Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 24.07.2014, Az.: 1 A 221/12

Abwehranspruch; Bindungswirkung; Eigentumsstörung; Pflichtverletzung; Prüfungsumfang; Rechtsweg; Verantwortlichkeit; Verweisung

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
24.07.2014
Aktenzeichen
1 A 221/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 42528
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Bindungswirkung einer Verweisung gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG gilt auch dann, wenn das verweisende Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg zu Unrecht für unzulässig erklärt und deswegen die Verweisung an einen anderen Gerichtszweig ausgesprochen hat; das Adressatgericht übernimmt die Rechtsschutzfunktion, die an sich das verweisende Gericht wahrzunehmen gehabt hätte.
2. Dem Eigentümer eines Grundstücks, von dem durch Naturereignisse ausgelöste Störungen ausgehen, sind diese Beeinträchtigungen nur zuzurechnen, wenn er sie durch eigene Handlungen ermöglicht hat oder wenn die Beeinträchtigung durch ein pflichtwidriges Unterlassen herbeigeführt worden ist.

Tatbestand:

Mit der Klage begehrt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Abwendung von auf sein Grundstück einwirkenden Störungen.

Der Kläger ist gemeinsam mit seiner Ehefrau Eigentümer des Grundstücks C. D., das im Ortsteil K. der Beklagten (Gemarkung K., Flur L. Flurstück M.) gelegen ist. Das Grundstück liegt in Hanglage zwischen der von Nordwesten nach Südosten verlaufenden Bundesstraße N. (O.) und der zu dieser südwestlich und oberhalb etwa parallel verlaufenden C.. Es grenzt unmittelbar an die O. an, während es mit der C. über einen knapp 30 Meter langen, geschotterten Stichweg verbunden ist, der im Eigentum der Beklagten steht (Flurstück P.). Die Baugenehmigung für das Einfamilienhaus des Klägers wurde am 14.02.2003 erteilt. Sie sah eine Zufahrt von der nordöstlich gelegenen Bundesstraße aus vor, die auch geschaffen wurde und weiterhin existiert. Dagegen wurde von der ursprünglichen Planung Abstand genommen, in diesem Bereich zwei Kfz-Einstellplätze einzurichten. Im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens hatte die Beklagte in einer Stellungnahme angemerkt, „über die Nutzung des städtischen Privatgrundstücks Flurstück P. als Zuwegung“ seien gesonderte Vereinbarungen notwendig. Zu solchen Vereinbarungen kam es jedoch nicht. Im März 2008 beantragte der Kläger den Neubau eines Doppelcarports auf seinem Grundstück, der von der C. aus über das im Eigentum der Beklagten stehende Grundstück angefahren werden sollte. Am 26.03.2008 wurde die Baugenehmigung für den Carport erteilt.

Nach mehreren Gesprächen teilte der Kläger der Beklagten mit Schreiben vom 17.06.2010 mit, sein Grundstück werde bei Regen aufgrund der fehlenden Regenwasserentsorgung vom oberhalb liegenden städtischen Grundstück her verschmutzt und seine Pflasterfläche werde unterspült. Gleichzeitig bat er die Beklagte, Maßnahmen zu ergreifen, um dies abzustellen. Die Beklagte sagte daraufhin zu, im Bereich der C. südlich und oberhalb des Grundstücks des Klägers an der Einmündung eines Feldwegs eine Entwässerungsrinne einzubauen. Weitere Maßnahmen lehnte sie mit Schreiben vom 18.04.2011 ab.

Mit Schreiben vom 08.06.2011 und vom 02.08.2011 führte der Kläger durch seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten aus, bei normalen längeren Regenfällen würden Kies, Dreck und erhebliche Mengen an Matsch auf seine Einfahrt und bis zum ca. 30 Meter entfernten Carport gespült. Außerdem sei das städtische Grundstück so stark ausgespült, dass schwere Steine freigelegt worden seien, die ein problemloses Überfahren verhinderten. Hierin lägen unzumutbare Eigentumsbeeinträchtigungen gemäß § 1004 BGB. Die von der Beklagten ergriffenen Maßnahmen im Bereich des Feldwegs hätten nicht zum Erfolg geführt. Nach einem Regenschauer im September 2010 habe ein Mitarbeiter der Beklagten die Örtlichkeit besichtigt und Abhilfe zugesagt. Geschehen sei jedoch nichts. Die Beklagte habe durch geeignete Vorkehrungen - z. B. das Teeren des Wegs - dafür zu sorgen, dass die Eigentumsbeeinträchtigung in Zukunft unterbleibe. Er sei nicht zur Duldung verpflichtet, wenn mit dem wild abfließenden Wasser auch Schlamm in einem Maß übertrete, das über die natürliche Verschmutzung des Wassers hinausgehe. Die Beklagte teilte unter dem 30.06.2011 mit, das Wegegrundstück sei nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmet und damit keine öffentliche Straße. Vielmehr stehe es in ihrem privaten Eigentum, sodass keinerlei Ausbau- oder Unterhaltungsverpflichtungen beständen. Vereinbarungen über die Nutzung als Zufahrt existierten gleichfalls nicht. Das bloße Dulden des Befahrens führe nicht dazu, dass sie verpflichtet sei, das Grundstück in einen hierfür geeigneten Zustand zu versetzen. Die Nutzung durch den Kläger könne auch jederzeit untersagt werden. Der Kläger sei verpflichtet, das vom Flurstück P. wild abfließende Wasser aufzunehmen.

Am 04.05.2012 hat der Kläger vor dem Landgericht Q. Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, das Flurstück P. sei im Zusammenhang mit der Verlegung von Versorgungsleitungen zu seinem Haus aufgebaggert, jedoch nicht wieder ordnungsgemäß verschlossen worden. Seine Nutzungsberechtigung für den Weg habe zu keiner Zeit in Zweifel gestanden und sei durch die Baugenehmigung bestätigt worden. Schon vor Jahrzehnten habe es eine Einigung zwischen seinen Eltern und der Beklagte über das Wegerecht und die Nutzung gegeben, die durch Zahlung einer Geldsumme dokumentiert worden sei. Im Übrigen wiederholt der Kläger seinen Vortrag zur Beeinträchtigung seines Grundstücks bei Regen durch das Abschwemmen von Kieselsteinen, Erde, Dreck und Matsch und führt ergänzend aus, bei dem Weg handele es sich um einen Notweg. Für das vorgerichtliche Verfahren seien Rechtsanwaltskosten in Höhe von 775,64 Euro entstanden, die im Wege des Schadensersatzes zu erstatten seien.

Mit Verweisungsbeschluss vom 27.07.2012 hat das Landgericht Q. das Verfahren an das Verwaltungsgericht Göttingen verwiesen; auf die Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihre städtische Fläche Gemarkung K., Flur L. Flurstück P., von der C. bis zu seinem Grundstück (Flurstück M.) so zu befestigen, dass bei Regenfällen nicht mehr durch das Oberflächenwasser Schlamm, Steine und andere Erdbestandteile auf sein Eigentum geschwemmt werden, sowie

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 775,64 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie teilt mit, es gebe mehrere vergleichbare Wegeflächen, von denen keine zum öffentlichen Verkehr gewidmet sei. Vereinbarungen über die Nutzung dieser Flächen gebe es nicht, die Beklagte dulde die Nutzung jeweils nur. Eine Zusage von Maßnahmen sei nicht gemacht worden. Es sei unzutreffend, dass die Fläche im Rahmen des Anschlusses des Grundstücks des Klägers an die öffentlichen Versorgungsleitungen so verändert worden sei, dass bei Regenfällen Schlamm auf das Grundstück geschwemmt werde. In einem solchen Fall läge die Verantwortung für die Durchführung der Arbeiten auch bei den Versorgungsunternehmen. Im Übrigen werde das Abspülen von Schlamm und Steinen auf das Grundstück des Klägers bestritten. Die auf den Lichtbildern sichtbaren Steine würden vielmehr beim Befahren mit Kraftfahrzeugen durch deren Bereifung mitgeführt. Die Verdichtung der Wegefläche durch das Befahren verhindere das Versickern von Oberflächenwasser.

Das Gericht hat am 28.05.2014 mündlich verhandelt; insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen. Auf eine weitere mündliche Verhandlung haben die Beteiligten verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, den Verwaltungsvorgang der Beklagten und die Bauakten des Landkreises R. Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne (weitere) mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die Klage ist zulässig. Zwar ist der vom Kläger geltend gemachte Abwehranspruch nicht öffentlich-rechtlicher, sondern bürgerlich-rechtlicher Natur. Das Gericht ist jedoch an den Verweisungsbeschluss des Landgerichts Q. gebunden.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts Q. in seinem Verweisungsbeschluss und der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 19.06.2014 begehrt der Kläger mit der Klage nicht eine - nach öffentlichem Baurecht zu bewertende - Erschließung seines Grundstücks, sondern ausschließlich die Abwehr von Beeinträchtigungen, die von dem oberhalb liegenden Grundstück der Beklagten auf sein Grundstück einwirken. Bereits in den Schriftsätzen vom 08.06. und vom 02.08.2011 wird auf eine Eigentumsbeeinträchtigung abgestellt und § 1004 BGB als Rechtsgrundlage für einen möglichen Anspruch des Klägers genannt. Im Klageverfahren setzt sich dieser Vortrag fort (Klageschrift Seite 5 Mitte; Schriftsatz vom 11.05.2012 Seite 1). Demgegenüber hat der Kläger bei der Beklagten keinen Antrag auf Erschließung seines Grundstücks gemäß §§ 123 ff. BauGB gestellt und auch einen entsprechenden Anspruch nicht formuliert. Angesichts dessen merkt das Gericht lediglich ergänzend an, dass ein Rechtsanspruch auf Erschließung gemäß § 123 Abs. 3 BauGB nicht besteht und sich die allgemeine Erschließungslast der Beklagten bereits deshalb nicht (im Sinne einer Ermessensreduzierung „auf null“) zu einer einklagbaren Erschließungspflicht verdichtet haben dürfte, weil es sich um eine Zweiterschließung handeln würde (vgl. BayVGH, Urteil vom 22.10.1997 - 8 B 96.1820 -, juris). Das Grundstück des Klägers ist nämlich bereits über die nordöstlich verlaufende O. ordnungsgemäß erschlossen.

Die vom Kläger geltend gemachten Beeinträchtigungen haben ihren Anknüpfungspunkt auch nicht in einem hoheitlichen Handeln oder Unterlassen der Beklagten, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt keine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt. Ein im öffentlichen Recht begründeter Anspruch könnte nur bestehen, wenn die Beeinträchtigungen von einer Anlage oder Einrichtung ausgehen würden, die ein Träger öffentlicher Gewalt öffentlichen Zwecken gewidmet hat oder schlicht hoheitlich betreibt (BVerwG, Urteil vom 19.01.1989 - 7 C 77/87 -, BVerwGE 81, 197; BGH, Urteil vom 05.02.1993 - V ZR 62/91 -, BGHZ 121, 248; BayVGH, Beschluss vom 02.02.2004 - 22 B 03.2451 -, NVwZ-RR 2004, 468). Konstitutives Merkmal einer öffentlichen Einrichtung ist eine - zumindest konkludent erfolgte - Widmung, die den öffentlichen Nutzungszweck bestimmt und den jeweiligen Benutzerkreis festlegt (BayVGH, Beschluss vom 02.02.2004, a.a.O., m.w.N.). An einer solchen Widmung des Flurstücks P. der Beklagten fehlt es hier.

Entgegen der vom Kläger geäußerten Auffassung ist das Flurstück P. nicht Teil der oberhalb seines Grundstücks verlaufenden, zum öffentlichen Verkehr gewidmeten C.. Die Beklagte hat im Gerichtsverfahren einen Auszug aus ihrem Straßenbestandsverzeichnis eingereicht, wonach der westliche Anfangspunkt der etwa 900 Meter langen C. an das zur O. gehörende Flurstück S. der Flur T. der Gemarkung K. anschließt. Als Endpunkt wird die „Verlängerung der Grundstücksgrenze Flur T. Flurst. U. zum Flurst. V. Flur 16“ bezeichnet. Das hierdurch gekennzeichnete Straßengrundstück ist nicht weiter unterteilt und trägt nach dem beigefügten Lageplan die Flurstücksnummer W.. Die von ihm abzweigenden, als Wege bezeichneten Flurstücke sind nach der Definition des Straßenbestandsverzeichnisses nicht Teil der C.. Auf Anfrage des Gerichts hat die Beklagte dies dadurch verdeutlicht, dass sie beispielhaft dargelegt hat, in welcher Weise ein dem Straßengrundstück zuzuordnender Stichweg im Straßenbestandsverzeichnis gekennzeichnet ist (Gerichtsakte Blatt 62 f.). Eine derartige Kennzeichnung ist für das Flurstück P. nicht erfolgt, sodass es nicht Bestandteil einer dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Wegefläche ist.

Bei dem Flurstück P. handelt es sich auch nicht um einen bereits vor Inkrafttreten des Niedersächsischen Straßengesetzes (NStrG) öffentlich genutzten und damit „tatsächlich öffentlichen Weg“. Selbst wenn es sich in der Vergangenheit um einen solchen Weg gehandelt haben sollte, so wäre dies mit der Schaffung des Straßenbestandsverzeichnisses nach dem 31.12.1983 nicht mehr der Fall gewesen, da das Flurstück in diesem Verzeichnis nicht als öffentliche Straße ausgewiesen ist und daher als aufgehoben und eingezogen gelten würde (§ 63 Abs. 5 Satz 2 NStrG, gültig bis zum 31.12.2004).

Das Flurstück P. ist somit weder ausdrücklich noch konkludent dem öffentlichen Verkehr gewidmet, sodass die Gemeinde in Bezug auf dieses Grundstück nicht in behördlicher Funktion, sondern nur als Grundeigentümerin tätig wird. Nach alledem handelt es sich nicht um einen öffentlich-rechtlichen, sondern um einen bürgerlich-rechtlichen Streit, sodass der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Q. zu Unrecht erfolgt ist. Ungeachtet dessen ist diese Verweisung gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG hinsichtlich des Rechtswegs bindend; diese Bindungswirkung gilt auch dann, wenn das verweisende Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg zu Unrecht für unzulässig erklärt und deswegen die Verweisung an einen anderen Gerichtszweig ausgesprochen hat (BVerwG, Urteil vom 06.06.1967 - IV C 216.65 -, BVerwGE 27, 170). Infolge der bindenden Verweisung des Rechtsstreits in den Verwaltungsrechtsweg übernimmt das erkennende Gericht als „Adressatgericht“ die Rechtsschutzfunktion, die an sich das verweisende Gericht wahrzunehmen gehabt hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.06.1967, a.a.O.; Hess. VGH, Urteil vom 20.03.1996 - 1 UE 3234/94 -, juris m.w.N.). Prozessual hat dies zur Folge, dass diejenige Klage– und Verfahrensart gewählt werden muss, die am meisten dem Rechtsschutzbegehren des Klägers entspricht (BVerwG, Urteil vom 06.06.1967, a.a.O.). Dies ist hier die allgemeine Leistungsklage, denn der Kläger begehrt von der Beklagten ein tatsächliches Handeln, um künftige Beeinträchtigungen seines Eigentums abzuwehren. Weil das Gericht über die Klage nach der für die Verwaltungsgerichte geltenden Prozessordnung zu entscheiden hat, gilt bei seiner Prüfung nach § 86 Abs. 1 VwGO der Grundsatz der Amtsermittlung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 02.07.1982 - 3 B 30/82 -, Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 213). Materiell-rechtlich hat die Verweisung zur Folge, dass das erkennende Gericht die zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen und vorliegend insbesondere die Voraussetzungen der §§ 903, 1004 BGB wie ein ordentliches Gericht prüfen muss (BVerwG, Urteil vom 06.06.1967, a.a.O; Hess.VGH, Urteil vom 20.03.1996, a.a.O.)

Die Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch wegen einer Eigentumsbeeinträchtigung.

Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Eine Beeinträchtigung des Grundstücks des Klägers liegt hier nach den von ihm eingereichten Fotos darin, dass bei stärkeren bzw. länger andauernden Regenfällen Kies und Schlamm vom Flurstück P. der Beklagten auf sein Grundstück gespült werden. Soweit die Beklagte dies anders bewertet, teilt das Gericht ihre Ansicht nicht.

Entgegen der Auffassung der Beklagten wird ein möglicher Abwehranspruch des Klägers aus § 1004 BGB nicht durch § 39 Abs. 2 Nr. 2 des Nds. Nachbarrechtsgesetzes eingeschränkt. Danach dürfen Grundstückseigentümer den Zufluss wild abfließenden Wassers von anderen Grundstücken auf ihr Grundstück nicht verhindern, wenn dadurch die anderen Grundstücke erheblich beeinträchtigt werden. Vorliegend wendet sich der Kläger nicht gegen den Abfluss von Niederschlagswasser, sondern gegen den Eintrag von Kies und Schlamm auf sein Grundstück, der über eine natürliche Verschmutzung des abfließenden Regenwassers hinausgeht. Einen derartigen Fall erfasst § 39 Abs. 2 Nr. 2 des Nds. Nachbarrechtsgesetzes nicht.

Bei der vom Kläger geltend gemachten Beeinträchtigung handelt es sich auch nicht um eine ganz unerhebliche Störung, die einen schutzwürdigen Abwehranspruch ausschließen könnte (vgl. BGH, Urteil vom 02.03.1984 - V ZR 54/83 -, BGHZ 90, 255). Da der Kläger nicht die Beseitigung einer Verschmutzung, sondern Maßnahmen zum Schutz vor künftig drohender gleichartiger Beeinträchtigung begehrt, ist für die Frage der Erheblichkeit der Störung der Umfang einer in Zukunft zu befürchtenden Einwirkung maßgebend. Hierfür kann allerdings die frühere Beeinträchtigung einen Anhalt bieten (BGH, Urteil vom 02.03.1984, a.a.O.). Nach den vom Kläger eingereichten Fotos, die den Umfang vergangener Störungen erkennen lassen, ist auch für die Zukunft von nicht völlig unerheblichen Beeinträchtigungen auszugehen.

Ein Abwehranspruch setzt jedoch voraus, dass die Beklagte für eine künftige Beeinträchtigung des Klägers durch Anschwemmung von Schlamm und Kies als Störerin verantwortlich ist. Dazu reicht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der bloße Umstand des Eigentums an demjenigen Grundstück, von dem die Einwirkung ausgeht, nicht aus. Die Beeinträchtigung muss vielmehr wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers zurückgehen. Daher sind dem Eigentümer des Grundstücks, von dem durch Naturereignisse ausgelöste Störungen ausgehen, diese Beeinträchtigungen nur zuzurechnen, wenn er sie durch eigene Handlungen ermöglicht hat oder wenn die Beeinträchtigung erst durch ein pflichtwidriges Unterlassen herbeigeführt worden ist (BGH, Urteil vom 02.03.1984, a.a.O.; Urteil vom 12.02.1985 - VI ZR 193/83 -, NJW 1985, 1773; Urteil vom 18.04.1991 - III ZR 1/90 -, BGHZ 114, 183; vgl. auch Brandenburgisches OLG, Urteil vom 15.05.2012 - 2 U 26/11 -, juris). Vollziehen sich Schädigungen oder Belästigungen aus Naturereignissen lediglich über ein Nachbargrundstück, ohne dass dessen Eigentümer durch Eingriffe in das Grundstück diese Gefahr erhöht oder kanalisiert hat, realisiert sich hierin nur das allgemeine Lebensrisiko des betroffenen Grundstücksnachbarn (BGH Urteil vom 12.02.1985, a.a.O.).

Eingriffe der Beklagten, die den Eintrag von Kies und Schmutz auf das Grundstück des Klägers verursacht oder verstärkt haben könnten, sind vorliegend nicht ersichtlich. Ebenso wenig wird die Beeinträchtigung durch ein pflichtwidriges Unterlassen der Beklagten herbeigeführt. Der Kläger trägt insoweit vor, Ursache für das Abschwemmen der ihn belästigenden Mineralstoffe sei der Umstand, dass das Grundstück der Beklagten nicht ordnungsgemäß wiederhergestellt worden sei, nachdem es zum Zweck der Verlegung von Versorgungsleitungen zu seinem Wohnhaus geöffnet und danach wieder verschlossen worden sei. Weitere Tatsachen zur Begründung dieser Behauptung trägt der Kläger nicht vor. Sein Vorbringen erfolgt „ins Blaue hinein“ und wird in keiner Weise durch ergänzende Angaben untermauert, sodass das Gericht der diesbezüglichen Beweisanregung nicht folgt. Die vom Kläger behauptete Kausalität erscheint dem Gericht ausgeschlossen, weil die Versorgungsleitungen bereits anlässlich des Baus des Wohnhauses des Klägers im Jahr 2003 verlegt wurden. Der Kläger hat seinerzeit nicht gerügt, dass das von ihm als Wegefläche genutzte Grundstück der Beklagten nach der Verlegung der Leitungen nicht ordnungsgemäß wiederhergestellt worden sei. Beeinträchtigungen hat er erst sieben Jahre später im Jahr 2010 geltend gemacht. Er hat in keiner Weise plausibel dargelegt, aus welchen Gründen ein nicht fachgerechtes Verschließen des bereits zuvor unbefestigten Grundstücks nach sieben Jahren nunmehr für das Abschwemmen von Kies ursächlich seien könnte. Wesentlich näher liegend erscheint die Mutmaßung der Beklagten, der Kläger habe die Fläche durch die jahrelange Nutzung zum Befahren mit Kraftfahrzeugen verdichtet und somit in einen Zustand versetzt, der das Abschwemmen von Mineralstoffen auf sein Grundstück begünstigt. Hinzu kommt, dass die seinerzeit durchgeführten Arbeiten nicht durch die Beklagte, sondern (im Interesse des Klägers) durch die Versorgungsunternehmen veranlasst wurden und auch nicht ersichtlich ist, dass der Beklagten die Rechtspflicht oblag, ihre ordnungsgemäße Ausführung zum Schutz der Belange des Klägers zu überwachen. Auch aus diesem Grund sieht das Gericht von einer Beweiserhebung ab.

Des Weiteren kann der Kläger die Beseitigung der Beeinträchtigung durch die Beklagte nicht mit der Begründung verlangen, hinsichtlich der Nutzung ihres Grundstücks bestehe ein Wegerecht. Nach dem Akteninhalt besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass ein Wegerecht in Form einer Grunddienstbarkeit gemäß § 1018 BGB durch Eintragung in das Grundbuch begründet worden ist. Selbst wenn dies jedoch der Fall wäre, könnte der Kläger von der Beklagten keine Unterhaltungsmaßnahmen verlangen, sondern müsste diese selbst durchführen. Gemäß § 1020 Satz 2 BGB hat der Berechtigte, der zur Ausübung der Dienstbarkeit auf einem belasteten Grundstück eine Anlage hält, diese in ordnungsgemäßem Zustand zu erhalten, soweit das Interesse des Eigentümers es erfordert. Unter den Begriff der Anlage entfällt nach der Rechtsprechung auch ein befestigter oder durch ständige Benutzung entstandener unbefestigter Weg (BGH, Urteil vom 17.02.2006 - V ZR 49/05 -, NJW 2006, 1428). Es kann auch dahinstehen, ob - wie der Kläger behauptet - eine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen der Beklagten und seinen Eltern hinsichtlich des Überfahrens der Fläche getroffen worden ist, denn jedenfalls liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass hierdurch hinsichtlich des als Weg genutzten Grundstücks eine Unterhaltungspflicht der Beklagten mitvereinbart worden wäre.

Soweit der Kläger behauptet, bei der Fläche der Beklagten handele es sich um einen Notweg im Sinne von § 917 BGB, würde dies gleichfalls nicht zur Begründung von Abwehransprüchen führen, sondern allenfalls zu einer Duldungspflicht der Beklagten. Im Übrigen handelt es sich nicht um einen Notweg, weil dem Grundstück des Klägers, das nördlich eine Zuwegung zur O. besitzt, nicht die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehlt (§ 917 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Schließlich kann der Kläger sich auch nicht darauf berufen, ein Mitarbeiter der Beklagten habe ihm die begehrten Abwehrmaßnahmen zugesagt. Abgesehen davon, dass sich eine Zusicherung im Sinne von § 38 VwVfG auf den Erlass oder das Unterlassen eines Verwaltungsakts bezieht, während vorliegend ein tatsächliches Handeln begehrt wird, mangelt es insoweit bereits an der notwendigen schriftlichen Form. Aus dem Akteninhalt ist auch nicht ersichtlich, dass ein Mitarbeiter der Beklagten für diese - öffentlich-rechtlich oder bürgerlich-rechtlich - eine bindende Zusage bestimmter Maßnahmen abgeben wollte. Der zwischen den Beteiligten geführte Schriftverkehr spricht vielmehr gegen eine solche Absicht.

Da nach alledem eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht ersichtlich ist und der Kläger einen Abwehranspruch gemäß §§ 903, 1004 BGB nicht mit Erfolg geltend machen kann, kommt auch eine Erstattung seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.