Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.02.2020, Az.: 9 K 104/19

Ansatz eines Privatanteils für einen im Anlagevermögen befindlichen Pkw i.R.d. Festsetzung von Einkünften aus Gewerbebetrieb

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
19.02.2020
Aktenzeichen
9 K 104/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 63907
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2020:0219.9K104.19.00

Tatbestand

1

Streitig ist der Ansatz eines Privatanteils für einen im Anlagevermögen befindlichen Pkw der Marke Fiat Doblo Easy 2.0 16V Multijet.

2

Die Klägerin betreibt seit 2005 ein Unternehmen im Bereich des Recyclings von Straßenbauabfällen, der Ausübung von Erd- und Tiefbauarbeiten, der Förderung von Kies und Sand, sowie der Herstellung von Mörtel und der Verkauf dieser und anderer Baustoffe jeglicher Art in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG.

3

Alleiniger Kommanditist ist Herr X, Komplementärin ohne Vermögensbeteiligung ist die Y Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft mbH.

4

Herr X ist nach Aktenlage und den eigenen Angaben alleinstehend. Er wohnte im Streitjahr in S., M. Str. 10, in unmittelbar Nähe zum Betrieb der Klägerin. Im Streitjahr stand ihm ein Mercedes Benz C 280 T (Erstzulassung: 29. Juli 1997; Erwerb 9. Juni 2004 mit einer Laufleistung von 66.000 km) zur alleinigen Nutzung zur Verfügung.

5

Im Rahmen der vorstehend aufgeführten Tätigkeiten betreibt die Klägerin eine Recyclinganlage für Straßenbauabfälle auf einem Grundstück in .... Bei der Recyclinganlage handelt es sich um eine Brecher-​Anlage, in der angelieferte Straßenbauabfälle soweit gebrochen werden, dass daraus erneut Baustellenmaterial gewonnen wird. Des Weiteren unterhält die Klägerin mehrere Grundstücke im Sonderbetriebsvermögen bzw. gepachtet zur Kiesausbeute.

6

Im Anlagevermögen der Klägerin befand sich im Streitjahr 2013 ein Pkw der Marke Fiat Doblo Easy 2.0 16V Multijet (Kastenwagen). Dabei handelt es sich um einen Kompakt-​Van, der mit fünf Sitzen ausgestattet ist. Das Fahrzeug besaß im Streitjahr keine Verblendung der hinteren Fenster, keine festen Ein- und Umbauten sowie keinerlei Werbe- bzw. Firmenaufschriften. Das Fahrzeug wurde am 26. September 2012 angeschafft (Erstzulassung: 30. Januar 2012, Kilometerstand bei Erwerb: 100). Für dieses Fahrzeug führte die Klägerin bzw. deren einziger Kommanditist kein Fahrtenbuch. Ein privater Nutzungsanteil wurde nicht erklärt. Nach eigenen Angaben der Klägerin wurde der Pkw von dem einzigen Kommanditisten X für allgemeine Fahrten, insbesondere für Fahrten zu den Betriebsstätten der Klägerin genutzt.

7

Im Rahmen einer für die Jahre 2012 bis 2014 durchgeführten Betriebsprüfung bei der Klägerin kam der Betriebsprüfer zu dem Ergebnis, dass eine private Nutzung wegen fehlender Fahrtenbücher nicht ausgeschlossen werden könne. Die 1 %-​Regelung sei zwingend anzuwenden. Entsprechend den Ausführungen im Betriebsprüfungsbericht vom 9. November 2016 erließ der Beklagte für das Streitjahr einen entsprechend geänderten Bescheid für 2013 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen. Für die private Pkw-​Nutzung wurde dabei ein Privatanteil i. H. v. 2.220 € (1 % von 18.500 € x 12) angesetzt. Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg. In der Einspruchsentscheidung wurde wegen eines erhöhten Bruttolistenpreises diese Nutzung auf 2.724 € festgesetzt. Zur Begründung stellte das Finanzamt darauf ab, dass der für eine Privatnutzung sprechende Anscheinsbeweis durch die Tatsache des Vorhandenseins des Mercedes Benz C 280 T im Privatvermögen nicht erschüttert sei, denn dieses Fahrzeug sei weder in Bezug auf den Gebrauchswert noch im Hinblick auf den Status vergleichbar. Zur Begründung dieser Wertung zählte der Beklagte die einzelnen Ausstattungsmerkmale des Fiat Doblo Easy 2.0 16V Multijet auf und stellte auf das variablere Sitzkonzept und das größere Kofferraumvolumen ab. Zudem verwies der Beklagte auf das Alter und die hohe Laufleistung des Mercedes sowie auf eine veraltete Technologie und einen geringeren Sicherheitsstandard gegenüber dem neuen Fiat Doblo Easy 2.0 16V Multijet hin. Gegen eine Vergleichbarkeit sprächen auch der deutlich niedrigere Kaufpreis und einen daraus resultierenden niedrigeren Wiederbeschaffungswert gegen eine Vergleichbarkeit der Fahrzeuge. Da die Fahrzeuge im Ergebnis nicht evident gleichwertig seien, sei der Anscheinsbeweis im Streitfall nicht entkräftet. Bezüglich der Einzelheiten wird auf den Einspruchsbescheid vom 12. März 2019 Bezug genommen.

8

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der die Klägerin ihr Begehren aus dem Einspruchsverfahren weiterverfolgt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen Folgendes vor: Ein Ansatz eines Privatanteils komme im Streitfall nicht in Betracht, da der Pkw Fiat Doblo ausschließlich betrieblich genutzt werde. Der Pkw sei einzig von dem Kommanditisten X und ausschließlich für betriebliche Zwecke genutzt worden. Der Kommanditist sei alleinstehend und habe keine Kinder. Für Privatfahrten stünde dem Kommanditisten ein Privatfahrzeug der Marke Mercedes Benz, Typ C 280 T zur alleinigen Verfügung. Eine private Nutzung des Fiat Doblo habe nicht stattgefunden. Bei dem Fiat Doblo handele es sich um einen Kastenwagen, der insbesondere bei Handwerksbetrieben als Firmenfahrzeug sehr verbreitet sei. Diesbezüglich sei er von der Klägerin auch überwiegend für die Fahrten zwischen dem Firmensitz in M und den einzelnen Kiesausbeutestätten genutzt worden. Im Kofferraum des Fahrzeugs sei ständig eine große Werkzeugkiste untergebracht, für deren Verstauung grundsätzlich ein Teil der Rücksitzbank umgeklappt werden müsse. Bei den Fahrten am Morgen und am Abend sei neben dem Kommanditisten der Klägerin immer ein Mitarbeiter mit im Fahrzeug. Bereits aus diesen Gründen sei auf diesen Fahrten eine Nutzung für private Zwecke ausgeschlossen. Dies spreche bereits gegen den ersten Anschein einer privaten Nutzung des Firmenfahrzeugs. Des Weiteren stehe dem Kommanditisten für private Zwecke ein privates Fahrzeug zur Verfügung, das gegenüber dem Firmenfahrzeug aus Sicht der Klägerin als höherwertig anzusehen sei. Zu Unrecht habe der Beklagte den Ansatz der 1 %-​Regelung ausschließlich damit begründet, dass der private Mercedes Benz mit dem betrieblichen Fiat Doblo nicht evident gleichwertig wäre in Bezug auf Status und Gebrauchswert. Auf keinen Fall könne der private Mercedes Benz C 280 T aufgrund des Alters und der Laufleistung als minderwertig eingestuft werden. Die Klägerin verweist darauf, dass der Mercedes Benz über eine wesentliche bessere Ausstattung verfüge und der Kaufpreis im Jahr 1997 89.395,25 DM (= 45.707,07 €) betragen habe. Bezüglich der weiteren Ausführungen wird auf den Schriftsatz vom 17. Juni 2019 Bezug genommen.

9

Die Klägerin beantragt,

10

den Bescheid für 2013 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. März 2019 abzuändern und die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 20.168,73 € herabzusetzen.

11

Der Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Zur Begründung verweist der Beklagte auf seinen Einspruchsbescheid vom 12. März 2019.

14

Noch im laufenden Klageverfahren hat der Beklagte den streitgegenständlichen Gewinn mit Bescheid vom 20. August 2019 auf 40.892,73 € festgestellt. Dieser Bescheid ist zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden.

Entscheidungsgründe

15

1. Die Klage ist begründet.

16

Der Bescheid für 2013 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen vom 4. Juni 2015, in der Fassung des geänderten Bescheides am 25. November 2016, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. März 2019, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-​).

17

Zunächst hat die Klägerin bei ihrem Klageantrag versehentlich unberücksichtigt gelassen, dass der Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid in Fassung der Einspruchsentscheidung vom 12. März 2019 im Klageverfahren mit Bescheid vom 20. August 2019 erneut geändert und den festgestellten Gewinn für das Streitjahr 2013 von 22.892,73 € auf 40.892,73 € erhöht hat. Das Gericht legt daher den Klageantrag so aus, dass mit der Klage die Minderung dieses zuletzt festgestellten Gewinns um den Betrag des Privatnutzungsanteils von 2.724 € begehrt wird (mithin ein festzustellender Gewinn von 38.168,73 €).

18

Zu Unrecht hat der Beklagte einen Privatanteil für die unterstellte Privatnutzung des im Betriebsvermögen der Klägerin befindlichen Fiat Doblo Easy 2.0 16V Multijet in Höhe von 2.724 € angesetzt (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG).

19

a. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist die private Nutzung eines Kfz, das zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird, für jeden Kalendermonat mit 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG kann die Privatnutzung abweichend von Satz 2 mit den auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen angesetzt werden, wenn die für das Kfz insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden.

20

Die Bewertungsregel des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG für den Ansatz der Privatnutzung eines Kfz kommt nach der Rechtsprechung nicht zum Tragen, wenn eine private Nutzung nicht stattgefunden hat (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. Dezember 2012 VIII R 42/09, Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BFH - BFHE - 239, 443, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2013, 365; vom 19. Mai 2009 VIII R 60/06, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2009, 1974). Das Finanzgericht muss sich deshalb grundsätzlich die volle Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) davon bilden, dass eine private Nutzung tatsächlich stattgefunden hat, wenn es § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG anwenden will (BFH-​Urteil vom 4. Dezember 2012 VIII R 42/09, BFHE 239, 443, BStBl II 2013, 365).

21

Nach allgemeiner Lebenserfahrung werden dienstliche oder betriebliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, jedoch auch tatsächlich privat genutzt. Dafür spricht der Beweis des ersten Anscheins (BFH-​Urteil vom 4. Dezember 2012 VIII R 42/09, BFHE 239, 443, BStBl II 2013, 365; BFH-​Beschluss vom 14. Mai 1999 VI B 258/98, BFH/NV 1999, 1330). Etwas Anderes gilt, wenn es sich um ein Fahrzeug handelt, das typischerweise zum privaten Gebrauch nicht geeignet ist (BFH-​Urteil vom 18. Dezember 2008 VI R 34/07, BFHE 224, 108, BStBl II 2009, 381). Soweit keine besonderen Umstände hinzutreten, ist aufgrund der Anscheinsbeweisregel regelmäßig davon ausgehen, dass eine private Nutzung stattgefunden hat (BFH-​Urteile vom 4. Dezember 2012 VIII R 42/09, BFHE 239, 443, BStBl II 2013, 365; vom 19. Mai 2009 VIII R 60/06, BFH/NV 2009, 1974).

22

Der Beweis des ersten Anscheins kann nach der Rechtsprechung durch den sog. Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Hierzu ist der Vollbeweis des Gegenteils nicht erforderlich. Der Steuerpflichtige muss also nicht beweisen, dass eine private Nutzung des betrieblichen Kfz nicht stattgefunden hat (BFH-​Urteile vom 4. Dezember 2012 VIII R 42/09, BFHE 239, 443, BStBl II 2013, 365; BFH-​Beschluss vom 13. Dezember 2011 VIII B 82/11, BFH/NV 2012, 573). Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass ein Sachverhalt dargelegt (und im Zweifelsfall nachgewiesen) wird, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehens ergibt (BFH-​Urteile vom 4. Dezember 2012 VIII R 42/09, BFHE 239, 443, BStBl II 2013, 365; vom 7. November 2006 VI R 19/05, BFHE 215, 256, BStBl II 2007, 116; BFH-​Beschluss vom 13. Dezember 2011 VIII B 82/11, BFH/NV 2012, 573).

23

Der Anscheinsbeweis wird im Regelfall noch nicht erschüttert, wenn lediglich behauptet wird, für privat veranlasste Fahrten hätten private Fahrzeuge zur Verfügung gestanden (vgl. BFH-​Beschluss vom 13. Dezember 2011 VIII B 82/11, BFH/NV 2012, 573). Auch ein eingeschränktes privates Nutzungsverbot vermag den Anscheinsbeweis regelmäßig nicht zu entkräften. Über die Frage, ob der für eine Privatnutzung sprechende Beweis des ersten Anscheins erschüttert ist, entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (BFH-​Urteil vom 4. Dezember 2012 VIII R 42/09, BFHE 239, 443, BStBl II 2013, 365).

24

Durch die finanzgerichtliche Rechtsprechung sind der Anscheinsbeweis, der für eine private Nutzung spricht, und die Umstände, die zu einer Erschütterung dieses Anscheinsbeweises führen können, präzisiert worden. Hiernach spricht die allgemeine Lebenserfahrung auch dann für eine private Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs, wenn dem Steuerpflichtigen zwar für private Fahrten ein Fahrzeug zur Verfügung steht, aber dieses Fahrzeug dem betrieblichen Fahrzeug in Status und Gebrauchswert nicht vergleichbar ist. Allerdings ist unter diesen Umständen der für eine private Nutzung sprechende Anscheinsbeweis umso leichter zu erschüttern, je geringer die Unterschiede zwischen den Fahrzeugen ausfallen (FG Hamburg, Urteil vom 11. Dezember 2019 2 K 10/19, juris). Denn bei einer Vergleichbarkeit der Fahrzeuge ist keine nachvollziehbare Veranlassung ersichtlich, für private Fahrten das betriebliche Fahrzeug zu nutzen (BFH-​Urteile vom 19. Mai 2009 VIII R 60/06, BFH/NV 2009, 1974; vom 4. Dezember 2012 VIII R 42/09, BFHE 239, 443). Eine Erschütterung des Anscheinsbeweises kommt jedoch insoweit nur dann in Betracht, wenn das in Status und Gebrauchswert vergleichbare Fahrzeug dem Steuerpflichtigen ständig und uneingeschränkt zur Verfügung steht (Niedersächsisches FG, Urteil vom 20. März 2019 9 K 125/18, DStRE 2019, 1191; FG Münster, Urteile vom 11. Mai 2017 13 K 1940/15 E, G, EFG 2017, 1083 und 21. Juni 2017 7 K 3919/14 E, juris, alle rechtskräftig).

25

b. Der für eine Privatnutzung sprechende Beweis des ersten Anscheins ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls und der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung im Streitfall erschüttert.

26

aa. Zwar handelt es sich bei dem fraglichen Fiat Doblo Easy 2.0 16V Multijet nicht bereits aufgrund seiner Beschaffenheit um ein Kraftfahrzeug, auf welches die Grundsätze der privaten Nutzungsentnahme keine Anwendung finden, da ein solches Fahrzeug - soweit zwischen den Beteiligten nun unstreitig - nicht mit einem Lkw, einer Zugmaschine oder einem klassischen Werkstattwagen gleichzusetzen ist.

27

Werkstattwagen sind Fahrzeuge, auf Grund ihrer objektiven Beschaffenheit und Einrichtung typischerweise so gut wie ausschließlich zur Beförderung von Gütern bestimmt sind und allenfalls gelegentlich und ausnahmsweise auch für private Zwecke eingesetzt werden. Insbesondere die Anzahl der Sitzplätze, das äußere Erscheinungsbild, die Verblendung der hinteren Seitenfenster und das Vorhandensein einer Abtrennung zwischen Lade- und Fahrgastraum machen deutlich, dass ein Werkstattwagen für private Zwecke nicht geeignet ist (BFH-​Urteil vom 18. Dezember 2008 VI R 34/07, BStBl II 2009, 381).

28

Letzteres ist insbesondere deshalb nicht anzunehmen, weil das nach der Schilderung der Klägerin im Fahrzeug transportierte Werkzeug mangels fester Verankerung jederzeit ohne großen Aufwand entfernt werden könnte. Es fehlen bei dem Fiat Doblo Easy 2.0 16V Multijet zudem eine Verblendung sowie eine Abtrennung zwischen Lade- und Fahrgastraum. Auch das äußere Erscheinungsbild des Fahrzeugs spricht eher für einen normalen Pkw als für einen typischerweise ausschließlich betrieblich genutzten Werkstattwagen.

29

bb. Jedoch ist der für eine Privatnutzung des Fiat Doblo Easy 2.0 16V Multijet sprechende Anscheinsbeweis im Streitfall deshalb erschüttert, weil nach Überzeugung des Gerichts für Privatfahrten mit dem Mercedes Benz C 280 T ein in Status und Gebrauchswert vergleichbares Fahrzeug zur alleinigen Verfügung des einzigen Kommanditisten stand.

30

(1) Unter Gebrauchswert versteht das Gericht nach dem Wortsinn den Wert einer Sache hinsichtlich ihrer Brauchbarkeit, ihrer Eignung für bestimmte Funktionen und Zwecke, mit anderen Worten den Nutzwert. Der BFH hat im Urteil vom 4. Dezember 2012 (VIII R 42/09, BFHE 239, 443, BStBl II 2013, 365) zu erkennen gegeben, dass in diesem Zusammenhang Umstände wie Motorleistung (PS), Hubraum, Höchstgeschwindigkeit und Ausstattung Berücksichtigung finden könnten.

31

Unter dem Aspekt des Status eines Fahrzeuges sind vornehmlich Prestigegesichtspunkte zu berücksichtigen (so ebenfalls BFH, Urteil vom 4. Dezember 2012 VIII R 42/09, BFHE 239, 443, BStBl II 2013, 365).

32

(2) Vergleicht man die streitbefangenen Fahrzeuge unter den vorstehenden Gesichtspunkten, ist nach Überzeugung des Gerichts mindestens von einer Vergleichbarkeit auszugehen.

33

Gegenüber dem Fiat Doblo Easy 2.0 16V Multijet (135 PS; Hubraum: 1956 cm3; Höchstgeschwindigkeit: 179 km) weist der Mercedes C 280 T (193 PS; Hubraum: 2.799 cm3; Höchstgeschwindigkeit: 230 km) deutlich höhere (Motor-​)Leistungsmerkmale auf. Auch hinsichtlich des Raumangebots sind die Fahrzeuge selbst nach der Wertung des Beklagten in der Einspruchsentscheidung gleichwertig. Das unstreitig größere Kofferraumvolumen des Fiat Doblo Easy 2.0 16V Multijet führt dagegen nur zu einer geringfügig erweiterten Nutzungsmöglichkeit für den Transport größerer Gepäckmengen (etwa bei Urlaubs- oder Freizeitfahren) oder Gegenständen, die bei einem Alleinstehenden in der Regel nicht anfallen dürften. Darüber hinaus teilt das Gericht die Einschätzung der Klägerin, dass trotz Alter und Laufleistung nicht außer Acht gelassen werden kann, dass der Mercedes C 280 T über eine insgesamt hochwertigere - wenn auch technisch auf dem Stand des Baujahres befindliche - Ausstattung verfügt.

34

Berücksichtigt man zudem den nach der Überzeugung des Gerichts deutlich höheren Prestigewert des Mercedes C 280 T gegenüber dem Fiat, der sich im Übrigen auch in dem hohen Luxuspreisniveau des ursprünglichen Kaufpreises (89.395,25 DM = 45.707,07 €) widerspiegelt, kann trotz des Alters und des technischen Zustandes nur von einem höhere Statuswert des Mercedes C 280 T ausgegangen werden. Der Neupreis des Mercedes C 280 T aus dem Jahr 1997 ist damit mehr als doppelt so hoch wie der Neuwagenlistenpreis des Fiat Doblo Easy 2.0 16V Multijet im Jahr 2012 (22.700 €).

35

Entgegen der Auffassung des Beklagten führen auch nicht schon einige wenige festgestellte Unterschiede etwa hinsichtlich des Alters, der höheren Reparaturanfälligkeit, des Kofferraumvolumens und des technischen Zustandes zu dem Schluss, dass der Anscheinsbeweis nicht erschüttert ist. Vielmehr ist der für eine private Nutzung sprechende Anscheinsbeweis (nur) umso leichter zu erschüttern, je geringer die Unterschiede zwischen den Fahrzeugen ausfallen. Selbst bei einer angenommenen fehlenden Vergleichbarkeit käme es auf die Größe des Unterschiedes hinsichtlich Status und Gebrauchswert und ggf. weitere, die Erschütterung des Anscheinsbeweises bewirkende Begleitumstände an.

36

So hätte der Beklagte im Streitfall auch berücksichtigen müssen, dass der allein den Fiat Doblo Easy 2.0 16V Multijet nutzende Kommanditist unmittelbar am Betriebssitz der Klägerin wohnt und damit ein Fahrzeugtausch zum Zwecke der Durchführung von Privatfahrten am Betriebssitz/Wohnort ohne Weiteres jederzeit möglich ist. Zudem hätte in die Gesamtbewertung einbezogen werden müssen, dass der Fiat Doblo Easy 2.0 16V Multijet das einzige betriebliche Fahrzeug ist, mit dem der Kommanditist - teilweise mit Mitarbeitern - die Betriebsstätten der Klägerin abfahren kann. Daher liegt es sehr nahe, dass der Fiat regelmäßig so beladen sein dürfte und auch - zumindest häufig - den Verschmutzungsgrad aufweist, wie es die Klägerin mit den mit Schriftsatz vom 17. Juni 2019 übersandten Fotos dem Gericht gegenüber dokumentiert hat. Beides dürfte überdies gegen eine Attraktivität einer Privatnutzung und für die Erschütterung des Anscheinsbeweises sprechen.

37

Nach alledem hatte die Klage in vollem Umfang Erfolg mit der Folge, dass der zuletzt festgestellte Gewinn der Klägerin im Bescheid vom 20. August 2019 um 2.724 € auf 38.168,73 € zu reduzieren war.

38

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

39

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.