit abgeschlossenen Werkleistungsverträgen und aus dem vom FA Hannover-Nord und FA Aachen eingeforderten Bauabzugssteuerbetrag. Damit komme eine Anwendung des § 160 AO nicht in Betracht.

Im Übrigen läge vorliegend keine Gestaltung in der Weise vor, dass die infrage stehenden britischen Unternehmen in die Leistungsbeziehungen zwischengeschaltete Gesellschaften gewesen seien. Vielmehr hätten diese selbst die Leistungen erbracht. Es habe sich insbesondere nicht um Briefkastenfirmen gehandelt. Zwar hätten die Firmen zumeist nicht längere Zeit existiert, jedoch seien sie während dieser Zeit in der Baubranche tätig gewesen. Die mit diesen Firmen für bestimmte Bauvorhaben geschlossenen Bauleistungsverträge seien alsdann vertragsgemäß ausgeführt worden.

In den Leistungsbeziehungen zwischen den britischen Subunternehmen und der E hätten die Subunternehmer jeweils Leistungen an die E erbracht. Da sie über Gutschriften abgerechnet habe, gelte die E gemäß § 48 Abs. 1 Satz 4 EStG als Leistende, die über eine Leistung abrechne, ohne sie selbst erbracht zu haben. Bei ordnungsgemäßer Anmeldung und Abführung der Bauabzugssteuer sei § 160 AO selbst für den Fall nicht anwendbar, dass über Leistungen abgerechnet würden, die tatsächlich nicht erbracht worden seien oder die Zahlungen an Domizilgesellschaften erfolgt seien.

Darüber hinaus seien die Umstände der Zahlungen im Zusammenhang mit den Werkvertragsleistungen der britischen Subunternehmer umfangreich dargelegt und die hinter den Zahlungsempfängern stehenden Personen hinreichend genannt worden.

Im Übrigen habe die E durch entsprechende Unterlagen (z.B. Auszüge aus dem englischen Handelsregister) nachgewiesen, dass es sich bei den britischen Subunternehmern im Zeitpunkt des Betriebsausgabenabzugs keinesfalls um inaktive Domizilgesellschaften eines Niedrigsteuerlandes gehandelt habe.

Bezüglich des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze vom 24. Juli 2013 und 28. November 2014 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 2002 vom 16. November 2004, geändert durch den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 2002 vom 8. Mai 2009, und die Einspruchsentscheidung vom 16. April 2013 dergestalt zu ändern, dass zusätzliche Betriebsausgaben in Höhe von 665.077 € gewinnmindernd berücksichtigt werden und die Einkünfte aus Gewerbebetrieb - unter entsprechenden Anpassung der Gewerbesteuerrückstellung - entsprechend niedriger festgestellt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist zunächst auf seinen Einspruchsbescheid vom 16. April 2013. Der Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass im Streitfall der vollständige Betriebsausgabenabzug daran scheitere, dass dem Benennungsverlangen i.S.d. § 160 AO nicht genügt worden sei.

§ 160 AO sei anwendbar und nicht durch § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG ausgeschlossen. Die E habe zwar als Leistungsempfänger der Bauleistungen des Streitjahres in 2003 Bauabzugsteuer angemeldet und abgeführt. § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG gelte aber nicht ausnahmslos für jeden, der über eine Bauleistung als Leistender abrechne. Sinn und Zweck der Vorschrift sei es, Wettbewerbsverzerrungen durch Einsatz von unseriös operierenden (ausländischen) Subunternehmen und Scheinfirmen in der Baubranche entgegen zu wirken. Der Steuerabzug sollte hingegen nicht dazu führen, Unternehmen der Baubranche gegenüber sonstigen Unternehmen, die keine Bauleistungen erbringen, zu privilegieren. Eine rein formale Auslegung sei insoweit gleichheitswidrig. Im Ergebnis dürfe sich der Leistungsempfänger durch einen korrekten Steuerabzug nicht schlechthin von § 160 AO befreien können. Aus diesem Grund sei § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG so auszulegen, dass der Ausschluss des § 160 AO nur für "aktive Firmen", nicht jedoch für Domizil- oder Briefkastenfirmen greife.

Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für die Anwendung des § 160 AO vor. Die Frage nach den Empfängern sei nicht hinreichend beantwortet worden. Belegt seien lediglich Zahlungen auf inländischen Bankkonten, die nicht zu den Empfänger-Limiteds gehörten. Das Benennungsverlangen sei rechtmäßig gewesen. E habe hinreichende Anhaltspunkte dafür gehabt, dass es sich bei den britischen Subunternehmern um inaktive Firmen gehandelt habe. Das persönliche Kennen der als Geschäftsführer auftretenden Personen sowie die Sichtung der Handelsregisterauszüge genügten nicht den Anforderungen. Die Überzeugung, dass es sich bei den Geschäftspartnern tatsächlich um Bauunternehmen gehandelt habe, sei vor Aufnahme der Geschäftsbeziehungen angesichts der Auftragshöhe über eine Reihe anderer Unterlagen zu gewinnen (z.B. Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung der Berufsgenossenschaft Bau bzw. der Sozialversicherungsträger AOK oder DAK oder einer Freibestellungsbescheinigung i.S.d. § 48b EStG des FA Hannover-Nord).

Schließlich weist der Beklagte darauf hin, dass die E mit Schreiben vom 9. Februar 2001 eine Anfrage an der FA Hamburg-Altona bezüglich eines Bauleistungsvertrags mit der Firma ... Limited gestellt habe. Mit dem Antwortschreiben sei die E darauf hingewiesen worden, dass ein Nachweis einzuholen sei, dass der Auftragnehmer im Handelsregister des Landes der Geschäftsleistung bzw. des Sitzes registriert sei, um sicher zu gehen, dass es sich nicht um ein Scheinunternehmen handele. Hinsichtlich der Umsatzbesteuerung sei ein Hinweis auf das Umsatzsteuerabzugsverfahren erfolgt.

Auch daraus, dass das FA Hannover-Nord die angemeldete und abgeführte Steuer nicht zurückerstattet habe sowie aus der Anforderung des Fragebogens "Grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen" könne nicht Gegenteiliges hergeleitet werden. Für die Bauleistungen 2002 seien erst nach Abschluss der Arbeiten im Februar 2003 die Steuern angemeldet und abgeführt worden. Der Fragebogen sei erst im Juli 2003 eingereicht worden. Diese Tatsachen könnten daher nicht dazu führen, dass Fehleinschätzungen der E rückwirkend für das Streitjahr bestätigt oder gar legitimiert würden.

Auf der zweiten Stufe der Ermessensausübung sei berücksichtigt worden, dass der Betriebsausgabenabzug in voller Höhe hätte versagte werden können. Im Streitfall sei nicht erkennbar, ob und in welcher Höhe die streitigen Zahlungen bei den Empfängern im Inland steuerlich erfasst worden seien. Der Betriebsausgabenabzug sei im Rahmen der Ermessensausübung entsprechend dem möglichen Steuerausfall in Höhe von 70 v.H. zu versagen. Dabei seien die gezahlte Bauabzugssteuer und die voraussichtliche Steuerlast der Zahlungsempfänger berücksichtigt worden.

Entscheidungsgründe

1. Die Klage ist begründet.

Der angefochtenen Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 2002 vom 16. November 2004, geändert durch den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 2002 vom 8. Mai 2009, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. April 2013, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das beklagte FA hat zu Unrecht die streitbefangenen Zahlungen an die britischen Subunternehmer in Höhe von 665.077 € nicht als Betriebsausgaben gewinnmindernd berücksichtigt. Eine Versagung des Betriebsausgabenabzugs in dieser Höhe auf der Grundlage des § 160 AO war im Streitfall nicht zulässig, da die Vorschrift aufgrund der gesetzlichen Ausschlussregelung des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG nicht anwendbar ist.

1. Nach § 160 Abs. 1 Satz 1 AO sind (u.a.) Betriebsausgaben, Werbungskosten und andere Ausgaben steuerlich regelmäßig nicht zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige dem Verlangen der Finanzbehörde nicht nachkommt, die Empfänger genau zu benennen.

Das nach dieser Vorschrift vom FA auszuübende Ermessen vollzieht sich nach ständiger Rechtsprechung des BFH (zuletzt etwa BFH-Urteil vom 11. Juli 2013 IV R 27/09, BFHE 242, 1, BStBl II 2013, 989) auf zwei Stufen.

a. Auf der ersten Stufe entscheidet das FA nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 5 AO), ob es das Benennungsverlangen an den Steuerpflichtigen richten soll. Ein Benennungsverlangen als erste Stufe der Ermessensausübung ist grundsätzlich rechtmäßig, wenn aufgrund der Lebenserfahrung die Vermutung naheliegt, dass der Empfänger einer Zahlung den Bezug zu Unrecht nicht versteuert hat (BFH-Urteil vom 10. März 1999 XI R 10/98, BFHE 188, 280, BStBl II 1999, 434, m.w.N.).

b. Auf der zweiten Stufe trifft das FA eine Ermessensentscheidung darüber, ob und inwieweit es die in § 160 Abs. 1 Satz 1 AO genannten Ausgaben, bei denen der Empfänger nicht genau benannt ist, zum Abzug zulässt. Kommt ein Steuerpflichtiger einem (rechtmäßigen) Benennungsverlangen nicht nach, ist jedoch der Abzug der Ausgaben gemäß § 160 Abs. 1 Satz 1 AO "regelmäßig" zu versagen. Deshalb kann von der Rechtsfolge des § 160 AO nur ausnahmsweise abgesehen werden bzw. die Versagung des Abzugs nur im Ausnahmefall gleichwohl ermessensfehlerhaft sein (vgl. dazu z.B. BFH-Urteile vom 13. März 1985 I R 7/81, BFHE 145, 502, BStBl II 1986, 318; in BFHE 188, 280, BStBl II 1999, 434 [BFH 10.03.1999 - XI R 10/98]; vom 4. April 1996 IV R 55/94, BFH/NV 1996, 801).

c. Diese Ermessensentscheidungen sind unselbständige Bestandteile der Verfahren der gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen (wie hier die Gewinnfeststellung 2002) und können nur mit Rechtsbehelfen gegen die betreffenden Bescheide angegriffen werden (z.B. BFH-Urteile vom 30. August 1995 I R 126/94, BFH/NV 1996, 267, m.w.N.; vom 12. September 1985 VIII R 371/83, BFHE 146, 99, BStBl II 1986, 537). Das Benennungsverlangen steht in besonderem Maße unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit (z.B. BFH-Urteile in BFH/NV 1996, 267, und in BFHE 188, 280, BStBl II 1999, 434 [BFH 10.03.1999 - XI R 10/98]; BFH-Beschluss vom 25. August 1986 IV B 76/86, BFHE 149, 381, BStBl II 1987, 481, jeweils m.w.N.). Deshalb dürfen das Verlangen nicht unverhältnismäßig sein und die für den Steuerpflichtigen zu befürchtenden Nachteile (z.B. wirtschaftliche Existenzgefährdung) nicht außer Verhältnis zum beabsichtigten Aufklärungserfolg (z.B. geringfügige Steuernachholung bei den Empfängern) stehen. Die Entscheidung über die Zumutbarkeit des Benennungsverlangens hängt jedoch von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Das Verlangen darf auch dann gestellt werden, wenn der Steuerpflichtige den Empfänger nicht bezeichnen kann, weil ihm bei Auszahlung des Geldes dessen Name und Anschrift unbekannt waren. Dies gilt umso mehr für Auslandssachverhalte, in denen der Steuerpflichtige nach § 90 Abs. 2 AO in erhöhtem Maße zur Erbringung von Nachweisen und zur Beschaffung und Vorlage von Beweismitteln verpflichtet ist (z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 1996, 267, m.w.N.). Vor allem bei Domizilgesellschaften besteht für den Steuerpflichtigen ein hinreichender Anlass, sich bei Aufnahme der Geschäftsbeziehungen über den Vertragspartner oder bei Zahlung der Gelder über den wahren Zahlungsempfänger zu erkundigen (z.B. BFH-Beschluss vom 5. November 2001 VIII B 16/01, BFH/NV 2002, 312, m.w.N.). Aus § 90 Abs. 2 AO ergibt sich, dass bei Sachverhalten mit Auslandsberührung die Informationsbeschaffung Sache des Steuerpflichtigen ist, der die Verhältnisse gestaltet (vgl. BFH-Urteil in BFHE 145, 502, BStBl II 1986, 318 [BFH 13.03.1985 - I R 7/81]).

d. Empfänger der in § 160 Abs. 1 Satz 1 AO bezeichneten Ausgaben ist derjenige, dem der in der (Betriebs-)Ausgabe enthaltene wirtschaftliche Wert übertragen worden ist (vgl. hierzu und zum Folgenden z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 1996, 267 [BFH 30.08.1995 - I R 126/94]; BFH-Beschlüsse vom 24. April 2009 IV B 104/07, BFH/NV 2009, 1398, und vom 17. November 2010 I B 143/10, BFH/NV 2011, 198, jeweils m.w.N.). Ist eine natürliche oder juristische Person, die die Zahlungen des Steuerpflichtigen entgegengenommen hat, lediglich zwischengeschaltet, weil sie entweder mangels eigener wirtschaftlicher Betätigung die vertraglich bedungenen Leistungen gar nicht erbringen konnte oder weil sie aus anderen Gründen die ihr erteilten Aufträge und die empfangenen Gelder an Dritte weitergeleitet hat, so ist sie nicht Empfänger i.S. des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO; die hinter ihr stehenden Personen, an die die Gelder letztlich gelangt sind, sind in einem solchen Fall zu benennen. Dies folgt aus dem Sinn der Vorschrift, mögliche Steuerausfälle zu verhindern, die dadurch eintreten können, dass der Empfänger geltend gemachter (Betriebs-)Ausgaben die Einnahmen bei sich nicht steuererhöhend erfasst. Empfänger kann mithin nur derjenige sein, bei dem sich die Geldzahlung - wenn auch neben anderen Personen - steuerrechtlich auswirkt. Insoweit reicht es auch nicht aus, dass die in das Leistungsverhältnis zwischengeschaltete Domizilgesellschaft benannt wird; eine Domizilgesellschaft kann selbst niemals wirtschaftlicher Empfänger der Zahlungen sein (vgl. hierzu und zum Folgenden z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 312 [BFH 05.11.2001 - VIII B 16/01], m.w.N.). Es genügt auch nicht, dass die Anteilseigner einer Domizilgesellschaft oder die in deren Namen auftretenden Personen benannt werden; zu benennen sind die Auftragnehmer der Domizilgesellschaft, die die vertraglich ausbedungenen Leistungen ausführen und deshalb die hierfür geschuldete Gegenleistung beanspruchen können. Auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Steuerpflichtige - bei Sachverhalten mit Auslandsberührung in besonderem Maße (§ 90 Abs. 2 AO) - verpflichtet ist, von sich aus die erforderlichen Nachforschungen über diese Auftragnehmer und weitere Zahlungsempfänger anzustellen. Benannt ist ein Empfänger, wenn er (nach Namen und Adresse) ohne Schwierigkeiten und eigene Ermittlungen der Finanzbehörde bestimmt und ermittelt werden kann (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 1. April 2003 I R 28/02, BFHE 202, 196, BStBl II 2007, 855; BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 1398, jeweils m.w.N.). Bei ausländischen Domizilgesellschaften ist der Zweck des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO erst erreicht, wenn sichergestellt ist, dass der wirkliche Empfänger der Zahlungen entweder im Inland nicht steuerpflichtig ist oder im Inland seine steuerlichen Pflichten erfüllt hat (z.B. BFH-Urteil vom 15. Oktober 1998 IV R 8/98, BFHE 187, 201, BStBl II 1999, 333, m.w.N.). Gleiches gilt bei Zahlungen an eine ausländische Gesellschaft, die selbst nicht in nennenswertem Umfang wirtschaftlich tätig ist (ausländische Basisgesellschaft, vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 202, 196, BStBl II 2007, 855, m.w.N.). Auch dann muss der wirkliche Empfänger der Zahlungen benannt sein und die Finanzbehörde überprüfen können, ob dieser seine steuerlichen Pflichten im Inland entweder erfüllt hat oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Inland nicht steuerpflichtig ist (z.B. BFH-Urteil in BFHE 202, 196, BStBl II 2007, 855; BFH-Beschluss in BFH/NV 2011, 198). Die Behörde ihrerseits ist zwar berechtigt (§ 160 Abs. 1 Satz 2 AO), nicht aber verpflichtet, aufzuklären, wer wirklich hinter der Basisgesellschaft steht (BFH-Urteil in BFHE 202, 196, BStBl II 2007, 855).

e. Die Aufforderung, den Zahlungsempfänger zu benennen und bei unterlassener Empfängerbenennung den Betriebsausgabenabzug zu versagen, ist auch dann rechtmäßig, wenn die geltend gemachten Betriebsausgaben dem Steuerpflichtigen mit Sicherheit entstanden sind (BFH-Urteile vom 9. August 1989 I R 66/86, BFHE 158, 7, BStBl II 1989, 995, und vom 24. Juni 1997 VIII R 9/96, BFHE 183, 358, BStBl II 1998, 51; BFH-Beschluss vom 10. Dezember 2009 X B 172/08, BFH/NV 2010, 596).

2. Eine Anwendung der Vorschrift des § 160 AO und damit der vorstehenden Rechtsprechungsgrundsätze scheidet jedoch aus, wenn ein Leistungsempfänger von Bauleistungen seiner Verpflichtung aus § 48 Abs. 1 EStG nachkommt, von der Gegenleistung einen Steuerabzug in Höhe von 15 v.H. für Rechnung des Leistenden vornimmt (sog. Bauabzugssteuer), diesen Steuerabzugsbetrag angemeldet und an das zuständige FA abgeführt hat (§ 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG).

Kommt der Leistungsempfänger seiner Anmeldungs- und Abführungspflicht nach, ist ihm (naturgemäß, wie sonst auch, allerdings nur nach Maßgabe der allgemeinen Voraussetzungen der § 4 Abs. 4 EStG, § 42 AO) der uneingeschränkte Betriebsausgabenabzug der getätigten Aufwendungen gewiss, auch dann, wenn er den "wahren" Zahlungsempfänger nicht in der von § 160 Abs. 1 Satz 1 AO geforderten Weise namhaft macht oder machen kann (vgl. Gosch in: Kirchhof, EStG-Kommentar, 14. Auflage 2015, § 48 Rz. 15). § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG schließt die Anwendung des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO aus und bestimmt damit den Vorrang des Steuerabzugs vor der in § 160 AO zum Ausdruck kommenden Gefährdungshaftung. Gelingt der Nachweis des betrieblichen Bezugs der Zahlungen, gehen Ungenauigkeiten und Fehler bei der Benennung der Gläubiger zu Lasten des Finanzamts (vgl. Kaeser in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum EStG, § 48 Rz. E 6). § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG soll dabei sogar dann anwendbar sein, wenn die Anmeldung des Einbehalts zwar nicht vollständig ist, letztlich aber erfolgt ist und die Bauabzugssteuer an den deutschen Fiskus gezahlt wurde (vgl. Fuhrmann in: Korn, EStG-Kommentar, § 48 Rz. 48).

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die E im Hinblick auf die streitbefangenen Zahlungen an britische Subunternehmer in 2002 den nach § 48 Abs. 1 EStG erforderlichen Steuerabzug vorgenommen und an die zuständige Finanzbehörde abgeführt hat. Ferner herrscht zwischen ihnen auch kein Streit darüber, dass es sich bei den in steuerrechtlicher Hinsicht umstrittenen Zahlungen um solche für gegenüber der E konkret erbrachte Bauleistungen und nicht beispielsweise um Gelder anlässlich der Überlassung von Arbeitnehmern handelte.

Streitig ist danach allein, ob der Ausschlusstatbestand des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG - wie vom Beklagten bezweifelt - auch auf inaktive Firmen wie Domizilgesellschaften oder Briefkastenfirmen anwendbar ist.

Soweit ersichtlich hat sich die Finanzrechtsprechung mit dieser Rechtsfrage bislang nicht befassen müssen. In der hierzu veröffentlichten steuerrechtlichen Literatur wird die Frage der Anwendbarkeit des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG auf Domizil- und Briefkastengesellschaften unterschiedlich beurteilt.

a. Die überwiegende Meinung in der steuerrechtlichen Literatur geht davon aus, dass § 160 AO bei Anmeldung und Abführung der Bauabzugssteuer grundsätzlich nicht anzuwenden ist mit der Folge, dass der vollständige Betriebsausgabenabzug erhalten bleibt. Der volle Betriebsausgabenabzug sei danach gemäß § 48 Abs. 1 Satz 4 EStG auch in den Fällen sichergestellt, in denen jemand über eine Leistung abrechne, ohne sie erbracht zu haben. Damit seien auch Zahlungen an etwaige Domizilgesellschaften und Scheinfirmen als Betriebsausgaben abziehbar, wenn der Steuerabzug angemeldet und abgeführt werde (vgl. etwa Apitz in: Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 48 EStG Anm. 22; ders., FR 2002, 10, 20; Ebling in: Blümich, Kommentar zu EStG, KStG, GewStG und Nebengesetzen, § 48 EStG Rz. 205 ff.; Seer in: Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO, § 160 AO Rz. 10; Cöster in: Pahlke/Koenig, Kommentar zur AO, 3. Auflage 2014, § 160 Rz. 13; Rüsken in: Klein, Kommentar zur AO, 12. Auflage 2014, Rdnr. 1a zu § 160; Weiland in: Frotscher, Kommentar zum EStG, § 48 Rz. 48; Bartone in: Korn, EStG-Kommentar, § 4 Rz. 718.1: § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG lex specialis zu § 160 AO; Fuhrmann in: Korn, EStG-Kommentar, § 48 Rz. 48); Gehm, Die steuerliche Betriebsprüfung 2015, 283, 284).

b. Teile der steuerrechtlichen Literatur haben dagegen - zum Teil verfassungsrechtliche - Bedenken gegen die Auffassung geäußert, dass über § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG auch Zahlungen an inaktive Firmen wie Domizil-, Briefkasten- oder Scheinfirmen als Betriebsausgaben abzugsfähig sind (vgl. Loschelder in: Schmidt, Kommentar zum EStG, 34. Auflage 2015, Rz. 7, 30; Kaeser in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum EStG, § 48 Rz. E 7 betr. Beschränkung des Umfangs der Ausschlusswirkung: "Nur insofern, als der staatliche Steueranspruch durch den Steuerabzug nach § 48 EStG gesichert ist"; Gosch in: Kirchhof, EStG-Kommentar, 14. Auflage 2015, § 48 Rz. 4, 15; ders., Die steuerliche Betriebsprüfung 2001, 332, 334).

Der Anwendungsausschluss des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO erweise sich als recht großzügig, berücksichtige man, dass der BFH (Urteil vom 10. November 1998 I R 108/97, BStBl II 1999, 121) im Rahmen des § 160 AO einen weiten wirtschaftlichen Empfängerbegriff vertrete und nicht nur auf die Domizilgesellschaften als Auftragnehmer, sondern (auch) auf die von dieser mangels eigenen fach- und branchenkundigen Personals eingeschalteten Subunternehmer zurückgreife. Indem § 48 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. Abs. 4 Nr. 1 EStG sich mit dem formal Abrechnenden als Leistenden begnüge, werde diese Rechtsprechung unterlaufen (Gosch in: Kirchhof, EStG-Kommentar, 14. Auflage 2015, § 48 Rz. 15).

Indem der Steuerabzug gemäß § 48 Abs. 4 EStG an die Stelle der andernfalls bestehenden gesetzlichen Wege zur Sicherstellung des Steueranspruchs (das Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzugsverbot gemäß § 160 Abs. 1 Satz 1 AO, die Entleiherhaftung gemäß § 42d Abs. 6 und 8 EStG, den Steuerabzug auf Anordnung gemäß § 50a Abs. 7 EStG) trete, komme dem Steuerabzug dadurch in weiten Bereichen Abgeltungswirkung zu; der Fiskus gebe sich gewissermaßen mit dem der Höhe nach typisierten Steuerabzug von 15 v.H. des Brutto-Entgelts zufrieden. Das wiederum sei indes - umgekehrt - aus gleichheitsrechtlicher Sicht gegenüber Steuerpflichtigen außerhalb des Baugewerbes nicht unproblematisch (Gosch in: Kirchhof, EStG-Kommentar, 14. Auflage 2015, § 48 Rz. 4).

Problematisch sei die Gewährung des Betriebsausgabenabzugs auch, wenn der Leistungsempfänger § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG gewissermaßen "instrumentalisiere" und sich den Abzug entgegen § 160 AO im Zusammenwirken mit einer formal als Subunternehmer eingeschalteten Domizilgesellschaft in rechtsmissbräuchlicher Weise erschleiche (Gosch in: Kirchhof, EStG-Kommentar, 14. Auflage 2015, § 48 Rz. 15).

Teilweise wird auch angedeutet, dass der weitgefasste Wortlaut der §§ 48 Abs. 1 Satz 4, Abs. 4 Nr. 1 EStG, der auch Domizil- und Briefkastenfirmen, die im Ausland residierten und im Inland nur scheinbar zu Werke gingen und als solche wegen § 42 AO aus der steuerlichen Leistungskette an sich anzublenden wären, einbeziehe, mit dem Willen des Gesetzgebers nicht im Einklang stünde (so Gosch, Die steuerliche Betriebsprüfung 2001, 332, 334).

3. Nach Überzeugung des erkennenden Senats ist entgegen der Auffassung des Beklagten die Anwendung des § 160 AO vorliegend ausgeschlossen, da die Voraussetzungen des Ausschlusstatbestandes des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG erfüllt sind.

Selbst wenn es sich - wie der Beklagte behauptet - bei den britischen Subunternehmern um inaktive Domizilgesellschaften (vgl. zu den Anforderungen etwa Gehm, Die steuerliche Betriebsprüfung 2015, 283, insbes. 287; FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. Februar 2011 2 V 1263/10, PStR 2012, 7) handeln sollte, gilt der Ausschlusstatbestand des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG auch für an diese geleistete Zahlungen mit der Folge, dass der Betriebsausgabenabzug für diese betrieblich veranlassten Aufwendungen erhalten bleibt.

a. Zunächst ist dieses Auslegungsergebnis vom klaren Wortlaut des § 48 Abs. 1 Satz 4, Abs. 4 Nr. 1 EStG gedeckt; einen Aktivitätsvorbehalt enthält das Gesetz nicht. § 48 EStG bestimmt im Ergebnis also den zivilrechtlichen Vertragspartner zum Leistenden und nicht den wirtschaftlich tatsächlich Leistenden. Hierunter fallen neben Inkassostellen oder Generalunternehmer, die die Bauleistungen nur koordinieren, auch Domizil- und Briefkastenfirmen (zustimmend Gosch, Die steuerliche Betriebsprüfung 2001, 332, 334).

b. Diese Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift, soweit dieser sich aus den Gesetzesmaterialien entnehmen lässt.

§§ 48-48d EStG enthalten die sog. Bauabzugsverpflichtungen. Die Vorschriften, die durch das Gesetz zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe vom 30. August 2001 in das EStG eingefügt (und bereits durch das StÄndG 2001 partiell wieder geändert und ergänzt) wurden, zielen darauf ab, deutsche Baustellen von illegaler Beschäftigung ("Schwarzarbeit") und Dumpinglöhnen im Baugewerbe zu befreien und dadurch zugleich Wettbewerbsverzerrungen sowie Störungen des Sozialversicherungssystems zu begegnen.

Zu diesem Zweck war bereits durch das StEntlG 1999 ff. in § 50a Abs. 7 EStG aF ein Steuerabzugsverfahren für Vergütungen an ausländische Werkvertragsunternehmer eingeführt worden, das aber nach Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die EG-Kommission wegen unionsrechtlich Diskriminierungen mit dem StBereinG 1999 rückwirkend von Beginn an wieder aufgehoben wurde. Stattdessen werden nunmehr mit vergleichbarer Zielrichtung und zum Zwecke der Sicherung der durch die Bauleistungen ausgelösten Steuerforderungen sowohl die Auftraggeber als auch die im Baugewerbe Tätigen einem technisch, zeit- und verwaltungsaufwendigen und höchst komplexen Verfahren (Abzugs-, Anmeldungs-, Abführungspflichten, Freistellungs-, Anrechnungs-, Erstattungsverfahren) unterworfen (vgl. hierzu Gosch in: Kirchhof, EStG-Kommentar, 14. Auflage 2015, § 48 Rz. 1).

Zweckentsprechend hat der Gesetzgeber Anbieter von Bauleistungen unabhängig von ihrer Ansässigkeit im In- oder Ausland in den Anwendungsbereich der §§ 48 bis 48d EStG einbezogen, was durch die Formulierung "jemand" in § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG hinreichenden Ausdruck erfahren hat (vgl. FG Düsseldorf, Beschluss vom 4. März 2002 10 V 1007/02 AE (E), EFG 2002, 688; Schwenke, BB 2001, 1553).

Dass die Einbeziehung gerade auch von Domizilgesellschaften in den Anwendungsbereich der §§ 48 ff. EStG dem Zweck der Vorschriften entspricht, kann nicht zweifelhaft sein. Denn gerade bei solchen inaktiven Gesellschaften besteht die größte Gefahr von Steuerausfällen, denen entgegengewirkt werden sollte (vgl. Schwenke, BB 2001, 1553).

Durch Einführung eines Steuerabzugs an der Quelle wird nach den Gesetzesmaterialien dem Sicherungsbedürfnis des Fiskus entsprochen und so der Steuerhinterziehung durch beauftragte Nachunternehmen und Werkvertragsarbeitnehmer entgegengewirkt (BT-Drucks. 14/4658 vom 16. November 2000, S. 2). Als Pendant gewährt der Gesetzgeber Vertrauensschutz hinsichtlich des Betriebsausgabenabzugs für den inländischen Auftraggeber, ohne Rücksicht darauf, ob es sich um ein inländisches oder ausländisches, ein aktiver oder ein inaktives Unternehmen handelt. Auch die Privilegierung ausnahmslos aller Leistungsempfänger, die ihrer Verpflichtung zum Steuerabzug in Höhe von 15 v.H. nachkommen, entspricht dem Sinn und Zweck der Regelung des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG und dem Willen des Gesetzgebers. Es soll dadurch steuerlich Rechtssicherheit gewährt und der Betriebsausgabenabzug insoweit gewährleistet werden (BT-Drucks. 14/4658 vom 16. November 2000, S. 11). Dem Zweck, Rechtssicherheit zu gewähren und den inländischen Auftraggeber aus der Gefährdungshaftung zu entlassen, kann nur entsprochen werden, wenn auch inaktive Domizil- und Briefkastengesellschaften insoweit einbezogen werden.

Ein Beschränkung des Leistenden i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 4 EStG lediglich auf Inkassofirmen oder General-/Bauträgerunternehmen kann jedenfalls den Gesetzesmaterialien nicht entnommen werden.

c. Im Ergebnis kommt eine Auslegung gegen den klaren Wortlaut - zumal zum Nachteil des Steuerpflichtigen - nicht in Betracht, da die vorgebrachten Bedenken sich weder in den Gesetzesmaterialien wiederspiegeln, noch Eingang in den Gesetztext gefunden haben (vgl. zu den Voraussetzungen der Gesetzesauslegung gegen die eindeutigen Wortlaut: BFH-Urteil vom 20. März 2014 VI R 29/13, BStBl II 2014, 849 [BFH 18.07.2013 - III R 59/11]).

Es kann dahinstehen, ob der Gesetzgeber möglicherweise mit dem Ausschlusstatbestand des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG eine zu "großzügige" Regelung geschaffen hat und ggf. über das Ziel hinausgeschossen ist. Es ist allerdings nicht Aufgabe der Steuergerichte, etwaiger nicht bedachte Folgen einer gesetzlichen Regelung im Wege der Gesetzesauslegung zu korrigieren. Dies ist alleine Aufgabe des Gesetzgebers.

d. Auch aus verfassungsrechtlicher Sicht ist weder eine andere (verfassungskonforme) Auslegung im Sinne des Beklagten - zumal zu Lasten des Steuerpflichtigen - geboten noch teilt der Senat die vorgebrachten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG.

Nach Überzeugung des Senats ist insbesondere kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG festzustellen.

aa. Dieser gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Januar 2005 2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164 m.w.N.; Leibholz/Rinck, GG, Art. 3 Rn. 21). Er gilt für ungleiche Belastungen ebenso wie für ungleiche Begünstigungen. Verboten ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen aber vorenthalten wird (BVerfG, Beschluss vom 11. Januar 2005, a.a.O.).

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt. Weiterhin ist der allgemeine Gleichheitssatz dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Dafür kommt es wesentlich auch darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann. Nähere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall der allgemeine Gleichheitssatz durch den Gesetzgeber verletzt ist, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche präzisieren (vgl. insgesamt BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 2004 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412).

bb. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze ist ein verfassungswidriger Begünstigungsausschluss nicht anzunehmen, denn die Beschränkung der §§ 48-48d EStG - darunter auch der Ausschluss des § 160 AO über § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG - auf Bauleistungsempfänger ist sachlich gerechtfertigt.

Nach den Erfahrungen mit der durch das StEntlG 1999 ff. eingeführten Vorgängerregelung des § 50a Abs. 7 EStG aF, die ein Steuerabzugsverfahren für Vergütungen an ausländische Werkvertragsunternehmer vorsah, konnte der Gesetzgeber davon ausgehen, dass die Gefährdung des Steueranspruchs gegenüber unseriösen (ausländischen) Werkvertragsunternehmen in mehr als 80 v.H. der erfassten Fälle durch Unternehmen der Baubranche erfolgte. Der Senat erachtet es daher als sachgerecht, wenn der Gesetzgeber durch die Beschränkung auf das Baugewerbe "die Zielgenauigkeit der Regelung erhöhen und den Vorgaben der EU-Kommission" entsprechen wollte (so BT-Drucks. 14/4658 vom 16. November 2000, S. 9). Überdies ist zu berücksichtigen, dass ja nur diejenigen Bauleistungsempfänger in den Genuss des vollen Betriebsausgabenabzugs kommen und damit aus der Gefährdungshaftung entlassen werden, die ihren gesetzlich auferlegten Verpflichtungen, die letztlich zur Sicherung des Steueraufkommens dienen, nachkommen. Quasi als Gegenleistung für ihre Mitwirkung am Besteuerungsverfahren des Dritten wird die Rechtssicherheit beim Betriebsausgabenabzug über den Ausschluss des § 160 AO gewährt. Empfänger von sonstigen Leistungen werden dagegen nicht mit derartigen gesetzlichen Anmelde- und Abzugsverpflichtungen belastet. Das rechtfertigt eine unterschiedliche Behandlung bei der Anwendung des § 160 AO.

e. Umstände dafür, dass E als Leistungsempfänger § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG "instrumentalisiert" und sich den Abzug entgegen § 160 AO im Zusammenwirken mit einer formal als Subunternehmer eingeschalteten Domizilgesellschaft in rechtsmissbräuchlicher Weise erschlichen hat (so die grundsätzlichen Bedenken von Gosch in: Kirchhof, EStG-Kommentar, 14. Auflage 2015, § 48 Rz. 15), sind weder vom Beklagten vorgetragen worden noch sonst aus den Akten ersichtlich.

Eine Anwendung des § 42 AO scheidet daher aus. Auf die hier streitige Frage der Gesetzesauslegung hätte dies ohnehin keine Auswirkung.

Nach alledem hatte die Klage Erfolg.

Die Berechnung der hiernach festzustellenden Besteuerungsgrundlagen wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO - insbesondere im Hinblick auf die anteilig vorzunehmende Kürzung der Gewerbesteuerrückstellung - dem Beklagten aufgegeben.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

4. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechts geboten (§§ 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FGO).