Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 21.03.2023, Az.: 1 B 75/23
Aufsicht und Altersbeschränkung des Zutritts zu Spielhallen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 4 und 5 NSpielhG) ab 1. April 2023
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 21.03.2023
- Aktenzeichen
- 1 B 75/23
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 13638
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2023:0321.1B75.23.00
Rechtsgrundlagen
- NspielhG § 18
- NspielhG § 5
Tenor:
Es wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festgestellt, dass die Antragstellerin nicht verpflichtet ist, ab 1. April 2023 zu gewährleisten, dass der Zutritt zu den von ihr am Standort E. in F. betriebenen Verbundspielhallen erst ab Vollendung des 21. Lebensjahres gestattet wird und in jeder Spielhalle mindestens eine Person vor Ort die Aufsicht führt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Der Wert des Streitgegenstands wird auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO, mit dem die Antragstellerin die Feststellung begehrt, dass sie nicht verpflichtet ist, ab 1. April 2023 zu gewährleisten, dass der Zutritt zu den von ihr am Standort E. in F. betriebenen Verbundspielhallen erst ab Vollendung des 21. Lebensjahres gestattet wird und in jeder Spielhalle mindestens eine Person vor Ort die Aufsicht führt, ist zulässig und begründet.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig. Er ist insbesondere statthaft und zugunsten der Antragstellerin besteht das hier wegen der begehrten Gewährung vorbeugenden vorläufigen Rechtsschutzes erforderliche qualifizierte Rechtsschutzinteresse.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO ist statthaft.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag nicht nur eine einstweilige Anordnung treffen, wenn in Bezug auf den Streitgegenstand die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung, § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO), oder wenn in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine vorläufige Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung, § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes kann auch der Erlass einer einstweiligen Anordnung in Gestalt einer vorläufigen Feststellung des in der Hauptsache sachlich Begehrten geboten sein (sog. Feststellungsanordnung, vgl. jeweils m. w. N.: VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 23.1.2023 - 9 S 2408/22 -, juris; OVG Nordrh.-Westf., Beschl. v. 25.8.2017 - 13 B 762/17 -, juris; Nds. OVG, Beschl. v. 4.4.2012 - 8 ME 49/12 -, juris).
Zwischen den Beteiligten besteht ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO. Unter einem solchen sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben. Gegenstand der Feststellungsklage muss ein streitiges konkretes Rechtsverhältnis sein, d.h. es muss die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten bereits überschaubaren Sachverhalt streitig sein. Unabhängig von der Frage der Konkretisierung des Rechtsverhältnisses setzt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis voraus, dass zwischen den Beteiligten des Rechtsverhältnisses ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können. Es müssen sich also aus dieser Rechtsbeziehung heraus bestimmte Rechtsfolgen ergeben können, was wiederum die Anwendung von bestimmten Normen auf den konkreten Sachverhalt voraussetzt. Daran fehlt es, wenn nur abstrakte Rechtsfragen wie die Gültigkeit einer Norm zur Entscheidung gestellt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.1.2010 8 C 19/09 -, juris Rn. 24; OVG Schl.-Holst., Beschl. v. 20.5.2022 - 3 MB 28/21 -, juris Rn. 14). Nach diesen Maßgaben besteht hier ein feststellungsfähiges und hinreichend konkretes Rechtsverhältnis. Die Antragstellerin begehrt keine abstrakte Überprüfung einer Norm. Vielmehr geht es ihr um die Klärung der Frage, ob sie ab 1. April 2023 verpflichtet ist zu gewährleisten, dass der Zutritt zu den von ihr betriebenen Verbundspielhallen erst ab Vollendung des 21. Lebensjahres gestattet wird und in jeder Spielhalle mindestens eine Person vor Ort die Aufsicht führt, wovon das Nds. Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung (Nds. MW) in einem an die Gewerbebehörden als zuständige Aufsicht und damit auch an die Antragsgegnerin gerichteten Erlass vom 2. Februar 2023 ausgeht, an dem sich die Antragsgegnerin entsprechend ihrer Antragserwiderung orientiert. Streitig sind die konkrete Auslegung und Anwendung der Norm des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 und 5 i. V. m. § 18 Nds. Spielhallengesetz (NSpielhG) auf Spielhallen, für die - wie hier - eine nach § 2 Abs. 1 i. V. m. § 18 Abs. 4 NSpielhG erteilte Erlaubnis vorliegt.
Der Zulässigkeit des vorläufigen Rechtsschutzantrags steht nicht entgegen, dass sich die Frage der Anwendbarkeit von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 und 5 NSpielhG im Zusammenhang mit einem Ordnungswidrigkeitenverfahren unter Berücksichtigung der Übergangsregelung des § 18 Abs. 2 Satz 3 NSpielhG erst ab 1. April 2023 stellt. Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz ist vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Gewaltenteilung und des im Ausgangspunkt reaktiv konzipierten Gebots eines effektiven Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 GG zwar grundsätzlich nicht vorbeugend ausgestaltet. Ein Abweichen von dieser Grundentscheidung kommt jedoch ausnahmsweise dann in Betracht, wenn der nachträgliche Rechtsschutz mit unzumutbaren Nachteilen für den Betroffenen verbunden wäre. Danach ist für einen vorbeugenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO ein qualifiziertes, gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden vorläufigen Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzbedürfnis notwendig. Dieses ist grundsätzlich zu verneinen, solange der Antragsteller in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung im Regelfall als angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann. Ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis ist hingegen zu bejahen, wenn ohne die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes die Gefahr bestünde, dass vollendete, nicht mehr rückgängig zu machende Tatsachen geschaffen würden oder wenn ein nicht mehr wiedergutzumachender Schaden entstünde (vgl. Schoch in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: 08/2022, § 123 VwGO, Rn. 45 f.; Dombert in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl., Rn. 104). Eine solche Konstellation liegt insbesondere bei drohenden Sanktionen vor, die an verwaltungsrechtliche Vorfragen anknüpfen. Denn es ist nicht zumutbar, die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen "von der Anklagebank herab" führen zu müssen. Der Betroffene hat ein schutzwürdiges Interesse daran, den Verwaltungsrechtsweg als sachnähere und "fachspezifischere" Rechtsschutzform einzuschlagen, wenn ihm wegen verwaltungsrechtlicher Fragen ein Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren droht. Es ist weder sinnvoll noch zumutbar, ihm in einem derartigen Schwebezustand die Möglichkeit der verbindlichen Klärung streitiger Fragen des öffentlichen Rechts zu verwehren (vgl. zum Hess. SpielhG: BVerfG, Beschl. v. 16.7.2015 - 1 BvR 1014/13 -, juris Rn. 14; Hess. VGH, Beschl. v. 31.1.2019 - 8 B 225/18 -, juris Rn. 26; vgl. allg.: BVerwG, Urt. v. 23.6.2016 - 2 C 18/15 -, juris Rn. 20; OVG Nordrh.-Westf. Beschl. v. 25.8.2017 - 13 B 762/17 -, juris Rn. 17; Sodan in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 43 Rn. 86).
Nach diesem Maßstab besteht ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis. Denn ordnungswidrig handelt gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 4 NSpielhG, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer Verpflichtung aus § 5 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 4 bis 6 NSpielhG nicht nachkommt. Die Antragstellerin auf die Inanspruchnahme nachträglichen Rechtsschutzes gegen einen etwaigen Bußgeldbescheid zu verweisen bedeutete, sie dem Risiko einer Ahndung auszusetzen. Der Verweis auf die Inanspruchnahme nachträglichen Rechtsschutzes wäre daher mit unzumutbaren Nachteilen für die Antragstellerin verbunden. Zwar hat die Antragsgegnerin bisher weder ein konkretes Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen die Antragstellerin eingeleitet noch die Durchführung eines solchen konkret angekündigt (vgl. dazu: Nds. OVG, Beschl. v. 4.4.2012 - 8 ME 49/12 -, juris Rn. 28; Sodan, a. a. O., Rn. 89). Unter Berücksichtigung des Erlasses des Nds. MW vom 2. Februar 2023, auf den die Antragsgegnerin Bezug nimmt, muss die Antragstellerin aber ab 1. April 2023 jederzeit mit der Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens rechnen, sofern sie weiterhin Personen unter 21 Jahren den Zutritt zu ihren Verbundspielhallen gestattet und nur eine Aufsichtsperson vor Ort für beide Verbundspielhallen stellt, ohne dass zuvor noch eine Ankündigung oder Androhung der Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens durch die Antragsgegnerin zu erwarten ist. Die Einleitung eines solchen Verfahrens gegen die Antragstellerin stellt sich im Hinblick auf den die Vollzugstätigkeit der Gewerbebehörden steuernden Erlass des Nds. MW vom 2. Februar 2023, in dem insoweit eine ausdrückliche Rechtsposition eingenommen wird, nicht allein als eine bloß theoretische Möglichkeit des Verwaltungshandelns dar. Die Antragsgegnerin hat auch nicht erklärt, bis zur Klärung der streitigen Rechtsfrage vorerst von der Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens gegen die Antragstellerin abzusehen.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch begründet. Die Antragstellerin hat sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache steht dem Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht entgegen. Eine Entscheidung in der Hauptsache darf ausnahmsweise vorweggenommen werden, wenn ein Hauptsacheverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg haben würde und es dem Antragsteller darüber hinaus schlechthin unzumutbar wäre, den Abschluss des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (vgl. Dombert, a. a. O., Rn. 190 ff.).
Zugunsten der Antragstellerin ist ein Anordnungsanspruch begründet. Für Spielhallen, für die - wie hier - ein Zertifikat nach § 5 NSpielhG noch nicht durch eine akkreditierte Prüforganisation erteilt worden ist, besteht ab 1. April 2023 keine gesetzliche Verpflichtung zu gewährleisten, dass mindestens eine Person vor Ort in der Spielhalle die Aufsicht führt und der Zutritt allein Personen ab Vollendung des 21. Lebensjahres gestattet wird.
Das Nds. Spielhallengesetz enthält eine Regelung zur Altersbeschränkung der zu Spielhallen zutrittsberechtigten Personen und zur Anzahl der Aufsichtspersonen vor Ort allein in der in § 5 Abs. 1 des Gesetzes getroffenen Bestimmung über die Zertifizierung von Spielhallen. Die Zertifizierung - die nach § 3 Nr. 5 NSpielhG Voraussetzung für die Erteilung einer Erlaubnis für die Errichtung und den Betrieb einer Spielhalle gemäß § 2 Abs. 1 NSpielhG ist - erfolgt nach § 5 Abs. 1 Satz 1 NSpielhG ausschließlich durch nach Abs. 3 akkreditierte Prüforganisationen. Für eine Spielhalle darf ein Zertifikat gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 NSpielhG nur erteilt werden, wenn die antragstellende Person oder bei wiederholter Zertifizierung die spielhallenbetreibende Person unter anderem gewährleistet, dass mindestens eine Person vor Ort in der Spielhalle die Aufsicht führt (Nr. 4) und der Zutritt zu der Spielhalle erst ab Vollendung des 21. Lebensjahres gestattet wird (Nr. 5). Im Gegensatz zu den in §§ 13 bis 15 NSpielhG normierten unmittelbaren Verpflichtungen der spielhallenbetreibenden Person, deren Nichteinhaltung nach § 17 Abs. 1 Nr. 6 bis 11 NSpielhG als Ordnungswidrigkeit sanktioniert wird, ist die spielhallenbetreibende Person nur mittelbar zur Einhaltung der in § 5 Abs. 1 Satz 2 NSpielhG genannten Gewährleistungen verpflichtet. So heißt es beispielsweise in der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 6 Abs. 1 Nr. 6 NSpielhG-Entwurf (LT-Drs. 18/10441, S. 20), der inhaltlich dem § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 NSpielhG entspricht, dass die Zertifizierung nur erfolgen dürfe, wenn die spielhallenbetreibende Person zusichere, dass sie Personen den Zutritt zu der Spielhalle erst nach Vollendung des 21. Lebensjahres gestatte. Demzufolge werden die Gewährleistungsverpflichtungen des § 5 Abs. 1 Satz 2 NSpielhG erst mit der Erteilung eines Zertifikats durch eine akkreditierte Prüforganisation begründet, denn nur bei Übernahme der Gewährleistungsverpflichtungen durch die antragstellende Person - in der praktischen Umsetzung wohl durch Abgabe einer entsprechenden Erklärung im Antragsverfahren - darf gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 NSpielhG ein Zertifikat für die Spielhalle erteilt werden.
Soweit § 17 Abs. 1 Nr. 4 NSpielhG vorsieht, dass ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer Verpflichtung aus § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 bis 6 NSpielhG nicht nachkommt, setzt der Ordnungswidrigkeitentatbestand dementsprechend voraus, dass der spielhallenbetreibenden Person zuvor ein Zertifikat nach § 5 NSpielhG durch eine akkreditierte Prüforganisation erteilt und damit die Verpflichtung aus § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 bis 6 NSpielhG begründet worden ist.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe besteht für die Antragstellerin ab 1. April 2023 gegenwärtig (noch) keine gesetzliche Verpflichtung zu gewährleisten, dass mindestens eine Person vor Ort in der Spielhalle die Aufsicht führt und der Zutritt allein Personen ab Vollendung des 21. Lebensjahres gestattet wird. Denn nach den Angaben Nds. MW in dem an die Antragsgegnerin gerichteten Erlass vom 2. Februar 2023 (Erlass, S. 3, zu I.) konnten wegen fehlender akkreditierter Zertifizierungsstellen i. S. d. § 5 Abs. 3 NSpielhG bisher keine Zertifikate nach § 5 NSpielhG erteilt werden. Es sind auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Antragstellerin in der nächsten Zeit ein Zertifikat nach § 5 NSpielhG erteilt werden kann. So führt das Nds. MW in seinem Erlass vom 2. Februar 2023 aus, dass ein möglichst zügiger Abschluss der Akkreditierungsverfahren der Zertifizierungsstellen angestrebt werde, ein konkreter Termin allerdings noch nicht genannt werden könne.
Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus den Ausführungen des Nds. WM in dem an die Antragsgegnerin gerichteten Erlass vom 2. Februar 2023. Soweit im Erlass des Nds. MW vom 2. Februar 2023 aus dem Auslaufen der Übergangsregelung des § 18 Abs. 2 Satz 3 NSpielhG zum 31. März 2023 abgeleitet wird, dass unter anderem die Mindestanzahl von einer Person pro Spielhalle vor Ort zur Aufsichtsführung und die Zutrittsbegrenzung auf Personen ab Vollendung des 21. Lebensjahrs (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 und 5 NSpielhG) ab 1. April 2023 für alle Spielhallen Anwendung finde (Erlass, S. 4, zu II.), kann dem nicht gefolgt werden. Nach der Übergangsregelung des § 18 Abs. 2 Satz 3 NSpielhG finden bis zum 31. März 2023 § 13 Abs. 4 sowie § 5 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 4 bis 6 NSpielhG, auch in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Nr. 4 NSpielhG, keine Anwendung. Die Norm schafft eine Übergangsregelung im Hinblick auf den Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 17 Abs. 1 Nr. 4 NSpielhG, um zu verhindern, dass die nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 4 bis 6 NSpielhG bestehenden Gewährleistungsverpflichtungen bereits vor Auslaufen der in § 18 Abs. 2 Satz 1 NSpielhG geregelten Übergangsfrist für die Zertifizierungspflicht, welche bis zum 31. März 2023 die Erteilung von Erlaubnissen nach § 2 NSpielhG auch entgegen § 3 Nrn. 5 und 6 NSpielhG zulässt, über den Ordnungswidrigkeitentatbestand mit Geldbuße sanktioniert werden (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs, LT-Drs. 18/10624, S. 20, zu § 20 Abs. 2 Satz 3 in der Fassung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung, LT-Drs. 18/10585, S. 19). Bei Erlass der Übergangsregelungen des § 18 Abs. 2 NSpielhG ging der Nds. Landesgesetzgeber davon aus, dass ein Übergangszeitraum bis zum 31. März 2023 ausreichen wird, um das in § 5 NSpielhG vorgesehene Zertifizierungsverfahren bereitzustellen. Hingegen lassen sich der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 20 Abs. 2 Satz 3 NSpielhG-Entwurf (LT-Drs. 18/10624, S. 20), der inhaltlich dem § 18 Abs. 2 Satz 3 NSpielhG entspricht, keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme entnehmen, dass die Gewährleistungsverpflichtungen nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 4 bis 6 NSpielhG unabhängig von der Erteilung eines Zertifikats nach § 5 NSpielhG begründet werden sollen. Dass eine Anwendung der genannten Vorschriften zum Spielerschutz ab dem 1. April 2023 unter Berücksichtigung der Ziele des Gesetzgebers wünschenswert erscheinen mag (vgl. Erlass des Nds. MW vom 2.2.2023, S. 5, 3. Abs.), ändert nichts daran, dass die Mindestanzahl der Aufsichtspersonen vor Ort in der Spielhalle und die Zutrittsbegrenzung auf Personen nach Vollendung des 21. Lebensjahrs im Nds. Spielhallengesetz allein als Gewährleistungsverpflichtung im Rahmen der Zertifizierung durch Prüforganisationen nach § 5 NSpielhG ausgestaltet und insbesondere nicht in die allgemein für alle in Niedersachsen betriebenen Spielhallen geltenden Verbote und Verpflichtungen gemäß § 13 NSpielhG aufgenommen worden ist.
Der Anordnungsgrund für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung folgt daraus, dass nach der Rechtsauffassung des den Vollzug des Nds. Spielhallengesetzes durch die Gewerbebehörden und damit auch durch die Antragsgegnerin mit seinem Erlass vom 2. Februar 2023 steuernden Nds. MW die Verpflichtung zu gewährleisten, dass mindestens eine Person vor Ort in der Spielhalle die Aufsicht führt und der Zutritt zu der Spielhalle erst ab Vollendung des 21. Lebensjahres gestattet wird, ab 1. April 2023 auch für Spielhallen besteht, denen ein Zertifikat nach § 5 NSpielhG noch nicht durch eine akkreditierte Prüforganisation erteilt worden ist, und die Antragstellerin deshalb bei unveränderter Praxis ab diesem Zeitpunkt mit der Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens rechnen muss. Hiervon ausgehend kann ihr die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht unter Verweis auf die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens versagt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.4.2003 - 1 BvR 2129/02 -, juris Rn. 14). Die Vorwegnahme eines Hauptsacheverfahrens ist zulässig, denn es bestehen zugunsten der Antragstellerin - wie dargelegt - hohe Erfolgsaussichten und es kann ihr nicht zugemutet werden, die Klärung in einem Hauptsacheverfahren abzuwarten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG, wobei wegen der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache eine Reduzierung des Streitwerts für das vorläufige Rechtsschutzverfahren nicht erfolgt (vgl. Ziffer 1.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, abgedruckt in NVwZ-Beilage 2013, 57) und die danach gebildeten Einzelstreitwerte der beiden Spielhallen gemäß § 39 Abs. 1 GKG zu addieren sind.