Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 07.02.2019, Az.: 3 B 217/19

erfolglos abgeschlossen; erfolgloser Abschluss; Zeitpunkt; Zeitpunkt der Antragstellung; Zuständigkeitsübergang; Zweitantrag

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
07.02.2019
Aktenzeichen
3 B 217/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 69613
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob ein in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführtes Asylverfahren im Sinne von § 71a Abs. 1 AsylG erfolglos abgeschlossen ist, ist der Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs auf die Bundesrepublik Deutschland.

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Ablehnung der erneuten Durchführung ihres Asylverfahrens in Deutschland.

Sie reiste am 10. April 2017 aus Schweden in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am 20. April 2017 einen Asylantrag.

Gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge der Antragsgegnerin (im Folgenden: Bundesamt) gab sie an, Staatsbürgerin Somalias zu sein und aus der Region Somalia Ogaden zu stammen. Auf die Frage, wo ihr Heimatdorf in Somalia liege, antwortete sie: „In Äthiopien, die Hälfte ist unser Land.“ Zuletzt habe sie sich in der Region Awaare, Stadt D., Dorf E. aufgehalten. Dort habe sie mit ihren zwei Kindern in einer kleinen Hütte neben ihren Eltern gelebt. Die Kinder habe sie bei ihren Eltern gelassen. Sie selbst habe sie nicht mitnehmen können, weil sie in Somalia festgenommen worden sei. Außerdem lebten noch zwei Onkel im Heimatland. Mit ihrer Familie habe sie zuletzt bei ihrer Flucht gesprochen. Eine Schulbildung habe sie nicht genossen.

In Schweden hätte sie bereits einen Asylantrag gestellt, der abgelehnt worden sei. Bezüglich ihrer Asylgründe verwies die Antragstellerin auf ihr Vorbringen in Schweden. Sie habe keine anderen Asylgründe anzugeben oder neue Beweise vorzulegen.

Zeitgleich legte die Antragstellerin den schwedischen Bescheid vor. Diesem ist ausweislich der seitens des Bundesamtes veranlassten Übersetzung zu entnehmen, dass das dortige Ersuchen der Antragstellerin um Flüchtlingsschutz oder einen sonstigen Schutzstatus ebenso wie eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung abgelehnt wurden. Ferner ist die Androhung einer „Ausweisung“ nach Äthiopien enthalten. Die Antragstellerin habe angegeben, Nomadin aus der Region E. zu sein. Ihr Vater sei Mitglied der ONLF und habe andere Mitglieder der Organisation im Hause der Familie essen lassen. Bei einer Gelegenheit seien Regierungssoldaten zu ihrem Haus gekommen und hätten sie gefangen genommen, nachdem sie gesehen hätten, dass sie der ONLF Essen serviert habe. Bei einer Rückreise riskiere sie, von den Regierungssoldaten getötet zu werden, weil diese sie verdächtigten, mit der ONLF zusammenzuarbeiten. Zur Begründung wird in dem Bescheid weiter ausgeführt, die Antragstellerin habe vage und undetaillierte Angaben zu ihrer Herkunft gemacht. Trotz ihres Nomadendaseins habe sie laut eigener Aussage sich stets im Umkreis von E. aufgehalten, und dafür sehr wenig zu dieser Gegend sagen können. Die am 16. Juni 2016 durchgeführte Sprachanalyse komme zu dem Ergebnis, dass der Dialekt der Antragstellerin mit mittelhoher Wahrscheinlichkeit aus dem Gebiet E., mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aber aus dem nordwestlichen oder östlichen Grenzgebiet Äthiopiens stamme. Ihre Herkunft und Identität wären damit nicht wahrscheinlich gemacht. Ihre Angaben zur Tätigkeit des Vaters bei der ONLF – sowie zur Kenntnis der Regierungssoldaten darüber – seien vage und nicht zuverlässig gewesen. Des Weiteren habe sie keine ausreichend detaillierten Angaben zu ihrer Verhaftung und anschließenden Gefangennahme machen können. Sie sei mit anderen Frauen festgehalten worden und sexuellen Übergriffen ausgesetzt gewesen. Auch diese Angaben seien nicht detailliert gewesen. Ihre Aussage würde deshalb als unzuverlässig gewertet und der Antrag in allen Punkten abgewiesen.

Das Bundesamt stellte in der Folge ein Wiederaufnahmegesuch an die schwedischen Behörden, welches diese am 27. April 2017 akzeptierten. Ferner teilten die schwedischen Behörden mit, dass das Asylgesuch der Antragstellerin am 17. März 2017 abgelehnt worden sei, die Antragstellerin hiergegen aber ein Rechtsmittel eingelegt habe und die Entscheidung aus diesem Grunde noch nicht rechtskräftig sei.

Am 8. Mai 2017 lehnte das Bundesamt den Asylantrag der Antragstellerin als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Schweden an. Den hiergegen eingelegten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Verwaltungsgericht Osnabrück am 9. Juni 2017 ab. In der Folge scheiterten drei Versuche, die Antragstellerin nach Schweden zu überstellen.

Am 9. Dezember 2017 lief die Frist für die Überstellung der Antragstellerin nach Schweden ab. Daraufhin hob das Bundesamt seinen Bescheid vom 8. Mai 2017 auf.

Am 12. April 2018 teilten die schwedischen Behörden mit, dass ihre Entscheidung über den Asylantrag der Antragstellerin am 6. Dezember 2017 rechtskräftig geworden sei.

Am 7. November 2018 lehnte das Bundesamt den Asylantrag der Antragstellerin als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte das Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten fest (Ziffer 2), drohte die Abschiebung nach Äthiopien an (Ziffer 3) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4). Zur Begründung führte es aus, dass die Antragstellerin in Schweden bereits erfolglos ein Asylverfahren betrieben habe und es sich deshalb bei ihrem Asylantrag um einen Zweitantrag handele. Wiederaufgreifensgründe lägen nicht vor. Die Antragstellerin habe nicht nachweisen können, Staatsbürgerin Somalias zu sein. Das Bundesamt gehe davon aus, dass die Antragstellerin Staatsbürgerin Äthiopiens sei. Es folge hier der Einschätzung der schwedischen Migrationsbehörde. Abschiebungsverbote seien nicht gegeben. In der Region Awaare (Somali-Region/Ogaden) in Äthiopien sei aufgrund der relativ geringen Anzahl dokumentierter Kampfhandlungen davon auszugehen, dass der Konflikt weitgehend niederschwellig stattfinde. Die über lange Zeit als kritisch geltende Situation in der Somali-Region habe sich durch das 2010 geschlossene Friedensabkommen insgesamt entspannt. In Äthiopien könne auch im Allgemeinen von der Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ausgegangen werden. Die eigene Bevölkerung könne in aller Regel ernährt werden. Dabei werde nicht verkannt, dass die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln nicht in allen Landesteilen Äthiopiens und nicht zu jeder Zeit gesichert sei. Insbesondere hätten im Norden und Nordwesten zuletzt infolge einer ausgeprägten Dürreperiode über zehn Millionen Äthiopier Nahrungsmittelhilfen benötigt, die aber von den äthiopischen Behörden zum Großteil selbst erbracht bzw. durch Hilfe aus dem Ausland sichergestellt worden seien. Nach den allgemein bekannten familiären und gesellschaftlichen Strukturen in Äthiopien sei vom Vorhandensein gegenseitiger Hilfe durch Familie, Großfamilie, Clan oder andere sich unterstützende Netzwerke auszugehen. Die Antragstellerin verfüge in ihrer Heimatregion über Verwandtschaft. Sie habe ihre beiden Kinder in die Obhut ihrer dort lebenden Eltern gegeben. Vor ihrer Ausreise habe sie sich ebenfalls bei ihren Eltern aufgehalten. Es bestünden damit deutliche Hinweise darauf, dass ihr bei Rückkehr in ihr Heimatland eine erneute Kontaktaufnahme zu ihrer Familie gelingen werde. Hinweise darauf, dass es anders sei, habe die Antragstellerin nicht erkennen lassen. Individuelle gefahrerhöhende Umstände lägen nicht vor. Der Antragstellerin sei es auch vor ihrer Ausreise gelungen, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Dass sie nach einer Rückkehr nicht mittels Gelegenheitsarbeiten das erforderliche Existenzminium für sich erlangen könne, sei nicht ersichtlich.

Die Antragstellerin hat gegen diesen Bescheid am 19. November 2018 bei dem Verwaltungsgericht Osnabrück Klage erhoben und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Das Verwaltungsgericht Osnabrück hat Klage und Eilantrag mit Beschluss vom 3. Januar 2019 an das Verwaltungsgericht Hannover verwiesen (3 A 216/19 und 3 B 217/19).

Die Antragstellerin führt zur Begründung ihres Rechtsschutzgesuchs an, sie sei in Äthiopien geboren und habe 15 Jahre dort gelebt. Deshalb habe sie auch den dortigen Akzent. Sie sei aber somalische Staatsbürgerin. Schon deshalb sei die Abschiebungsandrohung nicht haltbar. Ihre Mutter sei mittlerweile verstorben, ihr Vater lebe mit ihren beiden Kindern in Somalia. Die schwedische Sprachanalyse entspreche nicht den deutschen Vorschriften. Des Weiteren könne nicht nachvollzogen werden, inwieweit die Sprachanalyse ordnungsgemäß durchgeführt worden sei und ob Verwechslungen ausgeschlossen worden seien. Es müsse ferner überprüft werden, ob ihr Sachvortrag in Deutschland mit jenem in Schweden inhaltlich identisch sei.

Die Antragstellerin beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 7. November 2018 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

II.

Die Entscheidung ergeht – nach Anhörung der Beteiligten – gemäß § 76 Abs. 3 Satz 1 AsylG durch die Kammer.

1. Gegen die nach § 71a Abs. 4 i. V. m. § 34 Abs. 1 AsylG und § 59 AufenthG angedrohte Abschiebung ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO i. V. m. § 71a Abs. 4 und § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

2. Der Antrag ist unbegründet. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes; § 71a Abs. 4 AsylG i. V. m. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG.

Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, Urteil vom 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 –, juris, Rn.99). Es reicht mithin nicht aus, dass überhaupt Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung bestehen, die Rechtswidrigkeit der Maßnahme also mindestens genauso wahrscheinlich wie unwahrscheinlich ist. Es müssen vielmehr gewichtige Gründe vorliegen, die den Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nähren (BVerfG, Urteil vom 14.5.1996 – a. a. O. –, juris, Rn 99; Pietzsch in: Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 20. Edition, AsylG, § 36, Rn 37).

„Angegriffener Verwaltungsakt“ in diesem Sinne und damit alleiniger Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Prüfung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ist gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG die nach § 36 Abs. 1 i. V. m. §§ 34, 35 AsylG erlassene Abschiebungsandrohung. Die gerichtliche Prüfung bezieht sich also auf die besonderen tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen das Bundesamt dem Asylbewerber die Abschiebung nach Ablauf einer Ausreisefrist von nur einer Woche androhen darf (Pietzsch in: Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 20. Edition, AsylG, § 36, Rn 36). Die Abschiebungsandrohung ist allerdings auch dann zu suspendieren, wenn die Unzulässigkeitsentscheidung im Klageverfahren voraussichtlich der Aufhebung unterliegt, weil die Abschiebungsandrohung in diesen Fällen verfrüht ergangen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 – 1 C 4/16 –, juris).

Vorliegend wird die streitgegenständliche Abschiebungsandrohung (b)) ebenso wie die ihr zugrundeliegende Unzulässigkeitsentscheidung (a)) voraussichtlich in der Hauptsache nicht zu beanstanden sein.

a) Rechtsgrundlage für die angefochtene Unzulässigkeitsentscheidung ist § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG i. V. m. § 71a Abs. 1 AsylG. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist ein Asylantrag unter anderem dann unzulässig, wenn im Falle eines Zweitantrags nach § 71a AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist. Gemäß § 71a Abs. 1 AsylG ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens (bb)) in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat (cc)), im Bundesgebiet einen Asylantrag stellt, die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist (aa)) und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vorliegen (dd)). Die Prüfung obliegt dem Bundesamt (BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 – a. a. O. –, Rn. 23-24).

Diese Voraussetzungen liegen vor.

aa) Deutschland ist mit Ablauf der Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO) am 9. Dezember 2017 für die Durchführung des Asylverfahrens der Antragstellerin zuständig geworden.

bb) Darüber hinaus ist ein „erfolgloser Abschluss“ des von der Antragstellerin in Schweden eingeleiteten Asylverfahrens gegeben. Ein erfolgloser Abschluss des in einem anderen Mitgliedstaat betriebenen Asylverfahrens setzt voraus, dass der Asylantrag entweder unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nach Rücknahme des Asylantrags bzw. dieser gleichgestellten Verhaltensweisen endgültig eingestellt worden ist (BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 – a. a. O. –, Rn. 29). Die schwedischen Behörden haben am 12. April 2018 mitgeteilt, dass ihre (ablehnende Sach-) Entscheidung über den Asylantrag der Antragstellerin am 6. Dezember 2017 rechtskräftig geworden ist.

Damit war das Asylverfahren der Antragstellerin in Schweden bereits im Sinne des § 71a Abs. 1 AsylG erfolglos abgeschlossen, als Deutschland für deren Asylantrag aufgrund Ablaufs der Überstellungsfrist am 9. Dezember 2017 zuständig geworden ist.

(1) Dieser Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs und nicht der Zeitpunkt der Antragstellung in Deutschland ist nach Auffassung der Kammer für die Beurteilung der Frage maßgeblich, ob ein Asylverfahren im Sinne von § 71a Abs. 1 AsylG erfolglos abgeschlossen ist (offen gelassen von BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 – a. a. O. –, Rn. 40; offen gelassen u.a. auch von VG Hannover, Urteil vom 5.2.2018 – 11 A 11248/17 –, juris, Rn. 19 f.).

(a) Für den Zeitpunkt der Asylantragstellung in Deutschland spricht zunächst zwar der Wortlaut des § 71a Abs. 1 AsylG. Dieser legaldefiniert den Zweitantrag augenscheinlich dahingehend, dass der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat im Bundesgebiet einen Asylantrag stellt. Aus diesem Grunde geht eine nicht unerhebliche Anzahl von Gerichten vom Zeitpunkt der Asylantragstellung als maßgeblichem Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage eines erfolglos abgeschlossenen Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat aus (vgl. VG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 13.7.2017 – 6 L 665/17.A –, juris; VG Regensburg, Urteil vom 8.8.2018 – Rn.12 K 18.31824 –, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 9.7.2018 – Au 4 S 18.31170 –, juris).

(b) Aus der Systematik der Norm folgt jedoch, dass ein Zweitantrag im Sinne des § 71a AsylG nur vorliegen kann, wenn Deutschland auch für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig (geworden) ist. Denn die Rechtsfolge der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens tritt nur in diesem Fall ein und wenn zudem die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Gemeint ist hiermit die (internationale) Zuständigkeit Deutschlands für die Prüfung des Asylantrages nach Maßgabe der Dublin III-VO oder auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, 70. Aktualisierung, AsylG, § 71a, Rn. 7-9, 16), und nicht die Zuständigkeit Deutschlands für die Prüfung seiner Zuständigkeit, die ohnehin bei jeder Asylantragstellung in Deutschland gegeben ist.

Läge diese Voraussetzung der (internationalen) Zuständigkeit Deutschlands nicht vor, wäre eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG zu treffen (vgl. zum Vorstehenden auch VG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 27.11.2017 – 1 B 90/17 –, juris, Rn. 38). Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Dublin III-VO oder auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Eine solche Entscheidung nach dem Handlungsregime der Dublin III-VO ist gegenüber einer Entscheidung nach § 71a AsylG i. V. m. § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG vorrangig (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 – a. a. O. –, Rn. 18). Dies folgt zum einen aus der Intention des europäischen Asylsystems, grundsätzlich nur die Zuständigkeit eines Mitgliedstaates für die Prüfung eines Asylantrages zu begründen (vgl. Erwägungsgrund 40 der Dublin III-VO). Zum anderen folgt dieser Vorrang daraus, dass die Dublin III-VO nicht dazu berechtigt, an einen Zuständigkeitsübergang einen Verlust des Rechts auf eine unbeschränkte, nicht nach Folgeantragsgrundsätzen erfolgende Antragsprüfung zu knüpfen, wenn dieses Recht im zuvor zuständigen Staat nach dem dort geltenden Asylverfahrensrecht noch bestand (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 – a. a. O. –, Rn. 34). Demnach kann im Falle einer Entscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG auch kein Zweitantrag im Sinne des § 71a Abs. 1 i V. m. § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG gegeben sein. Ein Zweitantrag kann vielmehr begriffsimmanent nur vorliegen, wenn die Zuständigkeit Deutschlands begründet worden ist. Folglich ist für die Frage des erfolglosen Abschlusses eines in einem Mitgliedstaat durchgeführten Asylverfahrens – jedenfalls in den Fällen, in denen die Zuständigkeit erst nach Antragstellung auf die Bundesrepublik Deutschland übergeht – auf eben diesen Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs abzustellen.

(c) Für diese Auslegung sprechen auch Sinn und Zweck des § 71a AsylG. Zweck der Regelung ist die Beschleunigung des Asylverfahrens, wenn ein Antragsteller bereits in einem anderen sicheren Drittstaat ein Asylverfahren durchlaufen hat. Grundsätzlich handelt es sich hier zwar im asylverfahrensrechtlichen Sinne nicht um einen Folgeantrag, da der Antragsteller erstmals im Bundesgebiet eine Asylgewährung bzw. Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt. Dennoch rechtfertigt sich die Anwendung der Folgeantragsregeln, da ein Asylsuchender auf das bereits durchgeführte Asylverfahren und die damit verbundene prinzipiell als gleichwertig angesehene Prüfung eines Anspruchs auf internationalen Schutz verwiesen werden kann. Es soll damit eine Gleichstellung eines erfolglos abgeschlossenen Asylverfahrens in einem zuständigen Vertragsstaat mit einem erfolglos in Deutschland abgeschlossenen Asylerstverfahren erreicht werden. Entscheidend ist insofern, dass bereits ein früheres Asylverfahren in einem sicheren Drittstaat erfolglos abgeschlossen worden ist. Damit hat der Antragsteller ausreichende Möglichkeiten gehabt, seine Asylgründe umfassend vorzutragen. Ein erneutes Verfahren findet nur statt, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel aufgezeigt werden, die ein Wiederaufgreifen des Verfahrens rechtfertigen (vgl. zum Vorstehenden Hailbronner, Ausländerrecht, 70. Aktualisierung, AsylG, § 71a, Rn. 5, 16).

So liegt der Fall auch hier. Die Antragstellerin hatte in Schweden ausreichende Möglichkeit, ihre Asylgründe umfassend vorzutragen. Sie hat vorliegend darüber hinaus auch von der Möglichkeit eines Rechtsmittels in Bezug auf die getroffene Entscheidung Gebrauch gemacht. Der Möglichkeit eines streitigen Abschlusses desselben hat sie sich mit ihrer Ausreise selbst begeben. Sie muss daher – entsprechend jenen Fällen, in denen der Asylantrag wegen Nichtbetreibens des Verfahrens als zurückgenommen gilt und eine Möglichkeit der Wiederaufnahme nicht (mehr) besteht (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 – a. a. O. –, Rn. 31) – die Endgültigkeit der ablehnenden Entscheidung gegen sich gelten lassen.

Es widerspräche dem gesetzgeberischen Willen, ihr in einem solchen Fall noch einmal eine volle (Erst-)Prüfung ihres Asylantrages zukommen zu lassen. Damit würden zum einen die beabsichtigte Beschleunigung des Verfahrens durch eine Beschränkung auf das Prüfprogramm des § 71a AsylG und zum anderen eine Gleichstellung des erfolglos abgeschlossenen Asylverfahrens in Schweden verfehlt.

(d) Diesen Erwägungen steht auch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in seinem Beschluss vom 11. Januar 2015 (– A 11 S 2508/14 –, juris) nicht entgegen. Soweit dieser darin ausführt, es dränge sich nicht ohne Weiteres auf, dass ein Antrag, der in Deutschland zu einem Zeitpunkt eingereicht worden sei, als eine Entscheidung über einen zuvor in einem anderen Mitgliedstaat gestellten Antrag noch nicht ergangen sei, automatisch allein infolge einer Veränderung der Verfahrenslage zu einem Zweitantrag werden könne, bezieht er sich hiermit auf eine dort geltend gemachte Umdeutung einer Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG in eine solche nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG und verhält sich nicht zu der Frage des maßgeblichen Zeitpunktes für die Annahme eines Zweitantrages.

(2) Das Bundesamt hat darüber hinaus die notwendige Überzeugungsgewissheit hinsichtlich des endgültigen erfolglosen Abschlusses eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat gewonnen (vgl. hierzu Bruns in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 71a AsylG Rn. 9). Erforderlich sind hierfür stets Informationen zum Verfahrensstand und zum Tenor einer gegebenenfalls getroffenen Entscheidung in dem anderen Mitgliedstaat (vgl. zum Vorstehenden Kammerbeschluss vom 29.5.2018 – 3 B 3526/18 –, n.v.; Dickten in: Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 20. Edition, Stand 1.11.2018, AsylG, § 71a, Rn. 2a, VG Augsburg, Beschluss vom 4.1.2018 – Au 7 S 17.35239 –, juris). Diese liegen hier in Gänze vor. Das Bundesamt hat den schwedischen Bescheid übersetzen lassen. Ferner haben die schwedischen Behörden mitgeteilt, dass dieser Bescheid am 6. Dezember 2017 rechtskräftig geworden ist.

cc) Bei Schweden handelt es sich um einen sicheren Drittstaat im Sinne des § 26a AsylG, für den die Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten.

dd) Voraussichtlich zu Recht hat das Bundesamt des Weiteren das Vorliegen von Wiederaufgreifensgründen nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG verneint. Gemäß § 51 Abs. 1 VwVfG hat die Behörde auf Antrag über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat, neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung (ZPO) gegeben sind. Die Antragstellerin hat selbst ausgeführt, dass sie gegenüber ihrem Vorbringen in Schweden keine anderen Asylgründe anzugeben oder neue Beweise vorzulegen habe. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des VwVfG liegen somit schon nach dem Vorbringen der Antragstellerin nicht vor. Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO sind ebenfalls weder vorgetragen noch ersichtlich.

Es kann vor diesem Hintergrund dahinstehen, welche Überzeugungsgewissheit das Bundesamt in Bezug auf das Vorliegen von Wiederaufgreifensgründen gewinnen muss bzw. ob und inwieweit hier Nachforschungspflichten des Bundesamtes zur Beurteilung derselben bestehen. Das Bundesamt hätte solchen im vorliegenden Fall jedenfalls auch mit der Übersetzung und Würdigung des schwedischen Bescheides Genüge getan.

b) Abschiebungsverbote sind nicht gegeben.

aa) Soweit die Antragstellerin sich hier auf eine somalische Staatsangehörigkeit beruft und damit wohl eine Fehlerhaftigkeit der Zielstaatsbezeichnung der Abschiebungsandrohung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. §§ 59 und 60 Abs. 10 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) geltend macht, ist nach Aktenlage überwiegend wahrscheinlich, dass sie jedenfalls formal die äthiopische Staatsangehörigkeit innehat. Sie hat bei dem Bundesamt angegeben, aus der Region Awaare, Stadt D., Dorf E. zu stammen bzw. dort bis zu ihrer Ausreise ihren Aufenthalt genommen zu haben. Diese Gegend liegt in Äthiopien. Dies entspricht auch den eigenen Angaben der Antragstellerin. So antwortete sie auf die Frage, wo geographisch gesehen ihr Heimatdorf in Somalia liege: „In Äthiopien, die Hälfte ist unser Land.“ Mit ihrer somalischen „Staatsangehörigkeit“ dürfte sich die Antragstellerin nach dem Vorstehenden vielmehr auf ihre ethnische Zugehörigkeit beziehen. Die Somali machen die größte ethnische Gruppe in Awaare aus (https://en.wikipedia.org/wiki/Aware_(woreda)#cite_ref-3).

bb) Eine Abschiebung ist auch nicht gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK unzulässig.

(1) Es kann dahinstehen, ob im Rahmen dieser Vorschriften auch eine sachliche Prüfung des Verfolgungsvorbringens, welches – wie hier – auch im Rahmen der Zuerkennung eines internationalen Schutzstatus zu prüfen wäre, erfolgen muss oder ob hierfür die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen vorliegen müssen (vgl. Heusch in: Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 14. Edition, AsylG, § 31, Rn. 21; a.A. VG Hannover, Urteil vom 27.4.2017 – 10 A 2292/16 –, n.v.; wohl auch BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 – 1 C 4/16 –, juris, Rn. 20). Die Voraussetzungen des Art. 3 EMRK liegen jedenfalls nicht vor.

Der Antragstellerin droht voraussichtlich in Äthiopien weder Folter noch eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung. Ihr Vorbringen gegenüber dem Bundesamt und den schwedischen Behörden ist insofern tatsächlich zu detailarm und widersinnig, um mit überwiegender Wahrscheinlichkeit im Hauptsacheverfahren ein Verfolgungsschicksal zu belegen. Hinsichtlich der Anforderungen an den Vortrag der Antragstellerin muss unterschieden werden zwischen den in die eigene Sphäre der Asylsuchenden fallenden Ereignissen, insbesondere ihrer persönlichen Erlebnisse, und den in den allgemeinen Verhältnissen ihres Herkunftslandes liegenden Umständen, die ihre Furcht vor Verfolgung rechtfertigen sollen. Lediglich in Bezug auf erstere muss sie eine Schilderung geben, die geeignet ist, ihren Anspruch lückenlos zu tragen, wobei dem persönlichen Vorbringen der materiell beweisbelasteten Antragstellerin und dessen Würdigung nach § 108 VwGO im Hinblick auf die regelmäßig bestehende Not an anderen Beweismitteln gesteigerte Bedeutung zukommt. Zur Anerkennung kann schon allein ihr Tatsachenvortrag führen, sofern ihre Behauptungen unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände in dem Sinne „glaubhaft“ sind, dass sich das Tatsachengericht von ihrer Wahrheit überzeugen kann (Nds. OVG, Urteil vom 27.6.2017 – 2 LB 91/17 –, BeckRS 2017, 118678, Rn. 33). An einer glaubhaften Darlegung im vorgenannten Sinne fehlt es vorliegend. Insbesondere erschließt sich derzeit nicht, wieso die Antragstellerin von Regierungssoldaten verfolgt worden sein sollte, weil sie ihrem Vater und den seinerseits eingeladenen Mitgliedern der ONLF Essen serviert habe, der Vater der Antragstellerin aber als Mitglied der ONLF unbehelligt mit den Kindern der Antragstellerin in Äthiopien geblieben ist.

(2) Unter Art. 3 EMRK fallen ferner auch Gefahrenlagen aufgrund schlechter humanitärer Verhältnisse (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.6.2013 – 10 C 13.12 –, juris; BVerwG, Urteil vom 31.1.2013 – 10 C 15.12 –, juris). Schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat können jedoch nur in begründeten Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen (BVerwG, Urteil vom 31.1.2013 – 10 C 15/12 –, BVerwGE 146, 12-31). Ein solcher Ausnahmefall ist hier weder vorgetragen noch ersichtlich. Es ist insbesondere nicht davon auszugehen, dass die Antragstellerin als alleinstehende Frau ohne soziale bzw. familiäre Bindung in dem Land den dortigen Lebensbedingungen schutzlos ausgeliefert und nicht in der Lage wäre, ihre Existenz zu sichern (vgl. zu diesen Fällen VG Saarland, Urteil vom 23.3.2016 – 3 K 877/15 –, juris, Rn. 237 ff.; Urteil vom 28.6.2016 – 3 K 2044/15 –, juris, Rn.107, 113; Kammerbeschlüsse vom 14.6.2017 (3 B 4360/17), 8.12.2016 (3 B 6901/16) und 3.11.2016 (3 B 5933/16)). Denn es ist überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin sich erneut ihrem Familienverbund anschließen kann. Zwar hat sie gegenüber dem Bundesamt behauptet, zuletzt bei ihrer Flucht mit ihrer Familie gesprochen zu haben. Dagegen spricht jedoch, dass sie von dem zwischenzeitlichen Tod ihrer Mutter erfahren hat. Im Übrigen hat sie gegenüber dem Bundesamt angegeben, dass sie Landwirtschaft gehabt und damit ihren Lebensunterhalt sichergestellt hätten. Sie hätten Milch gehabt und geschlachtet, Tiere verkauft und Hirse angebaut. Nach alledem liegen keine Anhaltspunkte für eine fehlende Existenzsicherung der Antragstellerin in Äthiopien vor.

cc) Schließlich ist auch ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG nicht anzunehmen. Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll nach dieser Vorschrift abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Derartige individuelle Gefahren sind in Bezug auf die Antragstellerin weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 83 b AsylG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 80 AsylG).