Sozialgericht Hannover
Beschl. v. 04.01.2008, Az.: S 16 KA 469/07 ER
Streit um eine Kostenverteilung nach Erledigung eines Rechtsstreits; Kostenfolgen des Widerspruchs eines Beigeladenen gegen den Rechtsausspruch eines Zulassungsausschusses; Veranlassung zur Durchführung eines Rechtsstreits
Bibliographie
- Gericht
- SG Hannover
- Datum
- 04.01.2008
- Aktenzeichen
- S 16 KA 469/07 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 49366
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGHANNO:2008:0104.S16KA469.07ER.0A
Rechtsgrundlagen
- § 197a SGG
- § 154 Abs. 3 VwGO
Tenor:
Die Kosten trägt die Beigeladene zu 2. Der Streitwert wird auf 20.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Nach Erledigung des Rechtsstreits ist über die Kosten zu entscheiden.
Wer Kostenschuldner ist, richtet sich nach § 197a Sozialgerichtsgesetz i.V.m. §§ 154 ff. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Einzig die übereinstimmende Erledigungserklärung ermöglicht gem. § 161 VwGO noch eine Entscheidung des Gerichts nach billigem Ermessen, wie sie nach der alten Rechtslage der Regelfall für alle Erledigungsarten war (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl. 1998, § 193 Rd.-Nr. 13). Nur in diesem Fall kommt es weiterhin nicht allein auf den vermuteten Verfahrensausgang, sondern auch auf andere Umstände an, die für eine gerechte Verteilung der Kosten von Bedeutung sein können. Neben den Erfolgsaussichten ist auch der Anlass, der für den Rechtsstreit maßgebend war, von Bedeutung. Im Bereich der Kostenentscheidung nach § 161 VwGO kann bedeutsam sein, ob Anlass zur Führung des Rechtsstreits bestand, ob sich die Sachlage während des Rechtsstreits geändert und ob ein Beteiligter einer solchen Änderung sofort durch ein entsprechendes Angebot Rechnung getragen hat. In allen anderen Fällen ist der Verfahrensausgang die einzige Grundlage für die Kostenentscheidung.
Für das Gericht war entscheidend, dass die Beigeladene zu 2. durch ihren Widerspruch gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses Wilhelmshaven vom 09. Mai 2007 die Antragsteller zur Antragstellung veranlasst haben. Die Beigeladene zu 2. kann nicht damit gehört werden, der Antragsgegner hätte seinerseits durch entsprechende Beschlüsse die Durchführung dieses Rechtsstreits verhindern können. Die Widerspruchsführerin hat die Kostenfolgen ihres Widerspruchs zu tragen und kann sich nicht darauf berufen, andere Rechtsträger hätten sich so verhalten müssen, dass ihr, der Beigeladenen zu 2., keine Kosten entstehen. Weiterhin ist der Einwand der Beigeladenen zu 2. unbeachtlich, sie hätte während des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens keinen Antrag gestellt. Dies ist zwar zutreffend, gem. § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO jedoch unbeachtlich. Denn nach dieser Vorschrift können dem Beigeladenen auch dann Kosten auferlegt werden, wenn er Rechtsmittel eingelegt hat. Zwar handelt es sich bei einem Widerspruch, der die Vollziehung eines Verwaltungsaktes hemmt, nicht um ein Rechtsmittel im eigentlichen Sinne, sondern lediglich um einen Rechtsbehelf. Die Einlegung eines Rechtsmittels bewirkt die Verlagerung der Entscheidungskompetenz in die nächst höhere Instanz. Neben diesem sog. Devolutiveffekt hemmen Widersprüche den Eintritt der formellen und materiellen Rechtskraft (Suspensiveffekt). Der Widerspruch der Antragsgegnerin zu 2. hemmte zwar nicht die Rechtskraft sondern lediglich die Vollziehung des Beschlusses des Zulassungsausschusses Wilhelmshaven. Dies ist jedoch für die Folgewirkung des Widerspruchs unerheblich. Durch den Widerspruch wurde die Angelegenheit vor die nächst höhere Instanz (Antragsgegner) gebracht, zudem waren die Antragsteller gehindert, sich auf den Rechtsausspruch des Zulassungsausschusses Wilhelmshaven zu berufen. Nur diese im konkreten Fall gebotene teleologische Auslegung des § 154 Abs. 3 VwGO führt zu einem gerechten Ergebnis. Die Auferlegung der Kosten auf die Antragsteller stünde der Intention des Kostenrechts entgegen, nach der mit Kosten nur diejenigen zu belasten sind, die Veranlassung zur Durchführung des Rechtsstreits gegeben haben oder die mit ihrem Begehren nicht durchgedrungen sind. Die Antragsteller konnten aus dem Widerspruch nicht erkennen, auf welche Gründe sich die Beigeladene zu 2. bezieht. Die Anrufung des Antragsgegners würde für sie keine Entscheidung in einer zeitlich annehmbaren Frist bewirken. Die unmittelbare Antragstellung beim zuständigen Sozialgericht war daher weder willkürlich noch rechtsmissbräuchlich. Der Antragsgegner hat unmittelbar nach Zustellung des Antrags den Antrag der Antragsteller für begründet erklärt. Ein Verhalten, das die Auferlegung der Kosten auf ihn rechtfertigen würde, vermag das Gericht nicht zu erkennen. Insbesondere war er nicht verpflichtet, ausschließlich für die Entscheidung über den Widerspruch in zeitlicher Nähe einen gesonderten Entscheidungstermin anzuberaumen.
Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit § 155 Abs. 2 VwGO. Nach dieser Vorschrift hat derjenige, der eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen Rechtsbehelf zurücknimmt, die Kosten zu tragen. Durch die Rücknahme des Widerspruches wurde der Antrag der Antragsteller auf Anordnung der sofortigen Vollziehung gegenstandslos. Die Kosten für dieses ER-Verfahren sind als unmittelbare Folge des Widerspruches nach dessen Rücknahme zu erstatten.
II.
Der Wert der Gerichtsgebühren richtet sich nach § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) in der z. Zt. der Antragstellung geltenden Fassung. Der Streitwert ist nach der Bedeutung der Sache für die Antragsteller, die sich aus dem Antrag ergibt, nach Ermessen zu bestimmen. Ausgangspunkt ist hiernach das wirtschaftliche Interesse, das die Antragsteller an einem Obsiegen in diesem Antragsverfahren hatten.
Für die Bezifferung des wirtschaftlichen Interesses der Antragsteller an der Genehmigung der überörtlichen Gemeinschaftspraxis fehlt es an genügenden konkreten Anhaltspunkten. Bei Streitigkeiten dieser Art kann nicht auf die für Zulassungsangelegenheiten geltenden Grundsätze abgestellt werden, denn ihnen kommt nicht eine vergleichbare wirtschaftliche Bedeutung wie die statusbildende Genehmigung einer Gemeinschaftspraxis zu. Es sind von den Beteiligten auch keine Schätzungsgrundlagen vorgetragen worden, anhand derer die Einkommensverhältnisse und die Schwierigkeit der Angelegenheit zu quantifizieren wäre. Das Gericht erachtet es deshalb als sachgerecht, dem Grunde nach den Regelstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG zugrunde zu legen. Der vom Gesetz vorgesehene Regelstreitwert i. H. v. 5.000,00 EUR pro Quartal erscheint dem Gericht der Bedeutung der Angelegenheit entsprechend als angemessen. Da es sich vorliegend um ein einstweiliges Rechtschutzverfahren gehandelt hat, hält das Gericht den Ansatz von einem Jahr (vier Quartale) für sachgerecht.