Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 08.12.2008, Az.: 2 B 92/08
Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes für einen Nachbarn gegen die Baugenehmigung für einen Autohof im unbeplanten Innenbereich; Erforderlichkeit einer Verletzung nachbarschützender Vorschriften der erteilten Baugenehmigung für deren Rechtswidrigkeit; Überwiegen eines Suspensivinteresses an einer sofortigen Vollziehbarkeit der Baugenehmigung bei Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung; Inhaltliche Ausgestaltung des nachbarschützenden Gebots der Rücksichtnahme
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 08.12.2008
- Aktenzeichen
- 2 B 92/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 30125
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:2008:1208.2B92.08.0A
Rechtsgrundlagen
- § 3 BauNVO
- § 4 BauNVO
- § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO
- § 35 Abs. 3 BauGB
Verfahrensgegenstand
Anfechtung einer Baugenehmigung für einen Autohof durch den Nachbarn - vorläufiger Rechtsschutz -
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Lüneburg - 2. Kammer -
am 8. Dezember 2008
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. bis zu 3. sind erstattungsfähig.
- 2.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich als Nachbar gegen die Baugenehmigung für einen Autohof.
Der Antragsteller ist Eigentümer des unbebauten Flurstücks J. /K.. Die Entfernung zum genehmigten Autohof beträgt nach Angaben des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers ca. 800 m, nach der von dem Antragsgegner vorgelegten Katasterkarte ca. 950 m. Das Grundstück liegt im unbeplanten Innenbereich der Gemeinde L.. Nach Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers entspricht die nähere Umgebung einem reinen Wohngebiet, zumindest aber einem allgemeinen Wohngebiet. Der Antragsgegner, die Beigeladenen zu 1. bis zu 3. und das Gutachten der Fa. M. N. vom 27. Dezember 2007 ("Schalltechnische Untersuchung für den Bebauungsplan O. P. der Gemeinde Egestorf") gehen von einem Dorfgebiet oder Mischgebiet aus. Dies entspricht auch den Darstellungen des Flächennutzungsplans der Samtgemeinde Q..
Am 19. Juni 2006 hat die Beigeladene zu 3. die Aufstellung des Bebauungsplans "P., O." beschlossen. Ziel dieser Planung ist es, östlich des Ortsteils O. an der Autobahnanschlussstelle 42 der Bundesautobahn A 7 auf einer Fläche von ca. 114.000 m² gewerblich nutzbarer Baufläche und ca. 6.300 m² Grünfläche einen Autohof zu errichten. Am 8. Juli 2008 hat die Beigeladene zu 3. diesen Bebauungsplan als Satzung beschlossen und am 28. August 2008 öffentlich bekannt gemacht. Der Antragsteller hat hiergegen im September 2008 ein Normenkontrollverfahren vor dem Nds. Oberverwaltungsgericht angestrengt, über das noch nicht entschieden ist (- 1 KN 192/08 -). Am 1. Oktober 2008 ist der Beigeladenen zu 2. die Baugenehmigung zur Errichtung des Autohofs L. erteilt worden. Hiergegen hat der Antragsteller Widerspruch erhoben und mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2008 bei dem Antragsgegner einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Baugenehmigung gestellt. Auch hierüber ist bisher noch nicht entschieden worden.
Am 31. Oktober 2008 hat der Antragsteller einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz beantragt. Sein Suspensivinteresse überwiege das Interesse an einer sofortigen Vollziehbarkeit der Baugenehmigung. Es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung. Diese beruhten vor allem darauf, dass die Rechtsgrundlage ihrer Erteilung - der Bebauungsplan "P., O. /L." vom 8. Juli 2008 - mit großer Wahrscheinlichkeit rechtswidrig sei. Der Bebauungsplan sei formell rechtswidrig, weil bei seiner Aufstellung Vorschriften über die Beteiligung der Öffentlichkeit verletzt worden seien. Er sei materiell rechtswidrig, weil sich die Beigeladene zu 3. in einem städtebaulichen Vertrag mit der Wirtschaftsförderungsgesellschaft im Landkreis Harburg - WLH - einem unzulässigen Zwang zur Planung ausgesetzt habe. Es fehle an einer planerischen Rechtfertigung, weil der zwischen der WLH und der Beigeladenen zu 1. geschlossenen Kaufvertrag über die in dem Plangebiet liegenden Flächen unwirksam und nichtig sei. Sie fehle weiterhin, weil der Beigeladenen zu 3. die Planungsbefugnis für die Festsetzung eines Sondergebietes Autohof fehle. Es bestehe kein Bedarf für einen weiteren Autohof. Es gebe in diesem Abschnitt der Bundesautobahn A 7 bereits ausreichend Rastmöglichkeiten und Servicebetriebe. Die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens sei keiner Prüfung unterzogen worden. Insgesamt fehle es an der für die Errichtung eines Autohofs erforderlichen Abwägung der wirtschaftlichen, ökologischen und verkehrlichen Belange. Weiterhin sei der Bebauungsplan weder aus dem Flächennutzungsplan entwickelt, noch sei er an die Ziele der Raumordnung angepasst worden. Er verstoße gegen das Zentrenkonzept, missachte das Vorranggebiet für Trinkwassergewinnung und insbesondere die Entwicklungsaufgabe Fremdenverkehr. Belange des Umweltschutzes, insbes. die strikten Gebote des Habitat- und Vogelschutzes sowie die Verbote in den Natur- und Landschaftsschutzgebieten, seien nicht beachtet worden. Insgesamt sei der Bebauungsplan abwägungsfehlerhaft. Das Abwägungsmaterial sei bereits nicht vollständig ermittelt und zusammengestellt worden. Dieses Defizit beziehe sich insbes. auf Beeinträchtigungen der Wohnbevölkerung durch einen Autohof mit 312 LKW- und 140 PKW-Stellplätzen sowie dazugehörenden Tankanlagen (14 Säulen für PKW, 12 Spuren für LKW) und entsprechend groß dimensionierten Restaurants und Läden. Die damit verbundenen Lärmbeeinträchtigungen für die Wohnbevölkerung seien in dem der Genehmigung zugrunde gelegten schalltechnischen Gutachten der M. N. GmbH vom 27. Dezember 2007 vollkommen verkannt worden. So werde fälschlicherweise davon ausgegangen, dass der Schutzanspruch der nach dem Gutachten maßgeblichen Immissionsorte in O. und vor L. gegenüber Lärm dem eines Dorfgebietes oder eines Mischgebiet entspreche. Die Eigenart der näheren Umgebung der zu Grunde gelegten Immissionsorte entspreche aber bei richtiger Betrachtungsweise einem reinen Wohngebiet, so dass von Orientierungsrichtwerten für Gewerbelärm von 50 dB(A) tagsüber und 35 dB(A) nachts auszugehen sei. Diese Richtwerte würden zum Teil deutlich überschritten. Auch die mit dem Autohof verbundenen Luftverunreinigungen seien in der Luftschadstoffuntersuchung unzutreffend ermittelt und deshalb auch in ihrem Gewicht verkannt worden. Letztlich diene auch die Ansiedlung eines US-amerikanischen Großkonzerns nicht den Belangen der Wirtschaft und schädige den Mittelstand. Die Beigeladene zu 3. habe keine Abwägung vorgenommen, in der sie die wirtschaftlichen Gesichtspunkte, die für und gegen einen Autohof sprechen, gegeneinander und untereinander abgewogen habe.
Der Antragsteller sei von der Rechtswidrigkeit des Bebauungsplans und damit auch der Baugenehmigung in individueller Weise betroffen, weil sich sein Grundstück im unmittelbaren Einwirkungsbereich der zu erwartenden Emissionen des Autohofs befinde. Die Baugenehmigung verletzte Rechtsvorschriften, die zumindest auch seinem Schutz zu dienen bestimmt sind. Die nachbarschützenden Normen, deren Verletzung in Rede stehen, seien insbes. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG (Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen beziehungsweise Beschränkung auf ein Mindestmaß) und damit letztlich auch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Bei richtiger Betrachtungsweise seien aber die Immissionsrichtwerte für reine Wohngebiete (35 dB(A) nachts) oder zumindest für allgemeine Wohngebiete (40 dB(A) nachts), jedenfalls aber für Gemengelagen (vgl. Ziffer 6.7 TA Lärm) zu Grunde zu legen, so dass die richtigerweise anzunehmenden Immissionsrichtwerte sogar überschritten würden. Beziehe man den durch den Autohof verursachten Verkehrslärm in die Bewertung ein, ergebe sich erst recht eine qualifizierte Betroffenheit. Auch sei zu berücksichtigen, dass das Grundstück des Antragstellers sich in einem idyllisch gelegenen reinen Wohngebiet befinde. Es sei auf harmonische Weise in Natur und Landschaft eingebettet und sei durch das benachbarte Naturschutzgebiet Lüneburger Heide und zahlreiche Landschaftsschutzgebiete und ein Vorsorgegebiet Erholung in besonderer Weise geschützt. Im vorliegenden Fall seien nicht nur schädliche Umwelteinwirkungen durch Lärm zu befürchten, auch Lichtimmissionen und Luftverunreinigungen stellten eine Gefahr für die Gesundheit dar. Hinzu kämen eine Wertminderung des Grundstücks und eine Beeinträchtigung der Außenwohnbereichsflächen (Terrassen). Das Gutachten der Fa. M. N. GmbH vom 27. Dezember 2007 leide im Hinblick auf die Berücksichtigung der Lärmbeeinträchtigungen an schweren Abwägungsfehlern. Die durch den Autohof zu erwartenden Lärmbeeinträchtigungen seien nicht vollständig und außerdem fehlerhaft ermittelt worden, wie sich im Einzelnen aus der Stellungnahme des TÜV Nord vom 28.11.2008 ergebe.
Der Antragsgegner, die Beigeladenen zu 2. und zu 3., sowie die Beigeladene zu 3. sind dieser Auffassung entgegengetreten.
Der Antragsgegner vertieft seine Auffassung, dass das Grundstück des Antragstellers innerhalb eines Dorfgebiets liege. Angesichts der tatsächlichen Entfernung zwischen dem Grundstück des Antragstellers und dem geplanten Autohof scheide eine unzumutbare Lärmbeeinträchtigung aus. Die schalltechnische Untersuchung der Fa. M. N. GmbH, die Bestandteil der Baugenehmigung sei, habe etwa 400 m südöstlich des Autohofs den Immissionsort 5 festgelegt, an dem die zulässigen Lärmwerte eingehalten werden. Das Grundstück des Antragstellers sei hiervon mehr als doppelt so weit entfernt.
Der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen zu 1. und zu 2. trägt vor, dass der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bereits deshalb keinen Erfolg haben könne, weil der Ausgang des Hauptsacheverfahrens mindestens als offen angesehen werden müsse. Bisher sei der Antrag ausschließlich auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Bebauungsplans gestützt worden. Eine offensichtliche oder sehr wahrscheinliche Rechtswidrigkeit des Planes, die ernstliche Zweifel an der auf seiner Grundlage erlassenen Baugenehmigung begründen könnten, sei aber nach der Antragsbegründung nicht gegeben. Die Vollziehung der Baugenehmigung stelle auch keine unbillige Härte dar. Bisher sei noch nicht mit Bauarbeiten oder Bauvorbereitungsmaßnahmen begonnen worden. Ob und wann das geschehe, sei derzeit offen. Dauerhafte und nicht umkehrbare Schädigungen der Natur oder der Anwohner allein durch einen etwaigen Baubeginn seien nicht zu erwarten. Sofern bereits vor endgültiger Klärung der Rechtslage Baumaßnahmen durchgeführt werden sollten, trage sie - die Beigeladene zu 2. - hierfür ohnehin das Risiko eines eventuellen Rückbaus.
Der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen zu 3. hält die Zulässigkeit des Antrags für zweifelhaft, den Antrag aber jedenfalls mangels Nachbarrechtsverletzung für unbegründet. Zwar sei ein Aussetzungsantrag bei der Beigeladenen zu 3. gestellt worden, hierüber sei aber bisher nicht entschieden worden. Auch die Voraussetzungen einer ausnahmsweisen Zulässigkeit eines Aussetzungsantrags nach § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO seien vorliegend nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung des Antragstellers entspreche die faktische Gebietsqualität der eines Dorgebietes. Dieses ergebe sich aus einem landwirtschaftlichen Betrieb auf dem Grundstück R. S., einem größeren Hotel auf dem Grundstück R. T. sowie mehren Grundstücksnutzungen mit Pferdehaltung und weiteren gewerblichen Nutzungen entlang der R.. Bei der maßgeblichen Bebauung an der R. handle es sich nicht um ein kompaktes Baugebiet, wie es für Wohngebiete typisch sei, sondern um eine aufgelockerte bandartige Bebauung, bei der an beiden Seiten rückwärtig unmittelbar der Außenbereich beginne.
II.
Ob der Aussetzungsantrag bereits unzulässig ist, weil die Ausnahmevoraussetzungen des § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO für die unmittelbare Anrufung des Gerichts nicht vorliegen, wie der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen zu 3. vorträgt, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Denn jedenfalls ist der Antrag nach den §§ 80 a, 80 Abs. 5 VwGO unbegründet. Die der Beigeladenen zu 2. erteilte Baugenehmigung verletzt den Antragsteller nicht in seinen subjektiv geschützten Rechten. Die von ihm gegen die angefochtene Baugenehmigung erhobenen Einwände rechtfertigen nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des hiergegen erhobenen Widerspruchs. In Ausübung des ihr durch die §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO eingeräumten Ermessens hält die Kammer den Sofortvollzug der Baugenehmigung aufrecht. Denn sie misst dem Interesse des Antragstellers an einer vorherigen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung im Hauptsacheverfahren keinen Vorrang vor dem Interesse der Beigeladenen zu 2. an einer einstweiligen Ausnutzbarkeit der ihr erteilten Baugenehmigung bei. Maßgebend ist hierfür, dass der Widerspruch des Antragstellers bei der derzeitigen Sachlage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, soweit dieses im Rahmen der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung beurteilt werden kann.
Bei der Überprüfung der von dem Antragsteller angefochtenen Baugenehmigung ist das Gericht auf die Prüfung nachbarschützender Vorschriften beschränkt. Für eine erfolgreiche Nachbarklage genügt nicht eine erkannte Rechtswidrigkeit der erteilten Baugenehmigung, sondern es muss hinzukommen, dass die getroffene Entscheidung eine Vorschrift verletzt, die dem Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht verleiht (vgl. dazu Löhr in Battis/ Krautzberger/Löhr, BauGB, 10. Aufl. 2007., § 31 BauGB Rdnr. 56 m.w.N.). Daran fehlt es hier.
Maßgeblich für die bauplanungsrechtliche Beurteilung des Bauvorhabens der Beigeladenen zu 2. ist § 30 Abs.1 BauGB i.V.m. mit den Festsetzungen des Bebauungsplanes P., O. /L., den die Beigeladene zu 3. am 8. Juli 2008 als Satzung beschlossen hat. Der Bebauungsplan setzt ein Sondergebiet nach § 11 BauNVO für einen Autohof fest.
Ob das Bauvorhaben alle Bestimmungen des Bebauungsplans einhält und ob der Bebauungsplan rechtmäßig zustande gekommen ist und in allen Punkten dem materiellen Baurecht entspricht - was von dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers insbes. in einem vor dem Nds. Oberverwaltungsgericht anhängig gemachten Normenkontrollverfahren umfänglich angegriffen wird (- 1 KN 192/08 -) -, kann vorliegend offen bleiben. Denn aufgrund eines von einem Nachbarn eingelegten Rechtsmittels ist die dem Bauherrn erteilte Baugenehmigung nicht umfassend auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern lediglich darauf, ob gerade eine Verletzung des Nachbarn in eigenen, auch ihn persönliche schützenden Rechten festzustellen ist. Das ist nicht der Fall. Dazu im Einzelnen:
Das Bauvorhaben der Beigeladenen zu 2., das in diesem Sondergebiet grundsätzlich zulässig ist, verstößt jedenfalls nicht gegen das aus § 15 Abs.1 Satz 2 BauNVO abzuleitende nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme. Danach sind die in den Baugebieten jeweils generell zulässigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, um so weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Bei diesem Ansatz kommt es für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls folglich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits die Rücksichtnahmebegünstigten, andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BVerwG, Urteil vom 28.10.1993 - 4 C 5/93 - BauR 1994, 354 ff ). Diese Abwägung ergibt, dass die Auswirkungen des Autohofs gegenüber dem Antragsteller vorliegend nicht rücksichtslos im baurechtlichen Sinne sind und ihm daher zuzumuten sind. Insbesondere ist die erteilte Baugenehmigung nicht deshalb zu beanstanden, weil - wie der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers vorträgt - die zulässigen Lärmwerte überschritten werden.
Selbst wenn von einer - unterstellten - Nichtigkeit des Bebauungsplans auszugehen wäre, würde sich kein anderes Ergebnis ergeben. Denn die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens würde sich dann nach § 35 BauGB richten. Einen Verstoß gegen § 35 BauGB kann der Antragsteller jedoch nur dann rügen, wenn in der erteilten Genehmigung zugleich ein Verstoß gegen das von § 35 Abs. 3 BauGB umfasste Rücksichtnahmegebot liegen würde. Die im Rahmen des § 35 BauGB vorzunehmende Abwägung führt aber zu keinem anderen Ergebnis als die im Rahmen des § 15 BauNVO vorzunehmende Abwägung.
Entgegen der Annahme des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass die nähere Umgebung des Grundstücks des Antragstellers als reines Wohngebiet im Sinne des § 3 BauNVO oder als allgemeines Wohngebiet im Sinne des § 4 BauNVO zu qualifizieren ist. Für das vorliegende Verfahren bedarf diese Frage allerdings keiner weiteren Vertiefung, weil die Entfernung zum nordwestlich gelegenen Autohof mit ca. 950 m so groß ist, dass auch bei der Annahme eines Wohngebietes nicht eine Überschreitung der zulässigen Lärmwerte anzunehmen ist. Denn das Gutachten der Fa. M. N. GmbH vom 27. Dezember 2007 geht bei dem - nur - ca. 400 m südöstlich des Autohofs gelegenen Immissionsort 5 von einer Vorbelastung durch den insgesamt von der Autobahn A 7 erzeugten Lärm (Verkehrs- und Gewerbelärm) von 58,3 d(B)A tags sowie von 51,7 d(B)A nachts aus. Dabei wird - was die Prognosewerte erhöht - der Anteil des Gewerbelärms auch für die Restflächen einbezogen, deren gewerbliche Nutzung bisher noch nicht genau bekannt ist. Die Zunahme dieser Lärmwerte durch den Betrieb des Autohofs macht rechnerisch tagsüber lediglich 0,9 d(B)A und nachts 1,5 d(B)A aus. Damit wird die Wahrnehmbarkeitsschwelle bei Lärmzunahmen von 1 d(B)A teilweise überschritten, jedenfalls aber die Erheblichkeitsschwelle bei Lärmzunahmen von 3 d(B)A deutlich unterschritten (vgl. Nummer 7.4 der sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes- Immissionsschutzgesetz - TA Lärm -). Bei einer Entfernung von ca. 950 m zum Autohof ist davon auszugehen, dass durch den doppelt so großen Abstand auch die Wahrnehmbarkeitsschwelle von 1 d(B)A unterschritten wird. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die von dem Autohof ausgehenden Lärmeinwirkungen von den Lärmeinwirkungen der Autobahn A 7, die dichter am Grundstück des Antragstellers liegt als der Autohof, entweder vollständig "geschluckt" werden, weil sie unterhalb der Wahrnehmungsschwelle liegen, oder doch jedenfalls weitgehend überlagert werden. Das gilt auch unter Berücksichtigung der östlich des Plangebietes gelegenen Windenergieanlagen. Sie liegen mit einer Entfernung von mindestens 830 m so weit vom Plangebiet entfernt, dass ihre Geräuscheinwirkungen auf Grund des ständig vorherrschenden Verkehrslärms der Bundesautobahn A 7 nicht ins Gewicht fallen. Hinzu kommt Folgendes: Das Grundstück des Antragstellers ist als Innenbereichsfläche wohl bebaubar, zurzeit ist es aber noch unbebaut. Nach Aktenlage ist auch kein Bauantrag gestellt worden.
Die von dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers gegen das Gutachten erhobenen Einwände sind weitgehend gegenstandslos, weil die Kammer ihrer Entscheidung die maßgeblichen Schutzwerte für ein Dorfgebiet und nicht für ein reines oder allgemeines Wohngebiet zu Grunde legt. Auch die mit der Stellungnahme des TÜV Nord vom 28. November 2008 erhobenen methodischen Einwände gegen das Gutachten rechtfertigen nicht den - für eine unzumutbare Beeinträchtigung des Antragstellers erforderlichen - Schluss, dass durch den Autohof eine signifikante Erhöhung der durch die Autobahn A 7 ohnehin vorhandenen Lärm-Vorbelastung zu erwarten ist. Abgesehen davon wäre in dem Fall im Rahmen einer Ermessensabwägung auch zunächst die Anordnung von geeigneten Auflagen zu prüfen, wie etwa Einschränkung der Betriebszeiten des Autohofs oder aktive Lärmschutzmaßnahmen, bevor die Vollziehung der Baugenehmigung suspendiert würde. Dieses würde eine Ungeeignetheit des Standortes für den Autohof an der Autobahn- Anschlussstelle 42 insgesamt voraussetzen, was nicht gegeben ist.
Auch die sonstigen von dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers erhobenen Einwände, soweit sie überhaupt einen Bezug zum Baunachbarrecht aufweisen, rechtfertigen es nicht, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die angefochtene Baugenehmigung anzuordnen. Das gilt insbes. für die befürchteten Luftschadstoffimissionen.
Angesichts der o.a. Entfernungen zwischen dem Grundstück des Antragstellers und dem Autohof hat die Kammer keinen Anlass für die Annahme, dass die maßgeblichen Grenzwerte nicht eingehalten werden. Denn die Aussagen der "Luftschadstoffuntersuchung für den Bebauungsplan O. P. der Gemeinde Egestorf" der Fa. M. N. vom 21. Dezember 2007, wonach für alle untersuchten Schadstoffkomponenten (Stickstoffdioxid, Benzol, Feinstaub) die derzeit geltenden Grenzwerte zum Schutz des Menschen an allen maßgeblichen Immissionsorten sicher eingehalten werden - selbst unter Berücksichtigung der ab 2010 vorgesehenen Verschärfung der Werte -, bezieht sich auch auf Immissionsorte, die dichter am Autohof gelegen sind als das Grundstück des Antragstellers. Wenn eine beurteilungsrelevante Verschlechterung der Immissionssituation angesichts der Vorbelastung durch die Autobahn A 7 durch den zusätzlichen Verkehr infolge des Autohofs nicht zu erwarten sei, wie es in dem Gutachten heißt, gilt dieses umso mehr für das weiter entfernt gelegene Grundstück des Antragstellers. Hinsichtlich der von dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers gegen das Gutachten erhobenen methodischen Einwände gilt dasselbe wie bei den Einwendungen gegen die schalltechnische Untersuchung. Auch hier wäre zunächst die Anordnung von geeigneten Auflagen zu prüfen, bevor die Vollziehung der Baugenehmigung suspendiert würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 und 2 GKG.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen den Beschluss zu 1) ist die Beschwerde statthaft.
Gegen den Beschluss zu 2) ist die Beschwerde an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht statthaft, wenn sie in diesem Beschluss zugelassen worden ist oder der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt.
Müller
Pump