Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 04.03.1987, Az.: 17 W 5/87
Zulässigkeit der Unterbringung in einer Klinik; Notwendigkeit des Vollzugs der Unterbringung in Form einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Einweisung in den abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses; Unzulässigkeit der sofortigen Anordnung der Unterbringung nach einer vorläufigen Entlassung; Anordnung und Durchsetzung einer Behandlungsauflage; Erforderlichkeit der Gewährung rechtlichen Gehörs bei einer Entscheidung über eine Unterbringung auch bei Gefahr im Verzug
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 04.03.1987
- Aktenzeichen
- 17 W 5/87
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1987, 19680
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1987:0304.17W5.87.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 22.01.1987 - AZ: 10 T 5/87
Rechtsgrundlagen
- Art. 7 Abs. 1 FGG
- § 22 Abs. 1 FGG
- § 27 Abs. 1 S. 1 FGG
- § 29 FGG
- § 1 Nr. 1 Nds. PsychKG
- § 10 Abs. 1 Nds. PsychKG
- § 12 Abs. 1 Nds. PsychKG
- § 18 Nds. PsychKG
- § 20 Abs. 1 S. 1 Nds. PsychKG
- § 23 Abs. 1 Nds. PsychKG
- § 33 Nds. PsychKG
Fundstelle
- NJW 1988, 1529-1530 (Volltext mit amtl. LS)
In der Unterbringungssache
hat der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
am 4. März 1987
beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Hannover vom 30. Dezember 1986 und des Landgerichts Hannover - 10. Zivilkammer - vom 22. Januar 1987 aufgehoben.
Die Sache wird an das Amtsgericht Hannover zurückverwiesen, das auch über die Kosten des weiteren Beschwerdeverfahrens zu entscheiden hat.
Gründe
I.
Am 22.10.1986 beantragte die Landeshauptstadt H. - Ordnungsamt - unter Vorlage einer Stellungnahme zweier Fachärzte für Psychiatrie, den Betroffenen wegen einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis gemäß § 15 Nds. PsychKG einstweilig für die Dauer von sechs Wochen in die Psychiatrische Klinik der Medizinischen Hochschule H. oder eine andere geschlossene Anstalt einzuweisen. Mit Beschluß vom gleichen Tage (62 XV 432 L) entsprach das Amtsgericht dem Antrag. Nachdem es den Betroffenen mündlich angehört hatte, ordnete es am 27.10.1986 seine vorläufige Entlassung an und gab ihm auf, sich durch die Medizinische Hochschule H. ambulant weiter behandeln zu lassen und die ihm verordneten Medikamente einzunehmen. Nach erneuter mündlicher Anhörung des Betroffenen verlängerte das Amtsgericht die Unterbringung durch Beschluß vom 3.12.1986 bis zum 3.6.1987. Die vorläufige Entlassung und die Behandlungsauflage wurden aufrechterhalten. Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen hob das Landgericht diesen Beschluß auf. Zur Begründung führte es aus, die Entlassung des Betroffenen sei gemäß § 34 Abs. 1 Nds. PsychKG endgültig geworden, weil dem Betroffenen der Beschluß über die Verlängerung der Unterbringung erst nach Ablauf der Sechswochenfrist für die einstweilige Unterbringung zugestellt und damit wirksam bekannt gemacht worden sei. Dieser Beschluß wurde dem Betroffenen am 31.12.1986 zugestellt.
Bereits am 30.12.1986 beantragte die Verwaltungsbehörde erneut die Unterbringung des Betroffenen, diesmal bis zur Dauer eines Jahres. Dabei legte sie eine fachärztliche Stellungnahme vor, in der auf die in dem vorangegangenen Verfahren abgegebenen und in Ablichtung beigefügten Stellungnahmen Bezug genommen wurde. Das Amtsgericht ordnete mit Beschluß vom gleichen Tage die Unterbringung des Betroffenen in der psychiatrischen Klinik der Medizinischen Hochschule H. für die Dauer eines Jahres an. Zugleich beschloß es die vorläufige Entlassung des Betroffenen unter der Auflage, sich einmal wöchentlich in der Klinik vorzustellen und sich die erforderliche Dosis neuroleptischer Medikamente verabreichen zu lassen. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, der Betroffene leide seit 1976 an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis, die neben wiederholten paranoid halluzinatorischen Schüben durch eine allmählich sich akzentuierende Persönlichkeitsveränderung gekennzeichnet sei. Ohne kontinuierliche Betreuung gerate er aufgrund seiner Erkrankung in eine zunehmende menschliche Isolierung, in der es zwangsläufig zur selbst- oder fremdgefährdenden Handlungen kommen werde. Zur Abwendung dieser Gefährdung bedürfe es allerdings der Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt dann nicht, wenn der Betroffene sich einer regelmäßigen Behandlung unterziehe und sich die erforderliche Dosis neuroleptischer Medikamente verabreichen lasse. Deshalb sei es ausreichend, die Unterbringung, verbunden mit der vorläufigen Entlassung und einer Behandlungsauflage, anzuordnen.
Gegen diese Beschluß hat der Betroffene sofortige Beschwerde eingelegt, die das Landgericht ohne eigene Ermittlungen zurückgewiesen hat. Es hat ebenfalls eine vom Betroffenen ausgehende Eigen- und Fremdgefährdung bejaht und dies näher begründet. Die vom Amtsgericht getroffenen Maßnahmen hat das Landgericht gebilligt.
Gegen diesen Beschluß hat der Betroffene persönlich zu Protokoll der Geschäftsstelle des Landgerichts weitere Beschwerde eingelegt, ohne diese zu begründen. Der dem Betroffenen beigeordnete Rechtsanwalt hat mitgeteilt, daß er sich "der weiteren Beschwerde nicht anschließe". Die Landeshauptstadt H. hält ihren Antrag auf Unterbringung des Betroffenen unter Hinweis auf einen neuen Bericht der Medizinischen Hochschule H. vom 12.2.1987 aufrecht, nach dem der Betroffene der Behandlungsauflage nicht nachkommt.
II.
1.
Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen ist zulässig.
Zwar ist das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde im Nds.PsychKG nicht ausdrücklich geregelt. Seine Zulässigkeit ergibt sich jedoch aus der Verweisung auf das Nds. FGG (§ 18 Nds.PsychKG), das seinerseis in Art. 7 Abs. 1 auf das (Bundes-)FGG Bezug nimmt. Damit finden (auch) die §§ 27 bis 29 FGG Anwendung. Da die Erstbeschwerde befristet ist (§ 23 Abs. 1 Nds. PsychKG), muß auch die weitere Beschwerde innerhalb von zwei Wochen eingelegt werden (§§ 22 Abs. 1 S. 1, 29 Abs. 2 FGG). Diese Frist ist vorliegend gewahrt. Der Beschluß des Landgerichts ist dem Betroffenen am 27.1.1987 förmlich zugestellt und damit wirksam bekannt gemacht worden (§§ 22 Abs. 1 S. 2, 16 Abs. 2 S. 1 FGG). Die Beschwerde wurde am 9.2.1987 und damit vor Fristablauf eingelegt.
Die Erklärung der weiteren Beschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle des Landgerichts entspricht auch der in den §§ 29 Abs. 1 S. 1, 21 Abs. 2 FGG vorgeschriebenen Form. Die Beschwerdeberechtigung des Betroffenen folgt aus den §§ 23 Abs. 2 S. 1, 21 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 Nds.PsychKG in Verbindung mit § 29 Abs. 4 FGG.
2.
Die weitere Beschwerde ist auch begründet. Die angefochtene Entscheidung muß aufgehoben werden, weil sie auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG).
a.
Nach den §§ 1 Nr. 1, 12 Abs. 1 Nds. PsychKG ist eine Unterbringung nur zulässig, wenn und solange die gegenwärtige erhebliche Gefahr besteht, daß der Betroffene infolge einer Krankheit oder einer seelischen oder geistigen Störung oder Behinderung entweder sich selbst schwerwiegenden gesundheitlichen Schaden zufügt oder durch sein Verhalten die öffentliche Sicherheit oder Ordnung beeinträchtigt, und die Gefahr auf andere Weise nicht abgewendet werden kann. Diese Voraussetzungen lagen zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landgerichts nach den von ihm getroffenen Feststellungen (noch) nicht vor. Das Landgericht hat zwar konkrete Anhaltspunkte dafür gesehen, daß der an einer Psychose leidende und sozial zunehmend haltloser werdende Betroffene sich selbst und anderen Schaden zufügen könnte, wenn keine Hilfs- oder Schutzmaßnahmen nach dem Nds. PsychKG getroffen werden. Gleichwohl ist es - ebenso wie das Amtsgericht - zu der Feststellung gelangt, daß der Vollzug der Unterbringung, d.h. die mit Freiheitsentziehung verbundene Einweisung in den abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses (§ 10 Abs. 1 Nds. PsychKG) und die dortige - gegebenenfalls auch gegen den Willen des Betroffenen durchführbare - ärztliche Behandung, zum Zeitpunkt seiner Entscheidung noch nicht notwendig war, sondern, daß es (vorerst) ausreichte, dem Betroffenen eine regelmäßige ambulante Behandlung aufzugeben. Diese Beurteilung ist aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht zu beanstanden. Kann aber eine Selbst- oder Fremdgefährdung - noch - mit einer milderen Maßnahme als einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Einweisung in eine geschlossene Abteilung einer Krankenanstalt abgewendet werden, so darf die Unterbringung nicht anordnet werden (vgl. Saage/Göppinger, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 2. Aufl., Vorbem. 187 zu Teil III).
b.
Es ist rechtlich auch nicht zulässig, die Anordnung der Unterbringung sogleich mit einer vorläufigen Entlassung nach § 33 Nds.PsychKG zu verbinden. Absatz 1 Satz 1 dieser Vorschrift bestimmt, daß das Gericht die vorläufige Entlassung des Betroffenen (aus der geschlossenen Abteilung eines Krankenhauses) anordnen kann, wenn der Gesundheitszustand und die persönlichen Verhältnisse des Betroffenen dies rechtfertigen. Schon die Systematik des Gesetzes ergibt, daß die vorläufige Entlassung des Betroffenen den Vollzug einer Unterbringung voraussetzt. Die Vorschrift des § 33 Nds. PsychKG befindet sich in dem Abschnitt über die "Beendigung der Unterbringung", in dem neben den Voraussetzungen der endgültigen Entlassung auch die diesem Ziel dienenden vorbereitenden Maßnahmen des Gerichts geregelt sind.
Aus den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, daß der Gesetzgeber die vorläufige Entlassung nicht etwa als ein der Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 StGB vergleichbares Rechtsinstitut angesehen hat, das mit der Unterbringungsanordnung verbunden werden kann. In der Begründung des Regierungsentwurfs ist ausgeführt (Nds, Landtag, Drucksache 8/573, S. 20, zu § 28 des Entwurfs):
"Die Regelung einer vorläufigen Entlassung, die § 10 Abs. 3 FEVG entspricht, berücksichtigt die therapeutischen Möglichkeiten. Es gibt zahlreiche Fälle, in denen auf eine Verlängerung (Hervorhebung durch den Senat) des Krankenhausaufenthalts verzichtet werden kann, wenn der Untergebrachte durch bestimmte Verpflichtungen zu einer regelmäßigen Durchführung von Behandlungsmaßnahmen, wie z.B. Medikamenteneinnahme, veranlaßt werden kann."
Mit der vorläufigen Entlassung wird danach der Zweck verfolgt, bei bereits untergebrachten Personen unter Einschaltung geeigneter Aufsichtsmaßnahmen zu prüfen, ob eine endgültige Entlassung in Betracht gezogen werden kann, also die Beendigung der Unterbringung vorzubereiten.
Die vorläufige Entlassung setzt somit voraus, daß überhaupt eine Unterbringung notwendig war und vollzogen worden ist. In einem Verfahren, in dem erst geprüft wird, ob überhaupt eine (endgültige) Unterbringung anzuordnen ist, kann nicht gleichzeitig schon die vorläufige Entlassung ins Auge gefaßt werden. Denn wenn zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für die vorläufige Entlassung gegeben sind, fehlt es von vornherein an der Notwendigkeit der mit Freiheitsentzug verbundenen Unterbringung.
Eine vorläufige Entlassung kann deshalb erst in Betracht kommen, wenn die endgültige Unterbringung rechtskräftig angeordnet worden ist (ebenso BayObLGZ 1955, 266, 269; 1970, 197, 203; Saage/Göppinger a.a.O., Vorbem. 862 und 864 zum Teil III).
c.
Die Begründung der angefochtenen Entscheidung läßt erkennen, daß die rechtliche Konstruktion der endgültigen Unterbringung in Verbindung mit der vorläufigen Entlassung letztlich nur deshalb gewählt worden ist, um die als angemessen und verhältnismäßig erkannte Anordnung einer Behandlungsauflage durchzusetzen. Auch diese Maßnahme ist jedoch rechtsfehlerhaft und kann deshalb nicht bestehen bleiben.
Der Richter hat nach Artikel 104 Abs. 1 S. 1 GG nur über die Zulässigkeit (d.h. den Beginn) und die Fortdauer einer Freiheitsentziehung zu entscheiden, nicht aber über Art und Weise des Vollzuges (vgl. Düring in: Mauz/Düring/Herzog, GG, Art. 104, Rdnr. 28). Auf dieser verfassungsrechtlichen Regelung beruhen die Vorschriften des Nds.PsychKG über das gerichtliche Unterbringungsverfahren. Das Gericht hat auf den Unterbringungsantrag der Verwaltungsbehörde nur darüber zu entscheiden, ob eine mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung in der geschlossenen Abteilung eines Krankenhauses angeordnet wird oder nicht. Es hat demnach nur die Wahl zwischen der Anordnung der Unterbringung (§ 21 Abs. 3 Nds. PsychKG) und der Ablehnung des Antrags der Verwaltungsbehörde (§ 21 Abs. 4 Nds. PsychKG). Das Gericht kann dagegen weder eine bloße Freiheitsbeschränkung noch andere mildere Maßnahmen anordnen (vgl. Saage/Göppinger, a.a.O., Vorbem. 186 zu Teil III, sowie § 3 FEVG, Rdnr. 32, und § 6 FEVG, Rdnr. 5; Baumann, Unterbringungsrecht S. 398). Ist - wie im vorliegenden Fall - die Unterbringung (noch) nicht erforderlich, weil mildere Maßnahmen ausreichen, so ist der Antrag auf Unterbringung abzulehnen (vgl. Saage/Göppinger, a.a.O., Vorbem. 187 zu Teil III). Die im Vorfeld einer möglichen Unterbringung erforderlichen Hilfen und Schutzmaßnahmen hat die Verwaltungsbehörde in eigener Zuständigkeit und nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen anzuordnen. Nach § 9 Nds. PsychKG besteht dabei auch die Möglichkeit einer Behandlungsauflage, wie sie Amtsgericht und Landgericht für zweckmäßig erachtet haben. Die Tatsache, daß die Verwaltungsbehörde eine solche Anordnung nicht zwangsweise durchsetzen kann (§ 9 Abs. 2 S. 1 Nds. PsychKG), kann es nicht rechtfertigen, daß insoweit das Gericht eingreift und die entsprechende Anordnung trifft. Dafür fehlt eine Rechtsgrundlage. Folgt der Betroffene der Auflage der Verwaltungsbehörde nicht, muß vielmehr das Unterbringungsverfahren eingeleitet werden (§ 9 Abs. 2 S. 2 Nds. PsychKG). Soweit das Gericht während einer Unterbringung von der Möglichkeit Gebrauch macht, die vorläufige Entlassung anzuordnen und mit Auflagen zu verbinden (vgl. § 33 Abs. 1 S. 2 Nds.PsychKG), kann es die Befolgung dieser Auflage im übrigen ebenfalls nicht mit unmittelbarem Zwang durchsetzen, sondern muß dann gegebenenfalls die vorläufige Entlassung widerrufen (§ 33 Abs. 5 Nds. PsychKG).
d.
Der angefochtene Beschluß war mithin aufzuheben. Die Sache ist - unter Aufhebung auch der erstinstanzlichen Entscheidung - an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Das Amtsgericht wird den Sachverhalt unter Beachtung der vom Senat dargelegten Rechtsauffassung erneut daraufhin überprüfen, ob die Unterbringung geboten ist. Es ist nicht auszuschließen, daß - insbesondere aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Entwicklung - mildere Mittel als eine mit Freiheitsentziehung verbundene stationäre Behandlung in einer Psychiatrischen Klinik zur Abwendung einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr i.S. des § 12 Nds. PsychKG nicht mehr ausreichen.
3.
Das Verfahren der Vorinstanzen gibt dem Senat Anlaß zu folgenden Hinweisen:
a.
Der verfassungsrechtliche Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) erfordert es, daß ihm und dem ihm beigeordneten Rechtsanwalt vor einer Entscheidung über den Antrag der Verwaltungsbehörde Gelegenheit gegeben wird, dazu Stellung zu nehmen. Hiervon kann nur bei Gefahr im Verzuge zunächst abgesehen werden, also etwa vor Erlaß einer einstweiligen Unterbringung. Auch dann ist das rechtliche Gehör jedoch unverzüglich nachzuholen (vgl. § 20 Abs. 2 Nds. PsychKG). Im vorliegenden Fall wurde durch den Antrag der Verwaltungsbehörde vom 30.12.1986 ein neues Verfahren eingeleitet, dessen Ziel die endgültige Unterbringung des Betroffenen war. Vor einer Entscheidung über diesen Antrag hätte das Amtsgericht dem Betroffenen rechtliches Gehör gewähren müssen, zumal eine besondere Eilbedürftigkeit nicht gegeben war. Nachdem der Betroffene am 31.12.1986 den Beschluß des Landgerichts in dem vorangegangenen Verfahren erhalten hatte, wonach seine endgültige Entlassung eingetreten war, wurde er durch den ihm am 7.1.1987 ohne vorherige Ankündigung zugestellten erneuten Unterbringungsbeschluß überrascht, ohne daß dies sachlich geboten war.
b.
Gemäß § 20 Abs. 1 S. 1 Nds. PsychKG hat das (Tatsachen-)Gericht den Betroffenen darüber hinaus mündlich zu hören und sich von ihm einen persönlichen Eindruck zu verschaffen. In dem vorliegenden (neuen) Verfahren haben weder das Amtsgericht noch das Landgericht eine persönliche Anhörung des Betroffenen durchgeführt. Die Anhörungspflicht besteht grundsätzlich in jedem Verfahren. Unter welchen Voraussetzungen von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen abgesehen werden kann, ist im Nds. PsychKG nicht geregelt. Es ist jedoch allgemein anerkannt, daß die Anhörung in den in § 5 Abs. 2 FEVG geregelten Fällen unterbleiben kann, d.h. wenn sie nach einem ärztlichen Gutachten nicht ohne Nachteile für den Gesundheitszustand des Betroffenen ausführbar ist oder wenn dieser an einer übertragbaren Krankheit leidet. Darüber hinaus ist nach den Unterbringungsgesetzen anderer Bundesländer zum Teil eine Anhörung entbehrlich, wenn eine Verständigung mit dem Betroffenen nicht möglich ist oder wenn die Anhörung sonst besondere Schwierigkeiten bereitet (vgl. Saage/Göppinger a.a.O., Vorbem. 338 ff. zu Teil III). Diese Voraussetzungen lagen hier jedoch nicht vor. Ob die mündliche Anhörung des Betroffenen deshalb entbehrlich war, weil der erkennende Amtsrichter den Betroffenen erst 4 Wochen vorher in dem vorangegangenen Verfahren angehört hatte, die erneute Anhörung keine neuen Erkenntnisse versprach und aus diesem Grund eine reine Förmlichkeit dargestellt hätte, kann dahingestellt bleiben.
Zunehmend wird die Auffassung vertreten, daß auch das Beschwerdegericht vor der Zurückweisung einer sofortigen Beschwerde gegen die Unterbringung den Betroffenen mündlich zu hören hat, wenn nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, daß diese Anhörung nichts zur Sachaufklärung beitragen werde (vgl. z.B. BayObLGZ 1980, 20; 1985, 403 = FamRZ 1986, 603; OLG Stuttgart, FamRZ 1980, 149; KG NJW 1973, 435; Saage/Göppinger, a.a.O. Vorbem. 531 f. zu Teil III, sowie § 5 FEVG, Rdnr. 4 f), und wenn das Amtsgericht den Betroffenen nicht ordnungsgemäß angehört hat und das Landgericht trotz dieses Verfahrensverstosses selbst in der Sache entscheidet (vgl. BayObLGZ 180, 15). Der Senat braucht allerdings auch zu diesen Fragen keine Stellung zu beziehen, weil der angefochtene Beschluß bereits aus den oben dargelegten Gründen keinen Bestand haben kann.
c.
Gemäß Art. 104 Abs. 4 GG, § 21 Abs. 3 S. 2 Nds.PsychKG hat das Gericht einen Verwandten oder eine Vertrauensperson des Betroffenen von der Unterbringung zu benachrichtigen. Die Vorschriften sind zwingendes Recht. Nicht einmal der Betroffene selbst kann auf die Benachrichtigung verzichten, weil gewährleistet werden soll, daß niemand spurlos verschwindet (vgl. Dürig in: Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 104, Rdnr. 43). Die Vorschriften gelten auch für Entscheidungen der Rechtsmittelgerichte, wenn die Anordnung der Freiheitsentziehung bestätigt wird (vgl. BVerfGE 16, 119 [BVerfG 14.05.1963 - 2 BvR 516/62]; Saage/Göppinger, a.a.O. § 6 FEVG, Rdnr. 36). § 20 Abs. 3 S. 3 Nds.PsychKG verlangt darüber hinaus, daß vor der endgültigen Unterbringung eine Person, die das Vertrauen des Betroffenen genießt, zu hören ist.
d.
Nach § 21 Abs. 5 Nds. PsychKG ist der Bekanntmachung der gerichtlichen Entscheidung eine schriftliche Rechtsmittelbelehrung beizufügen. Diese Bestimmung gilt, wie sich aus der systematischen Stellung im Gesetz ergibt, auch für die Entscheidung des Erstbeschwerdegerichts (vgl. BayObLGZ 1986, 224). Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts enthielt vorliegend keine Rechtsmittelbelehrung. Den Akten ist auch nicht zu entnehmen, daß der Bekanntmachung an den Betroffenen eine solche Belehrung beigefügt worden ist.