Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 25.07.2014, Az.: 1 B 101/14
Anforderungsprofil; Beamtenrecht; Begrenzung; Bewerberkreis; Konkurrentenstreitverfahren; Organisationsgewalt
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 25.07.2014
- Aktenzeichen
- 1 B 101/14
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2014, 42530
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 9 BeamtStG
- Art 33 Abs 2 GG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Es steht in der Organisationsgewalt des Dienstherrn, den Bewerberkreis um einen höheren Dienstposten dadurch zu beschränken, dass im Anforderungsprofil das Bekleiden eines Amtes einer bestimmten Besoldungsgruppe vorausgesetzt wird, soweit dies nicht aus sachwidrigen Gründen erfolgt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Besetzung zweier durch die Antragsgegnerin ausgeschriebener Dienstposten der Besoldungsgruppe A 15 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) mit den Beigeladenen.
Die Antragstellerin ist als Stadtamtsrätin (A 12 BBesG) bei der Antragsgegnerin als Leiterin des Fachdienstes Personalwirtschaft beschäftigt. Mit Rundschreiben Nr. 68/2013 vom 09.12.2013 informierte die Antragsgegnerin über eine verwaltungsinterne Ausschreibung von 13 Beamtendienstposten, unter anderem zwei Dienstposten der Besoldungsgruppe A 15 – Leitung des Fachbereichs Personal und Organisation sowie Leitung des Fachbereichs Gebäude und Immobilien. Dem Rundschreiben waren Anforderungsprofile der zwei genannten Dienstposten beigefügt. Als Voraussetzung für die Dienstposten ist unter Nummer B des jeweiligen Anforderungsprofils bestimmt, dass ein Amt mindestens der Besoldungsgruppe A 13 bekleidet sein muss.
Die Antragstellerin, die grundsätzlich die laufbahnrechtlichen Anforderungen erfüllt, bewarb sich auf die beiden ausgeschriebenen Dienstposten. Anlässlich ihrer Bewerbung wurde eine Anlassbeurteilung erstellt. Gegen die Anlassbeurteilung hat die Antragstellerin nach erfolglosem Widerspruch Klage erhoben (1 A 106/14), über die noch nicht entschieden ist.
Durch zwei getrennte Auswahlvermerke vom 05.02.2014 hat die Antragsgegnerin entschieden, die Leitung des Fachbereichs Personal und Organisation mit dem Beigeladenen zu 1. und die Leitung des Fachbereichs Gebäude und Immobilien mit dem Beigeladenen zu 2. zu besetzen. Beide Beigeladene sind die bisherigen Dienstposteninhaber und in der Besoldungsgruppe A 13. Die Antragstellerin wurde nicht berücksichtigt, weil sie die Voraussetzungen des Anforderungsprofils hinsichtlich des Bekleidens eines Amtes mindestens der Besoldungsgruppe A 13 nicht erfülle. In seiner Sitzung vom 16.05.2014 hat der Rat der Antragsgegnerin mit Mehrheit beschlossen, die Beigeladenen zu befördern. Mit zwei unterschiedlichen Schreiben vom 16.05.2014 wurde die Antragstellerin von den beabsichtigten Beförderungen unterrichtet.
Am 17.06.2014 hat die Antragstellerin Klage erhoben und um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht. Sie rügt, dass die zugrunde gelegte Anlassbeurteilung von einem Mitbewerber erstellt wurde. Außerdem sei die Antragstellerin rechtswidriger Weise durch das Erfordernis des Bekleidens eines Amtes mindestens der Besoldungsgruppe A 13 in den Anforderungsprofilen aus dem Bewerberkreis ausgeschlossen worden. Das Qualifizierungskonzept der Antragsgegnerin setze für die Übertragung eines Amtes der Besoldungsgruppe A 14 unter anderem eine mindestens dreijährige Verwendung in einer sonstigen Funktion als Besoldungsgruppe A 12 bei der Antragsgegnerin voraus. Die Voraussetzung des Bekleidens eines Amtes der Besoldungsgruppe A 13 in den Anforderungsprofilen stehe dazu im Widerspruch. Die Antragsgegnerin habe bei der Abfassung der Anforderungsprofile sachfremde Erwägungen angestellt. Die Antragsgegnerin habe gerade eine neu geschaffene A 13-Stelle ausgeschrieben und dadurch gezeigt, dass es ihr jederzeit möglich sei, neu A 13-Stellen zu schaffen.
Die Antragstellerin beantragt,
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die Beigeladenen Herrn I. J. und Herrn L. M. bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung einer gerichtlichen Entscheidung hinsichtlich des Beförderungsbegehrens der Antragstellerin zu befördern und ihnen eine Ernennungsurkunde auszuhändigen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Anträge abzulehnen.
Sie führt aus, die Beschränkung des Bewerberkreises auf Stelleninhaber ab Besoldungsgruppe A 13 solle der Möglichkeit vorbeugen, dass im ungünstigsten Fall alle Bewerber einer niedrigen Besoldungsgruppe im Ausschreibungsverfahren obsiegen könnten und in diesem Fall die derzeitigen Stelleninhaber der Besoldungsgruppe A 13 mangels entsprechender Stellen nicht mehr amtsangemessen beschäftigt werden könnten. Ihre ursprünglichen Stellen wären anderweitig besetzt und es gebe neben diversen freigewordenen Stellen etwa der Besoldungsgruppe A 12 keine freien Stellen der Besoldungsgruppe A 13. Dieses stehe nicht im Widerspruch zum Qualifizierungskonzept der Antragsgegnerin, da allein die Erfüllung der grundsätzlichen laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für die Übertragung eines höherwertigen Amtes noch keine Garantie sei, sich auch im konkreten Fall um ein höherwertiges Amt bewerben zu dürfen. Die neu geschaffene A 13-Stelle gehe aus einer umfassenden Organisationsänderung hervor, die allein im Organisationsermessen der Antragsgegnerin stehe.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Personalakten der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung haben keinen Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Hierzu muss der um Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes Nachsuchende gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. den §§ 920 Abs. 2 und 294 ZPO glaubhaft machen, dass ihm der geltend gemachte materiell-rechtliche Anspruch (Anordnungsanspruch) zusteht und darüber hinaus im Hinblick auf eine ansonsten drohende Rechtsvereitelung oder -erschwerung eine besondere Dringlichkeit der Rechtsschutzgewährung (Anordnungsgrund) zu bejahen ist.
Ein Anordnungsgrund ist hier gegeben. Denn der Antragstellerin droht ohne die Entscheidung des Gerichts ein Rechtsverlust, weil sie im Fall der Beförderung der Konkurrenten in einem späteren Hauptsacheverfahren grundsätzlich keinen effektiven Rechtsschutz gegen die Auswahlentscheidung (Art. 19 Abs. 4 i. V. m. Art. 33 Abs. 2 GG) mehr erlangen kann.
Die Antragstellerin hat aber keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Ein Anordnungsanspruch besteht in Fällen der Konkurrenz von Bewerbern um die Übertragung eines höherwertigen Amtes bzw. Dienstpostens dann, wenn es nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand überwiegend wahrscheinlich ist, dass die von dem Dienstherrn in dem Besetzungsverfahren getroffene Auswahlentscheidung zulasten der Antragstellerin rechtsfehlerhaft ist. Dies ist nicht der Fall, denn die Antragsgegnerin hat zu Recht den Bewerberkreis um die zwei A 15-Stellen eingeschränkt.
Die Auswahl unter den Bewerbern für einen Beförderungsdienstposten beruht auf der Bewertung der durch Art. 33 Abs. 2 GG vorgegebenen persönlichen Merkmale, die in Bezug zu dem Anforderungsprofil des jeweiligen Dienstpostens gesetzt werden. Erst dieser Vergleich ermöglicht die Prognose, dass der in Betracht kommende Beamte den nach der Dienstpostenbeschreibung anfallenden Aufgaben besser als andere Bewerber gerecht und damit auch für ein höherwertiges Statusamt geeignet sein wird. Durch die Bestimmung des Anforderungsprofils eines Dienstpostens legt der Dienstherr aufgrund seiner Organisationsgewalt die Kriterien für die Auswahl der Bewerber fest und prägt dadurch den Maßstab für seine Auswahlentscheidung vor. Die Festlegung des Anforderungsprofils wird vom Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 BeamtStG nicht erfasst. Insbesondere besteht ein Anspruch auf eine möglichst umfassende Offenhaltung des Bewerberfelds durch einen möglichst allgemein gehaltenen Zuschnitt des Bewerbungs- bzw. Anforderungsprofils nicht. Die sehr weite Organisationsbefugnis des Dienstherrn, die Funktion eines Dienstpostens nach Art und Umfang sowie die an den Inhaber zu stellenden Anforderungen festzulegen, setzt der gerichtlichen Überprüfung enge Grenzen. Die Ausübung der Organisationsgewalt kann insoweit allein dahingehend überprüft werden, ob die Festlegung des Anforderungsprofils durch Ermessensmissbrauch maßgebend geprägt ist, ob mithin die Gründe des Dienstherrn seiner tatsächlichen Einschätzung entsprochen haben und nicht nur vorgeschoben sind, um eine in Wahrheit allein oder maßgebend mit auf anderen Beweggründen beruhende Entscheidung zu rechtfertigen (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 17.02.2010 - 5 ME 266/09 -, juris Rn. 18 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Nach diesen Grundsätzen ist die Beschränkung des Bewerberkreises auf Personen, die mindestens ein Amt der Besoldungsgruppe A 13 bekleiden, nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin ist deshalb zu Recht aus dem Bewerberkreis um die Besetzung der beiden Dienstposten ausgeschieden worden. Die Eingrenzung eines Bewerberfelds nach dem innegehabten Amt ist mit Art. 33 Abs. 2 GG grundsätzlich vereinbar und entspricht dem Gedanken des Laufbahnrechts. Die Norm hindert den Dienstherrn nicht, einen bestimmten Status als Mindestvoraussetzung für eine Beförderung vorzuschreiben. Denn jede Beförderung ist auf Grundlage der Eignung, Befähigungen und fachliche Leistung des Beamten vorzunehmen. Mit einer Beförderung werden die dienstlichen Eigenschaften des Beamten förmlich anerkannt und er wird in aller Regel Inhaber eines Amtes mit größerem Verantwortungsbereich und damit aus der Gruppe derjenigen Beamten herausgehoben, die vorher mit ihm das gleiche, geringer eingestufte Amt innehatten. Darüber hinaus gehört es zu den überkommenden Grundlagen des Berufsbeamtentums, dass mit einem höheren Amt auch höhere Dienstbezüge verbunden sind (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 20.09.2007 – 2 BvR 1972/07 –, juris Rn. 17 ff. = ZBR 2008, 167 ff.; Thüringer OVG, Beschluss vom 30.01.2008 - EO 236/07 - juris Rn. 75 ff.). Die Antragsgegnerin durfte damit grundsätzlich in den Anforderungsprofilen der beiden hier im Streit stehenden Dienstposten als Voraussetzung mindestens das Bekleiden eines Amtes nach A 13 festlegen. Da die zu besetzenden A 15-Stellen Spitzenämter der A-Besoldung im früheren höheren Dienst sind, ist die Festlegung auf das Amt A 13 nicht zu beanstanden, denn es handelt sich um das Einstiegsamt des früheren höheren Dienstes und damit um ein plausibles, objektives Abgenzungskriterium.
Der Beschränkung liegen auch keine sachfremden Erwägungen der Antragsgegnerin zugrunde. Das am Statusamt orientierte Kriterium ist ersichtlich nicht allein durch die Beigeladenen erfüllt, sondern eröffnete den Kreis einer Vielzahl von potenziellen Bewerbern. Es sind auch keine Gründe ersichtlich und von der Antragstellerin nicht vorgetragen, dass das Merkmal gezielt ausgewählt wurde, um die Antragstellerin aus dem Bewerberkreis auszuschließen. Vielmehr ist nachvollziehbar, dass die Antragsgegnerin Vorsorge dafür treffen wollte, dass sie die derzeitigen Stelleninhaber im ungünstigsten Fall nicht auf einem nach A 13 bewerteten Dienstposten amtsangemessen hätte beschäftigen können. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin zurzeit einen neu geschaffenen Dienstposten A 13 zur Besetzung ausgeschrieben hat. Die Schaffung von Beförderungsdienstposten steht als organisationsrechtliche Maßnahme in einem weiten organisations- und verwaltungspolitischen Ermessen des Dienstherrn. Dieses Ermessen dient primär nicht dem Interesse des Beamten, sondern ist an dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Aufgabenerfüllung ausgerichtet (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 19.09.2013 – 5 ME 153/13 –, DVBl. 2013, 4073 ff. m. w. N.). Die Antragstellerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin beispielsweise Organisationsänderungen vornimmt und dadurch zusätzliche A 13-Stellen schafft. Auch der Hinweis der Antragstellerin auf das Qualifizierungskonzept der Antragsgegnerin, das die Voraussetzungen für eine Beförderung auf einen Dienstposten A 14 festlegt, führt nicht zum Erfolg ihrer Anträge. Das Qualifizierungskonzept legt die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen fest, nach denen Beamte, die im ersten Einstiegsamt der Laufbahngruppe 2 eingestellt worden sind, überhaupt grundsätzlich nach A 14 befördert werden können (s. dazu § 12 Abs. 2 Niedersächsische Laufbahnverordnung). Da ein Beamter grundsätzlich keinen Anspruch auf Beförderung hat (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. nur Gerichtsbescheid vom 21.09.2005 – 2 A 5/04 –, juris mit zahlreichen weiteren Nachweisen), führt die Erfüllung der laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für einen höherwertigen Dienstposten nicht automatisch dazu, sich auch auf alle ausgeschriebenen Stellen bewerben zu dürfen. Das Laufbahnrecht steht dem Organisationsermessen des Dienstherrn auf Beschränkung einer Ausschreibung nicht entgegen.
Ist die Antragstellerin somit zu Recht aus dem Bewerberkreis um die beiden ausgeschriebenen A 15-Dienstposten ausgeschieden worden, kommt es auf die Rechtmäßigkeit der Anlassbeurteilung nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden nicht für erstattungsfähig erklärt, weil diese keine Anträge gestellt und sich daher nicht am Kostenrisiko beteiligt haben (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG. Dabei orientiert sich die Kammer an § 52 Abs. 5 Satz 4 und Satz 1 Nr. 1 GKG und der Empfehlung in Nr. 10.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Stand: 2013) und legt für ein Hauptsacheverfahren die Summe der für sechs Monate zu zahlenden Bezüge nach Besoldungsgruppe A 15 (6 x 5.807,73 Euro = 34.846,38 Euro) zugrunde. Dieser Wert wird im Hinblick auf den vorläufigen Charakter des Eilrechtsschutzverfahrens halbiert (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs). Da es hier um die Besetzung zweier Stellen geht, wird dieser Wert wieder verdoppelt.