Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 07.07.2014, Az.: 2 B 211/14

Angehörigendarlehen; Ausbildungsförderung; Vermögen; Darlehen zwischen Angehörigen; Genehmigung; Familiengericht; Rechtsmissbrauch

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
07.07.2014
Aktenzeichen
2 B 211/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 42516
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Eine Darlehensabrede, die ein minderjähriges Kind mit einem Elternteil ohne die Genehmigung des Familiengerichts trifft, ist zivilrechtlich unwirksam.

Gründe

Die 1990 geborene Antragstellerin studiert seit dem Wintersemester 2011/2012 an der Antragsgegnerin die Fächer Erdkunde und Französisch auf Lehramt. Sie beantragte am 26. September 2011, 23. Mai 2012 und 17. Februar 2014 jeweils Ausbildungsförderungsleistungen bei dem namens und im Auftrage der Antragsgegnerin handelnden Studentenwerk Göttingen. Bei diesen Anträgen gab sie jeweils an, Vermögen über dem gesetzlichen Freibetrag nicht zu haben. Daraufhin erhielt die Antragstellerin von der Antragsgegnerin zunächst Ausbildungsförderungsleistungen unter Anrechnung eines geringen Betrages elterlichen Einkommens.

Durch Mitteilung nach § 45 d EStG des Bundesamtes für Finanzen vom 20. November 2012 erfuhr die Antragsgegnerin davon, dass die Antragstellerin im Jahr 2011 einen Freistellungsauftrag in Höhe von 132,00 Euro bei der Demir Halk Bank in Düsseldorf in Anspruch genommen hatte. Auf Nachfrage teilte die Antragstellerin mit, sie habe bei dieser Bank ein Guthaben in Höhe von 20.650,00 Euro besessen. Dieses Guthaben habe sie am 28. Juni 2011 an ihren Vater überwiesen. Das Guthaben habe aus zwei Überweisungen bestanden, die ihr Vater am 11. (in Höhe von 11.500,00 Euro) und 16. Dezember 2008 (in Höhe von 10.000,00 Euro) zu ihren Gunsten vorgenommen habe. Sie habe dieses Geld an ihren Vater zurückgezahlt, weil es sich um ein Darlehen gehandelt habe, das ihr Vater ihr für eine größere Anschaffung gegeben habe, zu der es dann aber nicht gekommen sei.

Mit Bescheid vom 30. September 2013 nahm die Antragsgegnerin daraufhin die ergangenen Bescheide für die Bewilligungszeiträume Oktober 2011 bis August 2013 zurück und forderte von der Antragstellerin zu viel geleistete Beträge in Höhe von 10.012,00 Euro zurück. Zur Begründung gab sie an, die Antragstellerin habe mindestens grob fahrlässig die Angabe des Vermögensbetrages unterlassen, der ihr als solches zuzurechnen sei, auch wenn er im Zeitpunkt der ersten Antragstellung am 26. September 2011 nicht mehr bei ihr vorhanden gewesen sei. Denn die Weggabe des Geldes an ihren Vater sei rechtsmissbräuchlich erfolgt und ausbildungsförderungsrechtlich daher nicht anzuerkennen. Ein Motiv für das vermeintliche Darlehen sei nicht zu erkennen. Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 1. November 2013 Klage (2 A 901/13) erhoben, über die noch nicht entschieden ist.

Auf den Antrag vom 17. Februar 2014 lehnte die Antragsgegnerin die Bewilligung von Ausbildungsförderungsleistungen mit Bescheid vom 30. April 2014 auch für den Zeitraum von Februar 2014 bis April 2015 ab. Die Antragstellerin hat diesen Bescheid mit Schriftsatz vom 17. Mai 2014 in das laufende Klageverfahren einbezogen.

Am 10. Juni 2014 hat die Antragstellerin um die Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes nachgesucht. Zur Begründung von Klage und Antrag trägt sie im Wesentlichen vor, sie habe am 28. Juni 2011 durch die Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 20.650,00 Euro an ihren Vater lediglich eine ihm gegenüber bestehende Darlehensverbindlichkeit getilgt. Er habe ihr dieses Darlehen im Dezember 2008 für eine größere Anschaffung gegeben, zu der es dann aber nicht gekommen sei.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig Ausbildungsförderungsleistungen in gesetzlicher Höhe zu bewilligen,

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie vertieft die Begründung ihres Bescheides vom 30. September 2013 und weist insbesondere darauf hin, dass die angebliche Darlehensabrede unklar sei. Wenn das Darlehen für eine größere Anschaffung gedacht gewesen sei, die sich zerschlagen habe, sei nicht zu erklären, warum die Rückzahlung erst knapp drei Jahre nach Bewilligung erfolgt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg, denn er ist unbegründet.

Einstweilige Anordnungen zur (vorläufigen) Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses, wie sie die Antragstellerin begehrt, sind gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dies setzt einen Anordnungsgrund, die Dringlichkeit der Anordnung betreffend, und einen Anordnungsanspruch, die inhaltliche Notwendigkeit gerichtlicher Hilfe, mithin das Bestehen des behaupteten Anspruchs, voraus. Beides ist gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft zu machen. Der Antragstellerin ist es nicht gelungen, einen Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen.

Die Antragstellerin hat, wie die Antragsgegnerin zu Recht mit Bescheid vom 30. April 2014 entschieden hat, einen Anspruch auf Bewilligung von Ausbildungsförderungsleistungen derzeit voraussichtlich nicht.

Nach der von der Kammer geteilten (vgl. zuletzt Urteil vom 07.08.2012 -2 A 153/11-) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 14.03.2013 -5 C 10/12-, NVwZ-RR 2013, 689 und vom 13.01.1983 – 5 C 103/80 – DVBl. 1983, 846) handelt der Auszubildende grundsätzlich rechtsmissbräuchlich, wenn er im Hinblick auf eine konkret geplante oder schon begonnene Ausbildung, für die Ausbildungsförderung in Anspruch genommen werden soll, um eine Anrechnung von Vermögen zu vermeiden, Vermögen an einen Dritten unentgeltlich überträgt, ohne eine dessen Wert entsprechende Gegenleistung zu bekommen, anstatt es für seinen Lebensunterhalt und seiner Ausbildung einzusetzen. Hierauf beruht die Fragestellung in Zeile 121 des amtlichen Antragsvordrucks für die Bewilligung von Ausbildungsförderungsleistungen. Ein gewichtiges Indiz für die Absicht des Auszubildenden, durch die Vermögensübertragung eine Anrechnung von Vermögen zu vermeiden, liegt vor, wenn die Vermögensübertragung zeitnah zur Beantragung von Ausbildungsförderung erfolgt (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.03.2013, a.a.O.; Bayrischer VGH, Urteil vom 28.01.2009 -12 B 08.824-, zitiert nach Juris). Danach ist Voraussetzung für die Annahme des Rechtsmissbrauchs ein ziel- und zweckgerichtetes, finales Handeln des Auszubildenden, mit dem alleinigen Ziel, in den Genuss von Ausbildungsförderungsleistungen zu gelangen. Gibt es für die Verfügung über die Forderung und / oder den Verbrauch der angelegten Gelder eine nachvollziehbare, wirtschaftlich sinnvolle Begründung, scheidet die Annahme eines Rechtsmissbrauches aus. Ohne Erfolg beruft sich die Antragstellerin hier auf eine Darlehensvereinbarung zwischen ihr und ihrem Vater.

Für die Frage, ob ein behauptetes Darlehen rechtlich anzuerkennen ist, ist allein maßgeblich, ob ein Darlehensvertrag zivilrechtlich wirksam abgeschlossen worden ist und dies von dem insoweit darlegungspflichtigen Auszubildenden auch nachgewiesen werden kann. Weil und soweit der für den Auszubildenden förderungsrechtlich günstige Umstand, ob und in welchem Umfang er Schulden hat, seine Sphäre betrifft, obliegt ihm bei der Aufklärung der erforderlichen Tatsachen eine gesteigerte Mitwirkungspflicht; die Nichterweislichkeit der Tatsachen geht zu seinen Lasten. Um der Gefahr des Missbrauchs zu begegnen, ist Voraussetzung für die Annahme einer Darlehensabrede zwischen nahen Angehörigen, dass sich die Darlehensgewähr auch anhand der tatsächlichen Durchführung klar und eindeutig von einer verschleierten Schenkung oder einer verdeckten, auch freiwilligen Unterhaltsgewährung abgrenzen lässt (BVerwG, Urteil vom 04.09.2008 – 5 C 30.07DVBl. 2009, 125). Die Darlehensvereinbarung zwischen der Antragstellerin und ihrem Vater ist weder zivilrechtlich wirksam noch aufgrund der unklaren Durchführung der Vereinbarung von einer verschleierten Schenkung abzugrenzen.

Da die Zahlung der Darlehenssumme auf das Konto der Antragstellerin am 11. und 16. Dezember 2008 erfolgte und der Erfüllung einer Darlehensgewährungspflicht ihres Vaters dienen sollte, behauptet die Antragstellerin den Abschluss eines Darlehensvertrages vor den Zeitpunkten der Einzahlungen auf ihr Konto. Zu diesem Zeitpunkt war sie noch minderjährig, da sie ihr 18. Lebensjahr erst am 29. Dezember 2008 vollendete. Zu diesem Zeitpunkt konnte sie rechtlich einen Darlehensvertrag mit ihrem Vater nicht wirksam schließen. Dem steht nicht allein das – durch nachträgliche Genehmigung außer Kraft zu setzende – Verbot des Insichgeschäfts nach § 181 BGB entgegen, sondern vor allem die Regelungen in §§ 1643 Abs. 1 i.V.m. 1822 Nr. 8 BGB. Gemäß § 1643 Abs. 1 BGB bedürfen die Eltern zu Rechtsgeschäften für das Kind der Genehmigung des Familiengerichts in den Fällen, in denen nach § 1821 und nach § 1822 Nr. 1, 3, 5, 8 bis 11 ein Vormund der Genehmigung bedarf. Gemäß § 1822 Nr. 8 BGB bedarf der Vormund der Genehmigung des Familiengerichts zu Aufnahme von Geld auf den Kredit des Mündels. Wenn also das minderjährige Kind mit einer Kreditverbindlichkeit belastet werden soll, bedarf es also einer familiengerichtlichen Genehmigung. Ohne diese ist das Rechtsgeschäft unwirksam. Eine solche vermag die Antragstellerin nicht vorzulegen, behauptet sie auch nicht. Der Vertrag war und ist damit zivilrechtlich unwirksam und damit ausbildungsförderungsrechtlich unbeachtlich (vgl. zu einem ähnlichen Fall, VG Chemnitz, Urteil vom 25.05.2009 -4 K 285/05-).

Die angebliche Darlehensabrede ist auch nicht klar und eindeutig. Unklar ist, worauf auch die Antragsgegnerin abstellt, wieso die Rückzahlung des Darlehens erst 2011 erfolgt. Das Darlehen war nach Aussage der Antragstellerin für eine größere Anschaffung gedacht, die die Antragstellerin dann aber nicht weiter verfolgt haben will. Zunächst bleibt völlig unklar, was die Antragstellerin hat anschaffen wollen. Nachdem sich diese Anschaffungsabsicht zerschlagen hatte, hätte die Antragstellerin Gründe dafür darlegen müssen, dass, und vor allem warum, dieser Prozess drei Jahre gedauert hat. Derartige vernünftige und nachvollziehbare Gründe vermochte sie nicht darzulegen. Sie hat darüber hinaus auch nicht plausibel machen können, wieso sie auf die vermeintliche Darlehensgewährung in Höhe von 21.500,00 Euro lediglich 20.650,00 Euro hat zurückzahlen müssen. Wenn sie insoweit ausführt, dies habe sie allein der Großzügigkeit ihres Vaters zu verdanken, spricht dies insgesamt vielmehr eher für einen Schenkungsvorgang als für ein Darlehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.