Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 27.03.1987, Az.: 8 U 150/86

Refertilisation nach freiwilliger Sterilisation als medizinisch notwendige Heilbehandlung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
27.03.1987
Aktenzeichen
8 U 150/86
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1987, 20100
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1987:0327.8U150.86.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - 24.06.1986 - AZ: 3 O 108/86

Fundstelle

  • VersR 1988, 31-32 (Volltext mit red. LS)

In dem Rechtsstreit
...
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 6. März 1987
unter Mitwirkung
der Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 24. Juni 1986 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stade wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Klägerin beträgt 6.093,66 DM.

Entscheidungsgründe

1

Die zulässige Berufung der Klägerin, die unverändert auf der Grundlage der bei der Beklagten zu Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung - darin eingeschlossen Musterbedingungen 1976 des Verbandes der privaten Krankenversicherung (MB/KK 76) - ab 1. Januar 1985 genommenen Ergänzungs-Versicherung für gesetzlich Krankenversicherte Leistungen begehrt wegen ihrer stationären Behandlung im ... vom 28. Mai bis zum 18. Juni 1985 - Durchführung einer refertilisierenden Operation nach freiwilliger Sterilisation im Jahre 1966 -, ist nicht begründet. Durch das angefochtene Urteil ist ihre Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen worden.

2

1.

Soweit nach dem Parteivorbringen überhaupt in Erwägung zu ziehen ist, die Refertilisation der Klägerin könnte als körperlicher Eingriff eine "medizinisch notwendige Heilbehandlung" im Sinne des §1 Abs. 2 AVB "wegen Krankheit" - hier in der Form eines regelwidrigen Körperzustandes nach aus medizinischer Sicht etwa notwendiger Sterilisation - gewesen sein, bedarf es keiner Aufklärung der zwischen den Parteien streitigen Frage, ob die Sterilisation eine medizinisch notwendige Maßnahme gewesen ist. Ist sie das nämlich nicht gewesen, besteht nach §5 Abs. 1 b) AVB keine Leistungspflicht der Beklagten im Hinblick auf die Refertilisation, weil der regelwidrige Körperzustand auf Vorsatz im Sinne dieser Vorschrift beruhen würde. Ist dagegen die Sterilisation ein medizinisch notwendiger Eingriff gewesen, ist nichts dafür ersichtlich, daß nunmehr die Wiederherstellung der körperlichen Funktionen der inzwischen über 40jährigen Klägerin durch Refertilisation, also die "Umkehrung" der früheren Maßnahme, aus medizinischer Sicht notwendig gewesen sein könnte. Vielmehr spricht alles dafür, daß medizinische Gründe wie z.B. die Vermeidung von Risikoschwangerschaften, die 1966 die Sterilisation etwa notwendig gemacht haben, unverändert oder angesichts des fortgeschrittenen Alters der Klägerin sogar erst recht fortbestehen, so daß der rein körperliche Eingriff zum Zwecke der Refertilisation jedenfalls keine medizinisch notwendige Heilbehandlung im Sinne des §1 Abs. 2 AVB zur Beruhigung eines regelwidrigen körperlichen Zustandes gewesen ist.

3

2.

Von diesen Überlegungen zu trennen ist die von den Parteien ausschließlich erörterte Frage, ob und inwieweit der - vordergründig rein körperliche - Eingriff der Refertilisation eine medizinisch notwendige Heilbehandlung einer psychischen Erkrankung gewesen ist, die sich nach der Darstellung der Klägerin angesichts ihrer Lebensumstände über Jahre hin wegen der Sterilisation entwickelt hat. Einer Aufklärung der streitigen Frage, ob die Sterilisation medizinisch notwendig gewesen ist, etwa im Hinblick auf eine Anwendung des §5 Abs. 1 b) AVB, bedarf es auch in diesem Zusammenhang nicht. Ebensowenig bedarf es weiterer Überlegungen dazu, ob ein körperlicher Eingriff wie die Refertilisation, d.h. die Wiederherstellung ganz bestimmter körperlicher Funktionen, überhaupt eine Heilbehandlung "wegen" einer psychischen Erkrankung sein kann oder ob für solche Fälle nicht lediglich die in §3 Abs. 3 AVB einer Sonderregelung im Hinblick auf Wartezeiten unterworfene Psychotherapie in Betracht kommen kann. Denn selbst wenn eine medizinisch notwendige Heilbehandlung im Sinne des §1 Abs. 2 AVB "wegen" einer psychischen Erkrankung auch in einem Eingriff wie der Refertilisation bestehen könnte, führt das hier nicht zu einer Leistungsverpflichtung der Beklagten, weil die Klägerin zu einer psychischen Erkrankung nicht hinreichend vorgetragen hat. Aus ihrem Vorbringen ist, was die Vergangenheit angeht, lediglich zu schließen, daß sie mit einem nicht näher aufzuklärenden Bezug auf ihre Sterilisation psychische Schwierigkeiten gehabt hat, die sie erfolgreich bekämpft hat und hinsichtlich derer nicht ersichtlich ist, daß sie Krankheitswert gehabt haben. Daß ihre psychischen Schwierigkeiten neuerdings, etwa gerade nach Abschluß des Krankenversicherungsvertrages mit der Beklagten Anfang 1985 und im Zeitpunkt der wenig später durchgeführten refertilisierenden Operation, Krankheitswert gehabt haben, ist nach dem Vorbringen der Klägerin ebenfalls nicht ersichtlich. Vielmehr stützt sich die Klägerin lediglich auf die gutachterlicheÄußerung des Leitenden Arztes ... des Instituts für Psychoanalytische Therapie und Psychosomatische Medizin der Klinik für Psychiatrie des ... vom 4. Juli 1985, in der eine psychische Krankheit nicht angesprochen ist, sondern lediglich von der Klägerin selbst geschilderte "psychische Probleme" und "psychische/depressive Verstimmungen" erwähnt sind und von einer "Festigung" der "psychischen Stabilität" durch die refertilisierende Operation gesprochen wird. Auf eine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung läßt sich auch nicht aus der von der Klägerin zu den Akten gereichten "Krankengeschichte" der Frauenärztin ... aus ... vom 18. Dezember 1986 schließen, in welcher wiederum lediglich "psychische Schwierigkeiten" der Klägerin - nach deren eigener Schilderung gegenüber der Ärztin - angesprochen sind.

4

3.

Da es nach allem an einer hinreichenden Darlegung einer psychischen Krankheit der Klägerin fehlt, die etwa aus medizinischer Sicht notwendigerweise einer Heilbehandlung gerade durch Refertilisation bedurft hätte, und da die Refertilisation auch nicht als medizinisch notwendige Beseitigung eines regelwidrigen körperlichen Zustandes der Klägerin anzusehen ist, läßt sich der Eintritt eines Versicherungsfalles im Sinne des §1 Abs. 2 AVB nicht feststellen, so daß die Klägerin die begehrten Versicherungsleistungen nicht erhalten kann.

5

Die Kosten ihrer aus diesen Gründen erfolglosen Berufung hat die Klägerin gemäß §97 Abs. 1 ZPO zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf§708 Nr. 10 ZPO, wobei §713 ZPO Anordnungen aus §711 ZPO entgegensteht. Die Festsetzung der Beschwer der Klägerin erfolgt im Hinblick auf §546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.