Sozialgericht Hannover
Urt. v. 10.12.2008, Az.: S 54 AS 743/08
Streit um die Übernahme von Umzugskosten nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II); Beurteilung der Angemessenheit von Wohnungskosten; Rückgriff auf die Tabelle des § 8 Wohngeldgesetz bei Unmöglichkeit der Feststellung eines marktüblichen Mietzinses; Notwendigkeit eines Umzugs wegen erheblicher Feuchtigkeitsmängel; Abschluss des Vertrags mit dem Umzugsunternehmer als maßgeblicher Zeitpunkt für die nach § 22 Abs. 3 SGB II erforderliche vorherige Zusicherung
Bibliographie
- Gericht
- SG Hannover
- Datum
- 10.12.2008
- Aktenzeichen
- S 54 AS 743/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 49370
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGHANNO:2008:1210.S54AS743.08.0A
Rechtsgrundlage
- § 22 Abs. 3 SGB II
Fundstelle
- NZS 2009, 291
Tenor:
- 1.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 31.01.2008 sowie des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2008 verpflichtet, den Antrag der Klägerin auf Übernahme der Umzugskosten in die Wohnung L.-Straße 89 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
- 2.
Die Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
- 3.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Übernahme von Umzugskosten.
Die Klägerin bezieht von der Beklagen Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Ursprünglich bewohnte sie eine Mietwohnung in H., W.-weg 19. Nachdem sich in der Wohnung Feuchtigkeitsschäden zeigten, deren Ursache nicht ohne ein Aufstemmen der entsprechenden Wandflächen zu klären gewesen wäre, wurde der Mietvertrag auf Wunsch der Klägerin kurzfristig aufgehoben.
Am 14.01.2008 unterzeichneten die Klägerin und der Eigentümer einer Wohnung in H., L.-Straße 89, Herr Peter F., ein Schriftstück mit der Überschrift "Mietvertrag" und dem folgenden Inhalt: "Zwischen Herrn Peter F. und Frau R. ( ) wird folgender Mietvertrag abgeschlossen: Herr Peter F. vermietet ab dem 15. Februar 2008 die Wohnung H., L.-Straße 89, 6. Etage, bestehend aus 2 Zimmer, Küche, Bad, insgesamt 53 qm. Der Mietzins für diese Wohnung beträgt 309 Euro + 115 Euro Vorauszahlung für Nebenkosten. Der Gesamtbetrag von 424 Euro ist monatlich im Voraus auf das Konto ( ) zu überweisen. Die Mieterin ist verpflichtet, beim Fernsehempfang den Kabelanschluss im Haus zu benutzen. Die Gebühr ist dabei direkt an den Betreiber zu zahlen." Dieses Schriftstück legte die Klägerin der Beklagten einen Tag später zusammen mit einer von Herrn F. ausgefüllten Mietbescheinigung vor, aus der hervorgeht, dass sich die Nebenkosten aus Betriebskosten in Höhe von 65,00 Euro und einer Heizkostenvorauszahlung von 50,00 Euro zusammensetzen.
Mit Bescheid vom 22.01.2008 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen für die Zeit vom 01.02. bis 31.05.2008 unter Berücksichtigung von Unterkunftskosten entsprechend der von der Beklagten angenommenen Miethöchstgrenze von 350,00 Euro.
Am 28.01.2008 beantragte die Klägerin die Übernahme der Mietsicherheit für die neue Wohnung sowie der anfallenden Umzugskosten. Den Umzug könne sie aus gesundheitlichen Gründen selbst nicht durchführen. Weiter teilte sie mit, sie werde umgehend drei Angebote von Umzugsunternehmen einholen.
Mit Bescheid vom 31.01.2008 lehnte die Beklagte die Übernahme der Mietsicherheit ab, da die Anmietung ohne vorherige Rücksprache mit der Beklagten erfolgt sei. Die Umzugskosten könnten nicht übernommen werden, da die Kosten der Unterkunft nicht angemessen seien.
Hiergegen legte die Klägerin am 06.02.2008 Widerspruch ein, den sie im Wesentlichen damit begründete, sie habe mit dem Vermieter am 14.01.2008 noch keinen Mietvertrag abgeschlossen. Das Schriftstück sei ausschließlich zur Vorlage beim Leistungsträger gefertigt worden. Zwischen den Mietparteien werde noch ein gesonderter Mietvertrag geschlossen. Zur Glaubhaftmachung der Tatsache, dass sie einen Umzug selbst nicht durchführen kann, verwies sie auf ein Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. Uwe D. vom 04.02.2008, nach dem sie "momentan aufgrund von psychischer und physischer Dekompensation" nicht in der Lage sei, den Umzug allein zu bewältigen.
Die Klägerin schloss daraufhin einen Speditionsvertrag mit der Firma L. Die Kosten für den Umzug einschließlich Be- und Entladen, Transport sowie De- und Remontage eines großen Kleiderschrankes betrugen 600,00 Euro.
Am 13.02.2008 unterzeichneten die Klägerin und Herr F. einen Mustermietvertrag für die Wohnung in der L.-Straße 89.
Mit Widerspruchsbescheid vom selben Tag wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Die Übernahme der Mietsicherheit und der Umzugskosten sei nur möglich, wenn die Zusicherung zur Kostenübernahme vor Abschluss des Mietvertrages eingeholt werde. Dies sei hier jedoch nicht der Fall. Bei dem Schriftstück vom 14.01.2008 handele es sich um einen wirksam abgeschlossenen Mietvertrag, der den für einen Vertrag notwendigen Mindestinhalt ("essentialia negotii") enthalte. Der Umzug sei auch nicht notwendig gewesen, da die Unterkunftskosten mit 374,00 Euro (Kaltmiete einschließlich Nebenkosten ohne Heizkosten) die Mietobergrenze für die Stadt H. von 350,00 Euro für eine Person überschreite. Dem vorgelegten ärztlichen Attest komme keinerlei Beweiswert zu, da es zu pauschal sei.
Die Klägerin hat am 07.03.2008 Klage erhoben, mit der sie nur den Antrag auf Übernahme der Umzugskosten weiterverfolgt. Sie wiederholt im Wesentlichen die Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren und ergänzt, dem Vermieter und ihr sei bei der Unterzeichnung des Schriftstücks am 14.01.2008 klar gewesen, dass zunächst die Kosten von der Beklagten genehmigt werden müssten.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 31.01.2008 sowie den Widerspruchsbescheid vom 13.02.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze, den weiteren Inhalt der Gerichtsakte, auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der Beratung und Entscheidung.
Entscheidungsgründe
1.
Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Übernahme der Speditionskosten ist § 22 Abs. 3 SGB II. Danach können Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Leistungsträger übernommen werden; eine Mietkaution kann bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger übernommen werden (Satz 1). Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den Leistungsträger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann (Satz 2).
a)
Die von der Klägerin angemietete Wohnung in der L.-Straße 89 in H. ist angemessen.
Die Angemessenheit der Wohnungskosten ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urt. v. 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R -) in mehreren Schritten zu prüfen: Zunächst bedarf es der Feststellung, welche Größe die vom Hilfebedürftigen bzw. von der Bedarfsgemeinschaft gemietete Wohnung aufweist; d.h. zu ermitteln ist die Quadratmeterzahl der im Streitfall konkret betroffenen Wohnung. Bei der Wohnungsgröße ist jeweils auf die landesrechtlichen Richtlinien über die soziale Wohnraumförderung abzustellen. Nach Feststellung der Wohnraumgröße ist als weiterer Faktor der Wohnungsstandard zu berücksichtigen. Angemessen sind nämlich die Aufwendungen für eine Wohnung nur dann, wenn diese nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist. Als räumlicher Vergleichsmaßstab ist in erster Linie der Wohnort des Hilfebedürftigen maßgebend. Die Prüfung der Angemessenheit ist aber nicht nur auf der Grundlage der marktüblichen Wohnungsmieten abstrakt vorzunehmen, vielmehr muss die Behörde nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in einem letzten Schritt eine konkrete Angemessenheitsprüfung vornehmen, nämlich ob dem Hilfebedürftigen eine andere bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung tatsächlich und konkret verfügbar und zugänglich ist.
Die Kammer folgt der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Hinblick darauf, dass für die Prüfung der Angemessenheit der tatsächlichen Aufwendungen im Ergebnis auf die so genannte Produkttheorie abzustellen ist. Das bedeutet, dass nicht jeder einzelner Faktor wie die Wohnungsgröße, Ausstattungsstandard oder Quadratmeterpreis für sich isoliert angemessen sein muss, weil es im Ergebnis allein auf die Kostenbelastung des Grundsicherungsträgers ankommt.
Soweit qualifizierte Mietspiegel bzw. valide Mietdatenbanken nicht vorliegen, ist es Aufgabe des Grundsicherungsträgers, eigene Tabellen über die jeweilige konkrete örtliche Situation auf dem Wohnungsmarkt für seinen eigenen Zuständigkeitsbereich zu erstellen (BSG, Urt. v. 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R -). Ausreichend ist, dass die vom Leistungsträger gewählte Datengrundlage auf einem schlüssigen Konzept beruht, das eine hinreichende Gewähr bietet, die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiederzugeben (BSG, Urt. v. 18.06.2008 - B 14/7 b AS 44/06 R -, Rn. 16). Fehlt es hieran, kommt ein Rückgriff auf die Tabelle des § 8 Wohngeldgesetzes in Betracht.
Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG, Urt. v. 24.04.2007 - L 7 AS 494/05-) hat zur Angemessenheit umfangreiche Ermittlungen durchgeführt. Im Ergebnis musste festgestellt werden, dass Erkenntnismöglichkeiten für den Bereich der Stadt H. über die konkreten örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt nicht zur Feststellung eines marktüblichen Mietzinses führen.
Die Kammer wählt daher in Übereinstimmung mit dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (Urt. v. 24.08.2006 - L 8 AS 133/06 -; Beschl. v. 07.08.2006 - L 9 AS 211/06 ER -; Beschl. v. 19.06.2006 - L 6 AS 248/06 ER -; Beschl. v. 08.06.2006 - L 7 AS 443/05 ER -) als Ausgangspunkt der Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft - mangels Vorliegen anderer aussagekräftiger Erkenntnismöglichkeiten und -mittel - die Werte in der Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz, wobei diese Beträge lediglich eine erste Orientierung ohne feste Bindung für die Kammer darstellen.
Innerhalb der Tabelle lehnt sich die Kammer grundsätzlich an die Werte der rechten Spalte an (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen , Urt. v. 24.08.2006 - L 8 AS 133/06 -; Urt. v. 23.03.2006 - L 8 AS 388/05 -), weil die Aufteilung in verschiedene Bauklassen in der vorliegenden Art nicht angemessen erscheint und die vom Gesetzgeber vorgenommene Zuordnung nicht derart exakt ist, wie sie auf den ersten Blick erscheinen mag. Denn eine in den 60er Jahren gebaute Wohnung kann infolge einer Modernisierung einen höherwertigen Standard aufweisen und damit einen deutlich höheren Mietzins erzielen, als eine Mitte der 90er Jahre gebaute Wohnung im unsanierten Jetztzustand.
Weiterhin folgt die Kammer dem Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 11.03.2008 - L 7 AS 332/07 - dahingehend, dass die in der Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz alleine durch die Pauschalierung inne wohnende Unbilligkeit, die der individuellen Angemessenheitsprüfung gem. § 22 Abs. 1 SGB II entgegensteht, mit einem Zuschlag von 10% der Tabellenwerte ausgeglichen werden muss. Zu berücksichtigen ist dabei der Umstand, dass unabhängig von der Frage der Entwicklung der Netto-Mietpreise die Nebenkosten zwischenzeitlich gestiegen sind. Dem stehen die Tabellenwerte zu § 8 Wohngeldgesetz gegenüber, die seit dem 01.01.2001 unverändert fortbestehen. Selbst die Änderung ab 2001 hat nach der Begründung des Gesetzgebers die seit 1990 eingetretene Mietentwicklung durch die Änderung der Tabelle nicht vollständig ausgeglichen, sondern im Durchschnitt nur etwa zur Hälfte (BT-Drs. 14/1636, S. 184). Um die Entwicklung der Mietkosten (insbesondere der Energiekosten) seit der letzten Wohngelderhöhung auszugleichen, hat der Bundestag am 25.04.2008 beschlossen, die Tabellenwerte und die Miethöchstbeträge ab dem 01.01.2009 um je 10% anzuheben. Insbesondere für Ein-Personen-Haushalte im Bereich der Landeshauptstadt H. ist von höheren Mietkosten auszugehen, da in Ballungsgebieten wie H. die Nachfrage nach kleineren Wohnungen steigt und der Markt hierauf durch Anpassung nach oben reagiert (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen , Urt. v. 24.04.2007 - L 7 AS 494/05 -).
Die angemessenen Kosten der Unterkunft betragen im Falle der Klägerin 385,00 Euro. Denn H. hat die Mietstufe V (Anlage 1 zu § 1 Abs. 4 der WohngeldVO, BGBl. I, 2001, 2741). Bei einer zum Haushalt zu rechnenden Person folgt hieraus nach der rechten Spalte der Wohngeldtabelle ein Wert von 350,00 Euro, der, wie ausgeführt, um 10% zu erhöhen ist. Die tatsächlichen Unterkunftskosten der Klägerin (374,00 Euro) unterschreiten diesen Betrag.
b)
Der Umzug ist auch notwendig. Die Klägerin hat dargelegt, dass die ursprüngliche Wohnung erhebliche Feuchtigkeitsmängel aufwies, die über den Zeitraum weniger Monate zu Schimmelbildung und Schäden am Mobiliar der Klägerin geführt haben. Diesen Sachvortrag hat die Beklagte auch nicht bestritten. Da die Herkunft der Feuchtigkeitsmängel nicht geklärt werden konnte, ohne dass die entsprechenden Wandflächen aufgestemmt werden, wurde der Mietvertrag im gegenseitigen Einvernehmen kurzfristig aufgehoben. Ein weiteres Wohnen war der Klägerin - auch in Anbetracht der bereits erlittenen Schäden an ihren Möbeln - nicht zumutbar.
c)
Der Anspruch der Klägerin scheitert auch nicht daran, dass die Zusicherung nicht erfolgt ist, bevor sie das mit "Mietvertrag" überschriebene Schriftstück vom 14.01.2008 unterzeichnet hat. Ob es sich hierbei um einen rechtswirksamen Mietvertrag handelt (wofür vieles spricht), ist nicht entscheidend.
Maßgeblich für die nach § 22 Abs. 3 SGB II erforderliche vorherige Zusicherung ist nach Auffassung der Kammer der Zeitpunkt, zu dem die ersetzbaren Kosten in rechtlich relevanter Weise begründet werden. Dies ist bei der begehrten Übernahme von Speditionskosten nicht der Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags, sondern der Abschluss des Vertrags mit dem Umzugsunternehmer (wie hier, jedoch ohne nähere Begründung: Lang/ Link in: Eicher/ Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 22 Rn. 85; Frank-Schinke in: Linhart/ Adolph, SGB II, § 22 Rn. 93; undifferenziert dagegen: Gerenkamp in: Mergler/ Zink, SGB II, § 22 Rn. 32-37; Wieland in: Estelmann, SGB II, § 22 Rn. 88, 92; Kalhorn in Hauck/ Noftz, SGB II, § 22 Rn. 61).
Der entgegenstehenden Auffassung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (Beschl. v. 23.04.2008 - L 9 AS 57/08 ER - und 05.06.2008 - L 9 AS 541/06), nach der auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags abzustellen ist, kann nicht gefolgt werden. Der Senat hat zur Bestimmung des Zeitpunktes, auf den sich die Rechtzeitigkeit der Zusicherung bezieht, auf den Zusammenhang mit § 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II abgestellt. Danach soll die Zusicherung erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Als unterstützende Maßnahme für das Finden einer Wohnung könne hiernach auch die Zusicherung gem. § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II lediglich bis zu einem Mietvertragsschluss eingeholt werden. Danach scheide ihre Erteilung aus, weil ein erfolgreicher Mietvertragsschluss der Annahme entgegen stehe, die angemietete Wohnung habe nicht ohne Zusicherung der Umzugskosten gefunden werden können.
Die genannten Entscheidungen des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen differenzieren nicht hinreichend zwischen den drei verschiedenen in § 22 Abs. 3 SGB II enthaltenen Ansprüchen des Hilfebedürftigen, nämlich auf Übernahme von Umzugskosten, Wohnungsbeschaffungskosten und Mietsicherheit. Das lässt sich bereits daran erkennen, dass sich beide Entscheidungen auf einen Beschluss des selben Senats vom 29.08.2007 - L 9 AS 507/07 ER - beziehen, in dem bereits entschieden worden sein soll, dass der Abschluss eines Mietvertrages einen bis dahin unerfüllten Anspruch auf Zusicherung der Umzugskostenübernahme untergehen lasse. Tatsächlich hat die genannte Entscheidung jedoch nicht die Übernahme von Umzugskosten, sondern die Übernahme einer Mietkaution zum Inhalt. Die dort richtigerweise angestellte Erwägung, dass es der Übernahme einer Mietkaution nicht mehr bedarf, wenn der Vermieter auch ohne diese Zusicherung bereit war, ein Mietverhältnis mit dem Hilfebedürftigen einzugehen, ist jedoch auf den Fall der Übernahme von Speditionskosten nicht übertragbar. Denn anders als bei der Mietkaution macht kein Vermieter den Abschluss eines Mietvertrags davon abhängig, ob sich der Mieter den Transport seiner Möbel aus der alten Wohnung in das neue Mietobjekt leisten kann.
Einem Abstellen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem Umzugsunternehmer und nicht bereits auf den in aller Regel zeitlich vorgelagerten Abschluss des Mietvertrags steht auch der Zweck des Zusicherungsverfahrens nicht entgegen. Das Verfahren dient sowohl dem Interesse des Leistungsträgers, im Falle der Unangemessenheit der späteren Kosten das Entstehen weiterer Schulden durch einen eventuell erforderlichen zweiten Umzug zu verhindern, als auch dem des Hilfebedürftigen, das Entstehen einer erneuten Notlage in Folge einer nur teilweisen Übernahme der Kosten zu vermeiden (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen , Beschl. v. 05.06.2007 - L 13 SO 7/06 ER -). Liegen die weiteren Anspruchsvoraussetzungen vor, d.h. ist der Umzug notwendig und die neue Unterkunft angemessen, kann die Übernahme der Transportkosten zwar noch daran scheitern, dass die Beauftragung eines gewerblichen Unternehmens nicht oder nicht in dem beantragten Umfang erforderlich ist, weil dem Hilfebedürftigen ein selbst organisierter Umzug zumindest teilweise zumutbar ist, oder dass es sich bei dem in Aussicht genommenen Unternehmen nicht um den kostengünstigsten Anbieter handelt. Diese Fragen lassen sich jedoch auch noch nach Abschluss des Mietvertrages und vor Abschluss des Speditionsvertrages klären. Lehnt der Leistungsträger nach Vorlage eines Kostenvoranschlags den Antrag auf Übernahme von Speditionskosten der Höhe oder dem Grunde nach ab, besteht für den Hilfebedürftigen immer noch die Möglichkeit, einen kostengünstigeren Transportunternehmer zu beauftragen oder den Umzug komplett oder zumindest teilweise in Eigenregie durchzuführen, um die Kosten zu vermindern. Aus der Ablehnung der Kostenübernahme trotz bereits erfolgten Mietvertragsabschlusses entstehen damit nicht zwangsläufig Schulden für den Hilfeempfänger, da eine rechtliche Bindung mit dem Speditionsunternehmer noch nicht eingegangen worden ist. Erst recht nicht kann sich hieraus die Notwendigkeit eines weiteren Umzugs ergeben (so aber offenbar LSG Niedersachsen-Bremen , Beschl. v. 05.06.2007 - L 13 SO 7/06 ER -).
Dafür, auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags mit dem Umzugsunternehmer abzustellen, spricht auch der Gedanke, dass sich die Notwendigkeit der Beauftragung eines Umzugsunternehmens unter Umständen auch erst nach Abschluss eines Mietvertrags (und Einholung der Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II) herausstellen kann, wenn der Hilfeempfänger entgegen seiner ursprünglichen Absicht aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen nicht in der Lage ist, den Umzug selbst durchzuführen. In derartigen Fällen kann es ihm nicht verwehrt sein, auch noch nach Abschluss des Mietvertrags die Übernahme der Transportkosten zu beantragen.
d)
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch scheitert auch nicht daran, dass die Beklagte im vorliegenden Fall die Zusicherung nicht vor Abschluss des Speditionsvertrags erteilt, sondern ihren Antrag abgelehnt hat. Das Tatbestandsmerkmal "bei vorheriger Zusicherung" ist dahingehend auszulegen, dass der Fall der - wie hier - rechtswidrig verweigerten Zusicherung ebenfalls erfasst ist und damit im Durchgriff bei einem bestehenden Anspruch auf Zusicherung auch direkt die Umzugskosten dem Grunde nach beanspruchbar sind (vgl. SG Duisburg , Beschl. v. 28.01.2008 - S 29 AS 123/07 ER -).
e)
Die Kammer hat auch keinen Zweifel daran, dass die Inanspruchnahme eines gewerblichen Umzugsunternehmens erforderlich war. Nach dem vorgelegten Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. Uwe D. vom 04.02.2008 war die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt aufgrund von psychischer und physischer Dekompensation nicht in der Lage, den Umzug allein zu bewältigen. Die Kammer sieht unter dem Eindruck der mündlichen Verhandlung, bei der die 52-jährige Klägerin anwesend war, keinen Anlass die Aussage des Facharztes in Frage zu stellen. Die Klägerin hat außerdem bestätigt, Freunde oder Verwandte hätten zur Durchführung des Umzugs nicht zur Verfügung gestanden.
Die geltend gemachte Höhe der Umzugskosten ist mit 600,00 Euro ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat sich bemüht, die Kosten so gering wie möglich zu halten. So hat sie in der mündlichen Verhandlung glaubhaft versichert, im Vorfeld des Umzugs Kostenvoranschläge mehrerer Umzugsunternehmen eingeholt und sich für das günstigste Unternehmen entschieden zu haben. Auch hat sie ihr Umzugsgut selbst gepackt und sogar die De- und Remontage ihrer Einbauküche durch einen Bekannten erledigen lassen, dem sie im Gegenzug hierfür ihr Fahrrad geschenkt hat. Neben dem Transport wurde nur der Auf- und Abbau eines großen Kleiderschrankes durch die Umzugsfirma übernommen.
f)
Die Verurteilung der Beklagten lediglich zur Neubescheidung des Antrags der Klägerin auf Übernahme der Umzugskosten entspricht dem Klageantrag der anwaltlich vertretenen Klägerin, über den das Gericht nicht hinausgehen durfte (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig, Keller/ Leitherer, SGG, § 123 Rn. 4).
2.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
3.
Die Kammer hat die Berufung zugelassen, weil die Frage, welcher Zeitpunkt für die nach § 22 Abs. 3 SGB II erforderliche vorherige Zusicherung bei der Geltendmachung von Kosten eines Umzugsunternehmens maßgeblich ist, eine Rechtsfrage vom grundsätzlicher Bedeutung ist (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG) und die Kammer in dieser Frage von der Rechtsprechung des 9. Senates des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen abweicht (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG).